Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2010, Az. II ZR 266/08

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2530

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) ARBEITSRECHT KÜNDIGUNG HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT

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Gegenstand

GmbH-Geschäftsführer: Anspruch auf Weiterbeschäftigung in leitender Funktion nach Abberufung


Leitsatz

Der Geschäftsführer einer GmbH hat nach Widerruf seiner Bestellung bei fortbestehendem Anstellungsverhältnis grundsätzlich keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion. Etwas anderes kann gelten, wenn sich dem Anstellungsvertrag eine dahingehende Vereinbarung entnehmen lässt .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 30. Oktober 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, den Kläger zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen in einer seiner früheren Tätigkeit als Direktor und Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle der [X.] ähnlichen leitenden Stellung über den 31. Dezember 2007 hinaus weiter zu beschäftigen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2008 zurückgewiesen.

Unter Abänderung der Kostenentscheidung des [X.] haben die Beklagte 3/4 und der Kläger 1/4 der Kosten des ersten Rechtszugs zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte ebenfalls zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 46 % und die Beklagte 54 %.

Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger 59 % und die Beklagte 41 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die beklagte GmbH betreibt in [X.] die Bundeskunsthalle. Gesellschafter sind die [X.] und die 16 Bundesländer. Der Kläger wurde 1989 zum Geschäftsführer bestellt.

2

Während die [X.] vom 18. Dezember 1989 und 19. Dezember 1991 jeweils befristet auf fünf Jahre abgeschlossen worden waren, sah die zuletzt am 20. Juli 1995 geschlossene Vereinbarung eine feste Vertragsdauer bis zum 31. Dezember 2001 und anschließend - vorbehaltlich eines spätestens bis zum 31. Dezember 1999 zu fassenden anders lautenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung - die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses auf unbestimmte Zeit vor. Im Jahre 1995 war § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der [X.] gestrichen worden. Dieser hatte gelautet: "Die Bestellung (des Geschäftsführers) kann nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden."

3

Nach Abberufung des [X.] als Geschäftsführer kündigte die Beklagte am 25. Juni 2007 aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung den Geschäftsführeranstellungsvertrag zum 31. Dezember 2007. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass das Dienstverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden sei. Zudem hat er die Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Funktion als Direktor und Intendant, hilfsweise in einer ähnlichen leitenden Stellung, und die Zahlung seiner Vergütung verlangt. Die Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] unter Zurückweisung der weitergehenden Klage den Fortbestand des Dienstverhältnisses festgestellt, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des [X.] in einer seiner früheren Tätigkeit ähnlichen leitenden Stellung verurteilt und dem [X.] überwiegend stattgegeben. Der Senat hat die Revision der [X.] insoweit zugelassen, als diese zur Weiterbeschäftigung des [X.] verurteilt worden ist. Die weiter gehende Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] hat der Senat zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

5

I. Das Berufungsgericht hält nach Auslegung des zwischen den Parteien geltenden Anstellungsvertrages § 53 Abs. 3 [X.] im Vertragsverhältnis der Parteien für anwendbar. Das Anstellungsverhältnis des [X.] sei deshalb nicht mehr ordentlich kündbar und durch die Kündigung nicht beendet. Dementsprechend habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf weitere Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion.

6

II. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

1. Zu Recht und von der Revision als der Beklagten günstig nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings das als Hauptantrag formulierte Begehren des [X.], ihn zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen als Geschäftsführer (Direktor und Intendant) über den 31. Dezember 2007 hinaus weiter zu beschäftigen, zurückgewiesen. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer einer GmbH lässt sich aus dem Anstellungsvertrag nicht herleiten ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2002 - [X.], [X.], 28, 29; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 17. Aufl., [X.] zu § 6 Rn. 28; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 10. Aufl., § 35 Rn. 294). Organ- und Anstellungsverhältnis sind nach dem Trennungsgrundsatz in ihrem Bestand voneinander unabhängig ([X.], Urteil vom 10. Mai 2010 - [X.], [X.], 1288 Rn. 9; Urteil vom 26. Juni 1995 - [X.], [X.], 1334, 1335; Urteil vom 9. Februar 1978 - [X.], [X.], 319 f.). Aus dieser rechtlichen Trennung folgt grundsätzlich, dass beide Rechtsverhältnisse nach den jeweiligen dafür geltenden Vorschriften beendet werden. Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Geschäftsführerbestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG gewährleistet der [X.] eine weitgehende Organisationsfreiheit. Dieses Recht schließt den vom Kläger ursprünglich geltend gemachten "anstellungsvertraglichen Beschäftigungsanspruch" hinsichtlich einer Tätigkeit als Geschäftsführer aus. Denn das Gesetz gewährt in § 38 Abs. 1 GmbHG dann, wenn - wie hier - im [X.]svertrag nichts anderes bestimmt ist (vgl. § 38 Abs. 2 GmbHG), die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit "unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen" ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2002 - [X.], [X.], 28, 29).

