Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. IV ZR 239/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5258

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 239/10

Verkündet am:

27. Juni 2012

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R: ja

[X.] § 2309 Alt. 2

Als "hinterlassen" i.S. des §
2309 Alt.
2 [X.] gelten nicht [X.]e oder lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an den näheren, trotz Erb-
und Pflichtteilsverzichts zum gewillkürten Alleinerben bestimmten Abkömmling, wenn dieser und der entfern-tere Abkömmling demselben, allein bedachten Stamm gesetzlicher Erben angehö-ren.

[X.], Urteil vom 27. Juni 2012 -
IV ZR 239/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.] Karczewski
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2012

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin wird das Urteil des 27.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]

Zivil-senate in [X.]

vom 13.
Oktober 2010 aufgehoben
und das Endurteil des [X.] vom 15.
Juni 2007 geändert.

Das [X.] des [X.] vom 15. März 2006 wird aufrechterhalten, soweit die Be-klagte verurteilt
worden ist, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 20. Februar 2005 verstorbenen S.

Sch.

zu erteilen durch Vorlage eines durch einen Notar erstellten Nachlassverzeichnisses, das auch ausgleichungspflichtige Zuwendungen nach §§
2050
ff. [X.] enthält, insbesondere ergänzungspflich-tige Zuwendungen nach §§
2325
ff. [X.].

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.],
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

-
3
-

Tatbestand:

Die Klägerin
macht gegen die Beklagte, ihre Mutter, Pflichtteilsan-sprüche nach deren am 20.
Februar 2005 verstorbenem
Vater ([X.]) in Höhe der Hälfte des Nachlasswertes
geltend.

Der Erblasser und die Mutter der Beklagten
errichteten am 23.
November 1987 ein
gemeinschaftliches Testament
in notarieller Form, mit dem sie sich gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben einsetzten und
in Ziff. [X.] ihre Enkelkinder
zu Schlusserben
be-stimmten. Dem
Überlebenden
des Erstversterbenden
wurde das Recht vorbehalten,

[X.] abweichende Bestimmungen zu treffen; er darf [X.] aber [X.] immer nur solche Personen bedenken, die zum Kreis unserer gemeinschaftlichen Abkömmlinge oder deren Abkömmlinge gehören."

Am selben Tag
verzichtete
die Beklagte
gegenüber ihren Eltern al-lein
für ihre Person, nicht aber für ihre Abkömmlinge
auf das ihr zu-stehende gesetzliche Erb-
und Pflichtteilsrecht.

Nach dem Tod seiner Ehefrau setzte der Erblasser mit notariellem Testament vom 17.
Oktober 2000 die Beklagte zu seiner alleinigen und ausschließlichen Erbin ein
und
bestimmte die Klägerin zur [X.].
Die Parteien sind die einzigen Abkömmlinge des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau.

Mit der Klage verlangt die
Klägerin von der Beklagten
Zahlung
in insen
sowie
Auskunft über den Bestand des 1
2
3
4
5
-
4
-

Nachlasses und Einholung eines Wertermittlungsgutachtens bezüglich
dem Nachlass zugehörigen
Grundvermögens. Die Parteien streiten [X.], ob
§
2309 [X.]
einer
Pflichtteilsberechtigung der Klägerin entge-gensteht.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Mit der [X.] verfolgt die
Klägerin
ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und
zur teilweisen Aufrechterhaltung
des [X.] des [X.] vom 15.
März 2006, im Übrigen
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin
sei infolge des Erb-
und Pflichtteilsrechtsverzichts der Beklagten an deren Stelle zur gesetzlichen Erbin berufen
gewesen und
von dem Erblasser wirksam enterbt worden.
Den deswegen
ihr an sich gemäß §
2303 [X.] zustehenden Pflichtteilsanspruch habe sie nach §
2309 Alt.
2 [X.] verloren. Der darin geregelte Ausschluss des [X.] Abkömmlings "im Falle der gesetzlichen Erbfolge" beziehe sich nicht auf die konkrete Situation, sondern auf die abstrakte Erbenstellung des näheren Abkömmlings, hier der Beklagten, die gemäß §
1924 Abs.
2 [X.] die Klägerin grundsätzlich
von der gesetzlichen Erbfolge verdränge. 6
7
8
9
-
5
-

Infolge der Annahme der Erbschaft durch die Beklagte sei die "[X.]" des §
2346 Abs.
1 [X.] gegenstandslos geworden.

