Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.08.2010, Az. 3 StR 301/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 3922

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 301/10 vom 19. August 2010 in der Strafsache gegen wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen u.a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 4. auf dessen Antrag - am 19. August 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. April 2010 aufgehoben mit [X.] der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen der ver-suchten Nötigung. 2. Vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungs-widriger Organisationen wird der Angeklagte freigesprochen. 3. Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an den Strafrichter beim [X.] zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzei-chen verfassungswidriger Organisationen und wegen versuchter Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die auf die Sachrüge ge-stützte Revision des Angeklagten hat im Wesentlichen Erfolg. 1 - 3 - 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verwendens von Kennzei-chen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a Abs. 1 Nr. 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) hält rechtlicher Überprüfung schon hinsichtlich der Erfüllung des objekti-ven Tatbestands nicht stand. 2 Nach den Feststellungen war der Angeklagte Mieter einer Wohnung im Anwesen der Zeugin [X.]in [X.]. Außer ihm wohnten in dem Haus noch das Ehepaar [X.]
mit [X.] sowie ein "weiteres Pärchen". [X.] und Beschwerden der Mitbewohner kündigte Frau [X.]den Mietvertrag mit dem Angeklagten. Aus Verärgerung hierüber so-wie über eine von ihm als unangemessen empfundene Behandlung durch Frau [X.] malte der Angeklagte mit dem [X.] seines Krückstocks im Hausflur ein [X.] an die Wand. Dieses konnten die Mitbewohner wahrnehmen. 3 Damit ist ein im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB öffentliches Verwen-den des [X.]es nicht festgestellt. Zwar geht das [X.] zutreffend davon aus, dass es hierfür nicht entscheidend auf die Öffentlichkeit des [X.] ankommt, sondern darauf, ob die Art der Verwendung die Wahr-nehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusam-menhängenden Personenkreis begründet (BayObLG, Beschluss vom 12. März 2003 - 5 [X.] 20/2003, [X.], 233; [X.], Urteil vom 18. März 1998 - 1 Ss 407/97, [X.], 356; [X.], Urteil vom 10. Mai 1994 - 1 Ss 71/94, [X.], 440; [X.], StGB, 57. Aufl., § 86a Rn. 15). Entgegen der Ansicht des [X.]s war der Angeklagte indes mit der Zeu-gin [X.]und den anderen Bewohnern des Anwesens, die das [X.] nach den [X.] Feststellungen allein wahrnehmen konnten, durch persönliche Beziehungen verbunden. Er hat das [X.] nur angebracht, 4 - 4 - um diesen gegenüber seinen Unmut über die Kündigung des Mietvertrags und die Entwicklung des nachbarschaftlichen Verhältnisses zum Ausdruck zu brin-gen. Da insoweit weitere Feststellungen, die eine Verurteilung des Angeklag-ten tragen könnten, ausgeschlossen erscheinen, ist der Angeklagte in diesem Anklagepunkt freizusprechen. 5 2. Hinsichtlich des Schuldspruchs wegen versuchter Nötigung tragen die lückenhaften Feststellungen nicht die Annahme des [X.]s, der Ange-klagte sei bei der Begehung der ihm vorgeworfenen Tat schuldfähig gewesen (§ 20 StGB). 6 Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte an einer chronifizier-ten [X.] Psychose "aus dem schizophrenen [X.]" leidet und deswegen seine Fähigkeit, "das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln", zum Zeitpunkt beider Taten erheblich vermindert war. Zwar führt es an anderer Stelle aus, (lediglich) die Steuerungs-fähigkeit des Angeklagten sei erheblich vermindert gewesen, stützt sich hierbei aber wiederum auf die Darlegungen des Sachverständigen, wonach die Erkran-kung "die Annahme einer erheblichen Minderung der Einsichts- und Steue-rungsfähigkeit" rechtfertige. Danach ist eine erhebliche Verminderung der Ein-sichtsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung nicht ausgeschlossen. Ist die Fähigkeit des [X.], das Unrecht der Tat einzusehen, erheblich vermindert, so kommt es aber für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit ent-scheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleich-wohl über sie verfügt. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines 7 - 5 - Handelns und kann ihm dies - etwa wegen einer psychischen Erkrankung - auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld (vgl. [X.], aaO, § 21 Rn. 3 mwN). Damit, ob der Angeklagte unge-achtet der krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung seiner Einsichts-fähigkeit das Unerlaubte seines Handelns erkannte, setzt sich das Urteil indes nicht auseinander. Der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung kann daher keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind insoweit jedoch rechtsfehlerfrei getroffen und können aufrechterhalten bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO). 8 3. Der Senat weist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den örtlich und nach §§ 24, 25 Nr. 2 [X.] sachlich zuständigen Strafrichter beim [X.] zurück (§ 354 Abs. 3 StPO). Dessen Entschei-dungsgewalt reicht für die weitere Untersuchung aus, denn nach den insoweit
9 - 6 - [X.] Darlegungen der sachverständig beratenen [X.] ist die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus - auch mit Blick auf § 62 StGB - nicht zu erwarten (§ 63 StGB; § 74 Abs. 1 Satz 2 [X.]). [X.] Sost-Scheible RiBGH [X.] befindet sich [X.] im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. [X.]

Meta

3 StR 301/10

19.08.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.08.2010, Az. 3 StR 301/10 (REWIS RS 2010, 3922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3922

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