Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.12.2012, Az. 2 AZR 481/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 80

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit - gewöhnlicher Arbeitsort - Gerichtsstandsvereinbarung


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2010 - 6 Sa 359/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens über die internationale [X.]uständigkeit der [X.] Gerichtsbarkeit.

2

Die Klägerin war bei der [X.] und deren Rechtsvorgängerin, der [X.] (nachfolgend [X.]), seit Januar 2008 als Flugkapitänin beschäftigt. [X.]ei [X.] handelte es sich um eine [X.] mit Sitz in [X.]/[X.]. Sie führte Charterflüge für andere [X.]uftfrachtgesellschaften durch. Mit Eintragung vom 26. März 2010 wurde sie auf die [X.]eklagte verschmolzen.

3

[X.]wischen der Klägerin und [X.] wurde unter dem Datum des 12. Dezember 2007 ein Arbeitsvertrag in flämischer Sprache mit [X.] Übersetzung geschlossen. Er lautet in beglaubigter [X.] Übersetzung auszugsweise wie folgt:

        

„1. Arbeitsverhältnis

        

Die Arbeitnehmerin wird ab dem 15.01.2008 von dem Arbeitgeber auf [X.]asis eines Arbeitsvertrags auf unbestimmte [X.]eit mit einer Probezeit von sechs Monaten eingestellt. Die Arbeitnehmerin bekommt die folgende Stelle: Captain [X.] 757.

        

…       

        

9. Nur die Gerichte in dem [X.]ezirk des Ortes des [X.]etriebssitzes des Arbeitgebers sind befugt, Streitigkeiten bezüglich des vorliegenden Vertrags zu entscheiden.“

4

Ursprünglich wickelte [X.] den Charterverkehr vom [X.] aus mit in [X.] registrierten Flugzeugen ab. Seit April 2008 betrieb sie eine sog. Crew [X.]ase am [X.] Sie richtete dort [X.]üroräumlichkeiten mit Computerarbeitsplätzen für die Piloten ein, in denen diese die Dienstvorbereitungen treffen und Nachbereitungen durchführen konnten. Die Klägerin kam dort ihren Dokumentationspflichten nach, führte dort das [X.]riefing mit dem Copiloten durch, prüfte die Wetterlage, entschied über die [X.]etankung des Flugzeugs und traf alle erforderlichen Flugvorbereitungen. Sie führte von [X.] aus Flüge zu [X.]ielflughäfen überwiegend in [X.] durch. Die Flugzeiten betrugen täglich regelmäßig zwei bis vier Stunden. Die Einsätze endeten jeweils in [X.]. Dort hielt sich die Klägerin auch während ihrer [X.]ereitschaftsdienstzeiten auf.

5

Am 24. April 2008 schlossen [X.] und die Klägerin ein „[X.]“ zum Arbeitsvertrag. Darin heißt es in der beglaubigten [X.] Übersetzung:

        

„[X.]wischen beiden Parteien wird … vereinbart, dass der Arbeitsvertrag in gegenseitigem Einvernehmen wie folgt angepasst wird:

        

1.    

Arbeitsverhältnis

                 

Ab dem 25.04.2008 ist die Arbeitnehmerin als Captain tätig mit [X.] als Crew [X.]ase. Die Arbeitnehmerin beginnt und beendet demzufolge ihre Duties auf der Crew [X.]ase in [X.].

        

…       

        
        

7.    

Nur die Gerichte in dem [X.]ezirk [X.]r sind befugt, Streitigkeiten bezüglich des vorliegenden Vertrags zu entscheiden. Die [X.] Gesetzgebung ist anwendbar, insoweit andere gesetzliche [X.]estimmungen nicht zwingend anwendbar sind.

                 

Im Übrigen bleiben alle bestehenden Arbeitsbedingungen unverändert anwendbar.“

6

[X.] kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Einschreiben vom 19. März 2009 außerordentlich und begründete die Kündigung mit Schreiben vom 23. März 2009. [X.]umindest das Schreiben vom 23. März 2009 holte die Klägerin am 9. April 2009 von der [X.] ab. Das Schreiben vom 19. März 2009 war ihr zuvor per E-Mail zugegangen. Der Klägerin wurde die Verletzung von Dokumentationspflichten vorgeworfen.

