Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.07.2021, Az. 6 AZR 207/20

6. Senat | REWIS RS 2021, 4062

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Gegenstand

Vergütung von Umkleidezeiten eines Zugbegleiters - Tarifauslegung - Voraussetzungen der Schätzung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2019 - 20 Sa 1571/16 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung des [X.] das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2016 - 31 [X.] 3660/16 - teilweise abgeändert hat.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2016 - 31 [X.] 3660/16 - wird auch im Hinblick auf den Antrag, festzustellen, dass die Umkleidezeiten im Betrieb einschließlich der Wegezeiten als Bestandteil der tariflichen Regelarbeitszeit zu berücksichtigen und zu vergüten sind, zurückgewiesen.

3. Im Übrigen, dh. hinsichtlich des Antrags auf Zeitgutschrift für Umkleidezeiten am 28. September 2015 und 4. Oktober 2015, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die [X.]erücksichtigung von Umkleide- und Wegezeiten des [X.] als vergütungspflichtige Arbeitszeit.

2

Der Kläger ist bei der [X.]eklagten als [X.] beschäftigt. [X.] beiderseitiger Tarifbindung findet der Tarifvertrag für Zugbegleiter und [X.]ordgastronomen von Schienenverkehrsunternehmen des [X.] ([X.]) Anwendung. Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 24 

        

Ausschlussfrist

        

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

        

…       

                 
                 
        

§ 49   

        

Arbeitszeitkonto

        

(1) Für Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto geführt, in dem die geleisteten [X.]en und die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen [X.]estimmungen zu verrechnenden bzw. anzurechnenden [X.]en fortlaufend erfasst werden. Das Arbeitszeitkonto dient auch als arbeitszeitrechtliche Grundlage für das Entgelt.

        

…       

        

§ 54   

        

[X.]eginn und Ende der Arbeitszeit

        

…       

        

(1) Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein [X.]verwaltungssystem durch ein [X.] zu bedienen ist.

        

(2) Für Arbeitnehmer mit wechselnden Arbeitsplätzen innerhalb einer Schicht beginnt und endet die Arbeitszeit am Ort des [X.] (Schichtsymmetrie). Abweichungen davon, innerhalb der politischen Gemeinde, bedürfen der Zustimmung des [X.]etriebsrats. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall für den Transfer zurück zum Ort des [X.] innerhalb einer angemessenen [X.] auf seine Kosten verantwortlich. Näheres regelt eine [X.]etriebsvereinbarung, in der eine vergleichbare, von der politischen Gemeinde abweichende, räumliche Zuordnung vorgesehen werden kann.

        

…       

        

§ 85   

        

[X.]

        

[X.] sind Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Einzelheiten werden durch [X.]etriebsvereinbarung geregelt.“

3

Der Kläger gehört zum unternehmensbekleidungspflichtigen Mitarbeiterkreis im Sinne der bei der [X.]eklagten geltenden Konzernbetriebsvereinbarung über die Ausstattung mit [X.] vom 27. November 2014 ([X.]). Nach der [X.] für die [X.] (Richtlinie Ubk), die [X.]estandteil der [X.] ist, stellt die [X.] ein wesentliches Element des Erscheinungsbildes der [X.]eklagten in der Öffentlichkeit dar. Sie soll die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als deren Repräsentanten erkennbar machen. Dem unternehmensbekleidungspflichtigen Mitarbeiterkreis steht es frei, ob die [X.] bereits zu Hause oder erst im [X.]etrieb angezogen wird. Abgesehen vom Arbeitsweg ist es jedoch nicht gestattet, die [X.] außerhalb der Arbeitszeit zu tragen.

4

Im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens kam es am 25. Juli 2014 zum Abschluss einer „[X.]etriebsvereinbarung zur Regelung der Mitbestimmung beim An- und Ablegen der [X.]“. Diese lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 2   

        

Vorlage der Einsatzpläne zur Mitbestimmung mit [X.]en für das An- und Ablegen der [X.]

        

Der Arbeitgeber legt dem [X.]etriebsrat Einsatzpläne vor, die für alle Arbeitnehmer in ausreichendem Maße [X.]en für das An- und Ablegen der [X.] im [X.]etrieb berücksichtigen.

        

Die Ermittlung des ausreichenden Umfangs der [X.]en für das An- und Ablegen der [X.] ist Sache des Arbeitgebers.

        

Der Arbeitgeber verpflichtet sich, mit Wirkung ab dem 07. August 2014 die tatsächlich aufgewandten [X.]en des An- und Ablegens der [X.] der Arbeitnehmer, die sich im [X.]etrieb umziehen, zu erfassen.“

5

Auf jedem sog. Arbeitsauftrag, der anhand der bei der [X.]eklagten erstellten Schichtpläne angefertigt wird, befindet sich seitdem ein Stempelaufdruck, auf dem der Mitarbeiter freiwillig vermerken kann, ob er sich im [X.]etrieb umgekleidet hat und wie lange dies gedauert hat. Die [X.]eklagte vergütet die Umkleidezeiten nicht gesondert.

