Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2005, Az. VI ZR 366/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3661

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 10. Mai 2005 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB §§ 831 A, 823 Hb, 840 Abs. 1 und 2; [X.] § 3 Nr. 1 und 8; [X.] § 106 Abs. 3 Alt. 3 Eine Haftungsfreistellung des nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte täti-gen Unternehmers wegen Störung des [X.] mit einem nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] haftungsprivilegierten [X.]n setzt voraus, daß der [X.] nachweislich schuldhaft gehandelt hat (Fortführung des Senatsurteils [X.] 157, 9 ff.).

[X.], Urteil vom 10. Mai 2005 - [X.]/03 - OLG Brandenburg

LG Cottbus - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren nach Ende der Schriftsatzfrist bis 18. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] zu 2 wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 26. November 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu 2 verurteilt worden ist, an den Kläger Schmer-zensgeld zu zahlen und seine Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher immaterieller Schäden aus dem Unfall vom 10. Mai 1999 [X.] worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger nimmt den [X.] zu 2 als Haftpflichtversicherer des an einem Unfall beteiligten Lkw auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf [X.] 3 - stellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden in [X.]. Der Kläger und der Beklagte zu 1 waren als Lkw-Fahrer für verschiedene Arbeitgeber tätig, für die sie am 10. Mai 1999 Asphalt zur Erneuerung des Stra-ßenbelags einer Brücke transportierten. Die Brücke führt über die Gleise der [X.]. Die elektrischen Oberleitungen für die Züge sind im Luftraum über der Brücke verspannt. Um den Asphalt ordnungsgemäß auf der Fahrbahn verteilen zu können, mußte der den Asphalt liefernde Lkw mit dem Ladegut rückwärts an die Asphaltiermaschine herangefahren werden. Die Asphaltierma-schine, die über eine eigene Lenkeinrichtung gesteuert wurde, schob sodann den Lkw vor sich her, der durch Anheben der Kippmulde die Maschine mit fri-schem Asphalt versorgte. Zum Unfallzeitpunkt ließ sich der Beklagte zu 1 in entsprechender Weise mit dem bei dem [X.] zu 2 haftpflichtversicherten Lkw, dessen Halter der Arbeitgeber des [X.] zu 1 war, schieben. Der Kläger hatte den von ihm geführten Lkw abgestellt und wartete auf die Beendigung des Arbeitsvorgangs, um den von ihm angelieferten Asphalt abladen zu können. Als der Kläger die geöffnete Beifahrertür des von dem [X.] zu 1 gesteuerten Lkw [X.], um sich zu erkundigen, wie lange der Entladevorgang noch dauere, erlitt er auf nicht geklärte Weise einen Stromschlag. Er wurde dadurch schwer verletzt. Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen hat den Unfall des [X.] als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger meint, der Beklagte zu 1 habe den Unfall fahrlässig [X.]. Der Arbeitgeber und Halter des Fahrzeugs - der Inhaber der [X.] - hafte für den [X.] zu 1 aus vermutetem Auswahl- oder Überwachungs-- 4 - verschulden, weshalb der entsprechende Direktanspruch auch gegen den [X.] zu 2 gegeben sei. Das [X.] hat die Ersatzpflicht des [X.] zu 2 für die materiel-len Schäden aufgrund der Haftung für die Betriebsgefahr des Lkw festgestellt. Es hat im übrigen die Klage abgewiesen, weil der Beklagte zu 1 gemäß § 106 Abs. 3 3. Alt. [X.] von der Haftung für das streitgegenständliche Unfallge-schehen freigestellt sei. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberlandesge-richt unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der [X.]berufung des [X.] zu 2 diesen zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 • verurteilt und festgestellt, daß er verpflichtet sei, dem Kläger neben den materiellen Schäden auch künftige immaterielle Schäden zu [X.]