Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2013, Az. 4 StR 168/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 4004

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Nachstellung: Straftat der mittleren Kriminalität als Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

3. Der Haftbefehl des [X.] vom 23. Dezember 2011 ([X.]. 703 [X.] – 110 Js 720/11 – 1552/11) in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des [X.] vom 22. November 2012 wird aufgehoben. Der Angeklagte ist unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen

"Nachstellung zum Nachteil der Zeugin [X.]in Tateinheit mit versuchter Nötigung zum Nachteil der Zeugin [X.]in 11 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des [X.]in 5 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil der Zeugin [X.]    in 6 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen     [X.]in 4 Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin [X.]und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des [X.]und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin [X.]    und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen     [X.]und mit Sachbeschädigung"

zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2

Die [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

3

Im August 2010 lernte der in [X.] lebende, damals 24-jährige Angeklagte im Urlaub die 22-jährige [X.]kennen. In der Folgezeit hielten sie zwar Kontakt zueinander, zu einer Liebesbeziehung oder regelmäßigen Treffen kam es jedoch nicht. Ende des Jahres 2010 fühlte sich [X.]vom Angeklagten vereinnahmt und zunehmend eingeengt, weshalb sie eine geplante gemeinsame Silvesterfeier zum Jahreswechsel absagte. Zum 1. Februar 2011 trat [X.]eine Stelle als Flugbegleiterin in [X.] an, wohin sie auch ihren Wohnsitz verlegte. In diesem Zusammenhang teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie keine Beziehung wünsche, zumal ihr die Entfernung zwischen [X.] und [X.] zu weit sei. In der Folgezeit löschte sie den Angeklagten von ihrer sog. Freundesliste bei [X.].

4

In der [X.] zwischen dem 24. Februar 2011 und der Festnahme des Angeklagten am 15. März 2012 kam es zu zahlreichen Kontaktversuchen des Angeklagten über die Internetplattform [X.], die zum Teil an [X.]gerichtet waren, zu einem anderen Teil an deren Freundinnen, da [X.]zwischenzeitlich ihr Profil bei [X.] gelöscht hatte und deshalb für den Angeklagten nicht mehr erreichbar war. Ferner schrieb der Angeklagte ihr und ihren Eltern Briefe; in einem Fall wandte sich der Angeklagte mittels einer [X.]-Nachricht an den damaligen Lebensgefährten von [X.]     [X.], den Zeugen [X.].

5

[X.]hatte den Angeklagten – ebenso wie ihre Eltern und der Zeuge [X.]– zu einem nicht näher festgestellten [X.]punkt aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen und ihm mitgeteilt, sie wolle keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Hierüber setzte der Angeklagte sich jedoch hinweg. In einer Vielzahl von Nachrichten und Briefen forderte er [X.]unter anderem dazu auf, ihn erneut ihrer Freundesliste in ihrem [X.]-Profil hinzuzufügen, sich bei ihm zu entschuldigen, ihm ein Armband, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, zurückzugeben und sich von dem Zeugen [X.]zu trennen. Diese Forderungen unterstrich er mit Drohungen für den Fall, dass sie seine Forderungen nicht erfüllen sollte.

6

Bei [X.]trat durch das Verhalten des Angeklagten eine „kurze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ ein. Diese äußerte sich darin, dass sie sich hilflos und kraftlos fühlte und unter [X.]afstörungen sowie Leistungseinbußen litt. Sie ging nicht mehr so häufig aus wie zuvor und achtete auf der [X.] darauf, ob ihr jemand folgt. [X.]weise fühlte sie sich psychisch nicht mehr im Stande, ihrer Arbeit als Flugbegleiterin nachzugehen, da der Angeklagte ihr u.a. angekündigt hatte, sie auf einem Flug „fertig zu machen“. Nachdem sie im August von ihrer Mutter telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass es an ihrem Elternhaus zu einer Sachbeschädigung durch den Angeklagten gekommen war, meldete sie sich aus Angst, der Angeklagte könne ihr, ihrem Freund oder ihren Eltern etwas antun, krank. Insgesamt kam es von April bis September 2011 zu 30 Fehltagen, die „größtenteils“ auf „psychische Probleme“ zurückzuführen waren, die sie „in Folge des Verhaltens des Angeklagten hatte“. Ferner litt sie „ab April/Mai 2011 unter Migräneanfällen“, während sie zuvor nur „normale“ Kopfschmerzen hatte. Sie hatte „während des [X.]“ häufig Weinkrämpfe mit Herzrasen und begab sich in „psychologische Behandlung“, wo Symptome einer „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ diagnostiziert wurden und eine Gesprächstherapie geplant wurde. Eine Übernahme in ein festes Anstellungsverhältnis erfolgte nicht; [X.]    [X.] wechselte den Beruf und zog in eine andere Stadt. Treffen mit Freunden sagte sie ab, weil der Angeklagte hiervon Kenntnis erlangt haben konnte; aus [X.] Netzwerken wie [X.] zog sie sich zurück oder trat dort nur noch unter Fantasienamen auf.