6

Die Einsatzstelle des [X.], von der aus er regelmäßig seine Arbeitsschichten antritt, ist [X.] Dort begibt er sich zunächst in eine Meldestelle, in der festgestellt wird, dass er seinen dienstplanmäßigen Dienst angetreten hat. Der Kläger erhält seine Arbeitsaufträge und nimmt seine Arbeitsmittel an sich. Eine Etage tiefer befinden sich die Umkleideräume.

7

Auf dem Stempelaufdruck des [X.] vom 28. September 2015 vermerkte der Kläger Umkleidezeiten von zweimal sieben Minuten und auf dem vom 4. Oktober 2015 Umkleidezeiten von sieben bzw. von sechs Minuten.

8

Der Kläger vertritt die Ansicht, bei den Umkleide- und Wegezeiten handle es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die [X.] sei in hohem Maße auffällig. Er behauptet unter [X.]eweisantritt und Vorlage zweier von ihm angefertigter Protokolle, er habe sich am 28. September 2015 sowie am 4. Oktober 2015 von einem Zeugen begleiten lassen und seine Umkleide- sowie Wegezeiten gestoppt. Danach habe der [X.] am 28. September 2015 zu Schichtbeginn 7,5 Minuten und bei [X.] sechs Minuten gedauert. Am 4. Oktober 2015 habe er für die [X.] 6,5 und sieben Minuten benötigt.

9

Mit seiner am 16. März 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift hat der Kläger die Verurteilung der [X.]eklagten begehrt, an ihn für am 28. September 2015 und am 4. Oktober 2015 aufgewendete Umkleide-, Wege- und Rüstzeiten 19,35 Euro brutto, ersatzweise eine [X.]gutschrift von 64,5 Minuten, zu leisten. Daneben hat er die auf die Zukunft gerichtete Feststellung begehrt, dass die Umkleide- und Rüstzeiten einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten von der [X.]eklagten im Umfang von 52 Minuten abzüglich 20 Minuten je Schicht bei Schichtbeginn und -ende an der Einsatzstelle [X.] als Arbeitszeit auf seinem Arbeitszeitkonto zu berücksichtigen, hilfsweise finanziell abzugelten sind. Das Arbeitsgericht hat die Klageanträge insgesamt abgewiesen.

Im Rahmen seiner zunächst unbeschränkt eingelegten und begründeten [X.]erufung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2017 auf Anregung des [X.] die [X.]erufung im Hinblick auf den Leistungsantrag zurückgenommen und den Feststellungsantrag dahin konkretisiert, dass die unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlichen [X.]en des An- und Ablegens der [X.] im [X.]etrieb einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten sowie weitere Rüstzeiten als [X.]estandteil der von der [X.]eklagten geschuldeten tariflichen Regelarbeitszeit vergütungspflichtig sind. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die vom Kläger zuletzt begehrte Feststellung im Hinblick auf die Umkleide- und die dabei veranlassten Wegezeiten getroffen. Im Übrigen, dh. hinsichtlich der Rüstzeiten, hat es die [X.]erufung zurückgewiesen.

Auf die Revision der [X.]eklagten hat der Senat - unter Zurückweisung der hinsichtlich der Rüstzeiten eingelegten Revision des [X.] - mit Urteil vom 7. Februar 2019 (- 6 [X.] -) das Urteil des [X.] in [X.]ezug auf die Feststellung der Vergütungspflicht der Umkleide- und der dabei veranlassten Wegezeiten aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

Der Kläger hat in dem fortgesetzten [X.]erufungsverfahren zuletzt - soweit für die Revision noch von [X.]elang - beantragt,

        

1.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, an ihn für Umkleidezeiten am 28. September 2015 und 4. Oktober 2015 eine [X.]gutschrift von 16,5 + 16,5 = 33 Minuten, ersatzweise Vergütungszahlung von 9,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit Klagezustellung, zu gewähren;

        

2.    

festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen [X.]en des An- und Ablegens der [X.] im [X.]etrieb einschließlich der Wegezeiten zwischen Umkleidebereich und Meldestelle/Disponat von der [X.]eklagten als [X.]estandteil der vom Kläger geschuldeten tariflichen Regelarbeitszeit zu berücksichtigen und zu vergüten sind.

Die [X.]eklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Anträge seien unzulässig, jedenfalls unbegründet. Sie schulde keine Vergütung für die Umkleidezeiten. Die [X.] sei unauffällig und verwechselbar mit derjenigen von Fluggesellschaften oder anderen [X.]ahnunternehmen. Die Auslegung der anwendbaren Tarifverträge ergebe, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst gegen eine gesonderte Vergütung der streitgegenständlichen [X.]en entschieden hätten. Überdies seien die Ansprüche für Umkleidezeiten aus dem [X.] zwischenzeitlich verjährt.

Das [X.] hat in dem fortgesetzten [X.]erufungsverfahren das Urteil des Arbeitsgerichts erneut teilweise abgeändert, dem Leistungsantrag im Umfang von 29 Minuten sowie dem Feststellungsantrag stattgeben und im Übrigen die [X.]erufung zurückgewiesen.

