Bundespatentgericht, Beschluss vom 05.11.2018, Az. 15 W (pat) 25/17

15. Senat | REWIS RS 2018, 2141

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Thrombose- und Osteoporoseprophylaxe" - Verwendung einer Vorrichtung zur Reduzierung des Thrombose- und Osteoporoserisikos – therapeutisches Verfahren - Ausschluss


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2009 031 270.6

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], des Richters [X.], der Richterin Zimmerer und des Richters Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2009 031 270.6 wurde am 30. Juni 2009 unter der Bezeichnung "[X.]" beim [X.] von Prof. Dr. med. [X.], [X.], eingereicht. Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 5. Januar 2011.

2

Im Prüfungsverfahren wurden für die Prüfung auf die Patentfähigkeit nach den §§ 1 bis 5 [X.] im Prüfungsbescheid vom 9. April 2010 die folgenden Entgegenhaltungen in Betracht gezogen:

3

D1 [X.] 33 06 948 A1

4

[X.] [X.] 26 53 556 A1

5

D3 [X.] 297 05 390 [X.]

6

Mit der Eingabe vom 31. Mai 2010 beantragte der Anmelder die Patenterteilung mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen.

7

Am 25. Februar 2014 wurde eine Anhörung ohne Beschlussfassung durchgeführt. In dieser wurde die Frage erörtert, inwieweit der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Patentierbarkeit gemäß § 2a Absatz 1 Ziffer 2 [X.] ausgeschlossen ist.

8

Die Prüfungsstelle für [X.] B hat die Anmeldung mit Beschluss vom 6. März 2014 zurückgewiesen, da es sich bei der Verwendung einer Vorrichtung zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos nach Anspruch 1 um ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers handele ([X.] § 2a (1) Nr. 2).

9

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 3. April 2014, eingegangen per Fax am selben [X.]ag, der das Patentbegehren auf Grundlage der ursprünglichen Ansprüche weiterverfolgt (Hauptantrag).

Hauptantrag lautet mit eingefügter Merkmalsgliederung wie folgt:

[X.] Verwendung einer Vorrichtung zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos,

[X.] die über einen [X.] (1) die von einer Person mit ihrem Vorfuß (5) erzeugte [X.] ermittelt und

[X.] ein Signal generiert, das die Person erkennen lässt, ob ihre [X.] einen Mindestwert erreicht hat.

An Anspruch 1 schließen sich die direkt oder indirekt rückbezogenen [X.] 2 bis 9 an.

Hilfsantrag (eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018) hat folgenden Wortlaut (mit Merkmalsgliederung, Unterschiede zum Hauptantrag unterstrichen/durchgestrichen).

Verwendung einer Vorrichtung zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos,

[X.] die über einen [X.] (1) die von einer Person mit ihrem Vorfuß (5) erzeugte [X.] ermittelt und

[X.] ein Signal generiert, das die Person erkennen lässt, ob ihre [X.] einen Mindestwert erreicht hat.

An Anspruch 1 schließen sich die direkt oder indirekt rückbezogenen, nunmehr auf eine Vorrichtung gerichteten [X.] 2 bis 9 analog zum Hauptantrag an.

Der Anmelder macht bezüglich des [X.] geltend, dass es sich bei der beanspruchten Verwendung einer Vorrichtung zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos nicht um ein medizinisches Verfahren handle, das gemäß § 2a (1) Nr. 2 [X.] von der Patentierbarkeit ausgenommen sei.

Dies entspräche der Erteilungspraxis des [X.]s. Weiter verwies der Vertreter des Anmelders auf die [X.]-Rechtsprechung, insbesondere [X.]" ([X.]), in der der [X.] ausgeführt habe, dass [X.] Elemente von Erzeugnisansprüchen aufwiesen und es sich bei ihrem Gegenstand weder um Herstellungsverfahren noch um Arbeitsverfahren handele. Eine Verwendung sei nicht als ein Verfahren anzusehen, für das die Ausnahmeregelung des § 2 Nr. 3 [X.] anzuwenden wäre. Einer Verwendungserfindung komme vielmehr ein eingeschränkter Sachschutz zu, wodurch sie sich von Verfahrenserfindungen unterscheidet.