7

Bei     [X.]trat „kurzfristig aufgrund der psychischen Belastung durch Somatisierung eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit“ ein. Er litt „während des [X.] zeitweise unter [X.]afstörungen und temporär unter [X.]“. Ferner hatte er Albträume und zeigte Nervosität sowie eine erhöhte Reizbarkeit. In „bestimmten Situationen“, die durch ein jeweiliges Verhalten des Angeklagten hervorgerufen wurden, hyperventilierte er.

8

[X.], der Vater von [X.]     [X.], litt unter „konkreten Ängsten als zeitlich begrenzte Reaktion, die sodann wieder abklangen“. Er konnte aufgrund der Belastungssituation zunächst nicht mehr seiner Arbeit im Schichtdienst nachgehen und wurde am 21. Oktober 2011 für eine Woche krankgeschrieben. Zudem litt er unter [X.]afstörungen. Bei [X.]    kam es zu einer „deutlich längerfristigen Anpassungsstörung“, die allerdings nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen wurde. Die Zeugin befand sich schon vor den Vorfällen in psychiatrischer Behandlung. Jedoch „verstärkten sich die Probleme und wurden immer schlimmer“. Sie hatte Angst, das Haus zu verlassen und litt zudem unter [X.]afstörungen und Albträumen.

9

Die durch sein Verhalten verursachten Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden bzw. die körperliche Unversehrtheit der Zeugen hat der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.

Die sachverständig beratene [X.] nimmt bei dem Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit emotionaler und konsekutiver [X.] bzw. auf [X.] emotionaler/persönlicher Labilität vom Typ [X.] an. Seine Steuerungsfähigkeit sei daher im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert, nicht aber aufgehoben gewesen. Es bestehe „eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades", dass „der Angeklagte in Zukunft seine Tat fortführt oder/und die Tat sich in ähnlicher Weise wiederholen könnte“ ([X.] 132).

II.

1. Die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der [X.]   , des [X.], des     [X.]und der [X.]wegen versuchter Nötigung im Fall der Tat vom September 2011 sowie die Verurteilung wegen Bedrohung der [X.]    in drei Fällen, des [X.] in zwei Fällen und des     [X.]in drei Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Die Verurteilung wegen der Körperverletzungen wird von den Feststellungen des [X.]s nicht getragen.

aa) Als [X.] im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist ([X.], Urteil vom 4. November 1988 – 1 [X.], [X.]St 36, 1, 6; [X.]/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 5 mwN). [X.] psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, [X.]St 48, 34, 36; vgl. ferner [X.], Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, [X.], 340 f.; [X.], NJW 2002, 2118; [X.], [X.] 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht ([X.] aaO S. 36 f.; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, [X.]R StGB § 223 Abs. 1 [X.] 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine [X.] im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, [X.], 123).

bb) Daran gemessen genügt für die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil der [X.]    nicht, dass es bei ihr „aufgrund der ständigen Bedrohung durch den Angeklagten … zu einer deutlich längerfristigen Anpassungsstörung“ kam, die „nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen, jedoch wesentlich gesteigert“ wurde ([X.] 119). Insofern hätte es vielmehr näherer Darlegungen dazu bedurft, worin die Anpassungsstörung konkret bestanden und wie sie sich geäußert haben soll; hinsichtlich der „Steigerung“ der Störung waren vor dem Hintergrund, dass sich die Zeugin bereits in psychiatrischer Behandlung befand ([X.] 97), Ausführungen dazu geboten, ob hierhin ein eigenständiger Erfolg im Sinne des § 223 StGB liegt. Auch die von der [X.] an anderer Stelle herangezogenen „[X.]afstörungen und Albträume“ der Zeugin ([X.] 97) lassen nicht erkennen, ob es sich hierbei um Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes handelte, etwa weil sich das [X.]afverhalten dauerhaft geändert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, [X.], 123; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, [X.], 131, 132).