Die [X.]eklagte begehrt mit der vom [X.] zugelassenen Revision, das Urteil des [X.] teilweise aufzuheben sowie die [X.]erufung zurück- und damit die Klage insgesamt abzuweisen. Sie hat mit [X.] vom 2. März 2021 vorgetragen, dass seit August 2020 eine nach Farbe, Schnitt und Zusammensetzung neu konzipierte [X.] - auch vom Kläger - zu tragen ist. Der Kläger hat keine ([X.] eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des [X.]s (§ 562 Abs. 1 ZPO).

I. Bezüglich des noch rechtshängigen Leistungsantrags, dem laufenden Jahresarbeitszeitkonto des [X.] 29 Minuten für Umkleide- und Wegezeiten am 28. September 2015 und 4. Oktober 2015 gutzuschreiben, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ob der zulässige Antrag begründet ist, konnte der Senat anhand der bisherigen Feststellungen des [X.]s nicht selbst entscheiden.

1. Der Antrag auf [X.]gutschrift ist zulässig.

a) Er ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt bei der gebotenen, auf die Ermöglichung einer Sachentscheidung gerichteten Auslegung (vgl. [X.] 26. September 2018 - 7 [X.] - Rn. 13; 18. Jan[X.]r 2017 - 7 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 158, 31) den Inhalt der vom Kläger begehrten Entscheidung erkennen. Mit dem Antrag möchte der Kläger noch die Gutschrift von 29 Minuten auf dem für ihn von der [X.] auf der Grundlage des § 49 Abs. 1 [X.] geführten Jahresarbeitszeitkonto, in dem zu verrechnende und anzurechnende [X.]en fortlaufend erfasst werden, erreichen mit der Folge, dass sich der aktuelle Saldo der von ihm zu leistenden Jahresarbeitszeit um die gutgeschriebenen Minuten reduziert (vgl. zu den Anforderungen allgemein zB [X.] 18. März 2020 - 5 [X.] - Rn. 12, [X.]E 170, 172; 15. Mai 2019 - 7 [X.] - Rn. 11).

b) Dem Leistungsantrag steht im vorliegenden Fall eine etwaige (Teil-)Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils ausnahmsweise nicht entgegen. Das gebietet der aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende Anspruch auf ein faires Verfahren. Daher kann dahinstehen, ob eine solche (Teil-)Rechtskraft aufgrund der vom Kläger in der Berufungsverhandlung am 20. September 2017 erklärten teilweisen Berufungsrücknahme anzunehmen wäre.

aa) Wird ein Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt, erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Rechtsmittelbegründung einen beschränkten Antrag enthält, der hinter der Beschwer des Rechtsmittelklägers durch das angegriffene Urteil zurückbleibt. Die Hemmung erfasst selbst in dem Fall, dass das angegriffene Urteil mehrere prozess[X.]le Ansprüche zum Gegenstand hatte, insbesondere auch diejenigen Teile, die ausweislich der [X.] nicht angefochten worden sind oder von der insoweit obsiegenden [X.] mangels Beschwer von vornherein nicht angefochten werden konnten. Dies beruht auf der Erwägung, dass der ursprüngliche Umfang des Rechtsmittelangriffs sich im Laufe des Rechtsmittelverfahrens dadurch erweitern kann, dass entweder der Rechtsmittelkläger das anfangs auf einen Teil des Urteils beschränkte Rechtsmittel auf den bisher nicht angefochtenen Teil ausdehnt oder sein Gegner sich dem Rechtsmittel anschließt und hierdurch Teile des vorinstanzlichen Urteils in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden, die der Rechtsmittelkläger nicht angefochten hat und mangels Beschwer auch nicht anfechten konnte. Der nicht angefochtene Teil des Urteils wird daher außer im Fall eines entsprechenden Rechtsmittelverzichts erst dann rechtskräftig, wenn er weder durch Erweiterung der [X.] noch durch ein Anschlussrechtsmittel in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden kann und damit insoweit jede Möglichkeit einer Änderung im Rechtsmittelzug ausgeschlossen ist (vgl. zum Ganzen: [X.] 18. Febr[X.]r 2016 - 8 [X.] - Rn. 22 f. mwN; [X.] - zu 3 der Gründe mwN; 1. Dezember 1993 - [X.] - zu II 4 b der Gründe mwN; MüKoZPO/[X.] 6. Aufl. § 705 Rn. 11 f.; [X.] ZPO 22. Aufl. § 705 Rn. 8). Eine Erweiterung der [X.] ist unproblematisch vor Ablauf der Begründungsfrist möglich; danach bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auch nach Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht, sofern die erweiterten Anträge durch die fristgerecht vorgebrachten Anfechtungsgründe (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO) gedeckt sind (vgl. [X.] 18. Febr[X.]r 2016 - 8 [X.] - Rn. 22; [X.] 28. September 2000 - [X.] - zu I der Gründe mwN, [X.]Z 145, 256; 8. Juni 1994 - [X.] - zu 3 der Gründe mwN; MüKoZPO/[X.] § 520 Rn. 36 mwN).