[X.] Das hält der rechtlichen
Nachprüfung im wesentlichen Punkt nicht stand.
Das Berufungsgericht hat versäumt, den Anwendungsbe-reich des §
2309 Alt.
2 [X.] nach einer an Sinn und Zweck der Regelung gemessenen Auslegung zu bestimmen. Dadurch hat es
zu Unrecht in der Annahme des testamentarisch zugewendeten Erbes eine auf den Pflicht-teilsanspruch anzurechnende Entgegennahme
des der Beklagten "[X.]"
im Sinne
dieser Vorschrift gesehen.

1. Nach dem auf das Pflichtteilsrecht zu übertragenden Prinzip der Erbfolge nach Klassen und Stämmen i.S. der §§
1924
ff. [X.]
ist die Klägerin
pflichtteilsberechtigt
gemäß §
2303 Abs.
1 Satz
1 [X.].
Zwar ist die Beklagte der nähere
und als solcher nach §
1924 Abs.
2 [X.] grund-sätzlich
vorrangige
Abkömmling des Erblassers. Jedoch gilt sie infolge ihres Erb-
und Pflichtteilsverzichts gemäß
§
2346 Abs.
1 Satz
2 Halb-satz
1 [X.] als vorverstorben, so dass ihre Tochter, die Klägerin, an ih-rer Stelle in die gesetzliche Erb-
und [X.] eingerückt ist (vgl. [X.]/[X.], [X.] 13.
Aufl. §
2309 Rn.
1; [X.] in [X.] §
2309 Rn.
1; [X.]/[X.], [X.] Bd.
V. 4.
Aufl. §
2309 [X.], II
1; [X.]/[X.],
Erbrecht 14.
Bearb.
§
9 Ziff.
I 1 d; [X.], Erbrecht Bd. I Rn.
2386, Bd.
II Rn.
4101, 4103; [X.], [X.], 1177, 1178).
Diese
Position als gesetzliche Erbin ihres Großvaters wurde der Klägerin durch dessen
Testament vom 17.
Oktober 2000 entzogen.
Der Erblasser war durch den Erbverzicht nicht daran gehindert, die Beklagte als Erbin einzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 13.
April 2011
IV ZR 204/09, [X.]Z 189, 171 Rn. 13-15; [X.], Beschluss vom 13.
Juli 1959
[X.], 10
11
-
6
-

[X.]Z 30, 261, 267; [X.] in [X.] aaO Rn.
23; MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl. §
2309 Rn.
14; MünchKomm-[X.]/[X.],
5.
Aufl. §
2309 Rn.
16; [X.]/[X.] aaO [X.].
[X.]; [X.]/[X.], [X.] Stand 2006 §
2309 Rn.
26;
[X.] aaO
Bd.
I Rn.
2418).
Dadurch ist der Klägerin ein originäres Pflichtteilsrecht erwachsen.

2. Dieses
Pflichtteilsrecht kann gemäß §
2309 [X.]
wieder ausge-schlossen sein. Danach sind entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm [X.] annimmt.

a) Zutreffend
ist
das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-gen, dass die Fiktion des §
2346 Abs.
1 Satz
2 Halbsatz
1 [X.]
dem
Vor-rang des näheren Abkömmlings im Rahmen der von §
2309 [X.] gefor-derten
fiktiven
gesetzlichen Erbfolge nicht entgegensteht (vgl. [X.], 193, 194
f.; [X.] in [X.] aaO
Rn.
1, 7; [X.] aaO Bd. I Rn.
2400
ff., Bd.
II Rn.
4103; a.A. MünchKomm-[X.]/[X.] aaO; [X.]/
[X.] aaO [X.].
I 1, [X.]; [X.], Das [X.] Erbrecht Bd.
1 3.
Aufl.
§
50 I[X.] Fn.
7).
Mit
dem
Verweis auf die "gesetzliche Erbfolge" legt das Gesetz den Kreis der Personen
fest, deren Pflichtteilsrechte die Berech-tigung des entfernteren Abkömmlings ausschließen oder einschränken können (vgl. [X.], Entstehung und Beseitigung der Rechtswirkungen eines Erbverzichts S.
58). Die Rangfolge
der hypothetischen
gesetzli-chen
Erben
bestimmt sich
nicht nach den
konkreten Umständen
im je-weiligen Erbfall, sondern