Zudem hätte es – wie auch bei den anderen Opfern – einer tragfähigen, sich nicht auf die Wiedergabe der Umschreibung des bedingten Vorsatzes beschränkenden Begründung des Wissens und Wollens des Körperverletzungserfolges bedurft (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, [X.], 340 f.; Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, [X.], 123; Beschluss vom 22. November 2006 – 2 [X.], bei [X.], [X.], 65).

cc) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des [X.] hat danach keinen Bestand.

Insofern führt das [X.] zur Begründung seiner rechtlichen Würdigung lediglich aus, die Gesundheit des [X.] sei „kurzfristig … erheblich beeinträchtigt“ worden; er habe „infolge der akuten Belastungssituation durch das Verhalten des Angeklagten unter konkreten Ängsten als zeitlich begrenzte Reaktion“ gelitten ([X.] 119). Angst als solche stellt jedoch – insbesondere wenn die Reaktion „zeitlich begrenzt“ bzw. „kurzfristig“ auftritt – lediglich eine Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens und eine normale Reaktion auf Bedrohungen, nicht aber einen pathologischen Zustand dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, [X.], 123; vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, [X.], 340 f.; [X.], NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/[X.], 4. Aufl., § 223 Rn. 11a).

Auch der Umstand, dass [X.] „aufgrund der Belastungssituation … für eine Woche krankgeschrieben“ wurde ([X.] 96), ermöglicht keine revisionsgerichtliche Nachprüfung der Annahme einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Gleiches gilt aus den vorgenannten Gründen für nicht näher konkretisierte „[X.]afstörungen“.

dd) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen     [X.]begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die insoweit im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „psychische Belastung durch Somatisierung“ ([X.] 118 f.) stellt keine tragfähige Begründung für den Eintritt eines Körperverletzungserfolges dar (vgl. zur Erforderlichkeit eines pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustandes: Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, [X.], 123; [X.], NJW 2002, 2118). Die an anderer Stelle in dem Urteil erwähnten [X.]afstörungen, temporären Schwindelzustände, Albträume, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit reichen – wie oben ausgeführt – mangels näherer Konkretisierung ebenfalls nicht aus, um eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit zu begründen (vgl. auch [X.], NJW 1997, 2191, 2192).

ee) [X.]ießlich hält auch die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der [X.]einer Überprüfung nicht stand.

Nach der Rechtsprechung des [X.] kann zwar eine „massive“ depressive Verstimmung bei Hinzutreten weiterer Umstände den Körperverletzungstatbestand erfüllen ([X.], Beschluss vom 15. September 1999 – 1 StR 452/99, [X.], 25). Die vom [X.] im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „kurze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ ([X.] 118) erfüllt diese Voraussetzungen jedoch nicht.

Soweit die [X.] an anderer Stelle dargelegt hat, dass die Zeugin sich hilflos und kraftlos sowie psychisch nicht dazu in der Lage fühlte zu arbeiten ([X.] 93 f.), fehlt es an einem objektivierbaren Körperverletzungserfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, [X.], 123; [X.], Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, [X.]St 48, 34, 36 f.; [X.], NJW 2002, 2118 mit [X.] [X.], [X.] 2003, 563, 564; [X.], NJW 1997, 2191, 2192). Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierten „Migräneanfälle“, zu denen sich die bereits vor dem Verhalten des Angeklagten vorhandenen „normalen Kopfschmerzen“ gesteigert haben sollen ([X.] 94; vgl. [X.], aaO). Weinkrämpfe und Herzrasen können ebenfalls eine normale körperliche Reaktion auf die mit einer Bedrohungssituation verbundenen Aufregungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB darstellen (zur fehlenden Tatbestandsmäßigkeit von „Herzklopfen“ bzw. „Herzrasen“ vgl. [X.], NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/[X.], § 223 Rn. 11a; [X.], [X.], 2006, [X.]). [X.]ießlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Zeugin sich in psychologische Behandlung begeben hat und „in der nahen Zukunft“ eine Gesprächstherapie geplant sei ([X.] 95), nicht in einer für das Revisionsgericht überprüfbaren Weise, dass im maßgeblichen [X.]punkt ein Körperverletzungserfolg vorgelegen hat; ebenso wenig aus der nicht aussagekräftigen Feststellung, dass „zu diesem [X.]punkt“ eine „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ vorgelegen habe ([X.] 95).