[X.]) Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung auf die vorliegende Konstellation zu übertragen ist, in der der Kläger nach unbeschränkter Berufungseinlegung keinen beschränkten Berufungsantrag gestellt, sondern ausweislich seiner Berufungsbegründung das arbeitsgerichtliche Urteil zunächst in vollem Umfang angegriffen und nach Ablauf der Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen die Berufung teilweise zurückgenommen hat (für [X.]: [X.] 13. Juni 1930 - IX B 5/1930 - JW 1930, 2954, 2955; 20. Juli 1936 - VI 4/36 - [X.]Z 152, 37, 44; [X.] 6. Juni 1967 - 20 [X.] - NJW 1967, 2216; [X.]/[X.] ZPO 23. Aufl. § 516 Rn. 18; vgl. auch [X.] 1. Oktober 2020 - III ZR 60/19 - Rn. 15; 8. März 1989 - [X.] - zu II 3 a der Gründe; gegen eine Teilrechtskraft und für die Möglichkeit, die Berufung wieder auf den zurückgenommenen Teil auszudehnen: MüKoZPO/[X.] 6. Aufl. § 516 Rn. 22, 26; PG/[X.] ZPO 13. Aufl. § 516 Rn. 17; [X.]/[X.]/[X.] 42. Aufl. § 516 Rn. 3; Musielak/[X.]/[X.] ZPO 18. Aufl. § 516 Rn. 27).

(1) Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die teilweise Berufungsrücknahme auf Anraten des [X.]s erfolgt ist. Infolgedessen war der Feststellungsantrag auch als [X.] unzulässig geworden. Aus diesem Grund hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Febr[X.]r 2019 (- 6 [X.] -) die Sache zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens an das [X.] zurückverwiesen. Dieses aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende „allgemeine Prozessgrundrecht“ hat für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren grundlegende Bedeutung ([X.] 4. September 2020 - 1 BvR 2427/19 - Rn. 27). Es beinhaltet die Verpflichtung der Gerichte, das Verfahren so zu gestalten, wie die [X.]en es von ihnen erwarten dürfen. Insbesondere sind die Gerichte allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Sit[X.]tion verpflichtet und ist es ihnen untersagt, aus eigenen oder ihnen zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile abzuleiten ([X.] 17. Jan[X.]r 2006 - 1 BvR 2558/05 - Rn. 8). Wäre es dem Kläger aufgrund der vom [X.] angeregten Berufungsrücknahme verwehrt, seinen ursprünglichen Leistungsantrag nunmehr als Hauptklage wieder in den Prozess einzuführen, würde sich der Fehler des [X.]s perpetuieren. Dem Risiko der Prüfung eines auf andere [X.] bezogenen Leistungsantrags auf eine Sachdienlichkeit iSv. § 533 ZPO, sofern die Beklagte einer solchen Klageerweiterung nicht zugestimmt hätte, wovon der Kläger aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs ausweislich seines Schriftsatzes vom 22. Juli 2019 ausging, musste er sich nicht aussetzen.

(2) Durch die teilweise Berufungsrücknahme im Verhandlungstermin am 20. September 2017 ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Leistungsklage daher nicht in Rechtskraft erwachsen. Dieser Teil des [X.] konnte durch Erweiterung des [X.] vielmehr wieder in das Verfahren eingeführt werden. Dies ist möglich, weil die Vorschriften der Zivilprozessordnung nicht die Rechtsverfolgung erschweren oder verhindern sollen und auch nicht Selbstzweck sind, sondern der Wahrung der materiellen Rechte der Prozessbeteiligten dienen ([X.] 24. September 2015 - 6 [X.] - Rn. 24; [X.] 2. Juli 2004 - V ZR 290/03 - zu II 1 a der Gründe).

[X.]) Aus den gleichen Gründen steht entgegen der Annahme der [X.] das sog. Verbot der reformatio in peius dem erneuten Einführen des Leistungsantrags, über den das [X.] aufgrund der teilweisen Berufungsrücknahme nicht mehr entscheiden musste, nicht entgegen.

dd) Schließlich führt auch der Umstand, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 7. Febr[X.]r 2019 (- 6 [X.] -) die Revision des [X.] zurückgewiesen hatte, entgegen der Ansicht der [X.] nicht zur Unzulässigkeit des im fortgesetzten Berufungsverfahren (wieder) gestellten Leistungsantrags. Die Zurückverweisung des Rechtsstreits allein auf die Revision der [X.] führte entgegen ihrer Annahme nicht dazu, dass dem [X.] nur der Feststellungsantrag, der Gegenstand ihrer Revision war, angefallen ist. Vielmehr wurde dadurch die Berufungsinstanz wieder eröffnet und das Verfahren in die Lage zurückversetzt, in der es sich zu der [X.] befand, als die Verhandlung vor dem Erlass des aufgehobenen Urteils geschlossen wurde. Die frühere Verhandlung bildet mit der neuen eine Einheit. Auch wenn die Zurückverweisung auf die Revision der [X.] hin erfolgte, konnte der Kläger neue Anträge stellen und seine Berufung dadurch (wieder) erweitern (vgl. [X.] 13. Dezember 1962 - III ZR 89/62 - NJW 1963, 444; [X.]/[X.] ZPO 33. Aufl. § 563 Rn. 2).

