Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.2022, Az. II R 36/19

2. Senat | REWIS RS 2022, 5198

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Gegenstand

Grunderwerbsteuer bei Erwerb forstwirtschaftlich genutzter Waldflächen


Leitsatz

1. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sind diejenigen Leistungen, die für den Erwerb des Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts zu erbringen sind. Eine Gegenleistung für Scheinbestandteile gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

2. Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Dazu können auch Forstbäume zählen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16.05.2019 - 7 K 3217/18 GE wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhält einen forstwirtschaftlichen Betrieb. Er pflegte kontinuierlich forstlich bewirtschaftete Flächen zu erwerben, um fällreife Bäume abzuholzen und entsprechend neue Bäume anzupflanzen. Im Jahre 2018 erwarb er mit einem einheitlichen Vertrag von derselben Veräußerin mehrere [X.] in verschiedenen Gemeinden. Der wertvollste Bestand an Grundstücken war im Zuständigkeitsbereich des [X.] (Finanzamt --[X.]--) belegen. Auch bei diesen Grundstücken hatte zum Zeitpunkt der Aufforstung bereits festgestanden, dass die gepflanzten Bäume bei [X.] abgeholzt werden sollten. Zum Ankaufszeitpunkt wiesen die Flächen teilweise hiebreife Bestände auf. Vom Gesamtkaufpreis in Höhe von 105.000 € sollte ein Teilbetrag in Höhe von 73.500 € auf den "Aufwuchs" und ein Teilbetrag in Höhe von 31.500 € auf den Grund und Boden entfallen.

2

Mit Bescheid vom 09.10.2018 stellte das [X.] für die einzelnen Grundstücke die jeweilige Gegenleistung, insgesamt in Höhe von 105.000 € gesondert fest. Das [X.] begründete seine Entscheidung mit dem Hinweis, dass der Wald wesentlicher Bestandteil des jeweiligen Grundstücks i.S. von § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei.

3

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der sich der Kläger gegen die Einbeziehung des Kaufpreisanteils für den Aufwuchs in die Gegenleistung wandte, hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts ([X.]) wird aus der Struktur und Lage der erworbenen Flächen deutlich, dass die Bäume zum Zwecke einer späteren Ernte angepflanzt worden und deshalb Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB seien.

4

Mit der Revision rügt das [X.] eine Verletzung der §§ 94, 95 BGB. Die Bäume seien Erzeugnisse des Grundstücks und könnten deshalb, solange sie mit dem Boden verbunden seien, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Abweichendes gelte nur für Baumschulen, in denen ein lebendiger Organismus vom Grundstück getrennt und die Pflanze selbst geerntet und veräußert werde. Beim Walderntehieb werde hingegen unter Zerstörung der Pflanzen deren Produkt geerntet.

5

Das [X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Feststellungsbescheid insoweit rechtswidrig ist, als das [X.] den auf den Baumbestand entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen hat.

8

1. Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, stellt gemäß § 17 Abs. 2 Alternative 2 des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Bestand an Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest.

9

a) Mit dem Begriff "Rechtsvorgang" nimmt die Vorschrift Bezug auf § 1 [X.], der im Einzelnen regelt, welche Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer unterliegen (Urteil des [X.] [X.], [X.], 289, [X.], 323, unter [X.]). Ein solcher Rechtsvorgang ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] u.a. ein Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet.

b) Zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen eines Kaufvertrags gehört auch der Wert der Gegenleistung, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 [X.] die Steuer bemisst. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - II R 50/15, [X.], 169, [X.], 602, Rz 13, m.w.N.). Soweit sich ein Kaufvertrag auch auf Gegenstände bezieht, die kein Grundstück sind, gehören die hierauf entfallenden Teile des Kaufpreises nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage, denn es können nur solche Leistungsverpflichtungen des Erwerbers Gegenleistung sein, die er um des Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 08.09.2010 - II R 28/09, [X.], 244, [X.], 227, Rz 10, m.w.N.).

2. Unter Grundstück im Sinne des [X.] ist das Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Ob Gehölze zum Grundstück zählen, hängt davon ab, zu welchem Zweck die Aussaat bzw. das Einpflanzen des Gehölzes erfolgt ist.

a) Grundstück im bürgerlichen Rechtssinne ist der räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts ohne Rücksicht auf die Art seiner Nutzung unter einer besonderen Nummer eingetragen ist (vgl. Beschluss des [X.] --BGH-- vom 19.12.1967 - V [X.] 24/67, [X.], 145; BFH-Urteil vom [X.], [X.], 2261, Rz 29; [X.]/Herrler, [X.], 81. Aufl., Überbl v § 873 Rz 1, m.w.N.). Es umfasst nach §§ 94, 95 BGB auch seine wesentlichen Bestandteile, soweit es sich nicht um [X.] handelt.

b) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, darunter auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). [X.] Gehölze sind deshalb im Ausgangspunkt wesentliche Bestandteile des Grundstücks, gleich, ob sie durch Selbst- oder Fremdaussaat unmittelbar am Standort gewachsen oder anderweit vorgezogen und eingepflanzt worden sind (vgl. [X.] vom 04.11.2010 - III ZR 45/10, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2011, 852, Rz 14; [X.] vom 17.03.2016 - V ZR 185/15, Neue Juristische Wochenschrift - [X.] 2016, 587, Rz 4, und vom 26.11.2020 - V ZB 151/19, NJW 2021, 2121, Rz 8).

c) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB), die sog. [X.]. Die Vorschrift schränkt den Anwendungsbereich des § 94 BGB ein (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 95 Rz 1). Gehölze sind [X.], wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen.