8

2. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion.

9

Der Senat hat sich in früheren Entscheidungen bereits damit befasst, ob der aus seiner Organstellung Abberufene gehalten sein kann, eine andere angemessene Beschäftigung unterhalb der Organstellung bei der [X.] auszuüben ([X.], Urteil vom 14. Juli 1966 - II ZR 212/64, [X.], 968, 969; Urteil vom 9. Februar 1978 - [X.], [X.], 319). Die hiervon zu unterscheidende Frage, ob der abberufene Geschäftsführer aus dem fortbestehenden Anstellungsverhältnis einen Anspruch auf Tätigkeit und Beschäftigung in der [X.] hat, konnte der Senat in seiner Entscheidung vom12. November 1952 ([X.], [X.]Z 8, 35, 45 f.) offenlassen. Teilweise wird ein solcher Anspruch in der Literatur bejaht, dem im Rahmen einer Interessenabwägung von der [X.] entgegengehalten werden könne, die [X.] habe im Einzelfall ein schützenswertes Interesse an einer Nichtbeschäftigung ([X.]/[X.]/[X.] aaO; Leuchten, GmbHR 2001, 750). Einen Anspruch des Geschäftsführers auf Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion lehnt der Senat indes grundsätzlich ab (ebenso [X.], GmbHR 1997, 1104, 1105; [X.] aaO; [X.]/[X.], GmbHG, 2006, § 38 Rn. 117; Baums, [X.], 1987, [X.]; [X.] in [X.]/[X.], GmbH-Geschäftsführung, § 13 Rn. 74.; [X.]/[X.], [X.] 1993, 1341, 1347; [X.], [X.] 1998, 408, 411; [X.] in Festschrift [X.], 2003, [X.], 461 f; [X.]/[X.], GmbHR 2004, 1, 10). Ausgangspunkt dafür ist die Auslegung des Anstellungsvertrages. Dieser kann zwar im Fall der Abberufung des Geschäftsführers aus der Organstellung einen Anspruch auf Beschäftigung in einer ähnlichen Position als leitender Angestellter vorsehen. Der Anstellungsvertrag hat aber regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der [X.] ist typischerweise nicht vereinbart. Sie stellt ein aliud zu der Geschäftsführertätigkeit dar und kann deshalb aus dem Anstellungsvertrag nicht hergeleitet werden.

Dies entspricht auch der typischen Interessenlage der Beteiligten. Der abberufene Geschäftsführer hat kein existenzielles Interesse an einer Weiterbeschäftigung, weil er aufgrund des fortbestehenden Anstellungsvertrages in Verbindung mit § 615 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts hat. Er hat nur insoweit ein Interesse an einer Weiterbeschäftigung, als die Nichtbeschäftigung von ihm als Ansehensverlust oder Minderung der Lebensfreude empfunden wird. Die [X.] dagegen hat ein Interesse daran, im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit die Leitungspositionen in ihrem Unternehmen mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen. Zwischen dem abberufenen Geschäftsführer und der [X.] besteht aber im Regelfall kein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis mehr. Bei einer Abwägung dieser Interessen überwiegt regelmäßig das Interesse der [X.].

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass in dem Anstellungsvertrag der Parteien ausdrücklich oder im Wege der Auslegung eine Pflicht der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des [X.] begründet ist. Dafür spricht auch nichts.

Strohn                                  Caliebe                                   Reichart

                  Drescher                                   Born

Meta

II ZR 266/08

11.10.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 30. Oktober 2008, Az: 18 U 21/08, Urteil

§ 38 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2010, Az. II ZR 266/08 (REWIS RS 2010, 2530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2530


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II ZR 266/08

Bundesgerichtshof, II ZR 266/08, 11.10.2010.


Az. 18 U 21/08

Oberlandesgericht Köln, 18 U 21/08, 30.10.2008.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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