2. Ob der Leistungsantrag begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des [X.]s nicht selbst entscheiden. Das [X.] hat zunächst ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Umkleide- und damit zusammenhängenden Wegezeiten des [X.] an sich zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören (nachfolgend unter a) und dass die Vergütungspflicht nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ausgeschlossen ist (nachfolgend unter b). Schließlich sind hieraus resultierende Ansprüche auf Vornahme einer [X.]gutschrift nicht verjährt (nachfolgend unter c). Die im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ermittelten Umkleide- und Wegezeiten von insgesamt 29 Minuten beruhen jedoch auf einem Rechtsfehler des [X.]s. Die tatsächlich maßgeblichen [X.]en hätte das [X.] durch eine Beweisaufnahme feststellen müssen (nachfolgend unter d).

a) Bei den vom Kläger am 28. September 2015 sowie 4. Oktober 2015 benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der [X.] im Betrieb einschließlich der hierdurch veranlassten Wegezeiten handelt es sich dem Grunde nach um vergütungspflichtige Arbeitszeit gemäß § 611 Abs. 1 BGB (seit 1. April 2017 § 611a Abs. 2 BGB).

aa) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Hierzu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im [X.] verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmung ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, also [X.] ist (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 22; 18. März 2020 - 5 [X.] - Rn. 17).

Entscheidet sich der Arbeitnehmer, verpflichtend zu tragende Dienstkleidung unter Nutzung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Umkleidemöglichkeiten im Betrieb anzulegen, ist die hierfür aufgewandte [X.] [X.] und daher vom Arbeitgeber zu vergüten. Das gilt entgegen der Annahme der [X.] auch bei einer nicht besonders auffälligen Dienstkleidung sowie dann, wenn der Arbeitgeber es - wie die Beklagte - dem Arbeitnehmer freistellt, ob er sich zu Hause oder im Betrieb umkleidet. Entscheidend ist allein, dass der entstandene [X.]aufwand auf der Weisung des Arbeitgebers zum Tragen einer vorgeschriebenen Kleidung beruht ([X.] 6. September 2017 - 5 [X.] - Rn. 21, 13, [X.]E 160, 167; Volk [X.] 56 S. 47, 55 ).

[X.]) Danach hat das [X.] die für das An- und Ablegen der Dienstkleidung benötigte [X.] sowie die damit verbundenen notwendigen innerbetrieblichen Wegezeiten zutreffend dem Grunde nach als vergütungspflichtige Arbeitszeiten angesehen.

(1) Es steht zwischen den [X.]en außer Streit, dass der Kläger gemäß der [X.] zum Tragen der [X.] verpflichtet ist.

(2) Der Kläger hat sich am 28. September 2015 und am 4. Oktober 2015 im Betrieb der [X.] umgezogen. Davon ist das [X.] - entgegen der Annahme der [X.] - berechtigterweise ausgegangen. Eine Beweisaufnahme war hierzu nicht erforderlich. Aus diesem Grund kommt es auf die von der [X.] aufgeworfene Frage der besonderen Auffälligkeit der [X.] nicht an.

(aa) Das [X.] hat den Kläger als beweisbelastet für die zwischen den [X.]en streitige Frage angesehen, ob der Kläger an den fraglichen Tagen überhaupt Umkleidezeiten aufgewandt hat. Allerdings hat es gemäß § 286 Abs. 1 ZPO angenommen, dass es einer Beweiserhebung nicht bedürfe, weil kein Anhaltspunkt dafür existiere, dass sich der Kläger entgegen der dokumentierten Umkleidezeiten an diesen beiden Tagen nicht in den Umkleideräumen der [X.] umgezogen haben könnte.

([X.]) Die Beweisaufnahme über die [X.] kann entbehrlich sein, wenn Indizien, die unstreitig oder erwiesen sind, den Schluss auf die [X.] zulassen ([X.] 18. November 2020 - [X.]/20 - Rn. 38), wenn nicht gegenteilige Indizien dargelegt oder ersichtlich sind oder der Prozessgegner nicht seinerseits Gegenbeweis anbietet ([X.] 9. Juli 2007 - II [X.]/06 - Rn. 2).

Das Gericht hat in einem solchen Fall zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der [X.] überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen. [X.] ist ihre Würdigung allein daraufhin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und Denk- und Erfahrungsgrundsätze nicht verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben sie nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (vgl. [X.] 24. Juni 2021 - 5 [X.] - Rn. 41, 43; 11. Juni 2020 - 2 [X.] - Rn. 63).