7

Mit ihrer am 14. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen „die außerordentliche Kündigung vom [X.], zugegangen … am 09.04.2009“ gewehrt. Sie hat zugleich die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere [X.]eendigungstatbestände ende, sondern fortbestehe. Mit Schriftsatz vom 25. April 2009 hat sie den Kündigungsschutzantrag auf „die außerordentliche Kündigung vom 19.03.2009 …, zugegangen am 09.04.2009“ erweitert.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Klage sei die internationale [X.]uständigkeit der [X.] Gerichte gegeben. [X.] habe eine Niederlassung in [X.] betrieben und ihr von dort Weisungen erteilt. Der Ort, an dem sie gewöhnlich ihre Arbeit verrichtet habe, sei [X.]. Ihre Vor- und Nachbereitungszeiten seien sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht als bedeutend anzusehen. Auch unter [X.]erücksichtigung der Flugzeiten erbringe sie ihre Arbeit überwiegend in [X.]. Sie sei in die Niederlassung in [X.] eingegliedert gewesen. Die Gerichtsstandsvereinbarungen in den Verträgen seien unwirksam. Sie verstießen gegen gesetzliche Vorschriften. Außerdem habe die [X.]eklagte mittlerweile ihren Sitz in [X.]. Für die internationale [X.]uständigkeit komme es nicht auf den [X.]eitpunkt der Klageerhebung, sondern auf den [X.]eitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an. Der Grundsatz der perpetuatio fori gelte nur bei [X.]uständigkeit, nicht aber bei Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts.

9

Die Klägerin hat zuletzt - nur noch - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 23. März 2009, zugegangen durch eingeschriebenen [X.]rief am 9. April 2009, nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihr ein [X.]wischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und [X.]eistung erstreckt.

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die [X.] Gerichte seien international unzuständig. Es gelte die Gerichtsstandsvereinbarung aus dem Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007, klargestellt durch die Regelung im [X.] vom 24. April 2008. Da die Regelung im [X.]eitpunkt des Vertragsschlusses von den Regelungen in Art. 18 ff. der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche [X.]uständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in [X.]ivil- und Handelssachen (EuGVVO) nicht abgewichen sei, sei die Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 21, Art. 23 EuGVVO zulässig. [X.] als ihre Rechtsvorgängerin habe lediglich eine unselbständige Niederlassung in [X.] betrieben. Sämtliche Arbeitgeberrechte seien gegenüber der Klägerin von [X.] aus ausgeübt worden. Ein Arbeitsort iSd. Art. 19 Nr. 2 [X.]uchst. a EuGVVO sei bei [X.] aufgrund ihrer primär auf das Führen eines Flugzeugs ausgerichteten Tätigkeit nicht bestimmbar. Es sei daher gemäß Art. 19 Nr. 2 [X.]uchst. b EuGVVO auf die Niederlassung in [X.], die die Klägerin eingestellt habe, abzustellen. Die [X.]uständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich nicht aus dem [X.] gemäß Art. 19 Nr. 1 EuGVVO. Insofern komme es allein auf den [X.]eitpunkt der Klageerhebung an. Eine ursprünglich nicht gegebene [X.]uständigkeit könne nicht durch nachträgliche Ereignisse - wie die Verschmelzung von [X.] auf sie, die [X.]eklagte - begründet werden.

Das Arbeitsgericht hat mit [X.]wischenurteil auf die [X.]ulässigkeit der Klage erkannt. Das [X.]andesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete [X.]erufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die [X.]eklagte den Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht als zulässig angesehen. Die [X.] Gerichte sind international zuständig. Dies kann der Senat ohne Anrufung des [X.] nach Art. 267 AEUV entscheiden.

I. Gegenstand der Klage ist die Wirksamkeit einer einzigen, einheitlichen Kündigung seitens der [X.] vom 19. März 2009 - begründet mit Schreiben vom 23. März 2009. [X.]war hat das [X.] die Klage hinsichtlich des Antrags für zulässig erklärt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung „vom [X.]“ nicht aufgelöst worden ist, und hat die Klägerin an ihrem ursprünglichen Antrag, der sich zumindest auch gegen eine Kündigung vom 19. März 2009 richtete, nicht festgehalten. Die Beklagte berühmt sich jedoch keiner Kündigung vom 23. März 2009, sondern einer solchen, die sie mit Schreiben vom 19. März 2009 erklärt und anschließend mit Schreiben vom 23. März 2009 - wie nach [X.] Recht erforderlich - begründet habe. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass sie sich gegen eben diese - einheitliche - Kündigung zur Wehr setzt. Damit ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - anders als der Tenor der angefochtenen Entscheidung wiedergibt - die Unwirksamkeit der Kündigung vom 19. März 2009.

