Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.03.2010, Az. I R 19/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 8367

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Gegenstand

(Zusage einer Pension ohne ausreichende Erprobung als vGA - Berechnung der Höhe der vGA - Anderweitige Ausübung des Wahlrechts gem. § 6a Abs. 4 Satz 3 EStG nach Einreichung der Bilanz beim FA)


Leitsatz

1. NV: Die Erteilung einer Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft setzt im Allgemeinen die Einhaltung einer Probezeit voraus, um die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers beurteilen zu können. Die Feststellung, dass die Zusage einer Altersvorsorgung  durch das Gesellschaftsverhältnis (mit)veranlasst ist, beruht im Wesentlichen auf Schlussfolgerungen tatsächlicher Art des FG, die das Revisionsgericht binden .

2. NV: Die Höhe der anzusetzenden vGA ist nicht deshalb zu mindern, weil bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen die Anwartschaft so zu ermitteln ist, als wäre die Zusage bereits mit Dienstantritt erteilt worden .

3. NV: Die bei der Einkommensermittlung hinzugerechneten vGA sind nicht um die in nachfolgenden Wirtschaftsjahren ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu kürzen .

4. NV: Das Wahlrecht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 3 EStG kann nach Einreichung der Bilanz beim FA nur nach den Grundsätzen, die für eine Bilanzänderung gelten, anderweitig ausgeübt werden .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, an der [X.] im Streitjahr 2000 zu 99 v.H. beteiligt war. Seine 1955 geborene [X.]hefrau ([X.]) war seit 1. Februar 1990 als kaufmännische Angestellte bei der Klägerin beschäftigt. Im Streitjahr erhielt sie für ihre Tätigkeit ein monatliches Gehalt von 5.750 [X.]. Die ihr erteilte Prokura wurde am 18. Oktober 2000 im Handelsregister eingetragen. Am 22. Oktober 2000 wurde sie zur weiteren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt. Am 1. Dezember 2000 erteilte ihr die Klägerin eine Versorgungszusage, nach der sie nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente in Höhe von monatlich 3.000 [X.] und auf eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von ebenfalls 3.000 [X.] hat. Die Klägerin bildete hierfür in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2000 eine Pensionsrückstellung.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte die Zuführung zur Pensionsrückstellung (82.704 [X.]) mangels einer Probezeit als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und rechnete den Betrag außerhalb der Bilanz dem [X.]inkommen der Klägerin hinzu.

3

Die dagegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) des [X.] mit in [X.]ntscheidungen der [X.]e 2009, 774 veröffentlichtem Urteil vom 3. Dezember 2008  1 K 1377/04 im [X.]esentlichen ab.

4

Gegen das [X.]-Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird. Sie beantragt, das [X.]-Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufzuheben und das [X.]inkommen der Klägerin um weitere 81.604 [X.] zu mindern.

5

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. [X.]r hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

7

Die Annahme des [X.], die Zusage einer Altersversorgung an [X.] sei eine vGA, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

8

1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des [X.] ([X.]) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG) i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.] auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, [X.], 208, [X.]I 1967, 626).

9

2. a) Wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. Februar 2005 [X.]/04, [X.], 252, [X.] 2005, 882; vom 24. April 2002 [X.], [X.], 144, [X.] 2002, 670, m.w.N.), ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer GmbH deren Geschäftsführer eine Pension erst dann zusagen wird, wenn er die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers zuverlässig abzuschätzen vermag. Ohne [X.]rprobung des Geschäftsführers würde eine Pension nicht zugesagt werden. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

Allerdings hat der Senat das [X.]rfordernis einer Probezeit bei solchen Unternehmen für verzichtbar gehalten, die aus eigener [X.]rfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen als erfüllt angesehen worden, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung (vgl. Senatsurteile vom 29. Oktober 1997 [X.], [X.], 487, [X.] 1999, 318; vom 18. Februar 1999 [X.], [X.] 1999, 1384; vom 18. August 1999 [X.], [X.] 2000, 225). Gleichermaßen verhält es sich bei einem sog. Management-buy-out, wenn bisherige leitende Angestellte eines Unternehmens dieses "aufkaufen" und sodann in Gestalt eines anderen Unternehmens fortführen (Senatsurteil in [X.], 144, [X.] 2002, 670).

b) Das [X.] hat diese Grundsätze auf den Streitfall angewandt. [X.]s hat dennoch ausgeschlossen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den Gegebenheiten des [X.] auch einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer bereits am 1. Dezember 2000 --knapp sechs Wochen nach der Bestellung zum [X.] eine vergleichbare Pension zugesagt hätte. [X.] habe zwar bereits längere [X.] für die Klägerin gearbeitet, jedoch nicht in führender Stellung, sondern als Büroangestellte und damit weisungsgebunden. Die Klägerin habe keine Umstände dargetan, die erkennbar auf die [X.]ignung der [X.] als Geschäftsführerin hinwiesen. [X.]in ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte daher auf eine angemessene Probezeit nicht verzichtet.

c) Diese Sachverhaltswürdigung des [X.] mag nicht zwingend sein. Sie lässt jedoch keine Verstöße gegen Denkgesetze oder [X.]rfahrungssätze erkennen und ist deswegen aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Feststellung, dass die Zusage einer Altersversorgung durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, beruht im Wesentlichen auf Schlussfolgerungen tatsächlicher Art, die zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. von § 118 Abs. 2 [X.]O gehören und deshalb das Revisionsgericht grundsätzlich binden. Soweit die Klägerin geltend macht, die vorherige Tätigkeit der [X.] als kaufmännische Angestellte reiche aus, um sich ein Bild von ihren Fähigkeiten als Geschäftsführerin zu machen, setzt sie nur ihre eigene Würdigung anstelle derjenigen des [X.].

