Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2010, Az. XII ZR 27/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 367

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES [X.][X.]ZR 27/09 Verkündet am: 15. Dezember 2010 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 233 Fb, 234 C, 338, 85; [X.]Art. 18 a) Veranlasst die Geschäftsstelle des Gerichts die nochmalige Zustellung eines Versäumnisurteils, weil sie irrig davon ausgeht, die bereits erfolgte Zustellung sei wegen fehlender Belehrung über den Einspruch unwirksam, so wird der bereits mit der ersten Zustellung ausgelöste Lauf der Einspruchsfrist davon nicht berührt. b) Etwas anderes folgt auch nicht aus den europarechtlichen Vorgaben für eine Bestätigung des Versäumnisurteils als [X.]Vollstreckungstitel. c) Den Rechtsanwalt, der sich wegen der wiederholten Zustellung beim Gericht nach dem Grund erkundigt und von der Geschäftsstelle die nicht näher erläu-terte [X.]erhält, die erste Zustellung sei unwirksam und könne als ge-genstandslos betrachtet werden, trifft jedenfalls dann kein Verschulden, wenn die [X.]nicht offensichtlich fehlerhaft ist. Eine Pflicht zu einer weiteren Nachfrage nach dem konkreten Grund der Unwirksamkeit trifft ihn nicht. d) Hat das erstinstanzliche Gericht den Einspruch als zulässig behandelt und in der Sache entschieden und wird die Versäumung der Einspruchsfrist erst vom Berufungsgericht aufgedeckt, so ist die Versäumung der [X.]nach § 234 Abs. 3 ZPO allein dem Gericht zuzurechnen und steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen (im [X.]an Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - [X.]179/07 - FamRZ 2008, 978 und vom 7. Juli 2004 - [X.]12/03 - FamRZ 2004, 1478). BGH, Versäumnisurteil vom 15. Dezember 2010 - [X.]- [X.] AG [X.]- 2 - Der XII. Zivilsenat des [X.]hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Rich-ter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin [X.]und die [X.]Dose und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.]vom 29. Januar 2009 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Ober-landesgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien sind Eheleute und streiten um Trennungsunterhalt. 1 Die Parteien heirateten im August 1999. Aus der Ehe ist ein 2001 gebo-renes Kind hervorgegangen. Das Kind ist schwer behindert und lebt seit seiner Geburt in einer Pflegefamilie. Seit Ende März 2004 leben die Parteien getrennt. Der [X.]ist Unternehmensberater. Die Klägerin ist ausgebildete [X.]- 3 - frau. Sie ist als selbständige Promoterin tätig, erzielt aus dieser Tätigkeit aber keinen Gewinn. 3 Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht - Familiengericht - am 12. Oktober 2006 ein Versäumnisurteil erlassen, durch das der [X.]zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.894 • ab Juli 2004 verurteilt worden ist. Das Versäumnisurteil ist dem damaligen Rechtsanwalt des Beklagten am 25. Oktober 2006 zugestellt worden. Die [X.]trägt den vom 9. November 2006 datierenden Vermerk des mit der Verwaltung der [X.]betrauten Justizamtsinspektors: "Zustellung unwirksam! Es fehlt [X.]18". Das Versäumnisurteil ist am 3. November 2006 erneut zugestellt worden, dies-mal mit dem Formular [X.]18, das die in § 338 Satz 2 ZPO vorgeschriebene Belehrung enthält. Mit dem am 17. November 2006 eingegangenen Schriftsatz seines Rechtsanwalts hat der [X.]Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. 4 Der [X.]hat sodann die Aufhebung des Versäumnisurteils und die Abweisung der Klage beantragt. Ferner hat er Widerklage auf Rückzahlung von ihm geleisteter Unterhaltsbeträge erhoben. Das Amtsgericht hat auf den [X.]in der Sache entschieden. Es hat den Unterhalt unter teilweiser Aufhe-bung des Versäumnisurteils herabgesetzt und die Klägerin zur teilweisen Rück-zahlung der vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen verurteilt. 