II. Die Entscheidung des [X.]s ist nicht deshalb rechtsfehlerhaft und gemäß § 562 [X.]PO aufzuheben, weil sie iSv. § 547 Nr. 6 [X.]PO nicht mit Gründen versehen wäre.

1. Eine Entscheidung ohne Gründe iSd. § 547 Nr. 6 [X.]PO liegt nicht nur dann vor, wenn das Berufungsurteil schon äußerlich keine Begründung enthält. Ein Urteil ist auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn aus ihm nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für das Gericht maßgeblich waren. Gründe im Rechtssinne fehlen, wenn die Ausführungen des Urteils unverständlich sind, also die für die Entscheidung maßgeblichen Überlegungen nicht erkennen lassen. Dies kann bei leeren Redensarten oder der bloßen Wiedergabe des [X.] sein ([X.] 18. November 2008 - 3 [X.] - Rn. 16, EzA [X.] § 7 Nr. 74).

2. Entgegen der Auffassung der [X.] hat das [X.] seine Entscheidung begründet. Sein Urteil gibt zu erkennen, dass es die [X.] Gerichte gemäß Art. 19 Nr. 1 [X.] für international zuständig gehalten hat. Es hat dabei auf den [X.]eitpunkt der letzten mündlichen Entscheidung abgestellt. Es hat sich auch mit der Ansicht der [X.] auseinandergesetzt, aufgrund vertraglicher Regelung seien ausschließlich die [X.] Gerichte zuständig. Insofern hat es angenommen, die arbeitsrechtlichen Gerichtsstände der [X.] könnten durch anderslautende Vereinbarungen nicht ausgeschlossen werden.

III. Ob sich der [X.] nach Art. 19 Nr. 1 [X.] allein nach den Verhältnissen bei Klageerhebung richtet, wie die Beklagte meint, oder ob Veränderungen der maßgeblichen Umstände noch später zuständigkeitsbegründend wirken können, bedarf keiner abschließenden Klärung. Die internationale [X.]uständigkeit der [X.] Gerichte folgt jedenfalls aus Art. 19 Nr. 2 Buchst. a [X.] (1.). Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob im Streitfall auch der Gerichtsstand der Niederlassung nach Art. 5 Nr. 5 iVm. Art. 18 Abs. 1 [X.] zur internationalen [X.]uständigkeit der [X.] Gerichte führte. Die Vereinbarung der Parteien über eine ausschließliche [X.]uständigkeit [X.] Gerichte ist gemäß Art. 23 Abs. 5 [X.] unwirksam (2.).

1. Die internationale [X.]uständigkeit der [X.] Gerichte folgt aus dem Gerichtsstand des gewöhnlichen [X.] der Klägerin iSv. Art. 19 Nr. 2 Buchst. a [X.]. Für diese Beurteilung bedarf es keines Vorabentscheidungsersuchens an den [X.] nach Art. 267 AEUV. Die Auslegung des Begriffs des „Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, ist durch Entscheidungen des [X.] geklärt. Die Anwendung einer Bestimmung des Unionsrechts auf den konkreten Rechtsstreit obliegt dem nationalen Gericht (vgl. [X.] 15. Dezember 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 30, [X.] 1999 Verordnung 593/2008 Nr. 2 ).

a) Die internationale [X.]uständigkeit der [X.] Gerichte richtet sich im Streitfall nach der [X.]. Diese ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich, gilt unmittelbar und geht nationalem Recht im Rang vor ([X.] 27. Januar 2011 - 2 [X.] - Rn. 14 f., [X.]E 137, 71; 24. September 2009 - 8 [X.] - Rn. 26 mwN, [X.]E 132, 182 ). Gemäß ihrem Art. 1 ist sie mit Ausnahme einiger ausdrücklich angegebener Rechtsbereiche auf alle Rechtsstreitigkeiten in [X.]ivil- und Handelssachen anzuwenden. Die Beklagte unterfällt ihren Bestimmungen, weil sie ihren Sitz in der [X.] und damit in einem [X.] hat. Nach Art. 60 Abs. 1 [X.] haben Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Das ist hier [X.] es, wie die Beklagte meint, auf den Sitz ihrer Rechtsvorgängerin bei Klageerhebung an, änderte sich an der Anwendbarkeit der [X.] nichts. Diese hatte ihren Sitz im [X.] B.