Im vorliegenden Fall sei daher die Verwendung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag kein Verfahren und könne daher auch kein therapeutisches Verfahren sein.

Im Hinblick auf den Hilfsantrag wird von dem Anmelder darauf hingewiesen, dass das beanspruchte Bedienkonzept in keiner der [X.] bis D3 offenbart sei und auch für den Fachmann hierfür keine Veranlassung vorhanden sei. Es gebe im Übrigen auch keine derartige Vorrichtung auf dem Markt und die erfindungsgemäße Vorrichtung decke in Anbetracht des mit einer [X.]hrombose verbundenen [X.] einen dringenden Bedarf.

Der Anmelder beantragt,

den ergangenen Beschluss aufzuheben und

und ein Patent mit den ursprünglich eingereichten, hilfsweise mit den mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 eingereichten Patentansprüchen

zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der nachgeordneten Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag, wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist zulässig (§ 73 [X.]). Sie ist jedoch unbegründet.

1. Nach der Anhörung am 25. Februar 2014 wurde der Zurückweisungsbeschluss vom 6. März 2014 dem Anmelder am 10. März 2014 zugestellt. Die Beschwerde ist rechtzeitig innerhalb der 1-Monatsfrist am 3. April 2014 per Fax eingegangen. Die Gebühr wurde per SEPA-Lastschriftmandat gezahlt.

2. Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Vorrichtung zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos (siehe [X.] [0001]).

In der Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, dass eine [X.]hrombose bei Immobilisierungen, wie z. B. bei Erkrankungen oder nach operativen Eingriffen entsteht. In zunehmendem Maße trete sie als so genannte Reisethrombose auf, und zwar in Form einer tiefen Beinvenenthrombose und manchmal als Bein-Beckenvenenthrombose. Auf Reisen, im Auto, Flugzeug oder auf einem Schiff, führe mangelnde Bewegung des Reisenden und das Zusammendrücken von Venen, z. B. das Abdrücken der Kniekehlenvene durch die Vorderkante der Sitzfläche, zu einer Verringerung, teilweise auch einem vorübergehende Stopp des venösen Blutrückstroms aus den Füßen und den Unterschenkeln (siehe [X.] [0003]). In Kenntnis dieses Problems werde daher versucht, beim Reisenden die Strömungsgeschwindigkeit in den Beinvenen zu erhöhen.

In der [X.] 91 12 809 [X.] sei zur Lösung des Problems eine Vorrichtung zur Förderung der Durchblutung in den Beinen beschrieben, die die Anordnung zweier Pedale auf einer gemeinsamen Achse vorsieht, so dass jedes Pedal für sich gegen eine Federkraft um die Achse schwenkbar ist. Hierdurch soll die [X.], insbesondere die Wadenmuskulatur aktivierbar sein. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass für eine wirksame [X.]hromboseprophylaxe nicht nur allein die Bewegung des Fußes ausreichend sei, vielmehr müsse auch [X.] erzeugt werden, um mit der „[X.]“ einer [X.]hrombose sicher entgegenwirken zu können (siehe [X.] [0004], [0006], [0007]).

Ein ähnliches Problem wie die [X.]hrombose stellt weiter die Osteoporose dar. Osteoporose entsteht ebenfalls durch mangelnde körperliche Aktivität, z. B. bei älteren Menschen oder in der Schwerelosigkeit (siehe [X.] [0009]-[0010]).

Aufgabe zugrunde, das [X.]hromboserisiko insbesondere bei Passagieren von Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen und ebenfalls das Osteoporoserisiko zu verringern (siehe [X.] [0011]).

Lösung der Aufgabe schlägt die Patentanmeldung die Verwendung einer zur Kraftermittlung bei Personen ausgebildeten Vorrichtung vor, die über einen [X.] die von einer Person mit ihrem Vorfuß erzeugte Vorfußkraft ermittelt und ein Signal generiert, das die Person erkennen lässt, ob ihre Vorfußkraft einen Mindestwert erreicht hat (siehe [X.] [0012]).