Dem [X.]inwand der Klägerin, sie hätte [X.] auch als kaufmännische Angestellte eine Altersversorgung zusagen können, die dann als ausschließlich betrieblich veranlasst anzuerkennen gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass sich die steuerliche Beurteilung an tatsächlichen, nicht an möglichen Gegebenheiten orientiert. Unabhängig davon stehen diesem [X.]inwand die Feststellungen des [X.] entgegen, nach denen Arbeitnehmern der Klägerin in vergleichbarer Position keine Altersversorgung zugesagt worden ist. Das [X.] hat daher angenommen, dass die Zusage einer Altersversorgung an [X.], hätte sie ihre Stellung als Büroangestellte beibehalten, ebenfalls als vGA zu beurteilen gewesen wäre. Auch diese Würdigung des [X.] ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung kann nach der Rechtsprechung des Senats als vGA zu beurteilen sein, wenn anderen Arbeitnehmern, die vergleichbare Tätigkeits- und Leistungsmerkmale aufweisen, eine entsprechende betriebliche Altersversorgung nicht eingeräumt wurde (Senatsurteil vom 20. Mai 1992 [X.], [X.] 1993, 52, m.w.N.).

d) Die Höhe der anzusetzenden vGA ist nicht deshalb zu mindern, weil bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen gemäß § 6a Abs. 3 [X.]StG in der im Streitjahr gültigen Fassung die Anwartschaft so zu ermitteln ist, als wäre die Zusage bereits mit Dienstantritt erteilt worden (§ 6a Abs. 3 Satz 3 [X.]StG). [X.]ine nur anteilige außerbilanzielle Hinzurechnung käme nur dann in Betracht, wenn die Zuführung zur Pensionsrückstellung im Streitjahr zum Teil ausschließlich betrieblich veranlasst wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die gemäß § 6a Abs. 3 [X.]StG gebildete Pensionsrückstellung war nach der Würdigung des [X.] vielmehr in vollem Umfange dem Grunde nach durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst.

Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, dass bei jährlich gleich bleibender Höhe der [X.] zur Pensionsrückstellung ein geringerer Betrag als vGA zu berücksichtigen wäre. Bei der Bemessung der vGA kann aber nicht fiktiv von einem niedrigeren [X.] zur Pensionsrückstellung ausgegangen werden, als § 6a Abs. 3 [X.]StG vorsieht und die Klägerin auch tatsächlich zurückgestellt hat. Die im Streitjahr durch die Pensionszusage eingetretene Vermögensminderung kann auch nicht deshalb als teilweise ausschließlich betrieblich veranlasst beurteilt werden, weil die Pensionszusage in späteren Jahren steuerlich anzuerkennen war. Denn Umstände, die erst in nachfolgenden [X.] eingetreten sind, wirken nicht auf das Streitjahr zurück. [X.]ntgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus dem Senatsurteil vom 13. Juni 2006 [X.] (BFH[X.] 213, 559, [X.] 2006, 928) nichts Gegenteiliges. Auch dort wurde zu dem [X.]punkt, zu dem die Vermögensminderung wirksam wurde, die vGA einkommenserhöhend berücksichtigt.

e) Die dem Gewinn [X.] vGA sind auch nicht um die in nachfolgenden Wirtschaftsjahren ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu kürzen. Dies folgt schon daraus, dass [X.]rsparnisse künftiger Wirtschaftsjahre infolge des Wegfalls der Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung im Streitjahr noch nicht realisiert waren und daher die Höhe der anzusetzenden vGA nicht beeinflussen können. Ob das [X.] zu Recht unter Berufung auf die Senatsurteile vom 31. März 2004 [X.]/03 (BFH[X.] 206, 32, [X.] 2005, 664) und vom 28. Januar 2004 [X.] (BFH[X.] 205, 186, [X.] 2005, 841; vgl. auch Senatsurteil vom 27. November 1974 [X.], BFH[X.] 114, 415, [X.] 1975, 294) die vGA um die ersparten Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Monate November und Dezember gemindert hat, kann offenbleiben, weil die Klägerin dadurch nicht beschwert worden ist und das [X.] keine Revision eingelegt hat.

3. Die Klägerin kann ihr Wahlrecht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 3 [X.]StG nicht mehr anderweitig ausüben. Nach dieser Vorschrift kann die erstmalige Bildung der Rückstellung auf das [X.]rstjahr und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt werden. Die Klägerin hat in ihrer Bilanz für das Streitjahr die Rückstellungen in voller Höhe gebildet. Da gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.]StG eine Bilanzänderung nur zulässig ist, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.]StG steht, eine solche aber nicht vorliegt, ist eine anderweitige Ausübung des Wahlrechts nicht möglich (vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2008 [X.]/07, BFH[X.] 222, 418, [X.] 2008, 924). Aus dem Urteil des [X.] vom 27. September 2006 [X.] (BFH[X.] 215, 172, [X.] 2008, 600) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn in dem dort entschiedenen Fall lag [X.] als im [X.] eine Bilanzberichtigung vor, die durch eine Bilanzänderung kompensiert werden konnte.

Meta

I R 19/09

17.03.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 3. Dezember 2008, Az: 1 K 1377/04, Urteil

§ 4 Abs 1 EStG 1997, § 4 Abs 2 S 2 EStG 1997, § 6a Abs 3 EStG 1997, § 6a Abs 4 S 3 EStG 1997, § 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.03.2010, Az. I R 19/09 (REWIS RS 2010, 8367)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8367

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