b) Da Gegenstand des Verfahrens Ansprüche sind, die aus einem individuellen Arbeitsvertrag abgeleitet werden, bestimmt sich die internationale [X.]uständigkeit nach Kapitel II Abschn. 5 der [X.]. Maßgebend sind danach Art. 18 ff., soweit darin nicht auf andere Vorschriften der [X.] verwiesen wird ([X.] 19. Juli 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 38, [X.] 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 7; 22. Mai 2008 - [X.]/06 - [Glaxosmithkline] Rn. 19, Slg. 2008, [X.]; [X.] 27. Januar 2011 - 2 [X.] - Rn. 17, [X.]E 137, 71).

c) Die in den Vorschriften der [X.] über die [X.]uständigkeit für Arbeitsverträge enthaltenen Begriffe sind in Übereinstimmung mit den Kriterien auszulegen, die der [X.] zu den gleich lautenden Begriffen im [X.] Übereinkommen von 27. September 1968 über die gerichtliche [X.]uständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in [X.]ivil- und Handelssachen ([X.] Übereinkommen, [X.]. 1972, [X.] 299, S. 32) entwickelt hat (vgl. [X.] 19. Juli 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 47, [X.] 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 7). Für die Bestimmung des nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a [X.] maßgebenden Ortes, „an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, ist damit auf das Verständnis des identischen Begriffs in Art. 5 Nr. 1 des [X.] Übereinkommens zurückzugreifen ([X.] 27. Januar 2011 - 2 [X.] - Rn. 21, [X.]E 137, 71). Für dieses Verständnis wiederum ist das [X.]iel der Regelung zu berücksichtigen, dem Arbeitnehmer als der schwächeren Vertragspartei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten (vgl. [X.] 19. Juli 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 46 mwN, aaO). Ein solcher Schutz ist größer, wenn Streitigkeiten aus einem Arbeitsvertrag in die [X.]uständigkeit der Gerichte des Ortes fallen, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber faktisch erfüllt. An diesem Ort kann sich der Arbeitnehmer mit dem geringsten Kostenaufwand aktiv an die Gerichte wenden oder sich vor ihnen als Beklagter zur Wehr setzen ([X.] 13. Juli 1993 - [X.]/92 - [Mulox IBC] Rn. 19, Slg. 1993, I-4075).

aa) Unter dem Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, ist der Ort zu verstehen, an dem er die mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Tätigkeiten tatsächlich ausübt ([X.] 10. April 2003 - [X.]/00 - [[X.]] Rn. 19 mwN, Slg. 2003, [X.]). Erfüllt er die Verpflichtungen aus seinem Arbeitsvertrag in mehreren Mitgliedstaaten, ist dies der Ort, an dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt ([X.] 10. April 2003 [[X.]] Rn. 19, aaO; 27. Februar 2002 - [X.]/00 - [X.]] Rn. 58, Slg. 2002, [X.]; 9. Januar 1997 - [X.]/95 - [[X.]] Rn. 23, Slg. 1997, [X.]; 13. Juli 1993 - [X.]/92 - [Mulox IBC] Rn. 26, Slg. 1993, I-4075).

bb) Eine hiervon abweichende Regelung für Flugzeugführer oder Flugzeugpersonal gibt es nicht. Insbesondere enthält die Verordnung ([X.]) Nr. 1008/2008 vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von [X.] in der [X.] keine Regelungen zur Bestimmung des gewöhnlichen [X.] von Flugpersonal.

d) Bei Anwendung dieser Grundsätze war im Streitfall die „[X.] in [X.] der gewöhnliche Arbeitsort der Klägerin im Sinne von Art. 19 Nr. 2 Buchst. a [X.]. Dort bzw. von dort aus hat sie den wesentlichen Teil ihrer Verpflichtungen gegenüber der [X.] tatsächlich erfüllt.

aa) Die Klägerin hat ihre Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt. [X.]u ihren wesentlichen Aufgaben als Flugkapitänin gehörten neben dem Fliegen auch die Vor- und Nachbereitung der von ihr durchgeführten Flüge.

bb) Die Klägerin hat seit ihrer Versetzung an die „Base“ in [X.] im April 2008 und damit während der überwiegenden [X.]eit der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ihre Arbeit dort aufgenommen und beendet. Sie hat die ihre Tätigkeit betreffenden Weisungen in [X.] entgegengenommen, hat ihre Flüge von dort aus durchgeführt und hat sie dort beendet. [X.]u Gunsten der [X.] kann unterstellt werden, dass die der Klägerin erteilten Weisungen von [X.] aus erfolgten. Das ist für die Bestimmung des gewöhnlichen [X.] der Klägerin ohne Bedeutung.