Abbildung

Die einzige [X.]ur der Patentanmeldung zeigt eine Vorrichtung, wie sie zur [X.] verwendbar ist. Der Fuß einer Person befindet sich hier auf einer Platte, die ein Widerlager 4 darstellt. Dabei ist der Fuß so positioniert, dass der Vorfuß 5 einen [X.] 1 berührt, so dass von der Person über den Vorfuß 5 eine [X.] erzeugt werden kann, die von der Messeinrichtung 2 über den [X.] 1 messbar ist. Die Messeinrichtung 2 steht wiederum mit einer [X.] 3 in Verbindung, über die ein Signal an die Person ausgegeben werden kann, so dass die Person erkennt, ob die von ihr erzeugte [X.] ausreichend ist (siehe [X.] [0039]).

3. Als zuständiger Fachmann für die Entwicklung eines Geräts zur Belastung der Füße und die Betätigung der Beinmuskeln (vgl. [X.] [0004]) ist ein Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Geräten zur Physiotherapie oder Rehabilitation mit Muskelbelastung anzusehen. Dieser besitzt Kenntnis von Geräten zur Belastung der Füße und der Betätigung der Beinmuskeln.

Dieser Fachmann legt dem Patentanspruch im Kontext der [X.] folgendes Verständnis zugrunde:

Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Vorrichtung mit den in den Merkmalen [X.] und [X.] angegebenen gegenständlichen Merkmalen zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos. Dabei wird in der Beschreibungseinleitung darauf verwiesen, dass [X.]hrombosen bei Immobilisierungen (wie z. B. bei Erkrankungen, operativen Eingriffen aber auch bei Flugreisen) entstehen. In Kenntnis dieses Problems werde daher versucht, durch Belastung der Füße und Betätigung der Beinmuskeln die Durchblutung (arteriell wie venös) zu steigern (vgl. [X.] [0003]-[0004]).

Die verwendete Vorrichtung besitzt nach Anspruch 1 einen [X.] zur Messung der von der Person erzeugten Vorderfußkraft und einen Signalgeber, der ein beliebiges Signal erzeugen kann. In der Anmeldung wird auf ein „optisches, akustisches oder in anderer Weise ausgebildetes“ Signal verwiesen (vgl. [X.] [0033]: „Das von der [X.] ausgegebene Signal kann optisch, akustisch oder in anderer Weise ausgebildet sein. Ein [X.] hat den Vorteil, dass es grundsätzlich weniger störend auf andere Personen wirkt als beispielsweise ein akustisches Signal.“).

Der [X.] wird nicht näher spezifiziert, er sollte zumindest [X.] von ca. 100 – 1000 N ermitteln können (in der [X.] angegeben für 60kg Körpergewicht: [X.] mit dem halben Körpergewicht 300 N, bei jedem Schritt ca. 110%, vgl. Abs. [0019], [0023]) und kann beispielsweise am oder im [X.] angebracht sein (vgl. [X.] [0029]: „Der [X.] 1 kann aber auch an entsprechender Stelle an oder in einem [X.], beispielsweise an der [X.]sohle angebracht sein. Als [X.]e kommen unter anderem leicht anziehbare [X.]e wie Pantoffeln oder auch Überschuhe in Betracht.“). Auf diese Position des [X.]s ist der Gegenstand nach Anspruch 1 nicht eingeschränkt (vgl. [X.] [0031]: „Andererseits kann es vorteilhaft sein, den [X.] 1 nicht an dem Fuß einer Person anzubringen, sondern direkt an einem Widerlager 4, gegen den die Person ihren Vorfuß 5 drückt. Eine solche Vorrichtung lässt sich beispielsweise von mehreren Personen nacheinander nutzen.“).

Weiter ist eine Auswertevorrichtung vorhanden, die erkennen lässt, ob die [X.] einen Mindestwert erreicht. Dabei geht der Fachmann nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 davon aus, dass der (einmalige) Messwert des [X.] für den Vergleich mit dem Mindestwert verwendet wird (Merkmal [X.]: „ein Signal generiert, das die Person erkennen lässt, ob ihre [X.] einen Mindestwert erreicht hat“).