([X.]) Dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle hält die tatrichterliche [X.] stand. Das [X.] hat nachvollziehbar ausgeführt, warum es letztlich keine Zweifel daran hatte, dass sich der Kläger an den fraglichen Tagen tatsächlich in den Umkleideräumen am [X.] umgezogen hat. Es hat die vorgelegte Arbeitszeitdokumentation insoweit als richtig angesehen, weil diese für den Kläger besonders bedeutsam gewesen sei, nachdem es sich um [X.] habe handeln sollen, welche die Grundlage für das Gerichtsverfahren zur Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleidezeiten bilden sollten. Ferner habe der Kläger einen Zeugen beigezogen. Außerdem befänden sich auch auf den Stempelaufdrucken für die beiden fraglichen Tage Angaben des [X.] zu Umkleidezeiten. Die Beklagte erhebt weder verfahrensrechtliche noch inhaltliche Angriffe gegen diese Würdigung. Insbesondere hat sie die Echtheit der Protokolle nicht bestritten und auch nicht in Abrede gestellt, dass die Arbeitsaufträge der beiden fraglichen Tage ebenfalls Umkleidezeiten ausweisen. Sie macht lediglich geltend, das [X.] habe zu einer „non [X.] kommen müssen. Dass die [X.]angaben in den Stempelaufdrucken von den [X.] zum Teil abweichen, stellt die Annahme des [X.]s, dass der Kläger sich überhaupt im Betrieb umgezogen hat, nicht in Frage.

b) Die Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten ist im Streitfall nicht ausgeschlossen.

aa) Mit der Einordnung der Umkleidezeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist noch nicht geklärt, wie diese [X.]en zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden ([X.] 12. Dezember 2018 - 5 [X.] - Rn. 19; 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 31 mwN). Unter Beachtung der Binnenschranken der Betriebsverfassung ist eine gesonderte Vergütungsregelung auch in einer Betriebsvereinbarung möglich ([X.] 18. März 2020 - 5 [X.] - Rn. 18, 19 ff., [X.]E 170, 172; vgl. auch [X.] 12. Dezember 2018 - 5 [X.] - Rn. 22 ff.). Dabei kann eine Vergütung auch ganz ausgeschlossen werden, sofern mit der getroffenen Vereinbarung nicht der jedem Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete vergütungspflichtige Arbeit nach § 1 Abs. 1 [X.] zustehende Anspruch auf den Mindestlohn unterschritten wird (vgl. zu Reisezeiten [X.] 17. Oktober 2018 - 5 [X.] - Rn. 18 mwN, [X.]E 164, 57; allgemein zu [X.] Volk [X.] 56 S. 47, 67 f.). Wollen die Tarifvertragsparteien die grundsätzlich bestehende Vergütungspflicht des Arbeitgebers ausschließen, muss sich dem Tarifvertrag - jedenfalls im Wege der Auslegung - ein entsprechender übereinstimmender Regelungswille entnehmen lassen ([X.] 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 35; 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 27 ff.).

[X.]) Ein solcher Regelungswille lässt sich den bei der [X.] anwendbaren tarifvertraglichen Bestimmungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit entnehmen. § 49 Abs. 1 [X.] enthält Regelungen zum Arbeitszeitkonto. Er trifft aber keine Aussage darüber, welche [X.]en als vergütungspflichtige Arbeitszeiten in das Arbeitszeitkonto einzustellen sind. Den tarifvertraglichen Bestimmungen ist entgegen der Annahme der [X.] auch nicht zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien in § 54 Abs. 1 [X.] den Begriff „Arbeitsplatz“ bewusst als gegenüber der „Arbeitsstelle“ engeren Begriff verwendet und als Ort der tatsächlichen Ableistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit verstanden haben mit der Folge, dass der Umkleideraum nicht Ort des [X.] und -endes sein und dort auch nicht die vergütungspflichtige Arbeitszeit beginnen und enden kann. Das [X.] hat bereits 2013 und damit vor Abschluss des [X.] darauf hingewiesen, dass sich einer Norm, die für Beginn und Ende der Arbeitszeit auf den Arbeitsplatz abstellt, nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt, ob es sich beim Umkleiden um Arbeitszeit handelt (zu den wortlautgleichen § 53 des Tarifvertrags für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des AgvMoVe [[X.]] und § 43 Abs. 1 des Tarifvertrags für Tätigkeiten der [X.][X.] und Vertrieb - [FGr 5-TV] [X.] 12. November 2013 - 1 [X.] - Rn. 41, 44, [X.]E 146, 271). Mit einer solchen Regelung können die Tarifvertragsparteien eine Vergütungspflicht also gerade nicht ausschließen. Hätten die Tarifvertragsparteien, die nach dem Vorbringen der [X.] den [X.] in Kenntnis der Entwicklung der Rechtsprechung des [X.]s zur Vergütungspflicht von Umkleidezeiten abgeschlossen haben, einen solchen Verzicht vereinbaren wollen, hätten sie vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung eine andere Wortwahl treffen müssen, um diesen Regelungswillen zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt umso mehr, als sich § 54 Abs. 1 [X.] in dem mit „Spezifische Arbeitszeitregelungen“ überschriebenen Teil B des Tarifvertrags und nicht im Teil [X.] „Spezifische Entgeltregelungen“ findet. Schließlich lässt sich auch den Vorschriften des [X.] zur [X.] ein solcher Verzicht nicht entnehmen. In § 85 [X.] haben die Tarifvertragsparteien unter der Überschrift „[X.]“ ausschließlich diesen Begriff definiert und wegen der weiteren Einzelheiten auf eine Betriebsvereinbarung verwiesen. Hierdurch haben sie aber keine Regelung darüber getroffen, ob die tarifliche Arbeitszeit die [X.]en für das An- und Ablegen dieser Kleidungsstücke umfasst, sondern nur die Pflicht zum Tragen einer besonderen Dienstkleidung normiert (vgl. zu § 78 [X.], § 48 FGr 5-TV [X.] 12. November 2013 - 1 [X.] - Rn. 42, aaO).