aa) Eine Verbindung erfolgt zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss allerdings mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein ([X.] vom 07.04.2017 - V ZR 52/16, [X.], 2099, Rz 7). Einem vorübergehenden Zweck steht es weder entgegen, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist ([X.] vom 16.11.1973 - V ZR 1/72, Monatsschrift für Deutsches Recht 1974, 298, unter [X.]) noch, wenn sie wegen der Art der eingefügten Sachen zwangsläufig zu deren Zerstörung führt ([X.] vom 22.12.1995 - V ZR 334/94, [X.], 368, NJW 1996, 916, unter [X.]; BFH-Urteil vom 09.04.1997 - II R 95/94, [X.], 373, [X.] 1997, 452, unter [X.]; beide betreffend massiv errichtete Gebäude). Deshalb ist es ebenso wenig wie im Falle eines nur zu vorübergehendem Zweck errichteten massiven Gebäudes erforderlich, dass die [X.]igenschaft auf den ersten Blick sichtbar ist (a.A. Beschluss des [X.] vom 24.08.2021 - 5 W 74/21, juris, Rz 12). Es reicht aus, wenn der äußere Anschein damit vereinbar ist.

bb) Bei Verkaufspflanzen in Baumschulen ist von vornherein die vollständige Entfernung von dem Grundstück beabsichtigt. Es handelt sich um [X.] (vgl. bereits Urteile des [X.] vom 27.04.1907 - V 459/06, [X.] in Zivilsachen --RGZ-- 66, 88, und vom 04.10.1922 - V 611/21, [X.], 213; BFH-Urteil vom 14.08.1986 - IV R 341/84, [X.], 449, [X.] 1987, 23, unter 2.).

cc) [X.] können aber auch vorliegen, wenn aufstehende Bäume forstwirtschaftlich genutzt, d.h. zur Holzproduktion gefällt werden sollen (vgl. [X.] in NJW 2011, 852, Rz 15, ohne dass dem --anders als das [X.] meint-- eine Beschränkung auf die Anzucht von Forstbäumen zum späteren Aufforsten an anderer Stelle zu entnehmen wäre; [X.]/[X.], [X.], 20. Aufl., § 2 Rz 41), sofern dies von Anfang an beabsichtigt war. Wie viel Zeit bis zur planmäßigen Entfernung der Bäume verstreicht, ist unbeachtlich. Werden anders als bei [X.] die Bäume beim Entfernen als lebende Organismen zerstört, steht dies der Eigenschaft als Scheinbestandteil nicht entgegen. Unerheblich ist ferner, ob ein nicht mehr lebensfähiger Rest des Baumes (Wurzeln mit Baumstumpf) weiter mit dem Grundstück verbunden ist. Die umgekehrte Frage, wie es zu beurteilen wäre, wenn trotz Kappen des aufstehenden Holzes der Baum als lebensfähiger Organismus bestehen bleibt und planmäßig wieder ausschlägt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

dd) Aus dem [X.] vom 27.01.2006 - V ZR 46/05 (NJW 2006, 1424), auf das sich das [X.] beruft, folgt nichts anderes, weil es sich auf Bäume bezieht, die ersichtlich nicht in der Absicht gepflanzt worden waren, sie später wieder zu entfernen. Das BFH-Urteil vom 11.05.1966 - II 171/63 ([X.], 252, [X.]I 1966, 400), auf das sich das [X.] weiter beruft, setzt sich nicht mit den §§ 94, 95 BGB auseinander. Es enthält keine Feststellungen dazu, ob der Baumbestand bereits zum Zwecke der späteren Abholzung gesät oder gepflanzt worden war.

3. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] zutreffend entschieden, dass nur der auf den Grund und Boden entfallende Kaufpreisanteil Gegenleistung für den Grundstückserwerb ist. Der Kaufpreisanteil für die aufstehenden Bäume wurde nicht für den Erwerb des Grundstücks geleistet, da die Bäume als [X.] nicht Teil des Grundstücks waren.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.], an die der Senat mangels entsprechender Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden ist, waren die Bäume bereits bei Pflanzung zur Abholzung und damit zur Entfernung von dem Grundstück bestimmt.

Es bedarf keiner weiteren Tatsachenfeststellungen zur Beurteilung der Frage, ob dies mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Sollte der Wald durch entsprechend angeordnete [X.], ggf. auch mit typischerweise zur Holzgewinnung dienenden Arten bereits erkennen lassen, dass er für Zwecke des späteren Holzeinschlags angelegt wurde, bedarf dies keiner weiteren Erörterung. Mit der forstwirtschaftlichen Zweckbestimmung "Abholzung" wäre aber auch eine äußerlich ungeordnete Mischpflanzung vereinbar, denn sie kann ebenfalls der Holzproduktion dienen.

Die lange Verweildauer der Bäume ist für die Einordnung des Baumbestandes als Scheinbestandteil unerheblich. Schließlich ergibt sich aus den Feststellungen des [X.], dass die Bäume als lebende Organismen beim Fällen zerstört werden. Daher bedarf es keiner Erörterung der Rechtslage bei einer andersartigen Bewirtschaftung.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 36/19

25.01.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 19. Mai 2019, Az: 7 K 3217/18 GE, Urteil

§ 94 Abs 1 S 1 BGB, § 94 Abs 1 S 2 BGB, § 95 Abs 1 S 1 BGB, § 90a FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 121 Abs 1 FGO, § 135 Abs 2 FGO, § 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 2 Abs 1 S 1 GrEStG 1997, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 17 Abs 2 Alt 2 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.2022, Az. II R 36/19 (REWIS RS 2022, 5198)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5198

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Referenzen
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V ZR 185/15

III ZR 45/10

V ZR 52/16

V ZR 46/05

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