Im Ausführungsbeispiel und nach Anspruch 6 wird ein Mindestwert beansprucht, der mit aufsummierten Werten des Drucksensors (Gesamtvorfußkraft) verglichen wird (vgl. [X.] [0027]: „In der Praxis würde man zunächst die Aktivitätsleistung einer Person messen und dann entscheiden, ob zur Osteoporoseprophylaxe eine Steigerung ratsam wäre. So könnte man beispielsweise als Wert für eine Gesamtvorfußkraft 330.000 kg bzw. 3.300.000 N vorgegeben. Eine 60 kg schwere Person müsste dann 5.000 Schritte am [X.]ag mit einer [X.] für jedes Bein von 66 kg machen, nämlich 5.000 × 66 kg = 330.000 kg bzw. 3.300.000 N. Bei Erreichen von 330.000 kg bzw. 3.300.000 N würde ein Signal abgegeben. Bei Schritten mit größerer [X.], beispielsweise durch [X.]reppensteigen, würde das Signal nach einer geringeren Zahl von Schritten, also eher, abgegeben, bei kraftlosen [X.] auf einer ebenen Fläche später.“). Unter Berücksichtigung dieser Ausführungsform und der obigen Auslegung des Wortlauts von Merkmal [X.] geht der Fachmann davon aus, dass beide Ausführungsformen unter den Gegenstand des Anspruchs 1 fallen.

4. Die Patentansprüche gemäß Hauptantrag entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen und sind damit ursprünglich offenbart.

Die zugehörige Vorrichtung (Hilfsantrag) ist ebenfalls in der ursprünglichen Beschreibung erläutert. Die Ansprüche nach Hilfsantrag stellen eine Umformulierung der ursprünglichen [X.] dar und beinhalten keine darüber hinaus gehenden strukturellen Merkmale. Damit ist auch die Offenbarung der Ansprüche nach Hilfsantrag nicht zu beanstanden.

5. Die Verwendung der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 in der Fassung nach Hauptantrag ist als therapeutisches Verfahren anzusehen, das nach § 2a [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

5.a Ein Verfahren zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos ist therapeutischer Natur.

[X.]herapeutische Verfahren zur Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers sind Verfahren, die dem Schutz oder der Verbesserung des menschlichen oder tierischen Lebens dienen. Sie haben die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, die Linderung von Leiden, Schmerz oder Beschwerden, die Beeinflussung von Funktionsstörungen oder Funktionsschwächen oder die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit zum Ziel, wobei der Erfolg in der Gegenwart wie in der Zukunft liegt. Der Ausschluss der Patentierbarkeit umfasst sowohl die vorbeugende als auch die heilende Behandlung (B[X.] München, Beschluss vom 6. Dezember 2012 – 21 W (pat) 30/12).

Bei der beanspruchten Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren zur Behandlung des menschlichen Körpers, das der Verbesserung des menschlichen Lebens dient. Es hat die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit bzw. die Beeinflussung von Funktionsstörungen oder Funktionsschwächen zum Ziel. So soll nach der Beschreibung einer möglichen [X.]hrombose- und Osteoporose durch Immobilisierung oder Bewegungsmangel vorgebeugt werden (vgl. [X.] [0011]: „Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, das [X.]hromboserisiko insbesondere bei Passagieren von Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen und ebenfalls das Osteoporoserisiko zu verringern.“).

Diesbezüglich wird in der Beschreibungseinleitung auf die positive bzw. negative Wirkung auf die Gesundheit hingewiesen (vgl. [X.] [0002]: „Die [X.]hrombose ist eine nicht selten auftretende Erkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel ([X.]hrombus) in einem Gefäß, meist einer Vene, bildet. Die Gerinnselbildung führt zur Einengung der [X.] und damit zu einer Störung des Blutkreislaufs. Gerinnsel können sich lösen und abgeschwemmt werden. So kann als schwerste Komplikation einer Venenthrombose eine massive Lungenembolie mit akutem Herzkreislaufstillstand auftreten. Bei offenem Foramen ovale (Defekt in der [X.]) ist auch eine Hirnembolie, also ein Schlaganfall, möglich.“). Weiter wird auch eine Anweisung (Signal) an die Person gegeben, ob ihre [X.] einen Mindestwert erreicht hat, d. h. das therapeutische Ziel erfüllt wird. Das Erzeugen der [X.] bis zu einem Mindestwert ist daher als therapeutischer Verfahrensschritt anzusehen.