abstrakt

nach den
Regelungen der §§
1924
ff. [X.] (vgl. Senatsurteil aaO
Rn.
36; RGZ
aaO
195; [X.]/[X.]/Cieslar, [X.] 12.
Aufl.
§
2309 Rn.
10
f.). Dies folgt aus dem [X.] im Konjunktiv gefassten
Wortlaut der Norm
("ausschließen wür-12
13
-
7
-

de"). Zudem begründet allein §
2303 [X.] das

selbständige, nicht von dem vorrangigen Erben abgeleitete

Pflichtteilsrecht
des entfernteren Abkömmlings
als Ausgleich für ein ihm "gewissermaßen [geschehenes] Unrecht"
(Motive
V 388, 426; Protokolle
V 606;
RGZ aaO; [X.]/[X.] aaO [X.].
I; [X.]/Kuchinke, Erbrecht 5.
Aufl. §
37 IV
2.
b);
[X.], LZ
1919, 505/506,
508, 509,
510
f.; [X.] aaO;
vgl. [X.] aaO Bd.
I
Rn.
2390, [X.] Rn. 4098). §
2309 [X.] enthält hingegen ei-nen Beschränkungstatbestand, dessen Anwendbarkeit das Ausscheiden des näheren Berechtigten aus der gesetzlichen Erbfolge und das
Nach-rücken
des entfernteren
mit der Folge
des §
2303 Abs.
1 Satz
1 [X.] vo-raussetzt
(Senatsurteil aaO
Rn.
35 m.w.N.; [X.] FamRZ 2000, 194, 195;
[X.]/[X.], [X.] 13.
Aufl. §
2309 Rn.
1;
[X.] in [X.] aaO
Rn.
1; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl. §
2309 Rn. 2; [X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.]/Cieslar
aaO Rn.
3; [X.], FamRZ 1997, 1124, 1125; v.
[X.], [X.], 281; [X.] aaO; [X.], [X.] 1998, 433 f.).
Käme es für die
"gesetzliche [X.] des §
2309 [X.]
auf ihre
Ausgestaltung im Einzelfall an, wäre
die Norm ihres
Anwendungsbereichs im Wesentlichen
beraubt.

b) Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften
zum Pflichtteil und zum Erbverzicht folgt nichts Gegenteiliges. Die 2.
Kommission hat die im 1.
Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs in §
2023
geregelten Pflichten zur
Ausgleichung
und Anrechnung
von für den Verzicht gewähr-ten Gegenleistungen
nach Stämmen gestrichen, ohne hierdurch
im Rah-men des §
1983 [X.]-E (§
2309 [X.]) jegliche Beeinflussung des Pflicht-teils durch Zuwendungen aus Anlass eines Erbverzichts auszuschließen
(vgl.
Motive
V
402; Protokolle
V 512, 608).

14
-
8
-

§ 1983 [X.]-E lautete:

"Ist für einen Abkömmling des Erblassers der [X.] begründet oder in Folge einer Zuwendung aus-geschlossen, so steht den Abkömmlingen dieses [X.] sowie den Eltern des Erblassers ein Pflicht-theilsrecht nicht zu."

Anlass für diese Regelung
waren die
Vorversterbensfiktion
des §
1972 [X.]-E, der
zufolge
der gesetzliche Erbe hinsichtlich der gesetz-lichen Erbfolge unter anderem
bei Ausschluss von der Erbschaft durch Erbverzicht als vor dem Erblasser gestorben anzusehen sein sollte
(für den Erbverzicht
§
2346 Abs.
1 Satz
2 Halbsatz
1 [X.]), sowie die
Ver-erb-
und Übertragbarkeit des Pflichtteilsanspruchs
nach
§
1992 Abs.
2 [X.]-E (§
2317 Abs.
2 [X.]).
Im Hinblick auf letztere
sollte verhindert werden, dass "demselben Stamme