b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung hält nicht in allen Fällen rechtlicher Überprüfung stand.

aa) Der Tatbestand der Bedrohung setzt voraus, dass die Ankündigung des [X.] erreicht. Dies kann auch über Dritte erfolgen, wenn die Weitergabe der Drohung an den Adressaten vom Vorsatz des [X.] umfasst ist ([X.]/[X.]uckebier, § 241 Rn. 5, 7).

bb) Gemessen daran tragen die Feststellungen des [X.]s eine Verurteilung wegen Bedrohung der [X.]und des [X.] in den Fällen der [X.]-Nachricht an [X.].   vom 23. August 2011 ([X.] 49), des Briefes, der ihnen am 6. Dezember 2011 zugegangen ist ([X.] 73), und der [X.]-Nachricht an      [X.].     von Anfang Dezember 2011 ([X.] 72) nicht. Im Fall der Nachricht vom 23. August 2011 fehlt es an der Feststellung, dass die an [X.].   gerichtete [X.]-Nachricht die Bedrohungsadressaten mit dem Willen des Angeklagten erreicht hat. Ein solcher Vorsatz versteht sich bei einer über [X.] an eine Freundin der Tochter gerichtete Nachricht auch nicht von selbst, zumal der Angeklagte in derselben Nachricht ankündigt, an die Eltern der [X.]ein gesondertes Schreiben richten zu wollen ([X.] 51). Der am 6. Dezember 2011 eingegangene Brief ist an die Zeugin [X.]gerichtet („[X.]    : …“). Auch insoweit ist ein Vorsatz des Angeklagten dahingehend, dass die Bedrohung die Eltern der Angesprochenen erreichen sollte, nicht festgestellt. Die [X.]-Nachricht von Anfang Dezember 2011 an      [X.].     ist wiederum an eine dritte Person gerichtet, ohne dass festgestellt ist, dass diese Nachricht [X.]    erreicht hat und erreichen sollte.

cc) Hinsichtlich der Taten zum Nachteil von     [X.]tragen die Feststellungen des [X.]s aus den vorgenannten Gründen die Verurteilung jeweils wegen Bedrohung in den Fällen der [X.]-Nachrichten an [X.].   vom 22. Juli 2011, an      [X.].     vom 23. Juli 2011 sowie im Fall des Briefes an die Eheleute [X.], der am 22. Oktober 2011 bei ihnen eingegangen ist, nicht. In keinem der genannten Fälle ist festgestellt, dass die Nachrichten den Geschädigten erreicht haben und dass dies vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war.

c) Soweit das [X.] das Versenden des Schreibens, welches die Eltern der [X.]im September 2011 erreichte, als versuchte Nötigung bewertet, hat dies schon deshalb keinen Bestand, weil die [X.] es versäumt hat, einen den Einsatz eines [X.] im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) umfassenden Tatentschluss festzustellen.

2. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der weiteren tateinheitlichen Verurteilungen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. April 2013 – 1 [X.]). Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Im Hinblick auf die Verurteilung wegen versuchter Nötigung durch Versenden einer [X.]-Nachricht an     [X.]am 3. März 2012 bestehen Zweifel daran, ob diese Tat von der Anklage und von dem Eröffnungsbeschluss umfasst ist. Das in der Anklageschrift umschriebene Geschehen endet in zeitlicher Hinsicht mit dem Versenden einer [X.]-Nachricht an [X.].   am 25. Januar 2012.