Demzufolge sind die geltenden Ansprüche auf eine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers gerichtet, die am menschlichen Körper vorgenommen wird. ([X.] § 2a).

5.b Gemäß § 3 Abs. 4 [X.] in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung ist ein Patentschutz für einen Stoff oder Stoffgemisch zur Behandlung einer Krankheit - in der Form eines Verwendungsanspruchs oder in der Form eines Anspruchs auf zweckgebundenen Stoffschutz – möglich.

Ein Patentanspruch, der eine neue Verwendung eines Stoffes betrifft, hat die Eignung eines bekannten Stoffs für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft zum Gegenstand ([X.] X ZB 7/03 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 [X.] für weitere Indikationen ausdrücklich vorsieht, und zwar unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf die Verwendung des Medikaments, auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck oder ausdrücklich auf zweckgebundenen Stoffschutz gerichtet ist ([X.]– X ZB 5/13 – [X.] I).

Patentschutz kommt für jede spezifische Anwendung eines Stoffs in einem Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers in Betracht, sofern diese neu und erfinderisch ist. Jedenfalls dann, wenn eine im Stand der [X.]echnik nicht bekannte und dem Fachmann auch nicht nahegelegte Art der Anwendung die Aussicht eröffnet, die Wirkungen des Stoffs zu verbessern oder unter zuvor nicht für möglich gehaltenen Einsatzbedingungen herbeizuführen, entspricht es der Zielsetzung des Gesetzes, Patentschutz zu gewähren, sofern auch die sonstigen Patentierungsvoraussetzungen vorliegen ([X.]– X ZB 5/13 – [X.] I).

5.c Im vorliegenden Fall ist der Gegenstand des Anspruchs 1 jedoch als Verfahrensanspruch anzusehen, der nach § 2a [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen ist, und nicht als Stoffanspruch, für den nach § 3 [X.] ein Patentschutz in Betracht kommt, denn Schwerpunkt der in Anspruch 1 beanspruchten Erfindung sind einzelne therapeutische Verfahrensschritte und nicht die Verwendung eines Stoffes für den therapeutischen Zweck.

5.c1 Eine Übertragung der für Stoffe oder Stoffgemische verbundenen Ausnahmeregelung auf die Verwendung eines Gerätes für die Nutzung einer für medizinische Zwecke einsetzbaren Vorrichtung ist durch die [X.]-Entscheidung Arzneimittelgebrauchsmuster nicht gedeckt (siehe auch [X.] 1314/05).

Vielmehr steht einer Ausdehnung der genannten Ausnahmeregelung für die „zweite medizinische Indikation“ auf die Verwendung medizinisch genutzter Vorrichtungen das allgemeine Rechtsprinzip entgegen, dass gesetzliche Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind. Der Gesetzgeber hat den Ausnahmetatbestand der medizinischen Indikation nach § 3 Abs. 3 [X.] ausdrücklich auf Stoffe oder Stoffgemische beschränkt.

Die Rechtsprechung des [X.] zu „Arzneimittelgebrauchsmuster“ und „[X.] I“ ist vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, da es sich bei § 3 Abs. 3 u. 4 i. V. m. § 2a Abs. 1 Nr. 2 [X.] um eine Sonderform zum [X.] der Neuheit oder erfinderischen [X.]ätigkeit im Wege des Stoffschutzes für Arzneimittel handelt. Erst durch die mittels § 3 Abs. 3 u. 4 [X.] eröffnete Möglichkeit wird ein bereits bekannter Stoff – bei seiner neuen Verwendung als Arzneimittel – als Stoff an sich neu. Dies führt dann zu Patentansprüchen, die lauten „[X.] zur Verwendung als Arzneimittel …“ (erste medizinische Indikation) oder „[X.] zur Verwendung bei der Behandlung der Krankheit Y …“ (zweite medizinische Indikation). Auf diese spezifische Gestaltung von Patentansprüchen geht der [X.] in seiner Entscheidung Arzneimittelgebrauchsmuster für das Gebrauchsmusterrecht ein. Daraus aber eine Übertragbarkeit auf beliebige Erzeugnisse abzuleiten geht über die Ausnahmeregelung nach § 3 Abs. 3 [X.] hinaus, auch wenn es sich um eine (medizinischen) Vorrichtung zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos handelt.