heil
gewährt" und
"die auf dem Nachlasse ruhende Last, entgegen dem Zwecke des
Pflichttheilsinstitutes, vervielfacht" wird
(Motive
V 401, 402; vgl. Senats-urteil aaO
m.w.N.;
RGZ
aaO 196; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO Rn.
1; [X.]/[X.]/Cieslar aaO Rn.
4; [X.]/[X.], Erbrecht 14.
Bearb.
§
9 Ziff.
I 1 d; [X.] aaO 1124
f.; [X.] aaO S.
56 f., 58
f.; [X.] aaO; [X.], Das Recht 1920, 134, 135; [X.] aaO).
§
1983 [X.]-E verneinte übereinstimmend für alle in §
1972 [X.]-E genannten Gründe
eines Ausscheidens des näheren Berechtigten
ein Pflichtteils-recht des nachrückenden Abkömmlings,
falls der ausgeschiedene
ge-setzliche Erbe "wegen seines gesetzlichen Erbrechtes befriedigt ist, sei es durch den ihm erworbenen Pflichttheilsanspruch, sei es durch die ihm zum Zwecke seiner Befriedigung wegen des [X.] gemachten Zuwendungen"
(Motive V 402; Protokolle
V 512).
Im weiteren Beratungs-verlauf wurde §
2023 [X.]-E unter bewusster Durchbrechung des Grundsatzes der Eigenständigkeit der
Pflichtteilsrechte
der
Abkömmlinge
15
16
-
9
-

durch §
2214 [X.]-E (§
2349 [X.]) ersetzt;
die
die gesetzliche Erbfolge unmittelbar betreffenden
Auswirkungen eines Erbverzichts
wurden, un-abhängig von etwaigen Zuwendungen
des Erblassers und vorbehaltlich anderweitiger Regelungen im Verzichtsvertrag, wegen der "Bedürfnisse des Lebens" auf die Abkömmlinge des [X.] erstreckt
([X.] 607).
Ihnen sprach §
1983 [X.]-E ungeachtet des Grundes ihres [X.] in die gesetzliche Erbenstellung
ein Pflichtteilsrecht unver-ändert ab, falls der ausgeschiedene nähere Erbe "wegen seines Pflicht-theilsrechts in dem Pflichttheilsanspruch oder in den ihm gemachten Zu-wendungen seine Befriedigung erhalten hat" (Protokolle
V 512; vgl. [X.] 606).

Mit
dem überarbeiteten Wortlaut des §
2309 [X.] ist der [X.] auch für den Fall des verzichtsbedingten [X.] eines ent-fernteren Abkömmlings in die gesetzliche Erb-
und [X.] nicht von dem
Prinzip
abgekehrt, Doppelbegünstigungen
des
Stammes
des
ausgeschiedenen, nach
§§
1924 Abs.
2, 1930 [X.] grundsätzlich
vorran-gigen Berechtigten
sowie Vervielfältigungen der auf dem Nachlass lie-genden Pflichtteilslast
auszuschließen.
Für die Abkömmlinge des [X.]s bedeutet dies, dass "demselben Stamm nicht zwei Pflichtteile, aber auch nicht [ein] Pflichtteil neben
einer Zuwendung"
gewährt werden [X.] bzw. darf ([X.]/[X.], [X.] 13.
Aufl. §
2309 Rn.
1; [X.]/[X.], Erbrecht 14.
Bearb.
§
9 Ziff.
[X.]); vgl. [X.] in [X.] §
2309 Rn.
1; [X.]/[X.], [X.] Bd.
V
4.
Aufl. §
2309 [X.].
I.
4.; [X.], Ent-stehung und Beseitigung der Rechtswirkungen eines Erbverzichts; Krop-penberg, [X.], 1177, 1178;
[X.], Erbrecht
Bd.
II Rn.
4102).

3. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zu Unrecht einen Ausschluss der Pflichtteilsberechtigung der Klägerin angenommen. 17
18
-
10
-

Aufgrund
des verzichtsbedingten Wegfalls des Pflichtteilsrechts der Be-klagten
ist §
2309 Alt.
1 [X.] nicht einschlägig
(vgl. [X.] in [X.]
aaO Rn.
17;
[X.]/[X.]/Cieslar, [X.] 12.
Aufl. §
2309 Rn. 51;
[X.] aaO [X.] Rn. 4103;
a.A. [X.]/[X.], [X.] Stand 2006 §
2309
Rn.
20
f.). Die Voraussetzungen des §
2309 Alt.
2 [X.]
sind ebenfalls
nicht erfüllt. Unzutreffend
hat das Berufungsgericht die der Beklagten
durch Verfügung von Todes wegen zugewandte [X.] als "[X.]s" angesehen.