5 Auf die Berufung beider Parteien hat das Berufungsgericht darauf hinge-wiesen, dass der [X.]die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts versäumt habe. Es hat sodann den Einspruch des Beklagten im Umfang des von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrags [X.]und die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt. Die 6 - 4 - Widerklage hat es vollständig abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom [X.]zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe: 7 Auf das Verfahren findet nach Art. 111 Abs. 1 [X.]noch das bis [X.]August 2009 geltende Prozessrecht Anwendung (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - [X.]197/10 - zur Veröffentlichung bestimmt). Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Be-kanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.]37, 79, 81 f.). 8 Die Revision hat Erfolg. 9 I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen. Die Wahrung der Einspruchsfrist sei auch im Berufungsverfahren von Amts we-gen zu prüfen. Die Frist habe aufgrund der (ersten) Zustellung am 25. Oktober 2006 zu laufen begonnen. Die Zustellung sei ungeachtet der fehlenden Rechts-behelfsbelehrung nach §§ 338 Satz 2, 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO ([X.]18) wirksam gewesen. Denn diese hindere lediglich die Ingangsetzung der [X.]- 5 - gründungsfrist, nicht aber der Einspruchsfrist. Durch die spätere erneute Zustel-lung werde keine neue Einspruchsfrist in Gang gesetzt. 11 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil die Frist nicht ohne Verschulden versäumt worden sei. Dem Beklagten sei das Verschulden seines Rechtsanwalts zuzurechnen. Diesem habe es oblegen, die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil genau zu ermitteln. Nachdem die Einspruchsfrist aufgrund der ersten Zustellung zunächst richtig eingetragen worden sei, habe er nach der zweiten Zustellung sorgfältig prüfen müssen, ob eine fehlerhafte erste Zustellung des Versäumnisurteils vorgelegen habe. Er habe wissen müssen, dass durch die Wiederholung einer wirksamen Zustellung keine erneute Einspruchsfrist zu laufen beginne. Demgemäß habe er sich auch veranlasst gesehen, Nachforschungen beim Amtsgericht hinsichtlich der Wirk-samkeit der ersten Zustellung anzustellen. Diese seien jedoch nicht [X.]gewesen. Der Rechtsanwalt habe seinen [X.]damit beauftragt, beim Amtsgericht in Erfahrung zu bringen, was es mit den beiden Zustellungen auf sich gehabt habe. Dieser habe daraufhin zwei Telefonate geführt und beim zweiten Gespräch die [X.]erhalten, das erste zugestellte Versäumnisurteil sei wegen fehlerhafter Zustellung als gegenstandslos zu betrachten, maßgeb-lich sei das am 3. November 2006 zugestellte Versäumnisurteil. Daraufhin habe der Rechtsanwalt verfügt, den nach der ersten Zustellung notierten Fristablauf im Fristenkalender zu streichen. 12 Dem Rechtsanwalt sei vorzuwerfen, dass er sich mit der lapidaren [X.]zur Unwirksamkeit der ersten Zustellung des Versäumnisurteils wegen Fehlerhaftigkeit zufrieden gegeben habe. Als Zustellungsempfänger habe er keinen Anlass gehabt, die Wirksamkeit der ersten Zustellung zu bezweifeln. Er 13 - 6 - habe vielmehr die genauen Gründe der vom Amtsgericht angenommenen Un-wirksamkeit der Zustellung erfragen und überprüfen müssen. Der Umstand, dass die falsche Information aus dem Bereich des Gerichts stammte, stehe dem Verschulden des Rechtsanwalts nicht entgegen. Er habe nicht ohne [X.]davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der zweiten Zustellung um eine sinnvolle Maßnahme gehandelt habe und dass erst diese Zustellung den Lauf der Einspruchsfrist in Gang gesetzt habe. Soweit der [X.]dies in einzelnen Fällen angenommen habe, seien diese mit der vorliegenden Fallges-taltung nicht vergleichbar. Ein Rechtsirrtum könne den Rechtsanwalt nicht ent-lasten, weil er bei den zu stellenden hohen Anforderungen nicht unvermeidbar gewesen sei. Auch wenn er vom Amtsgericht den konkreten Grund der erneu-ten Zustellung erfahren habe, habe er anhand von Rechtsprechung und Litera-tur sorgfältig prüfen müssen, wie sich die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung auf die Wirksamkeit der Zustellung auswirke. II. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. 14 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch im Berufungsverfahren die Zulässigkeit des Einspruchs gegen das in erster Instanz ergangene Versäum-nisurteil überprüft. Dem Berufungsgericht ist ferner darin zu folgen, dass das Fehlen der nach §§ 338 Satz 2, 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung für die Wirksamkeit der Zustellung und den Lauf der Einspruchsfrist ohne Bedeutung ist. 15 a) Die zweiwöchige Einspruchsfrist beginnt nach § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO mit der Zustellung des Versäumnisurteils. 16 - 7 - aa) Die Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der nach §§ 166 ff. ZPO vorgesehenen Form (§ 166 Abs. 1 ZPO), die hier eingehalten worden ist. Das zuzustellende Dokument ist das Versäumnisurteil, nicht auch die Belehrung über den Einspruch. Nach § 317 Abs. 1 ZPO werden verkündete [X.]der unterliegenden [X.]zugestellt. Sowohl aus § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO als auch aus § 317 Abs. 1 ZPO ergibt sich somit, dass das zuzustellende Dokument - nur - das Versäumnisurteil ist. Auch aus § 338 Satz 2 ZPO ist zu ersehen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht Be-standteil des Versäumnisurteils oder seiner Zustellung ist, weil auf den [X.]nur "zugleich mit der Zustellung" hinzuweisen ist. Abgesehen davon stünde aber auch eine als vorgeschriebener Bestandteil der Entscheidung feh-lende Rechtsbehelfsbelehrung der Wirksamkeit der Zustellung nicht ohne [X.]entgegen (vgl. etwa §§ 39, 17 Abs. 2 FamFG). 17 Die Revision meint, bei fehlender Belehrung beginne die [X.]nicht zu laufen, was bei fehlender Belehrung über die Ein-spruchsfrist ebenfalls gelten müsse. Dem ist nicht zu folgen. 18 Die Revision vernachlässigt, dass zwischen den beiden Fristen ein grundlegender Unterschied besteht. Dass die Einspruchsbegründung mit dem Einspruch zu erfolgen hat und die beiden Fristen demnach im Ausgangspunkt übereinstimmen, kann deren grundsätzliche Verschiedenheit nicht verdecken. Das zeigt sich daran, dass die Einspruchsbegründungsfrist verlängert werden kann (§ 340 Abs. 3 Satz 2 ZPO), die Einspruchsfrist dagegen nicht (§ 224 Abs. 2 ZPO). Die Einspruchsbegründungsfrist betrifft die Frage, ob das Vorbrin-gen einer [X.]noch zu berücksichtigen oder als verspätet zurückzuweisen ist. Dagegen regelt die Einspruchsfrist die Frage, ob der Rechtsstreit nach Erlass eines Versäumnisurteils fortzusetzen ist und das Gericht überhaupt noch in der Sache entscheidet oder aber der Einspruch - bei verspäteter Einlegung - als 19 - 8 - unzulässig verworfen werden muss. Während bei fehlender Belehrung über die Einspruchsbegründungsfrist spätestens nach der abschließenden mündlichen Verhandlung eine das Verfahren beendende Entscheidung ergeht, bliebe das Verfahren bei nicht anlaufender Einspruchsfrist in der Schwebe, denn der [X.]könnte jederzeit nachgeholt werden. Demgemäß besteht schon im [X.]kein Anlass für eine einschränkende Interpretation der in § 339 Abs. 1 ZPO getroffenen - eindeutigen - gesetzlichen Anordnung, dass die Einspruchsfrist mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt. bb) Durch die Veranlassung einer nochmaligen Zustellung konnte die Geschäftsstelle die Rechtswirkungen der bereits erfolgten Zustellung nicht mehr rückgängig machen. Denn jedenfalls nach der erfolgreichen Zustellung liegt es nicht mehr in der Hand der Geschäftsstelle, die Wirkungen der Zustellung zu beseitigen und diese durch eine erneute Zustellung zu ersetzen. 