5.c2 Die Verwendung im vorliegenden Fall ist daher nicht als neue Verwendung oder Eignung eines Stoffes oder Stoffgemisches aufzufassen. Vielmehr wird eine medizinisch verwendbare Vorrichtung - hier eine Vorrichtung mit [X.] und Signalgeber - mit den angegebenen Verfahrensschritten der Ermittlung der Vorfußkraft und der Generierung eines Signals für ein therapeutisches Verfahren benutzt. Die Erfindung betrifft nicht die neuartige Verwendung eines Stoffes, sondern die Nutzung einer therapeutisch verwendbaren Vorrichtung unter Durchführung der genannten therapeutischen Verfahrensschritte.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 betrifft somit ein Verfahren im Sinne der Ausschlussbestimmung des § 2a [X.].

5.d Die vom Anmelder angeführten erteilten Patente [X.] 43 15 282 C2, [X.] 44 04 140 B4, [X.] 44 47 855 B4 stellen Entscheidungen im Einzelfall dar.

Selbst wenn die genannten Patente die Erteilungspraxis zeigen sollten – was bereits bezweifelt wird - und sich der Anmelder in Verwaltungsverfahren darauf verlassen darf, dass die Verwaltung nicht ohne triftigen Grund von der durch Verwaltungsvorschriften umrissenen Übung abweicht (vgl. 21 W (pat) 15/76 vom 12. Juli 78), so ist zumindest der Senat nicht an die Erteilungspraxis des [X.]s gebunden. Die diesbezügliche Argumentation des Anmelders geht daher ins Leere, da wie oben dargelegt, die Verwendung der Vorrichtung nach Anspruch 1 als therapeutisches Verfahren anzusehen ist.

6. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern die beanspruchte Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag neu ist, denn die Vorrichtung beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen [X.]ätigkeit (§ 4 i. V. m. § 1 Abs. 1 [X.]).

Abbildung

[X.] ist ein Kraftaufnehmer zur Verwendung in der Orthopädie und Medizin offenbart (vgl. [X.] Anwendungsgebiet in der Beschreibungseinleitung S. 5: „Seit längerer Zeit besteht in der Orthopädie und Medizin ein starkes Interesse für Fusskraftmessgeräte. …"). Da der Kraftaufnehmer nicht nur die Gesamtkraft des Fußes, sondern [X.] von einzelnen Zonen messen kann, ist die Vorrichtung analog zur beanspruchten Vorrichtung auch geeignet, zur Reduzierung des [X.]hrombose- und Osteoporoserisikos eingesetzt zu werden (vgl. [X.] S. 11 Z. 5ff: „Wenn sie einteilig ist und die ganze Sohlenfläche bedeckt, wird die Gesamtkraft des Fusses gemessen. Im andern Fall, wenn man sie aufteilt wie [X.]. 2 zeigt, kann [X.] von einzelnen Zonen des Fusses, wie [X.] oder Fussballe, links oder rechts, einzeln gemessen werden.“, Anspruch 10, [X.]. 2) [= Merkmal [X.]

[X.]].

Mittels einer Nachfolgeelektronik und Auswertegeräten wird der Messwert ausgewertet (vgl. [X.] S. 12 Z. 13ff: „… die Nachfolgeelektronik und Auswertegeräte, die elektrostatische Ladungsverstärker enthalten, sind schon entwickelt und können in der gleichen Form, wie sie für piezoelektrische Messgeräte verwendet werden, übernommen werden.“). Diese Messelektronik kann mitgeführt werden und eine beliebige Anzahl von Schritten registrieren (vgl. [X.] S. 12 Z. 14ff: „ Der Hauptvorteil dieses Fusskraftaufnehmers liegt darin, dass er vom Patienten mitgeführt wird und ermöglicht, eine beliebige Anzahl aufeinanderfolgende Schritte zu registrieren, d. h. das Gehen des Patienten als Ganzes zu registrieren.“). Damit wird somit nicht nur die Einzelkraft, sondern [X.] „als Ganzes“ (Gesamtkraft) registriert. Unter Registrieren versteht der Fachmann dabei im Zusammenhang mit Messwerten das Ermitteln und Speichern dieser Messwerte.

