Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.08.2017, Az. B 10 EG 1/17 B

10. Senat | REWIS RS 2017, 6398

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Fehlen von Entscheidungsgründen iS von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG - Verweisung gemäß § 153 Abs 2 SGG - neue rechtserhebliche Tatsachen oder Beweisanträge in der Berufungsinstanz - Prüfungsmaßstab für Rechtserheblichkeit - falsch bezeichnetes Datum des zitierten Urteils - Elterngeldrecht - § 2 Abs 8 S 4 BEEG aF - nachgeburtliches Einkommen - Berechnung der Steuern nach Steuervorauszahlung - spätere endgültige Steuerfestsetzung nicht maßgeblich)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld.

2

Die selbständig tätige Klägerin ist Mutter einer am [X.] geborenen Tochter. Der [X.] bewilligte und zahlte ihr vorläufig Elterngeld ab dem zweiten Lebensmonat von 1474 Euro. Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 Einkommensteuergesetz für das [X.] und eines voraussichtlichen Einkommens im Bezugszeitraum in Höhe von 700 Euro. Nach Vorlage weiterer Unterlagen senkte der [X.] das Elterngeld endgültig auf nur noch 903,42 Euro monatlich ab und forderte die Überzahlung in Höhe von 5705,80 Euro (später reduziert auf 4335,40 Euro) zurück (Bescheid vom 12.7.2011, Teilabhilfebescheid vom 24.2.2012, Widerspruchsbescheid vom 8.5.2012).

3

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage machte die Klägerin vorrangig geltend, der [X.] habe bei der Einkommensberechnung die auf ihr Einkommen entfallenden Steuern im Bezugszeitraum zu niedrig angesetzt. Zugrunde zu legen seien nicht die vorläufig geleisteten [X.], sondern die später tatsächlich im Steuerbescheid festgesetzte Steuerschuld.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Es hat [X.] ausgeführt, der [X.] habe die anteilige Steuerlast zu Recht dem Steuervorauszahlungsbescheid vom [X.] entnommen. Soweit die Klägerin demgegenüber der Auffassung sei, die zu berücksichtigende Steuerlast sei höher, lasse sich dies anhand der im Verfahren vorgelegten Steuerunterlagen in keiner Weise nachvollziehen. Der zur Begründung insoweit herangezogene endgültige Steuerbescheid für das [X.] enthalte zwar möglicherweise andere Zahlen, sei aber insoweit nicht maßgeblich (Urteil vom 9.3.2016).

5

Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung als unbegründet zurückgewiesen, es sei kein Grund für eine rechtliche oder tatsächliche Falschbehandlung der Sache in der ersten Instanz ersichtlich. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils werde Bezug genommen. Ergänzend werde auf das Senatsurteil vom [X.] EG 55/09 - verwiesen.

6

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Sie macht als Verfahrensfehler geltend, das L[X.]-Urteil sei nicht mit Gründen versehen.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der behauptete Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 [X.] [X.]G).

8

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung dieses [X.] (§ 160a Abs 2 [X.] [X.]G) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden.

9

Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hat den behaupteten Verstoß gegen § 136 Abs 1 [X.] [X.]G iVm § 153 Abs 1 und 2 [X.]G und damit auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin nicht hinreichend substantiiert Rechnung dargetan.

Nach der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung des B[X.] zu § 136 Abs 1 [X.] [X.]G müssen die Entscheidungsgründe im Regelfall zu allen entscheidungserheblichen Streitpunkten die Erwägungen, die zum Urteilsausspruch des Gerichts geführt haben, enthalten. Zum Mindestinhalt eines Urteils, der durch eine Bezugnahme auf vorinstanzliche Entscheidungen, Akten [X.] Unterlagen nicht ersetzt werden kann, gehört danach die Angabe der angewandten Rechtsnormen und der für erfüllt bzw nicht gegeben erachteten Tatbestandsmerkmale sowie der dafür ausschlaggebend gewesenen tatsächlichen und rechtlichen Gründe (vgl B[X.] [X.] 1500 § 136 [X.] und 10; [X.] 2200 § 1246 [X.] sowie B[X.] [X.]b 1998, 13).

Wie die Beschwerde indes nicht ausreichend berücksichtigt, gelten diese Begründungsanforderungen nicht im geschilderten Umfang, wenn das L[X.] rechtsfehlerfrei von der in § 153 Abs 2 [X.]G vorgesehenen Verweisungsmöglichkeit Gebrauch macht. Die Vorschrift soll dem Berufungsgericht "überflüssige [X.] und Schreibarbeit" ersparen, wenn und soweit das L[X.] die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückweist, die die Beteiligten bereits kennen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 153 Rd[X.] 11, 13, Stand März 1993; BT-Drucks 12/1217 [X.] zu [X.] und B[X.] [X.] 3-1500 § 153 [X.] 3).

