Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.12.2014, Az. 1 StR 324/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 273

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Gegenstand

Strafverfahren wegen leichtfertiger Steuerverkürzung: Umsatzsteuerhinterziehung im Falle des Handels mit Altgold durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen; Gesamtwürdigung der Umstände zur Feststellung der Leichtfertigkeit


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2013 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat gegen den Angeklagten wegen leichtfertiger Steuerverkürzung in drei Fällen Geldbußen in Höhe von 1.000 Euro, 1.500 Euro und 5.000 Euro festgesetzt. Es hat ihm gestattet, die Geldbußen nacheinander und in monatlichen Raten zu jeweils 50 Euro zu bezahlen.

2

Der Angeklagte beanstandet mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s gründete der Angeklagte im Mai 2010 zusammen mit dem [X.].  die [X.].                   GmbH (im Folgenden: [X.].    ) mit dem Unternehmensgegenstand An- und Verkauf von Schmuck und anderen Edelmetallgegenständen zu [X.]. Gesellschafter und Geschäftsführer waren der Angeklagte und der Zeuge [X.].  . Hintergrund war die Idee des [X.].  , in [X.]eine Scheideanstalt kleineren Umfangs aufzubauen. Das Unternehmen sollte Altgold und Silber in der Region von [X.]     bis Fr.      ankaufen und potentiellen Verkäufern damit die zeitaufwendige Reise zur [X.].         in [X.]     ersparen. Geplant war, das Edelmetall in [X.], mit Hilfe eines Spektrometers den jeweiligen Reinheitsgehalt zu analysieren und dann zur Weiterverwertung an die Firma [X.].        zu veräußern. Ein Gewinn sollte nach den Vorstellungen des [X.].  auch dadurch entstehen, dass er mit Blick auf den langjährigen Kontakt seiner Familie mit der Firma [X.].         vorteilhaftere Abnahmepreise auszuhandeln hoffte, als sie etwa [X.]lieferanten gewährt wurden.

4

Dem Angeklagten und dem [X.].  gelang es, im Juni 2010 in einem ehemaligen Bundeswehrlager in [X.]Räumlichkeiten anzumieten und dort zwei Tresore, einen Massenspektrometer und einen Schmelzofen aufzustellen. Der Zeuge [X.].  führte den Angeklagten in die Funktionsweise und Bedienung der Spezialgeräte ein; außerdem fand eine technische Einweisung in den Betrieb des Spektrometers durch einen Mitarbeiter des Herstellers statt. Ferner erläuterte der Zeuge [X.].  dem Angeklagten anhand von ihm vorbereiteter Formulare, wie der künftige Geschäftsbetrieb ablaufen solle. Der jeweilige Kunde hatte einen unternehmenseigenen Vordruck auszufüllen, in dem er Name und Anschrift, bei Firmen auch einen Ansprechpartner und die Steuernummer sowie eine Erklärung über die „[X.]" anzugeben hatte. Ferner hatte der Kunde zu erklären, dass er Eigentümer der von ihm eingelieferten Gegenstände sei und diese weder aus einer strafbaren Handlung stammten noch verpfändet seien. Darüber hinaus sollte der Kunde die Kopie eines [X.]sweispapiers hinterlegen.

5

Tatsächlich kam es zu einem gemeinsamen Geschäftsbetrieb des Angeklagten mit dem [X.].  nicht, weil sich für diesen herausstellte, dass ein geschäftliches Zusammenwirken mit dem Angeklagten für ihn „nicht machbar" war. Bereits im Juni 2010 hatte der Angeklagte ohne Wissen des [X.].  beschlossen, den Geschäftsbetrieb der [X.].    aufzunehmen, da die erforderliche Einrichtung bereits fertiggestellt war. Hierzu ließ er auf dem Parkplatz der Firma [X.].        in [X.]     Werbeflugblätter der [X.].    verteilen.