Die im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag angegebene Vorrichtung unterscheidet sich von der im Dokument [X.] beschriebenen Einlegesohle lediglich darin, dass ein Signal generiert wird, das die Person erkennen lässt, ob ihre [X.] einen Mindestwert erreicht hat.

Dieser Unterschied kann jedoch keine erfinderische [X.]ätigkeit begründen.

Die Vorrichtung nach der [X.] soll in der Orthopädie und Medizin eingesetzt werden (vgl. [X.] S. 5). Dabei ist dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens geläufig, bei [X.]rainingsgeräten und [X.] im Einsatz für die Orthopädie und Rehabilitation den gemessenen Wert und/oder Gesamtwerte anzuzeigen, um dem Patienten eine Information über den [X.]rainingseffekt zu geben und Fehlbenutzung z. B. durch Überlastung einzelner Körperbereiche zu vermeiden.

[X.]].

Die Argumentation des Patentanmelders, dass die [X.] keine Addition der Einzelfußkräfte zeige, geht bereits deshalb ins Leere, da in Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag die Addition der Einzelfußkräfte nicht vorausgesetzt wird, sondern lediglich von einer [X.] gesprochen wird, bei der das Erreichen eines Mindestwertes der Person signalisiert wird (siehe Auslegung in Abschnitt 3).

Im Übrigen wird auch in der [X.] die Überwachung mehrerer Messwerte angesprochen (vgl. [X.] S. 12 Z. 14ff: „Der Hauptvorteil dieses Fusskraftaufnehmers liegt darin, dass er vom Patienten mitgeführt wird. und ermöglicht, eine beliebige Anzahl aufeinanderfolgende Schritte zu registrieren, d. h. das Gehen des Patienten als Ganzes zu registrieren.“). Damit erhält der Fachmann bereits die Anregung mehrere Messwerte hintereinander gemeinsam auszuwerten, also einen „Gesamtmesswert“ zu ermitteln und für die Überwachung des [X.]rainingseffekts zu verwenden. Wie bereits in Abschnitt 3 dargelegt entspricht dies der Gesamtkraft im Sinne des Streitpatents (u. a. Anspruch 6).

Damit gelangt der Fachmann auch bei enger Auslegung der [X.] als Gesamtkraft ausgehend von der [X.] mit Hilfe einfacher Überlegungen zum Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des [X.], ohne erfinderisch tätig zu werden.

7. Mit den nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 in den beantragten Fassungen fallen aufgrund der Antragsbindung auch die Unteransprüche in den verschiedenen Anspruchsfassungen (vgl. [X.], [X.], 171 - Schneidhaspel). Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch ihre Gegenstände nicht patentfähig sind.

Meta

15 W (pat) 25/17

05.11.2018

Bundespatentgericht 15. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 05.11.2018, Az. 15 W (pat) 25/17 (REWIS RS 2018, 2141)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2141

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

20 W (pat) 4/21 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – zur Frage des Verschuldens …


18 W (pat) 5/19 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren und Vorrichtung zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen in einem transparenten Material" - zur …


35 W (pat) 412/16 (Bundespatentgericht)

(Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – "Lithiumsilikat-Glaskeramik" - zum Ausschlusstatbestand des § 2 Nr. 3 GebrMG – zur Beurteilung …


6 Ni 9/19 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Wundreinigungseinrichtung" – Verwendung eines Wundreinigungstuches zur Wundbettpräparation beim menschlichen Körper - therapeutisches Verfahren …


18 W (pat) 24/16 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Ziegelmaßband" – zur Frage wer Fachmann für die Entwicklung eines Ziegelmaßbands ist – …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

21 W (pat) 30/12

X ZB 5/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.