Es steht im freien Ermessen des L[X.], ob es gemäß § 153 Abs 2 [X.]G verfährt. Das Berufungsgericht kann auf diese Vorschrift stets dann zurückgreifen, wenn das Urteil des [X.] ausreichende Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 [X.] [X.]G enthält und es lediglich aus diesen Gründen die Berufung zurückweisen will. Dann vermeidet es, dem Normzweck der Vorschriften entsprechend, die Argumente der Vorinstanz schlicht zu wiederholen.

Nur wenn ein Beteiligter im Berufungsverfahren neue rechtserhebliche Tatsachen oder substantiierte Einwendungen gegen die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe vorgebracht oder entsprechende Beweisanträge gestellt hat, muss sich das L[X.] in jedem dieser Fälle damit auseinandersetzen (vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 153 [X.] 3). In solchen Fällen genügt eine bloße Bezugnahme gemäß § 153 Abs 2 [X.]G nicht. Sie würde neues rechtserhebliches Vorbringen übergehen und damit das rechtliche Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG) des betreffenden Beteiligten verletzen (Senat Urteil vom [X.] - B 9 [X.] R - Juris mwN).

Indes legt die Beschwerde nicht dar, das [X.]-Urteil enthalte keine ausreichenden Gründe. Ebenso wenig trägt die Klägerin substantiiert vor, welche rechtserheblichen neuen Tatsachen oder stichhaltigen Einwendungen sie mit der Berufung vorgebracht hat, auf die das L[X.] zwingend hätte eingehen müssen. Die Klägerin verweist zwar auf ihren Vortrag zu ihrem endgültigen Einkommensteuerbescheid für das [X.], in dem sie das Elterngeld bezogen hat. Diesen Bescheid (vom [X.]) habe die Berufungsschrift erstmals vorgelegt und damit als neue Tatsache in den Rechtsstreit eingeführt. Allerdings legt sie nicht dar, warum die Vorlage des nach ihren Ausführungen bereits in den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen genannten Steuerbescheids rechtserheblich gewesen sein sollte. Maßgeblich für die Prüfung einer möglichen entscheidungsrelevanten Gehörsverletzung ist die (zutreffende) Rechtsansicht des [X.], der sich das L[X.] angeschlossen hat. Danach kam es aber wegen der von der Klägerin im Bezugszeitraum geleisteten [X.] auf die spätere endgültige Steuerfestsetzung nicht mehr an. Nach dem maßgeblichen § 2 Abs 8 S 4 [X.] (idF vom [X.]) galten bei der Berechnung von Einkommen im Bezugszeitraum als auf den Gewinn entfallende Steuern im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil der Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Die gesetzliche Vermutung zielte ersichtlich auf eine rasche Erfüllung des Elterngeldanspruchs ab. Sie ließ deshalb - anders als § 2 Abs 9 S 1 [X.] (idF vom [X.]) für die Berechnung des vorgeburtlichen Einkommens - die endgültige Steuerfestsetzung außer Betracht. Angesichts dessen fehlt es an der Darlegung, warum das L[X.] trotzdem zwingend auf den erst im [X.] ergangenen, endgültigen Steuerbescheid der Klägerin für das [X.] hätte eingehen müssen.

Schließlich führt die Beschwerde als vermeintlichen Begründungsmangel an, das L[X.] habe zur Begründung auf sein Urteil vom [X.] EG 55/09 - verwiesen; unter diesem Datum sei aber kein Urteil ergangen. Indes hat die Klägerin nach dem Beschwerdevortrag bereits mit ihrer Berufung selber das Urteil mit dem Aktenzeichen L 13 EG 55/09 zitiert, welches das L[X.] am 27.4.2010 (nicht 2013) gesprochen hatte. Das L[X.] hat damit zwar in den Urteilsgründen das Datum der bezogenen Entscheidung falsch bezeichnet. Ein Verfahrensmangel liegt darin jedoch nicht. Beide Beteiligten und das Gericht kannten das richtige Datum; die Falschbezeichnung war bereits deshalb unschädlich. Wie ausgeführt, fehlen Entscheidungsgründe nicht schon dann, wenn diese sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (B[X.] [X.] [X.] 79 zu § 128 [X.]G; B[X.] vom 6.2.2003 - [X.] [X.] 32/02 B; B[X.] vom 12.2.2004 - [X.] RA 67/03 B - jeweils mwN).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

2. [X.] ergibt sich aus § 193 [X.]G in entsprechender Anwendung.

Meta

B 10 EG 1/17 B

21.08.2017

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Düsseldorf, 9. März 2016, Az: S 32 EG 20/12, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 153 Abs 2 SGG, § 2 Abs 8 S 4 BEEG vom 05.12.2006, § 2 Abs 9 S 1 BEEG vom 05.12.2006, § 4 Abs 3 EStG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.08.2017, Az. B 10 EG 1/17 B (REWIS RS 2017, 6398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6398

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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