[X.]) Durch die auf der Grundlage der Öffnungsklausel des § 85 Satz 2 [X.] geschlossene „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Mitbestimmung beim An- und Ablegen der [X.]“ ist die Vergütungspflicht der Umkleide- und Wegezeiten ebenfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit a[X.]edungen. Ihr lässt sich im Gegenteil entnehmen, dass die Betriebsparteien diese [X.]en für die vergütungspflichtige Arbeitszeit als grundsätzlich berücksichtigungsfähig ansehen, die Ermittlung des ausreichenden Umfangs aber dem Arbeitgeber überlassen.

c) Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Gutschrift für Umkleidezeiten am 28. September 2015 und am 4. Oktober 2015 steht die von der [X.] erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegen. Der Anspruch ist auch nicht verfallen.

aa) Die Verjährungsfrist für die Ansprüche auf [X.]gutschrift für die beiden fraglichen Tage beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Diese Frist begann mit dem Schluss des Jahres 2015 (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat am 16. März 2016 - und damit vor Ablauf dieser Frist - Klage erhoben (§ 253 Abs. 1, § 167 ZPO). Hierdurch ist eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eingetreten. Durch die teilweise Berufungsrücknahme ist, wie ausgeführt (vorstehend Rn. 24 f.), jedenfalls aufgrund der besonderen prozess[X.]len Konstellation keine Rechtskraft hinsichtlich der Abweisung des Leistungsantrags eingetreten. [X.] kann, ob sie zu einem Verfahrensstillstand wegen „[X.]“ nach § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB geführt hat. Selbst wenn man dies zu Gunsten der [X.] annähme, hätte zwar die Hemmung sechs Monate nach der letzten diesbezüglichen Verfahrenshandlung zunächst geendet (§ 204 Abs. 2 Satz 3 iVm. Satz 1 BGB), durch das Wiederaufgreifen des Begehrens einer [X.]gutschrift dann aber erneut begonnen (§ 204 Abs. 2 Satz 4 BGB). Letzte Verfahrenshandlung iSv. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB wäre hier die teilweise Rücknahme der Berufung am 20. September 2017. Die Hemmung hätte mithin am 20. März 2018 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) geendet und mit der Weiterverfolgung des Anspruchs im Schriftsatz vom 22. Juli 2019 erneut begonnen. [X.] man diesen [X.]raum von ca. 16 Monaten zu der bei Klageerhebung bereits abgelaufen Verjährungsfrist von ca. 2,5 Monaten hinzu, wäre die dreijährige Verjährungsfrist offensichtlich noch nicht abgelaufen.

[X.]) Der Anspruch des [X.] ist entgegen der Annahme der [X.] nicht nach § 24 [X.] verfallen. Der Kläger hat seine Ansprüche innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit geltend gemacht, indem er am 16. März 2016 und damit vor Fristablauf Klage erhoben hat (§ 253 Abs. 1, § 167 ZPO).

d) Allerdings kann der Senat nach den bisherigen Feststellungen des [X.]s nicht beurteilen, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger an den fraglichen Tagen entgeltrelevante Umkleide- und Wegezeiten aufgewandt hat. Die Annahme des [X.]s, wonach hierfür insgesamt 29 Minuten anzusetzen seien, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Insoweit rügt die Beklagte zu Recht, dass die Voraussetzungen einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO nicht vorgelegen haben.

aa) Vergütungspflichtig ist die [X.], die für das Umkleiden sowie das Zurücklegen der dabei veranlassten Wege erforderlich ist. Zur Ermittlung der [X.]spanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist nur die [X.], die der einzelne Arbeitnehmer im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 32). Bei der Ermittlung der erforderlichen [X.] sind die Variablen des Umkleidevorgangs zu berücksichtigen. Hierzu gehören [X.]. die Fragen, welche Privatkleidung je nach Jahreszeit der Arbeitnehmer zuvor getragen hat und welche Wartezeiten (auf die Ausgabe der Kleidung, auf Aufzüge etc.) notwendigerweise entstehen ([X.] 26. Oktober 2016 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 157, 116).

