LG Hannover, Beschluss vom 22.07.2021, Az. 25 O 221/21

25. Zivilkammer | REWIS RS 2021, 3866

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Einstweilige Verfügung: Verpflichtung eines Markplatzbetreibers zur Entsperrung eines Händlerkontos.


Tenor

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das bei ihr geführte [...]-Konto der Antragstellerin "[...]", Verkäufer - ID [...]- zu entsperren und ihr die Nutzung des Kontos wieder zu ermöglichen, bis über die Rechtmäßigkeit der Sperrung des Kontos rechtskräftig entschieden oder eine vergleichbare abschließende Regelung getroffen wurde.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, die in ihren Logistikzentren eingelagerten Waren der Antragstellerin zu vernichten bevor eine rechtskräftige oder anderweitig verbindliche Regelung über die Sperrung des o.g. Kontos erfolgt ist.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

[X.] wird unter Berücksichtigung des geschätzten Interesses der Antragstellerin an der Durchsetzung der gestellten Anträge auf bis zu 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die internationale Zuständigkeit des [X.] ergibt sich aus Artikel 7 Nr. 1 EuG [X.]. Die Frage, ob die Antragstellerin weiterhin vertraglich berechtigt ist, Waren über die Verkaufsplattform der Antragsgegnerin zu vertreiben, lässt sich nicht losgelöst von den vertraglichen Regelungen des [X.] beurteilen. Da die Antragstellerin vom Gebiet der [X.] aus den Vertrag mit der Antragsgegnerin mit Sitz in ... geschlossen hat und diese - nicht nur - Dienstleistungen in ..., sondern vor allem Logistik und Warenversendung in der [X.] beinhaltet, ist [X.] im Sinne der Verordnung auch die [X.].

2

Die Antragstellerin hat einen im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 935 ZPO durchsetzbaren Anspruch auf Rückgängigmachung der Deaktivierung ihres [X.] gem. §§ 33 Abs. 1 Alternative 2, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, §§ 3, 3a, 12 Abs. 2 UWG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertriebsvertrag ([X.], Urteil vom 12.05.2021, Z 37 O 32/21, Seite 13 ff.). Die Antragstellerin hat insoweit insbesondere glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin den in Artikel 4 [X.] ([X.]) 2019/1051 geregelten Anforderungen an einer Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung einer Geschäftsbeziehung seitens eines Online-Vermittlungsdienstes im Sinne von Artikel 1 Abs. 2, 2 Nr. 2 der [X.] nicht Genüge getan hat. Die Antragsgegnerin hat ihre Verpflichtung zur Begründung der Sperrung des [X.] durch die nur pauschale Angabe, es seien Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen seitens der Antragstellerin erfolgt, nicht erfüllt.

II.

3

Einer Zurückweisung des als Hauptantrages bezeichneten Antrags vom 28.06.2021 zu Ziffer 1 (Blatt 2 d.A.) bedurfte es nicht, da dieser nur Spiegelbild des nunmehr als Hilfsantrag bezeichneten Antrags aus dem Schriftsatz vom 17.07.2021 ist. Darüber hinaus trifft im einstweiligen [X.] das Gericht gemäß § 938 ZPO die Maßnahmen, die nach seinem Ermessen erforderlich sind.

III.


4

Auch der Antrag vom 17.07.2021 (Blatt 36 [X.]) auf Untersagung der Entsorgung der in den Logistikzentren der Antragsgegnerin gelagerten Waren ist begründet. Die Antragstellerin kann gemäß den o.g. genannten Vorschriften auch die Untersagung der Warenvernichtung verlangen.

5

Die Antragsgegnerin hat mit E-Mail vom 01.07.2021 (Anlage [X.]) angekündigt, ggfs. nach Ablauf von 30 Tagen den Lagerbestand der Antragstellerin in den Logistikzentren der Antragsgegnerin in 30 Tagen zu entsorgen, sofern kein Remissionsauftrag gestellt wird. Ferner wird in der Mail sowie in den Anweisungen zur Vermeidung der Entsorgung von nicht verkaufbarem Lagerbestand (Anlage [X.]) darauf hingewiesen, in welcher Form unter Nutzung des [X.] Remissionsaufträge erteilt werden können.

6

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie nicht zur Stellung eines Remissionsauftrages in der Lage ist. Sie hat derzeit keinen Zugriff zu dem Verkäuferkonto, weil dieses derzeit noch gesperrt ist und auf ihren per Mail gestellten Antrag hat sie keine Reaktion erhalten. Daher droht ihr eine kurzfristige Vernichtung der Ware. Damit wird sie durch den unter Ziff. 1. genannten Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB zugleich daran gehindert, ihre Waren zurückzufordern.

IV.

7

[X.] beruht auf § 91 ZPO.

8

Der Streitwert ist unter Berücksichtigung des gem. § 3 ZPO geschätzten Interesses der Antragstellerin an den gestellten Anträgen auf jeweils 100.000,00 € für den Antrag zur Entsperrung des Kontos und den Antrag auf Untersagung der Vernichtung der Lagerware festgesetzt worden.

Zur besseren Lesbarkeit wurden ggf. Tippfehler entfernt oder Formatierungen angepasst.

Meta

25 O 221/21

22.07.2021

LG Hannover 25. Zivilkammer

Beschluss

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: LG Hannover, Beschluss vom 22.07.2021, Az. 25 O 221/21 (REWIS RS 2021, 3866)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3866


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2000/21

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2000/21, 24.03.2022.


Az. 25 O 221/21

LG Hannover, 25 O 221/21, 22.07.2021.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 375/21 (Bundesverfassungsgericht)

Erfolgloser Eilantrag in einer kartellrechtlichen Sache: Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin …


37 O 32/21 (LG München I)

Behinderung, Dienstleistungen, Leistungen, Vollziehung, Klagebefugnis, Gerichtsstand, AGB, Zivilverfahren, Frist, Feststellung, Nutzung, Anlage, Ermessen, Sperrung, berechtigtes …


7 O 17752/17 (LG München I)

Störerhaftung des Internet-Zugangsproviders durch das Dritte Änderungsgesetz zum Telemediengesetz nicht ausgeschlossen


12 U 2228/19 (OLG Koblenz)


1 BvQ 100/21 (Bundesverfassungsgericht)

Erfolgloser Eilantrag der Partei "Der III. Weg" auf Entsperrung ihrer Facebook-Präsenz - unzureichende Darlegungen zur …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

37 O 32/21

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.