a) Der Begriff des "[X.]n" i.S. des §
2309 Alt.
2 [X.] ist in Rechtsprechung
und Literatur noch nicht
abschließend geklärt.
Nach allgemeiner Ansicht können [X.]e Zuwendungen des Erblassers an den näheren Abkömmling als "hinterlassen"
gelten. Dies wird überwie-gend auch für den Fall bejaht, dass der nähere Abkömmling auf sein [X.] Erb-
und Pflichtteilsrecht verzichtet ([X.]/[X.]/Cieslar aaO Rn.
20, 51; [X.] in [X.] aaO Rn.
23; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl. §
2309 Rn.
15-17; MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl. §
2309 Rn.
12 i.V.m.
Rn.
14, wonach aber für den
Erbverzicht des nähe-ren Abkömmlings
eine Ausnahme gelten soll; ebenso [X.]/[X.] aaO [X.].
[X.], III
1
b-e und [X.]/[X.] aaO Rn.
22 a.E.; [X.] aaO Bd.
II Rn.
4103; [X.], LZ
1919, 505,
513; [X.], [X.] 1998, 433,
434; einschränkend [X.] aaO Bd.
I Rn.
2404
f.; vgl. [X.]/Dieck-mann, 13.
Aufl. §
2309 Rn.
9, 23). Wegen des allgemeinen Gesetzes-wortlauts sei eine einengende Auslegung auf das zur Befriedigung oder Abwendung eines sonst bestehenden Pflichtteilsanspruches [X.] Zugewendete ebenso
abzulehnen
wie eine Differenzierung nach den verschiedenen Gründen, aus denen der nähere Abkömmling weggefallen ist. Eine einengende Auslegung
könne
zudem nicht mit dem §
2309 [X.] beherrschenden Grundsatz vereinbart werden, dass ein Stamm lediglich 19
-
11
-

einen Pflichtteil und diesen nicht neben einer Zuwendung erhalten solle
([X.]/[X.]/Cieslar aaO
Rn. 20;
differenzierend: [X.], Das Recht 1920, 134,
137 f.; ebenso wohl auch [X.]/[X.] aaO Rn.
23).
Die herrschende Meinung befürwortet darüber hinaus eine Aus-dehnung dieses Verständnisses auf lebzeitige Zuwendungen -
etwa in Form von Abfindungen für den Verzicht ([X.] NJW 1999, 1874; [X.] in [X.] aaO Rn.
24
f.; [X.] aaO; [X.] aaO [X.] Rn. 4103; [X.]/[X.]/Cieslar aaO Rn.
21; [X.]/[X.] aaO Rn.
23).

b) Dieser Meinungsstreit bedarf jedoch keiner abschließenden Klä-rung. Mit der hier in Rede stehenden
besonderen Konstellation setzen sich die vorstehend wiedergegebenen
Auffassungen
nicht
auseinander.
Der Erblasser hat den gemäß §
2346 Abs.
1
Satz 2
[X.]

beschränkt auf seine Person

aus der gesetzlichen Erb-
und [X.] ausge-schiedenen
näheren
Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen zum gewillkürten Alleinerben bestimmt. Dieser gehört gemeinsam mit dem
in seine gesetzliche Erbenstellung nachgerückten, aufgrund
der Erbeinsetzung mit der Folge des §
2303 [X.] enterbten
entfernteren
[X.] dem
einzigen
Stamm gesetzlicher Erben nach dem Erblasser an.
Für diesen Fall
einer ausschließlich auf einen Stamm bezogenen Erbfolge
ist §
2309 Alt.
2 [X.] einschränkend auszulegen. Danach [X.] -
[X.]e oder lebzeitige
-
Zuwendungen an den näheren [X.] nicht als anrechnungspflichtiges "[X.]s" i.S. des §
2309 Alt.
2 [X.]
gelten, weil eine davon nur erfasste Doppelbelastung des Nachlasses nicht ausgelöst wird.