. Der erkennende Senat hat die nur vom [X.] zu 2 eingelegte Revision zugelassen, soweit dieser verurteilt worden ist, an den Kläger Schmerzensgeld zu zahlen und seine Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher immaterieller Schäden aus dem Unfall vom 10. Mai 1999 festgestellt worden ist. Mit der im Umfang dieser Zulassung geführten Revision begehrt der Beklagte zu 2 die Zurückwei-sung der Berufung des [X.] in vollem Umfang und die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der allein noch im Streit befindli-chen Haftung des [X.] zu 2 auf Ersatz des immateriellen Schadens des - 5 - [X.] ausgeführt, daß der Schaden durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht worden sei. Der Beklagte zu 2 hafte als Haftpflichtversicherer des vom [X.] zu 1 gesteuerten Lkw gemäß § 3 Nr. 1 [X.] allerdings nur, so-weit der Arbeitgeber - zugleich der Halter des Lkw - zur Leistung von Schmer-zensgeld verpflichtet sei. Diesen treffe nach § 831 Abs. 1 BGB ein Verschulden bei der Auswahl und Überwachung seines [X.]n, des [X.] zu 1. Ob dieser die Verletzung schuldhaft verursacht habe, sei für die Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB unerheblich. Zwar könne nach dem Schutzzweck des § 831 BGB der Geschäftsherr ausnahmsweise vom Geschädigten trotz rechts-widriger Schadenszufügung durch einen [X.]n nicht in Anspruch genommen werden, wenn dieser objektiv fehlerfrei gehandelt habe. Hierfür sei der Beweis jedoch nicht erbracht. Es sei Sache des Geschäftsherrn und im [X.] daran auch des nach § 3 [X.] direkt haftenden Versicherers, den [X.] der Widerrechtlichkeit zu beweisen. Auch den [X.] nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB habe der Beklagte zu 2 nicht geführt. I[X.] Das Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Das [X.] hat außer [X.] gelassen, daß unter den Umständen des Streitfalls ein Ausschluß der Haftung des [X.] zu 2 nach den §§ 831, 823, 847 BGB (a.F.) nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil [X.] 157, 9 ff.). Darauf weist die Revision mit Recht hin. 1. Aufgrund der insoweit eingetretenen Rechtskraft ist nicht Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung, daß die Klage gegen den [X.] zu 1 wegen der [X.] nach § 106 Abs. 3 3. Alt. [X.] abgewie-sen worden ist. Die Revisionserwiderung übersieht mit ihrem Einwand, die - 6 - rechtskräftige Klagabweisung wirke nur für und gegen den einzelnen Gesamt-schuldner und gelte nach § 425 BGB nicht für die Verpflichtung des [X.] zu 2 als weiteren Gesamtschuldner, die Rechtskrafterstreckung nach § 3 Nr. 8 [X.]. Diese gilt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats, auch dann wenn der Direktanspruch und der Haftpflichtanspruch nicht in ge-trennten, nacheinander geführten Prozessen geltend gemacht, sondern Versi-cherer und Schädiger als - einfache (vgl. [X.] 63, 51, 53 ff.) - Streitgenossen gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 13. Dezember 1977 - [X.] ZR 206/75 - VersR 1978, 862, 865; vom 29. Mai 1979 - [X.] ZR 128/77 - VersR 1979, 841 f.; vom 14. Juli 1981 - [X.] ZR 254/79 - VersR 1981, 1156 ff.; ebenfalls vom 14. Juli 1981 - [X.] ZR 304/79 - VersR 1981, 1158 f. und vom 24. Juni 2003 - [X.] ZR 256/02 - VersR 2003, 1121). 2. Für die Entscheidung des Falles ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von Bedeutung, ob der Beklagte zu 1 schuldhaft gehan-delt hat. [X.] den [X.] zu 1 ein Verschulden, hätte seine [X.] eine Störung des dann bestehenden [X.] zur Folge, aufgrund deren der Beklagte zu 2 dem Kläger nicht für den Ersatz imma-teriellen Schadens haften würde. a) Besteht zwischen mehreren [X.] ein Gesamtschuldverhältnis, können Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweit-schädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrecht-liche [X.] des [X.] gestört wäre (st. Rspr. vgl. [X.] [X.] 61, 551, 55; 94, 173, 176; 155, 205, 212 f.; 157, 9, 14 ff.; vom 