b) Soweit das [X.] eine Bedrohung der [X.]und des [X.] im Versenden des Briefes vom 5. Januar 2012 sieht, begegnet dies Bedenken, weil sich der Ankündigung, der Zeugin [X.]und ihrer Familie werde „ansonsten [X.]immeres passieren“ ([X.] 77), [X.] nicht ohne Weiteres entnehmen lassen (vgl. [X.], [X.] 1994, 245, 246). Sollte eine Verurteilung wegen Bedrohung darauf gestützt werden, dass in dem Schreiben [X.]als den Eltern nahestehende Person mit dem Tod bedroht wird, so bedarf es insoweit der Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Bedrohung der Eltern durch dieses Verhalten.

c) Bedenken bestehen auch, soweit das [X.] elf selbständige Fälle der versuchten Nötigung angenommen hat.

In Fällen, in denen der Täter mehrfach zur Vollendung einer Nötigung ansetzt, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen, liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor, solange der Versuch nicht fehlgeschlagen ist, der Täter also von dem Misslingen des vorgestellten Ablaufs noch nichts erfahren hat oder nicht zu der Annahme gelangt ist, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereitliegenden Mitteln vollenden ([X.], Urteil vom 30. November 1995 – 5 [X.], NJW 1996, 936, 937). Danach wird das [X.] zu prüfen haben, ob in den Fällen zeitlich eng zusammenhängender Handlungen des Angeklagten – etwa der Handlungen vom 23. August 2011 ([X.]-Nachricht an [X.].   und Brief an die Eheleute [X.], den diese an diesem Tag erhielten) oder im Fall der [X.]-Nachricht an      [X.].     aus dem Dezember 2011 sowie des Briefes, den die Eheleute [X.] am 6. Dezember 2011 erhielten – eine oder mehrere Taten der versuchten Nötigung vorliegen.

d) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 StGB begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bedenken. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Tatbestandsvariante der „anderen vergleichbaren Handlung“ (§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB) ebenfalls verwirklicht ist und ob die insoweit in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Bedenken (zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) durchgreifen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 19. November 2009 – 3 [X.], NJW 2010, 1680, 1681, [X.]. 16; hinreichende Bestimmtheit [X.], StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 17c; [X.], [X.], 497, 501, jeweils mwN; kritisch auch [X.] in [X.]/[X.], StGB, § 238 Rn. 23; [X.], [X.], 665, 668; offen gelassen bei [X.]/[X.]uckebier, § 238 Rn. 12).

Soweit das [X.] lediglich eine Tat der Nachstellung gemäß § 238 StGB angenommen hat, weist der Senat darauf hin, dass mehrere tatbestandliche Verhaltensweisen dann nur eine Tat im Sinne des § 238 StGB bilden, wenn sie denselben tatbestandlichen Erfolg betreffen. Führt der Täter dagegen nach Eintritt eines Erfolges, etwa eines Umzuges (vgl. [X.] 95), weitere Tathandlungen aus, so kann Tatmehrheit vorliegen ([X.] in [X.]/[X.] aaO, § 238 Rn. 39).

3. Zum Straf- und Maßregelausspruch weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

a) Soweit das [X.] im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten die „gesundheitlichen Folgen der Tat für die Geschädigten“ berücksichtigt ([X.] 121), lässt dies besorgen, dass mit dem Erfolg der Körperverletzung ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes zu seinem Nachteil in Ansatz gebracht worden ist (§ 46 Abs. 3 StGB). Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn quantitative oder qualitative Besonderheiten der Körperverletzung zum Anlass von entsprechenden Strafzumessungserwägungen genommen werden (Theune in LK, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 146).

b) Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird ferner zu prüfen haben, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB im Hinblick auf die Sanktionen aus den Strafbefehlen des [X.] vom 3. Februar 2012 ([X.]. 263b [X.] – 3033 Js 364/12 – 22/12) – insoweit gegebenenfalls unter Berücksichtigung der zeitlichen Tatkonkretisierung in der Anklage (vgl. oben II. 2. a)) – und vom 4. April 2012 ([X.]. 263b [X.] – 232 Js 5682/11 – 17/12) in Betracht kommt.

c) Hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) weist der Senat auf Folgendes hin:

aa) Die Diagnose einer „[X.]-Persönlichkeitsstörung“ stellt – was die [X.] nicht übersehen hat – nicht ohne Weiteres eine hinreichende Grundlage für die Annahme einer relevanten Verminderung der Schuldfähigkeit des [X.] dar (Senatsbeschluss vom 6. Februar 1997 – 4 [X.], [X.]St 42, 385 ff.; [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2001 – 3 [X.], [X.], 142; Beschluss vom 1. August 1989 – 1 [X.], [X.]R StGB § 21 seelische Abartigkeit 13) und rechtfertigt nur bei Vorliegen weiterer – vom [X.] nicht fehlerfrei bejahter – Umstände die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ([X.] aaO; Senatsbeschluss vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, [X.], 165, 166; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 [X.], [X.], 38, 39 mwN).

bb) Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und [X.] zurückzuführen, so ist regelmäßig erforderlich, dass der Täter an einer krankhaften Betäubungsmittelabhängigkeit leidet, in krankhafter Weise [X.] ist oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer [X.] oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 [X.], [X.], 209; Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 [X.], [X.], 42).

cc) Besonderes Augenmerk wird die zur neuen Entscheidung berufene [X.] zudem auf die Gefährlichkeitsprognose zu richten haben.

Die prognostizierte Gefährlichkeit muss sich auf Taten beziehen, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Für Straftaten nach § 238 StGB ist dies nicht ohne Weiteres zu bejahen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 [X.], [X.], 145, 147; [X.], Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12, 13). Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), die Beleidigung, die üble Nachrede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) sowie die Verbreitung pornographischer Schriften einschließlich gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§§ 184 und 184a StGB). Gleiches gilt für die Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB. Da auch insoweit das Höchstmaß der Freiheitsstrafe drei Jahre beträgt, kann auch die Nachstellung, wenn sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht, nicht generell als Straftat von erheblicher Bedeutung angesehen werden ([X.], Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12 [juris Rn. 21, 28]). Entsprechendes gilt für eine Bedrohung, die nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 [X.], [X.], 337, 338 mwN) allenfalls dann zur Rechtfertigung einer Unterbringungsanordnung herangezogen werden kann, wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt. Der bloße Besitz des in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen [X.]agrings begründet eine solche Gefahr für sich genommen noch nicht (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 2011 – 2 [X.], NStZ-RR 2011, 240, 241). Erforderlich ist insoweit eine umfassende Auseinandersetzung des Tatgerichts auch mit Umständen, die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft sprechen könnten ([X.] aaO), insbesondere dass der Angeklagte bisher mit Gewaltdelikten nicht auffällig geworden ist.

Die Gefährlichkeitsprognose selbst ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des [X.], seines [X.] und der von ihm begangenen [X.] zu entwickeln (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 [X.], [X.], 145, 147). An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt ([X.], Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 mwN).

dd) Im Falle der erneuten Anordnung der Maßregel wird ferner zu berücksichtigen sein, dass mit deren Aussetzung zur Bewährung die Weisung erteilt werden kann, sich einer Therapie zu unterziehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 70/13, [X.]. 2; [X.], StGB, 60. Aufl., § 67b Rn. 4). Dem kann schon deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil der Angeklagte sich selbst um eine ambulante Therapie bemüht hat, zu der es lediglich aufgrund der Untersuchungshaft nicht gekommen sei ([X.] 123).

d) Zur Fassung eines Urteilstenors verweist der Senat auf die Kommentierung bei [X.]-Goßner, [X.], 56. Aufl., § 260 Rn. 21 ff.; insbesondere ist die (namentliche) Benennung der Opfer einer Straftat im Schuldspruch nicht geboten, bei gleichartiger Tateinheit ist lediglich anzugeben, wie oft der Straftatbestand verwirklicht wurde.

III.

Der Haftbefehl in der Fassung des [X.] war gemäß § 126 Abs. 3 [X.] aufzuheben, weil der Senat das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne Weiteres ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Mutzbauer                    Roggenbuck                       [X.]

                   [X.]

Meta

4 StR 168/13

18.07.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 22. November 2012, Az: 44 KLs 33/12

§ 63 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 238 StGB, § 240 Abs 1 StGB, § 241 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2013, Az. 4 StR 168/13 (REWIS RS 2013, 4004)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4004

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