aa) Maßgeblich für die Auslegung ist der in
§
2309 Alt.
2 [X.]
zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er 20
21
-
12
-

sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusam-menhang ergibt. Dem Ziel, dem
im Gesetz objektivierten Willen des [X.] zu
tragen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wort-laut der Norm, ihrem Sinnzusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Entstehungsgeschichte (Senatsurtei-le vom 7.
Dezember 2011

IV ZR 50/11, [X.], 219 und [X.]/11,
[X.], 304,
jeweils Rn.
14 m.w.N.).

bb) Der Wortlaut des §
2309
Alt.
2
[X.] ist nicht eindeutig. Auf-schluss geben
aber
Sinn und Zweck der Norm sowie die
Dokumentation des
Gesetzgebungsverfahrens
(siehe
vorstehend Ziff.
[X.]
2.). Danach
soll §
2309 [X.] den
eigenständigen
und vererbbaren
Anspruch der [X.]e, Eltern und Ehegatten des Erblassers
auf den Pflichtteil, der
gemäß §
2303 [X.] an die Stelle ihres
mit
Verfügung von Todes wegen entzogenen
gesetzlichen Erbrechts tritt, beschränken, um zu vermeiden, dass demselben Stamm zweimal ein Pflichtteilsrecht gewährt und die auf dem Nachlass ruhende Pflichtteilslast erhöht wird.

(1) Die Erbfolge
nach dem Vater bzw. Großvater der Parteien wird von diesem
Normzweck nicht
erfasst.
Gehören der trotz Erb-
und Pflicht-teilsverzichts zum gewillkürten Alleinerben bestimmte nähere [X.] und der entferntere Pflichtteilsberechtigte dem einzigen Stamm [X.] Erben an, berühren
die Zuwendungen
des Erblassers
an den näheren Berechtigten einschließlich der
Erbeinsetzung
lediglich
ihr auf diesen
Stamm
beschränktes Innenverhältnis. Bleiben solche
Zuwendun-gen
bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen unberücksich-tigt, droht dem Nachlass keine unbillige
Vervielfältigung der Pflichtteils-22
23
-
13
-

last.
Es besteht keine Gefahr, dass der
Stamm zum Nachteil weiterer
Be-teiligter
einen höheren Pflichtteil erhalten
könnte.

(2) Schuldner der
Pflichtteilsansprüche
des entfernteren Berechtig-ten ist der nähere Abkömmling als
gewillkürter
Erbe.
Er
profitiert von
der
Entlastung des
Nachlasses durch §
2309 [X.]. Darüber hinaus ist
er Empfänger derjenigen den Nachlass mindernden Leistungen
des [X.]s,
deren Zuordnung zu §
2309 Alt.
2 [X.] in Frage steht. Wäre eine solche Zuordnung
zu bejahen und
könnte der gewillkürte Erbe dem sei-nem Stamm angehörenden entfernteren Abkömmling dies mit pflichtteils-reduzierender
Wirkung entgegenhalten, verringerte sich die auf dem
Nachlass ruhende Pflichtteilslast allein zu seinen
Gunsten; er
wäre inso-weit, ohne dass der Normzweck dies erforderte, mehrfach begünstigt.

(3) Die Testierfreiheit des Erblassers gebietet keine abweichende
Beurteilung. Sie ist ein
wesentliches Element der von Art.
14 Abs.
1 Satz
1 GG als Individualgrundrecht und als Rechtsinstitut verfassungs-rechtlich geschützten
Erbrechtsgarantie ([X.] 67, 329, 340
f.; 91, 346, 358). Ihr
Inhalt und ihre Schranken werden gesetzlich bestimmt. Durch das
Pflichtteilsrecht, das
dem
aufgrund Verfügung von Todes we-gen von der Erbfolge ausgeschlossenen Abkömmling, Elternteil oder Ehegatten des Erblassers
eine Mindestbeteiligung am Nachlass gewäh-ren soll,
wird sie in
verfassungskonformer Weise
beschränkt
(vgl.
[X.] aaO
341
bzw.
359 f.; [X.], Erbrecht
Bd.
II Rn.
3022; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht §
1 Rn.
2, 5).
Auch wenn
der auf die
Person des näheren Abkömmlings bezogene
Erb-
und Pflichtteilsverzicht den Erblasser in die Lage versetzen soll, über seinen Nachlass frei und durch das Pflichtteilsrecht des [X.] ungehindert zu verfügen (vgl. [X.], LZ
1919, 505,
510), ist diese 24
25
-
14
-

Freiheit unter den vorstehend genannten Voraussetzungen durch den originär dem
entfernteren Abkömmling
entstandenen Pflichtteilsanspruch wiederum
eingeschränkt.