6

Hierdurch kam der Angeklagte in Kontakt mit einer Person, die in unlautere Geschäfte mit Anlagegold verwickelt war. Diese Geschäfte dienten der „Generierung" von Vorsteuer und deren „Abschöpfung" zum Nachteil des Fiskus. Ihnen lag das Modell zugrunde, Anlagegold umsatzsteuerfrei nach § 25c UStG zu erwerben, einzuschmelzen und dann mit anderen Metallen zu verunreinigen. [X.]f diese Weise entstand Altgold, dessen Verkauf umsatzsteuerpflichtig war. Das Altgold wurde jeweils von einem zu diesem Zwecke betriebenen Unternehmen eines [X.] als „missing trader" an ein steuer- und handelsrechtlich unauffälliges Drittunternehmen als „buffer" weiterveräußert, das den Absatz an eine Scheideanstalt vornahm. Der „missing trader" wies zwar in seinen Rechnungen Umsatzsteuer aus, meldete diese aber nicht beim Finanzamt an und führte sie auch nicht ab. Der „buffer" machte demgegenüber die beim Ankauf an den „missing trader" gezahlte Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden als Vorsteuer geltend (UA S. 9).

7

2. Ein solcher Strohmann war der Zeuge [X.]  , der unter dem Namen „[X.]     [X.]    " (im Folgenden: [X.]) ein Gewerbe anmeldete und dem vom Finanzamt eine Einkommensteuernummer, nicht aber eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt wurde. Er übergab sodann eine Steuerbescheinigung und Blanko-Unterschriften an den Zeugen [X.] .

8

Der Zeuge [X.]     erschien in den Geschäftsräumen der [X.].    , legte eine schriftliche Vollmacht vor und bot im Namen der [X.] den Verkauf von Altgold an.

9

Es folgten sodann mehrere [X.] an die [X.].    , bei denen der Zeuge [X.]    jeweils eine schriftliche Versicherung abgab, dass die [X.] Eigentümerin des gelieferten Goldes sei; auch fertigte der Angeklagte eine Kopie des Personalausweises des [X.]    an und nahm diese zu seinen Unterlagen. Die jeweils mit einer fortlaufenden Rechnungsnummer versehenen Rechnungen der [X.] enthielten eine Nettopreisangabe und wiesen einen gesonderten [X.] aus. Als Unternehmenssitz war die Privatanschrift [X.]    s angegeben. [X.]ch enthielten die Rechnungen keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, sondern lediglich die dem Zeugen [X.]   zugeteilte Einkommensteuernummer. Bei der Abwicklung der Geschäfte bestand der Zeuge [X.]    auf Barzahlungen. [X.]    leitete die erhaltene Summe an seine [X.]ftraggeber weiter und bezog hierfür ein regelmäßiges Entgelt von drei- bis vierhundert Euro pro Woche.

3. In ähnlicher Weise wurde ab [X.]gust 2010 ein weiteres Unternehmen eingesetzt, namens dessen der Zeuge [X.]    unter Vorlage einer Vollmacht Goldlieferungen zu dem Angeklagten brachte. Hierbei handelte es sich um die Firma [X.](im Folgenden: [X.]) des Zeugen [X.].   . Dieser stammte aus [X.], war selbständiger [X.]iesenleger und sprach nur gebrochen [X.] ([X.]). Tatsächlich kam es nie zu Goldtransporten des Zeugen [X.].   . Stattdessen verwendete der Zeuge [X.] Namen und Briefkopf der Firma [X.] zur Erstellung von Rechnungen an die Firma [X.].    , wobei er auch eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendete, die der Zeuge [X.].   bereits im Hinblick auf sein Trockenbauunternehmen erhalten hatte ([X.]). [X.] oder sein Vertreter erschienen regelmäßig, mitunter mehrfach in der Woche bei dem Angeklagten und versicherte, dass [X.]   und [X.].   erfolgreiche Geschäftsleute seien, es gebe „Gold ohne Ende".

4. Der Angeklagte zweifelte nicht an der Richtigkeit dieser Angaben und hielt [X.]    ebenso wie die von ihm angeblich repräsentierten Unternehmer für seriöse Geschäftsleute. Eine Überprüfung der Angaben [X.]    s, etwa durch eine Internetrecherche, Rückfragen bei den örtlichen Finanzämtern, den Versuch einer Kontaktaufnahme zu den Betriebsinhabern oder ähnliches nahm der Angeklagte nicht vor. Seine Sicherheitsvorkehrungen beschränkten sich vielmehr darauf, sich von [X.]    oder dessen Vertreter Vollmachten vorlegen zu lassen, sich [X.]sweiskopien anzufertigen und diese zusammen mit den bei den [X.] entstandenen [X.]sdrucken und ausgefüllten Formularen abzuheften.