17. Februar 1987 - [X.] ZR 81/86 - NJW 1987, 2669, 2670). Diese Beschränkung - 7 - der Haftung des [X.]s beruht auf dem Gedanken, daß einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im [X.] unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitbe-rücksichtigung des Grundes der [X.], nämlich der anderwei-tigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den [X.] den Schaden allein tragen zu [X.] (hierzu grundlegend Senat [X.] 61, 51, 53 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der [X.] "in Höhe des [X.]" frei-zustellen, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man sei-ne [X.] hinwegdenkt (vgl. Senat [X.] 61; 155 und 157 [X.] aaO). Unter "[X.]" ist die Zuständigkeit für die Schadens-verhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der [X.] zu verstehen (Senat [X.] 110, 114, 119). b) Nach diesen Grundsätzen hätte der Beklagte zu 1 bei Annahme sei-nes Verschuldens im Innenverhältnis zu seinem Arbeitgeber die Verantwortung für die [X.] ohne die [X.] des § 106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] allein zu tragen, weil diesen als Geschäftsherrn nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB die gesamtschuldnerische Haftung nur aus vermutetem Auswahl- und Überwachungsverschulden treffen könnte. Darüber hinaus bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine eigene "Verantwortlichkeit" des Arbeitgebers zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von [X.] oder eines Organisationsverschuldens (vgl. Senatsur-teil [X.] 157, aaO, 19 f.). Bei dieser Sachlage wäre im Verhältnis der beiden Gesamtschuldner zueinander der Beklagte zu 1 nach § 840 Abs. 2 BGB allein verpflichtet, wenn er nachweislich schuldhaft gehandelt hätte (Senatsurteil [X.] 157, aaO, 15). Dann wäre nämlich "ein anderes bestimmt" im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. - 8 - Dies beruht auf dem Grundgedanken, daß - wenn auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt - im Innenverhältnis der schuldhaft Handelnde den ganzen Schaden tragen soll. Auch kann derjeni-ge, der seinerseits eine Pflicht verletzt hat, im Innenausgleich sich nicht mit [X.] darauf berufen, in der Erfüllung eben dieser Pflicht nicht genügend über-wacht worden zu sein (vgl. Senat [X.] 110, 114, 122). Mithin wäre es, falls den [X.] zu 1 ein Verschulden trifft, nicht ge-rechtfertigt, den Arbeitgeber des [X.] zu 1 und im Wege des [X.] nach § 3 Nr. 1 [X.] den [X.] zu 2 als Haftpflichtversicherer gleichwohl für den Personenschaden des [X.] haften zu lassen, so daß die Frage eines Verschuldens des [X.] zu 1 nicht offenbleiben konnte. c) An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch einen etwa bestehenden arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des [X.] zu 1 gegen seinen Ar-beitgeber. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Diese Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gelten grundsätzlich nur im Innenver-hältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie beschränken weder Haft-pflichtansprüche von außerhalb des Betriebes stehenden [X.] (st. Rspr. vgl. etwa Senatsurteile [X.] 110, 114; 108, 305; vom 21. Dezember 1993 - [X.] ZR 103/93 - [X.], 477, 478; [X.], 54, 55), noch können sie umgekehrt bei einer [X.] des Arbeitnehmers im Rahmen des gestörten [X.] die haftungsrechtliche "[X.]" des Arbeitgebers im Verhältnis zum geschädigten außenstehenden [X.] erweitern (vgl. Senat [X.] 157, aaO, 17 m.w.[X.]). - 9 - II[X.] Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Klä-rung des Verschuldens des [X.] zu 1 an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen. Müller

[X.] [X.]

[X.]

Zoll

Meta

VI ZR 366/03

10.05.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2005, Az. VI ZR 366/03 (REWIS RS 2005, 3661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3661

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