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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 128/11
vom
20. Oktober 2011
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
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Der IX.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am
20. Oktober 2011
beschlossen:
Dem Schuldner wird wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 2.
März 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der genannte Be-schluss und der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 28. Januar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Stun-dungsantrag abgewiesen worden ist.
Dem Schuldner werden die Kosten des Insolvenzeröffnungs-
und des Insolvenzverfahrens gestundet.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.000
t-gesetzt.
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Gründe:
I.
Der früher selbständige und heute als Arbeitnehmer beschäftigte Schuldner hat eine am 15.
Mai 1995 geborene Tochter, die noch zur Schule geht und der er unterhaltsverpflichtet ist. Am 19.
Januar 2011 hat er die Eröff-nung des Regelinsolvenzverfahrens, Restschuldbefreiung und die Stundung der Verfahrenskosten nach §
4a InsO beantragt. Das Insolvenzgericht hat, soweit im Verfahren der Rechtsbeschwerde noch von Belang, den Stundungsantrag zurückgewiesen und ihm aufgegeben, innerhalb von zwei Wochen einen Kos-tenvorschuss in Höhe von 1.000
h-len. Die sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er
den Stundungsantrag weiter.
II.
Dem Schuldner war gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebe-gründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat nach frist-
und formgerecht eingelegter Rechtsbeschwerde und nach Bewilli-gung von Prozesskostenhilfe frist-
und formgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Rechtsbeschwerde begründet, §
234 ZPO.
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III.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO, §
4d
Abs.
1, §§
6, 7 InsO statthaft und gemäß §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO auch im Übri-gen zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Senatsrechtspre-chung zu §
4a InsO abweicht. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß §
4a Abs.
1 InsO lägen nicht vor. Dazu müsste das Vermögen des Schuldners, also die spätere Insol-venzmasse, nicht ausreichen,
um die Kosten des Verfahrens zu decken. Das sei nicht der Fall. Das Insolvenzgericht habe bei der Prüfung der wirtschaftli-chen Voraussetzungen für eine Stundung die maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse in Ansehung der Pfändungsgrenzen berücksichtigt.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Verfahrenskosten sind dem Schuldner nur dann nach §
4a Abs.
1 InsO zu stunden, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Insolvenzverfahrens (§
54 InsO) zu de-cken. Dabei ist dieses Vermögen nach Maßgabe der Vorschriften der §§
35 bis 37 InsO über die Insolvenzmasse zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 25.
Oktober 2007 -
IX ZB 149/05, NZI 2008, 47 Rn.
8), so dass auch der Neu-erwerb, insbesondere -
wie vorliegend
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pfändbares Arbeitseinkommen, zu be-rücksichtigen ist (BGH, Beschluss vom 25.
September 2003 -
IX ZB 459/02, NZI
2003, 665).
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Schon die nicht
begründete Annahme des Beschwerdegerichts, das Vermögen des Schuldners reiche aus, um die Verfahrenskosten zu decken, erweist sich als nicht richtig. Das Beschwerdegericht legt dieser Wertung offen-sichtlich die Berechnung des Insolvenzgerichts zugrunde, wonach nach Zah-lung des Kostenvorschusses in Höhe von 1.000
tlichen Verfahrenskos-ten aus dem während des Verfahrens erzielten pfändbaren Einkommen zu be-streiten sind. Denn eine eigene, von der des Insolvenzgerichts abweichende Berechnung der voraussichtlich anfallenden Verfahrenskosten und des Vermö-gens des Schuldners nimmt das Landgericht nicht vor. Aus der vom Landge-richt übernommenen Bewertung des Insolvenzgerichts ergibt sich jedoch, dass der Schuldner kein anderes Vermögen hat als sein als Neuerwerb zu qualifizie-rendes,
erst noch zu erzielendes pfändbares Arbeitseinkommen und dass diese zu erwartenden Einnahmen voraussichtlich nicht ausreichen werden, die Ver-fahrenskosten zu decken;
denn sonst hätte das Insolvenzgericht keinen Kos-tenvorschuss angefordert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Verfahrenskos-ten selbst dann zu stunden, wenn der Schuldner unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer des Bewilligungszeitraums die in den
jeweiligen Ver-fahrensabschnitten -
Eröffnungsverfahren, Hauptverfahren, Wohlverhaltenspe-riode
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anfallenden Kosten (§
4a Abs.
3 Satz
2 InsO) im Wege der Ratenzah-lung, nicht aber in einer Einmalzahlung aufbringen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25.
September 2003, aaO, 665
f; vom 18.
Mai 2006 -
IX
ZB 205/05, ZInsO 2006, 773 Rn.
11; vom 25.
Oktober 2007 -
IX ZB 149/05, NZI 2008, 47 Rn.
8). Das aber ist nach den Feststellungen des Insolvenzgerichts, die das Beschwer-degericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, gerade nicht der Fall. Dem Schuldner steht nämlich nach diesen Berechnungen ein pfändbares Einkom-7
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men von monatlich nur 347,05
n-solvenzgericht zahlen.
Da die für §
4a InsO erforderlichen Feststellungen getroffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§
577 Abs.
5 Satz
1 ZPO).
Über den
bereits gestellten Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten für die Wohlverhaltensphase wird das Insolvenzgericht zur gegebenen Zeit zu entscheiden haben.
IV.
Über die Kosten war nicht zu entscheiden. Gerichtsgebühren sind in Be-zug auf die Beschwerde gemäß §§
4a, 6, 7 InsO weder im Beschwerde-
noch im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallen, weil die Rechtsmittel des Schuld-ners Erfolg hatten (Nr.
2361, 2364 KV GKG). In Bezug auf die sofortige Be-schwerde gemäß §§
793, 850f ZPO ist zwar die Gebühr (Nr.
2121 KV GKG) angefallen, weil das Beschwerdegericht insoweit rechtskräftig die sofortige Be-schwerde zurückgewiesen hat. Insoweit haftet der Schuldner jedoch schon als Antragsteller gemäß §
22 Abs.
1 GKG in Verbindung mit §
1 Abs. 4 und Abs.
1 Nr.
1 GKG. Da es sich bei dem Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten nach §
4a InsO und dem Antrag auf Änderung des unpfändbaren Betrages nach §
850f ZPO um zwei selbständige Anträge handelt, können die Gebühren aus Nr.
2121 und 2361 KV GKG nebeneinander anfallen, auch wenn das Insol-venzgericht über die beiden Anträge in einem Beschluss entschieden, der Schuldner nur eine sofortige Beschwerde eingelegt und das Beschwerdegericht 9
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sodann ebenfalls in einem Beschluss entschieden hat (vgl. Hartmann, Kosten-gesetze, 41.
Aufl., KV
1810 Rn.
8).
Kayser
Raebel
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
AG Trier, Entscheidung vom 28.01.2011 -
23 IN 16/11 -
LG Trier, Entscheidung vom 02.03.2011 -
6 T 15/11 -
Meta
20.10.2011
Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. IX ZB 128/11 (REWIS RS 2011, 2151)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 2151
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IX ZB 128/11 (Bundesgerichtshof)
Insolvenzverfahren: Stundung der Verfahrenskosten bei möglicher Ratenzahlung des Schuldners
IX ZB 205/05 (Bundesgerichtshof)
IX ZB 6/06 (Bundesgerichtshof)
IX ZB 459/02 (Bundesgerichtshof)
IX ZB 149/05 (Bundesgerichtshof)