5. Infolge der Geschäftsaufnahme hätte der Angeklagte für die [X.].   bereits im Folgemonat eine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben müssen, er unterließ dies jedoch aus Unkenntnis über seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer. Erst Ende Juli/Anfang [X.]gust 2010 kümmerte er sich um die Frage der Voranmeldungen, hielt sich aber für überfordert und sprach den Zeugen [X.].     an, ob dieser ihm bei den Steuerangelegenheiten helfen könne. [X.].    , der ein Tonstudio als Selbständiger betrieb, erklärte sich hierzu bereit und suchte den Angeklagten Anfang [X.]gust in den Geschäftsräumen der [X.].   auf. Er sichtete die von dem Angeklagten säuberlich abgehefteten Ein- und [X.]sgangsbelege und fertigte eine handschriftliche [X.]fstellung über die erzielten Umsätze mit der Firma [X.].          und die Geschäfte mit den Goldlieferanten der [X.].    an. Weiter erklärte der Zeuge [X.].     dem Angeklagten, wie anhand dieser [X.]fstellungen die monatsweise zusammengefassten Umsätze in das Voranmeldungsformular einzutragen seien und wie er dort die an seine Lieferanten entrichtete Umsatzsteuer als Vorsteuer angeben müsse.

6. Anhand dieser Erläuterung füllte der Angeklagte bald darauf Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume Juni und Juli 2010 aus; beide gab er am 10. [X.]gust 2010 beim Finanzamt ab.

a) In der Voranmeldung für Juni 2010 gab er seine [X.]sgangsumsätze zutreffend an. Die von ihm geltend gemachten Vorsteuern enthielten Beträge in Höhe von 44.605,56 Euro aus Rechnungen der [X.]. [X.]s der Voranmeldung des Angeklagten ergab sich zugunsten der [X.].    ein Umsatzsteuererstattungsbetrag von 4.271,22 Euro.

b) In der Voranmeldung für Juli 2010, in welcher der Angeklagte seine [X.]sgangsumsätze ebenfalls zutreffend angab, meldete er u.a. Vorsteuern in Höhe von 56.255,11 Euro an, die auf Rechnungen der [X.] beruhten. [X.]s der Umsatzsteuervoranmeldung ergab sich eine Umsatzsteuerschuld von 7.485 Euro.

7. [X.]ch nach Abgabe der beiden ersten Umsatzsteuervoranmeldungen traute sich der Angeklagte eine zutreffende Erfassung seiner Unterlagen unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten nicht zu. Er trat daher im September 2010 erneut an den Zeugen [X.].     heran und bat ihn, ihm beim Vorbereiten der Voranmeldung für den vergangenen Monat zu helfen. [X.]f der Basis der dann vom Zeugen [X.].     angefertigten [X.] füllte der Angeklagte eine Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum [X.]gust 2010 aus, die er am 9. September 2010 beim Finanzamt abgab. [X.]ch insoweit gab er seine [X.]sgangsumsätze zutreffend an. In den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen war ein Betrag von 206.550,27 Euro aus Rechnungen der [X.]und der [X.]enthalten. [X.]s der Voranmeldung ergab sich eine Umsatzsteuerzahllast von 4.233,07 Euro.

8. [X.]sgehend von diesen Feststellungen hat das [X.] den Angeklagten wegen dreier Ordnungswidrigkeiten der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 [X.]) zu drei Geldbußen verurteilt. Eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 [X.] nahm das [X.] nicht an, weil dem Angeklagten [X.] nicht nachzuweisen sei. Seine Angabe, er habe aufgrund seiner Unerfahrenheit nicht erkannt, dass es sich bei der [X.]und der [X.]um Scheinfirmen gehandelt habe, sei nicht zu widerlegen gewesen.

II.

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Die Beweiswürdigung des [X.]s hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 20. Juni 2013 - 4 StR 159/13; vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11, Rn. 9; vom 6. Dezember 2012 - 4 [X.], [X.], 180).

Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen ([X.], Urteile vom 20. Juni 2013 - 4 StR 159/13; vom 9. Juni 2005 - 3 [X.], NJW 2005, 2322, 2326; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13, Rn. 5).

b) Daran gemessen hält die Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand.

Das [X.] hat sich ohne einen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler - in dubio pro reo - davon überzeugt, dass der Angeklagte wegen seiner Unerfahrenheit nicht erkannt hat, dass es sich um Scheinfirmen gehandelt hat ([X.]). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat es sich davon überzeugt, dass eine Vielzahl von Anzeichen vorlag, die bei dem Angeklagten den Verdacht hätten wecken müssen, dass es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen Firmen nicht um die Leistenden handelte und diese Firmen vielmehr zum Schein in die Rechnungen aufgenommen worden waren ([X.]). Insoweit hat das [X.] ohne Rechtsfehler darauf hingewiesen, dass bereits das Verhalten des Zeugen [X.]    für den Angeklagten zahlreiche schwer wiegende Hinweise darauf lieferte, dass es sich bei der [X.]und der [X.]nicht um die leistenden Unternehmer, sondern um Scheinfirmen handelte: Obwohl Geschäfte mit fünf- bzw. sechsstelligen Beträgen durchgeführt wurden, bestand [X.]    auf Barzahlungen; der Angeklagte hatte [X.] zu den angeblichen Unternehmensinhabern, sondern für beide Firmen ausschließlich mit dem Zeugen [X.]    oder dessen Vertretern zu tun; es gab keinen Postverkehr, vielmehr wurden alle Rechnungen in den Betriebsräumen der [X.].    gefertigt oder dort übergeben ([X.] f.).

2. Die Feststellungen belegen die vom [X.] angenommene leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 [X.]) in drei Fällen.

a) Der Angeklagte erfüllte jeweils den objektiven Tatbestand des § 378 Abs. 1 [X.].

aa) Er beging durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die [X.]. für die Monate Juni, Juli und [X.]gust 2010 jeweils eine Tathandlung im Sinne des § 370 Abs. 1 [X.]. Die Umsatzsteuervoranmeldungen waren unrichtig, weil die unter dem Namen der [X.] und der [X.] ausgestellten Rechnungen nicht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigten. Es handelte sich hierbei nicht um gemäß §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnungen. Sie wiesen jeweils als Leistenden ein Unternehmen aus, das keine Leistung erbracht hatte. Vielmehr wurden die Namen der [X.] und der [X.] lediglich zum Schein benutzt, um über die Person des Leistenden zu täuschen. Damit handelte es sich um Scheinrechnungen im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, aus denen kein Vorsteuerabzug zulässig war. Der wahre Leistende, der auch die Umsatzsteuer vereinnahmt hatte, wurde hierdurch verschleiert.

bb) Durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen verwirklichte der Angeklagte jeweils einen Taterfolg im Sinne des § 370 Abs. 1 [X.]. Für die Monate Juli und [X.]gust 2010 trat bereits durch die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen eine Steuerverkürzung ein, weil der Angeklagte in diesen Fällen jeweils eine zu niedrige Zahllast erklärte. Damit stand die unrichtige Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 [X.] einer Steuerfestsetzung gleich. Die Steueranmeldung für Juni 2010 lautete zwar auf einen Erstattungsbetrag ([X.]). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (insbesondere [X.]) ist jedoch zu entnehmen, dass das Finanzamt die ungerechtfertigte Erstattung auch tatsächlich vorgenommen hat. Damit stand die unrichtige Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 2 [X.] ebenfalls einer Steuerfestsetzung gleich.

b) Die Urteilsfeststellungen tragen auch die Wertung des [X.]s, der Angeklagte habe jeweils leichtfertig gehandelt.

aa) [X.] handelt, wer die Sorgfalt außer [X.] lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 [X.] Rn. 40, [X.], 866; [X.], Urteil vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11 Rn. 17, [X.], 465).