cc) In [X.] begannen und endeten nicht nur die Flugeinsätze der Klägerin. Sie führte dort auch die Vor- und Nachbereitung der Flüge, insbesondere sicherheitsrelevante Vorbereitungen durch. Dafür stand ihr auf der „Base“ in [X.] ein eingerichteter Arbeitsplatz zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sie sich auch während ihres Bereitschaftsdienstes auf der „Base“ oder in deren unmittelbarer Nähe aufzuhalten hatte.

dd) Demgegenüber fällt der jeweilige Registerstaat der Flugzeuge nicht entscheidend ins Gewicht. Es kann dahinstehen, ob für Flugpersonal eine Anknüpfung an den Registerstaat für die Bestimmung des gewöhnlichen [X.] iSv. Art. 19 Nr. 2 Buchst. a [X.] überhaupt in Betracht kommt (bejahend [X.] in [X.]/Schütze Europäisches [X.]ivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 19 [X.] Rn. 19). Im Streitfall gäbe selbst dann die enge Anbindung der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten an die „Base“ in [X.] gegenüber dem Registerstaat der von ihr geflogenen Flugzeuge den Ausschlag.

2. Die Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands am Sitz der [X.] im Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007 und sodann der Gerichte im [X.] im [X.] vom 24. April 2008 vermag die nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a [X.] gegebene internationale [X.]uständigkeit der [X.] Gerichte nicht auszuschließen. Da sie den Vorschriften in Art. 21 [X.] zuwiderläuft, hat sie gemäß Art. 23 Abs. 5 [X.] keine rechtliche Wirkung.

a) [X.]iff. 9 des Arbeitsvertrags und [X.]iff. 7 des [X.]s enthalten eine Gerichtsstandsvereinbarung, nach der „nur“ - in den flämischen Originalfassungen: „alleen“ - und damit ausschließlich die Gerichte am Sitz der Rechtsvorgängerin der [X.] bzw. im [X.] zuständig sein sollen.

b) Diese Vereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 5 [X.] unwirksam.

aa) Eine Gerichtsstandsvereinbarung läuft iSv. Art. 23 Abs. 5 [X.] den Regelungen in Art. 21 [X.] zuwider, wenn sie von Vorschriften des 5. Abschnitts der [X.] abweicht und nicht nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden ist (Art. 21 Nr. 1 [X.]) oder nicht die Befugnis einräumt, andere als im 5. Abschnitt angeführte Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 [X.]). Die Befugnis, andere Gerichte anzurufen als diejenigen, die nach den Vorschriften des 5. Abschnitts zuständig sind, ist dahin zu verstehen, dass eine solche Vereinbarung Gerichtsstände begründen muss, die zu den in Art. 18 und Art. 19 der [X.] vorgesehenen Gerichtsständen noch hinzukommen. Eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung darf für einen Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der zuletzt genannten Gerichtsstände bewirken, sondern kann lediglich die Befugnis begründen oder erweitern, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen ([X.] 19. Juli 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 62, [X.] 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 7).

bb) Die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien im Arbeitsvertrag und im [X.] weicht von den Vorschriften des 5. Abschnitts der [X.] ab, auch wenn sie ursprünglich möglicherweise nur den nach Art. 18, Art. 19 [X.] einzig gegebenen Gerichtsstand nachgezeichnet und mit einer Veränderungssperre belegt hat. Sie wurde vor Entstehung der Streitigkeit getroffen und sollte gerade für den Fall eine Beschränkung auf die genannten Gerichtsstände herbeiführen, dass diese nach einer Verlegung des Sitzes und/oder des [X.] mit den nach Art. 18, Art. 19 [X.] gegebenen Gerichtsständen - wie im Streitfall - nicht mehr übereinstimmten.

IV. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 [X.]PO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    Frey    

        

    [X.]    

                 

Meta

2 AZR 481/11

20.12.2012

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Leipzig, 6. Mai 2010, Az: 2 Ca 1725/09, Zwischenurteil

Art 19 Nr 2 Buchst a EGV 44/2001, Art 21 Nr 1 EGV 44/2001, Art 21 Nr 2 EGV 44/2001, Art 23 Abs 5 EGV 44/2001, Art 5 Nr 1 VollstrZustÜbk, § 547 Nr 6 ZPO, § 562 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.12.2012, Az. 2 AZR 481/11 (REWIS RS 2012, 80)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 80

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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