Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 19.11.2015, Az. 2 BvR 2577/14

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2015, 2058

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Handhabung von Formerfordernissen im PKH-Verfahren - hier: Darlegungsobliegenheiten im Rahmen eines PKH-Antrags für ein Klageerzwingungsverfahren umfassen nicht auch solche Angaben, die der Betroffene nur mittels Akteneinsicht durch einen Bevollmächtigten (§ 406e Abs 1 StPO) ermittelt kann


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussichten auf Erfolg.

2

1. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die gerichtliche Versagung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Klageerzwingungsverfahrens, um, soweit dies überhaupt ersichtlich wird, einer Strafanzeige gegen mehrere Ministerialbeamte, welchen die Beschwerdeführerin strafbares Handeln wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) vorwirft, zum Erfolg zu verhelfen. Nachdem die Staatsanwaltschaft [X.] mit [X.] vom 7. Mai 2014 und die Generalstaatsanwaltschaft [X.] mit [X.] vom 6. Juni 2014 das Ermittlungsverfahren eingestellt haben, hat das [X.] mit Beschluss vom 25. Juli 2014 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Mit Beschluss vom 18. September 2014 hat es auch die hiergegen erhobene [X.] als unzulässig verworfen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

3

2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich unzulässig, weil ihre Begründung keinen nachvollziehbaren Sachverhalt mitteilt (§ 23 Abs. 1, § 92 [X.]G).

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3. In der Sache selbst hätte die Verfassungsbeschwerde auch keine Aussichten auf Erfolg haben können.

5

a) Zwar begegnen die Anforderungen, die das [X.] an einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im [X.] gestellt hat, im Hinblick auf das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG Bedenken.

6

aa) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.] 40, 272 <274>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; [X.]K 14, 211 <214>). Dies muss der [X.] auch bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leer laufen lassen (vgl. [X.] 77, 275 <284>; 96, 27 <39>). Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. [X.] 88, 118 <125>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 28. November 1999 - 2 BvR 1339/98 -, [X.], S. 1027). Dies gilt auch für die [X.] nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. [X.]K 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>, m.w.N.).

7

bb) Soweit das [X.] unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung ausführt, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe auch mitteilen müsse, was bisher im Ermittlungsverfahren geschehen ist und was die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat (so Beschluss des [X.] vom 25. Juli 2014 - 3 Ws 377/14 -, S. 3), erscheint dies jedenfalls dann überzogen, wenn die [X.]e der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft insoweit keine Angaben enthalten und der Antragsteller diese Kenntnisse erst durch Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erlangen kann (§ 406e Abs. 1 StPO). Die bloße Erteilung von Auskünften, zu denen keine Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich ist (vgl. § 406e Abs. 5 StPO), dürfte zur Erfüllung der vorgenannten Anforderungen nicht genügen. Wenn ein Antragsteller sich aber zur Begründung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe eines Rechtsanwalts bedienen muss, widersprechen die aufgestellten Anforderungen an den Inhalt des [X.] offenkundig dem Sinn und Zweck des Prozesskostenhilfeverfahrens und stellen insoweit überzogene Anforderungen an den Zugang zu Gericht dar.

8

b) Auch soweit das [X.] beanstandet, dass sich dem [X.] nicht entnehmen lasse, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich die Beschuldigten im Ermittlungsverfahren eingelassen hätten und ob Zeugen vernommen worden seien (Beschluss des [X.] vom 25. Juli 2014 - 3 Ws 377/14 -, S. 3), verstößt dies gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Wenn, wie vorliegend, nach den Feststellungen des Kammgerichts der Antragsteller den Inhalt der [X.]e von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft als solchen mitgeteilt hat, sind darüber hinausgehende Anforderungen an das Vorbringen in Prozesskostenhilfeverfahren nicht zumutbar, da die verlangten Kenntnisse erst nach erfolgter Akteneinsicht durch einen beigeordneten Rechtsanwalt erlangt werden können.

9

c) Die erst aus den Anlagen der vorliegenden Verfassungsbeschwerde feststellbare Verkennung der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte, hier insbesondere des Art. 19 Abs. 4 GG, durch das [X.] ergibt letztlich jedoch keinen Anlass, die Verfassungsbeschwerde anzunehmen (§ 95 Abs. 2 [X.]G), weil das Begehren der Beschwerdeführerin mangels Verletzteneigenschaft im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO im Ergebnis keinen Erfolg haben kann.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2577/14

19.11.2015

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend KG Berlin, 18. September 2014, Az: 3 Ws 377/14 - 121 Zs 672/14, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 172 Abs 1 S 1 StPO, § 172 Abs 2 StPO, § 172 Abs 3 S 1 StPO, § 406e Abs 1 StPO, § 406e Abs 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 19.11.2015, Az. 2 BvR 2577/14 (REWIS RS 2015, 2058)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2058

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 5 SF 4/16 AR

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B 5 SF 3/16 AR

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