20 b) Etwas anderes folgt nicht aus den europarechtlichen Vorgaben, auf denen die [X.]nach § 338 Satz 2 ZPO beruht. Diese erfordern es nicht, dass die Einspruchsfrist erst nach einer Belehrung über den Einspruch zu laufen beginnt. 21 Die gesetzliche [X.]nach § 338 Satz 2 ZPO ist durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Euro-päischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005 ([X.]I S. 2477) eingeführt worden. Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des [X.]und des Rates vom 21. April 2004 (ABl. [X.]143 S. 15 - EuVTVO) verfolgt das Ziel, den Zugang zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 2 Abs. 3 EuVTVO) als dem Mitgliedstaat, in dem die Ent-scheidung ergangen ist, ohne erforderliche Zwischenmaßnahmen zu [X.]- 9 - nigen und zu vereinfachen (Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Demgemäß soll - nur der Mitgliedstaat der Ausgangsentscheidung (Ursprungsmitgliedstaat) die für die Vollstreckung im [X.](Vollstreckungsmitgliedstaat) erfor-derliche Bestätigung als [X.]Vollstreckungstitel (Art. 6 EuVTVO) [X.]und die Entscheidung im [X.]vollstreckbar sein, ohne dass es eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens bedarf (Art. 5 EuVTVO; vgl. Erwägungsgrund 18 der Verordnung). Zur Sicherung des fairen Verfahrens nach Art. 47 Abs. 2 der [X.](ABl. [X.][X.]364) enthalten Art. 12 - 19 [X.]Mindestvorschriften für das Verfahren, deren Einhaltung [X.]als [X.]Vollstreckungstitel ist (Art. 12 Abs. 1 EuVTVO; vgl. Erwägungsgrund 11 der Verordnung). Zu den [X.]gehören neben der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Art. 13 - 15 EuVTVO) die Unterrichtung des Schuldners über die Forderung (Art. 16 EuVTVO) und über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung (Art. 17 EuVTVO), wozu auch der Hinweis auf die Konsequen-zen des [X.]gehört (Art. 17 lit. b EuVTVO; vgl. [X.]Urteil vom 22. September 2010 - VIII ZR 182/09 - MDR 2010, 1340). 23 Die Belehrung über den Einspruch zugleich mit der [X.]ist dagegen nach der [X.]nicht als Mindestvorschrift für die Bestäti-gung als [X.]Vollstreckungstitel vorgesehen. Diese hat vielmehr eine andere Funktion. Denn die Belehrung führt nach Art. 18 Abs. 1 lit. b [X.]zur Heilung, wenn die Verfahrensvorschriften nach Art. 13 - 17 [X.]nicht eingehalten worden sind. Dementsprechend ist die Erfüllung der Belehrungs-pflicht nach § 338 Satz 2 ZPO zur Erteilung der Bestätigung gemäß Art. 6, 12 Abs. 1 [X.]nicht erforderlich. 24 - 10 - Dem Gebot des fairen Verfahrens ist im Übrigen durch die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Genüge getan (vgl. [X.]NJW 2000, 1633). 25 26 c) Demnach war die Zustellung des Versäumnisurteils am 25. Oktober 2006 wirksam und hat die Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO in Lauf ge-setzt. Die nochmalige Zustellung des Versäumnisurteils am 3. November 2006 konnte den Lauf der Frist nicht mehr beeinflussen (vgl. [X.]Beschluss vom 20. Oktober 2005 - [X.]147/01 - NJW-RR 2006, 563 für den Fall einer bereits abgelaufenen Rechtsmittelfrist). Die Einspruchsfrist lief demzufolge mit dem 8. November 2006 ab. Durch den am 17. November 2006 beim Amtsgericht eingegangenen [X.]konnte die Frist somit nicht mehr gewahrt werden. 2. Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung versagt, weil der Rechtsanwalt des Beklagten sich nicht mit der [X.]des Amtsgerichts hätte zufrieden geben dürfen und statt dessen weitere Nachfragen hätte anstellen müssen. Auf eine Nachfrage hätte er sodann erkennen müssen, dass der Ge-schäftsstellenbeamte des Amtsgerichts sich im Irrtum befunden habe und schon die erste Zustellung wirksam gewesen sei. 27 Dem kann nicht beigetreten werden. 