Jeder Steuerpflichtige muss sich über diejenigen steuerlichen Pflichten unterrichten, die ihn im Rahmen seines Lebenskreises treffen. Dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf solche steuerrechtlichen Pflichten, die aus der [X.]sübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit erwachsen. Bei [X.] sind deshalb jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 2009 - [X.]/07 mwN, [X.]E 225, 1). In Zweifelsfällen hat er von sachkundiger Seite Rat einzuholen (vgl. [X.], Urteil vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11 Rn. 18, [X.], 465; vgl. dazu auch [X.] in [X.]/Gast/[X.], Steuerstrafrecht, 7. [X.]fl., § 378 [X.] Rn. 39; [X.] in [X.], [X.], 12. [X.]fl., § 378 Rn. 20 f.; jeweils mwN).

bb) [X.]sgehend von diesen Maßstäben ist die Annahme zumindest von [X.]keit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die vom [X.] für das Vorliegen von Scheinrechnungen angeführten Umstände (s.o.) mussten bei dem Angeklagten den Verdacht wecken, dass es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen Firmen nicht um die Leistenden handelte, diese vielmehr zum Schein in die Rechnungen aufgenommen wurden ([X.]). Der Umstand, dass das [X.] sich nicht sogar von einem bedingten [X.] des Angeklagten überzeugen konnte, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen und zeigt insbesondere keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Soweit die Revision geltend macht, der Zeuge [X.].  habe den Angeklagten nicht über kaufmännische Details aufgeklärt, steht dies einer [X.]keit nicht entgegen. Dasselbe gilt für das Vorbringen, der Angeklagte habe als Betonbauer keine ausreichende Kenntnis über seine steuerlichen Pflichten, so dass es sich ihm nicht aufgedrängt habe, dass eine Steuerverkürzung eintreten könne. Vielmehr belegen diese Umstände gerade das leichtfertige Verhalten des Angeklagten. Obwohl er, wie ihm bewusst war, die kaufmännischen Fähigkeiten für seine gewerbliche Tätigkeit nicht besaß, und er die für einen Vorsteuerabzug erforderlichen Voraussetzungen an eine Rechnung nicht kannte, nahm er keine sachkundige Hilfe in Anspruch. Dass er hierzu verpflichtet war, musste sich dem Angeklagten aufdrängen.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung zutreffend darauf hinweist, dass einzelne Umstände, die das [X.] für die Annahme eines leichtfertigen Handelns herangezogen hatte, für sich allein für die Annahme von [X.]keit nicht ausgereicht hätten, zeigt dies einen Rechtsfehler nicht auf. Vielmehr hat das [X.] rechtsfehlerfrei im Rahmen einer Gesamtwürdigung darauf abgestellt, dass gerade mehrere Umstände in ihrer Gesamtheit bei dem Angeklagten den Verdacht hätten wecken müssen, dass es sich bei den Rechnungen um Scheinrechnungen handelte, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten.

3. Die Bemessung der Höhe der Geldbußen ist ebenfalls rechtsfehlerfrei.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 464 Abs. 1 i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Zu den Kosten des Verfahrens (§ 464a StPO) gehören, soweit entstanden, auch [X.]slagen für die Teilnahme des Vertreters der Finanzbehörde an der Revisionshauptverhandlung, für die die Vorschrift des § 407 Abs. 1 [X.] ebenfalls gilt (vgl. [X.] in [X.]/Gast/[X.], Steuerstrafrecht, 7. [X.]fl., § 407 Rn. 8). Seit der Einführung des § 441 R[X.] durch das 1. [X.]StrafÄndG vom 10. [X.]gust 1967 hat die Finanzbehörde im gerichtlichen Verfahren nicht mehr die Stellung einer Nebenklägerin (s. dazu Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, [X.]. Juni 2009, § 407 Rn. 1), sondern diejenige einer Nebenbeteiligten eigener [X.]t (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 188. Lfg. März 2006, § 407 Rn. 9; zu den Reisekosten des Vertreters der Verwaltungsbehörde im gerichtlichen Verfahren gemäß § 76 OWiG als Gerichtskosten vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], OWiG, 18. EL, vor § 109 Rn. 9).

Raum                       [X.]fuß                             [X.]

              Radtke                          Mosbacher

Meta

1 StR 324/14

17.12.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gießen, 6. Dezember 2013, Az: 2 KLs 701 Js 27455/12

§ 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 378 Abs 1 AO, § 14 UStG, § 14a UStG, § 14c Abs 2 S 2 UStG, § 15 Abs 1 Nr 1 UStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.12.2014, Az. 1 StR 324/14 (REWIS RS 2014, 273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 273

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