[X.]) Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die [X.]en im geltend gemachten Umfang erforderlich waren (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 32). Steht fest (§ 286 ZPO), dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen [X.]en bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (vgl. [X.] 6. September 2017 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 160, 167; 13. Dezember 2016 - 9 [X.] - Rn. 54; zuletzt zu sog. Umwegezeiten [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 31 ff.). § 287 ZPO dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der [X.] über die Schranken des § 286 ZPO aus. Zudem reicht bei der Entscheidung über die Höhe einer Forderung - im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO - eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus. Allerdings darf das Gericht nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO eine Schätzung nur vornehmen, wenn unter den [X.]en die Höhe einer Forderung streitig und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände entweder unmöglich oder mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen ([X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 33 f.).

[X.]) Nach diesen Grundsätzen durfte das [X.] vorliegend keine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen, weil die vollständige Aufklärung der vergütungspflichtigen Umkleidezeiten nicht mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden war. Gegenstand des Leistungsantrags des [X.] ist im Unterschied zu den Fällen, in denen das [X.] die Möglichkeit einer Schätzung anerkannt hat, nicht eine [X.]gutschrift bezüglich Umkleidezeiten, die über einen längeren [X.]raum in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Jahreszeiten mit zahlreichen unterschiedlichen privaten Kleidungsstücken angefallen sind. Vielmehr begehrt der Kläger eine [X.]gutschrift lediglich für zwei konkrete Tage, für die er die [X.] zeitlich erfasst und dokumentiert hat. Auch wenn der Kläger „nur“ eine [X.]gutschrift für 33 Minuten begehrt hat und die Höhe des streitigen Anspruchs daher gering ist, bestand danach kein Raum für eine Schätzung. Es wäre eine Beweisaufnahme hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen [X.]en durch Einvernahme des von ihm benannten Zeugen ohne Schwierigkeiten möglich und deshalb erforderlich gewesen. Die Beweisaufnahme wird das [X.] nachzuholen haben.

II. Begründet ist die Revision auch, soweit sie sich gegen die vom [X.] getroffene Feststellung richtet. Der Feststellungsantrag ist unzulässig.

1. Dem Feststellungsantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Das hat der Senat mit Urteil vom 7. Febr[X.]r 2019 (- 6 [X.] - Rn. 28, 14 f.) bereits entschieden.

2. Das Feststellungsinteresse ist nicht ausnahmsweise deswegen entbehrlich, weil es sich bei dem Antrag um eine zulässige [X.] iSd. § 256 Abs. 2 ZPO handelt.

a) Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann zugleich mit der Hauptklage auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen, Rechtsverhältnisses geklagt werden. Die [X.] trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß § 322 ZPO nur die Entscheidung über den [X.], nicht aber auch über das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst und demgemäß ein späterer Rechtsstreit derselben [X.]en über weitere auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis gestützte Ansprüche zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte. Mit ihr wird ein Element aus der Gesamtentscheidung, das geeignet ist, über den konkreten Einzelfall hinaus Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen, verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Das für eine solche Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt darum nur dann vor, wenn das inzidenter ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den [X.]en Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen kann. Diese Vorgreiflichkeit macht das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich. Werden mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der [X.]en mit Rechtskraftwirkung erschöpfend geregelt, ist bzw. wird die [X.] unzulässig ([X.] 7. Febr[X.]r 2019 - 6 [X.] - Rn. 18; 27. Jan[X.]r 2011 - 6 [X.] - Rn. 16 mwN; vgl. auch [X.] 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 19; 21. März 2018 - 5 [X.] - Rn. 24).

b) Eine solche Vorgreiflichkeit besteht im vorliegenden Fall nicht mehr. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. März 2021 unwidersprochen vorgetragen hat, gibt es seit August 2020 eine neue [X.], die auch der Kläger nunmehr verpflichtend tragen muss. Dies hat der Senat als unstreitige Tatsache bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Prozessvoraussetzungen zu berücksichtigen. Der Feststellungsantrag des [X.] bezieht sich aber - wie seine Auslegung unter Berücksichtigung der Klagebegründung ergibt - auf die bis August 2020 maßgebliche [X.] ([X.] 7. Febr[X.]r 2019 - 6 [X.] - Rn. 26). Damit hat der Feststellungsantrag zwischen den [X.]en ausschließlich im vorliegenden Rechtsstreit für die Hauptklage Bedeutung. Eine darüber hinausgehende Relevanz hat er nicht mehr und kann diese auch nicht mehr gewinnen. Weitere Ansprüche des [X.] in Bezug auf die alte [X.] sind wegen der Ausschlussfrist des § 24 [X.] ausgeschlossen.

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

    Heinkel    

        

        

        

    Augat    

        

    D. Knauß    

                 

Meta

6 AZR 207/20

15.07.2021

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 27. Juli 2016, Az: 31 Ca 3660/16, Urteil

§ 1 TVG, Art 2 Abs 1 GG, § 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB, § 1 Abs 1 MiLoG, § 287 ZPO, § 705 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.07.2021, Az. 6 AZR 207/20 (REWIS RS 2021, 4062)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4062

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