28 a) Ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung auch der anwaltlich vertretenen [X.]zu gewähren ist, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Zum einen ist die Rechtsmittelbe-lehrung nachgeholt worden, zum anderen war die Einspruchsfrist dem Rechts-anwalt des Beklagten ohnedies bekannt (zur fehlenden Ursächlichkeit einer [X.]Rechtsmittelbelehrung Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 - [X.]82/10 - FamRZ 2010, 1425). Die verspätete Einlegung des Einspruchs 29 - 11 - ist vielmehr auf dessen Irrtum über die die Frist auslösende Zustellung zurück-zuführen. 30 b) Richtig ist ferner der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Rechtsanwalt sich auf eine unzutreffende Rechtsauskunft des [X.]nicht ohne weiteres verlassen darf, sondern verpflichtet ist, die sich bei der Prozessführung stellenden Rechtsfragen in eigener Verantwortung zu über-prüfen. Dementsprechend schließen selbst ursächliche Gerichtsfehler im [X.]ein anwaltliches Verschulden nicht aus (vgl. für die Anwaltshaftung [X.]174, 205, 209 und [X.]Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 - NJW 2009, 987). Ob sich ein Rechtsanwalt auf eine unzutreffende gerichtliche [X.]verlassen darf und aus diesem Grund eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittel-frist versäumt wird, ist in mehreren Zusammenhängen Gegenstand der Recht-sprechung des [X.]gewesen. In einem Fall der irreführenden Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf nach einem zweiten Versäumnis-urteil hat der [X.]ein Verschulden des Rechtsanwalts bejaht, weil die unrichtige Rechtsmittelbelehrung offenkundig falsch gewesen sei und nicht zu einem unvermeidbaren oder entschuldbaren Rechtsirrtum geführt habe ([X.]Beschluss vom 11. Juni 1996 - [X.]- VersR 1996, 1522). In an-deren Entscheidungen ist der [X.]davon ausgegangen, dass der Rechtsanwalt sich auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen darf ([X.]Beschluss vom 23. September 1993 - [X.]10/92 - NJW 1993, 3206: unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch einen Fachsenat beim Oberlandesge-richt; [X.]Beschluss vom 16. Oktober 2003 - [X.]36/03 - ZIP 2003, 2382 mwN). 31 - 12 - Im Fall einer unzutreffenden [X.]über die Zustellung und eines durch sie ausgelösten [X.]über den Lauf einer Frist hat der [X.]mehrfach entschieden, dass der Rechtsanwalt sich auf die [X.]verlassen und die Frist entsprechend der ihm erteilten [X.]berechnen darf ([X.]Beschluss vom 7. Oktober 1986 - [X.]- VersR 1987, 258: Erneute Zustellung, nachdem bereits die für den Prozessgegner vorgesehene Ausferti-gung zugestellt worden war; Beschluss vom 26. Oktober 1994 - [X.]- VersR 1995, 680: Erneute Zustellung wegen falscher Aktenzeichen auf den Empfangsbekenntnissen; Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 38/04 - NJW-RR 2005, 1658: Erneute Zustellung nach Rückforderung der zunächst zugestellten, aber mangelhaften Ausfertigung). 32 Ob die vorgenannten Entscheidungen in Anbetracht des Umstands, dass die letztgenannten Entscheidungen jeweils für den Rechtsanwalt erkennbar fal-sche Auskünfte des Gerichts betrafen, in vollem Umfang miteinander vereinbar sind, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall war die [X.]der Geschäftsstelle für den Rechtsanwalt des Beklagten weder [X.]fehlerhaft, noch traf diesen - entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts - eine Pflicht zu weiteren Erkundigungen, die den Fehler des [X.]hätte offenbaren können. 