Dies entspricht der in §§
2349 Halbsatz
2, 2351 [X.] zum Aus-druck gebrachten gesetzgeberischen Wertung.
[X.] die
Pflichtteils-berechtigung des entfernteren Abkömmlings aus einem
Erb-
und Pflicht-teilsverzicht
des näheren,
steht sie allenfalls
über einen

zweiseitigen

Aufhebungsvertrag i.S. der §§
2351, 2348 [X.] zur Disposition des [X.] und des [X.]. Dabei braucht die Frage nicht entschie-den zu werden, ob ein solcher Vertrag der Zustimmung des Berechtigten bedarf, falls durch den Verzicht zu seinen Gunsten ein [X.] auf den Pflichtteil entstanden sein sollte
(vgl. MünchKomm-[X.]/
[X.], 3.
Aufl. §
2309 Rn.
14; [X.]/[X.], [X.] Bd.
V 4.
Aufl. §
2309 [X.].
[X.]; [X.]/[X.]/Cieslar, [X.] 12.
Aufl. §
2309 Rn.
51; [X.] aaO Bd.
I Rn.
2405, 2418). Die einseitige testamentarische Ver-fügung des Erblassers vom 17.
Oktober 2000 kann
einen Aufhebungs-vertrag nicht ersetzen. Ohnehin hat der Erblasser ausdrücklich erklärt, er wolle "weitere Bestimmungen"
als die Einsetzungen
der Beklagten zur Erbin und der Klägerin zur [X.]

"nicht treffen".
Dies
legt nahe, dass er
den Erbverzichtsvertrag vom 23.
November 1987 fortbestehen lassen
wollte
(vgl.
[X.], Beschluss vom 13.
Juli 1959

[X.], [X.]Z 30, 261, 267).

[X.]
Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil somit auf-zuheben und die Beklagte in Änderung des landgerichtlichen Endurteils zur Erteilung von Auskunft zu verurteilen (§§
562 Abs.
1, 563 Abs.
3 ZPO).

26
27
-
15
-

IV. Darüber hinaus ist der
Rechtsstreit nicht i.S. des
§
563 Abs.
3 ZPO zur Endentscheidung reif. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:

In der Klageschrift hat die Klägerin mit dem Antrag zu Ziff.
[X.] 2. ei-ne Verurteilung der Beklagten zur Ermittlung des Wertes des zum Nach-lass gehörenden
Grundbesitzes
durch Sachverständigengutachten be-gehrt. Mit dem [X.] vom 15.
März 2006 ist die Beklagte insoweit antragsgemäß verurteilt worden. Gegen das die Klage abwei-sende Endurteil des [X.] hat die Klägerin Berufung eingelegt, den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Einholung eines Wertgut-achtens jedoch weder in der Berufungsbegründung angekündigt noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellt. Eine auf den rechtshängigen [X.] bezogene prozessuale Er-klärung der Klägerin ist nicht entbehrlich. Dieser auf §
2314 Abs.
1 Satz
2 [X.] gestützte Anspruch ist von dem Anspruch des Pflichtteilsbe-rechtigten auf Auskunftserteilung gemäß §
2314 Abs.
1 Satz
1 [X.] zu unterscheiden. Beide Ansprüche haben unterschiedliche Gegenstände. Die Wertermittlung durch Gutachten stellt kein unselbständiges Mittel zur

28
29
-
16
-

Erfüllung des Auskunftsanspruchs dar (Senatsurteil vom 9.
November 1983
-
IVa ZR 151/82, [X.]Z 89, 24, 28). Das Berufungsgericht wird der Klägerin Gelegenheit geben müssen,
eine den [X.] betreffende prozessuale Erklärung abzugeben.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.06.2007 -
9 [X.]/06 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 13.10.2010 -
27 [X.] -

Meta

IV ZR 239/10

27.06.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. IV ZR 239/10 (REWIS RS 2012, 5258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5258

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IV ZR 50/11

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