33 Dem Rechtsanwalt des Beklagten wurde die [X.]erteilt, das erste zugestellte Versäumnisurteil sei wegen fehlerhafter Zustellung als gegenstands-los zu betrachten. Maßgeblich sei das am 3. November 2006 zugestellte Ver-säumnisurteil. Aufgrund dieser [X.]war für den Rechtsanwalt nicht offen-kundig, dass die erste Zustellung entgegen der Meinung des zuständigen Ge-schäftsstellenbeamten wirksam war. Denn für eine Unwirksamkeit der Zustel-lung kamen neben der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung weitere Ursachen in Betracht. So hätte das Versäumnisurteil etwa noch nicht vom [X.]unter-34 - 13 - schrieben und versehentlich ein Entwurf zugestellt worden sein können. Dass die zweite Zustellung nunmehr mit der Rechtsbehelfsbelehrung verbunden war, musste den Rechtsanwalt nicht darauf schließen lassen, dass die erneute Zu-stellung - nur - deswegen durchgeführt worden war. 35 Dementsprechend hat das Berufungsgericht dem Rechtsanwalt auch nicht vorgeworfen, dass die Wirksamkeit der ersten Zustellung für ihn offen-sichtlich gewesen sei, und auch nicht, dass er die [X.]durch seinen [X.]einholen ließ. Vielmehr hat es ihm vorgehalten, dass er sich mit der "lapidaren" [X.]zufrieden gegeben habe und statt dessen nach den ge-nauen Gründen der vom Amtsgericht angenommenen Unwirksamkeit habe [X.]müssen. Dann habe er erkennen müssen, dass die erste Zustellung nicht unwirksam gewesen sei. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht sich mit dieser Auffassung entgegen seiner Begründung nicht im Einklang mit der oben aufgeführten Rechtsprechung des [X.]zur Wiedereinsetzung bei doppelter Zustellung befindet, traf den Rechtsanwalt jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls keine Verpflichtung zu weiteren Nachfragen. Da er von der Geschäftsstelle die [X.]erhalten hatte, die erste Zustellung sei unwirksam und gegenstandslos, konnte er sich ohne gegenteilige Anhaltspunkte darauf verlassen. Die von der Geschäftsstelle erteilte [X.]war jedenfalls nicht of-fenkundig falsch, denn sie konnte auch auf anderen Unwirksamkeitsgründen beruhen als der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung. Den Rechtsanwalt traf überdies keine Pflicht, durch weitere Nachfrage danach zu forschen, ob die ers-te Zustellung womöglich dennoch wirksam war. Denn die Nachfrage hätte sich auf gerichtsinterne Vorgänge beziehen müssen, die der Rechtsanwalt jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang von sich aus nicht aufklären muss. Das gilt umso mehr, als die Geschäftsstelle gemäß §§ 168 Abs. 1, 176 Abs. 1 ZPO 36 - 14 - die Zustellung in eigener Verantwortung veranlasst. Bei dieser Sachlage kann sich der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der ihm erteilten [X.]verlassen und würde eine Pflicht zu weiterer Nachforschung die an ihn gestellten Sorg-faltsanforderungen überspannen. 37 c) Dass der [X.]seinen Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 234 Abs. 3 ZPO gestellt hat, hindert eine Wiederein-setzung nicht. Denn abgesehen von der möglichen Gewährung von Amts we-gen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO beruht die Fristüberschreitung darauf, dass der [X.]im weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht davon ausgehen durf-te, dass sein Einspruch rechtzeitig war. Damit ist die Versäumung der [X.]nach § 234 Abs. 3 ZPO jedenfalls allein dem Gericht zuzurech-nen und steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - [X.]179/07 - FamRZ 2008, 978, 979 und vom 7. Juli 2004 - [X.]12/03 FamRZ 2004, 1478, 1479 f.). - 15 - III. 38 Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.]kann in der Sache nicht ab-schließend entscheiden, schon weil das Berufungsgericht noch nicht in der [X.]entschieden hat. Hahne [X.]Vézina Dose Klinkhammer Vorinstanzen: AG Aachen, Entscheidung vom 08.04.2008 - 20 F 266/04 - OLG Köln, Entscheidung vom [X.]- 12 UF 39/08 -

Meta

XII ZR 27/09

15.12.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2010, Az. XII ZR 27/09 (REWIS RS 2010, 367)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 367

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12 UF 39/08

XII ZR 27/09

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XII ZB 82/10

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