Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.08.2010, Az. 2 AZR 104/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 4089

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Gegenstand

Änderungskündigung - Anhörung des Betriebsrats


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. September 2008 - 2 [X.] und 2 [X.]/08 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat.

2. Die Sache wird - im Umfang der Aufhebung - zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

2

Der Kläger war seit 1991 bei der [X.] beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom Juni 2005 ist eine Tätigkeit des [X.] als Referent in der Gruppe „Verkauf/Verpachtung Nordost der Niederlassung [X.]/[X.], Geschäftsstelle [X.]“ vereinbart worden.

3

Die [X.]eklagte nimmt im Auftrag des [X.] im ländlichen Raum der fünf neuen [X.]undesländer wahr. Sie ist in verschiedene Niederlassungen gegliedert. In [X.] bestehen Niederlassungen in [X.]/[X.], mit Geschäftsstellen in [X.] und [X.], und in [X.]. In den Geschäftsstellen [X.] und [X.] sowie der Niederlassung [X.] waren [X.]etriebsräte gewählt worden; am Sitz der [X.] besteht ein Gesamtbetriebsrat.

4

Am 15. Dezember 2003 vereinbarte die [X.]eklagte mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. In ihm ist in § 5 geregelt, dass Versetzungen entweder auf freiwilliger [X.]asis oder im Rahmen von vereinbarten Zumutbarkeitskriterien erfolgen sollen. Ein Versetzungsangebot gilt ua. dann als zumutbar, wenn der Fahrweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Wohnung zur Arbeitsstätte maximal 1 ½ Stunden je Weg beträgt (§ 6 Abs. 3 des Interessenausgleichs). Dieser Interessenausgleich wurde am 20. Januar 2005 ohne inhaltliche Änderungen neu gefasst.

5

Am 30. Januar 2006 vereinbarte die [X.]eklagte mit dem Gesamtbetriebsrat in Ergänzung der bestehenden Regelungen einen weiteren „Interessenausgleich/Auswahlrichtlinie“ (im Folgenden: [X.]), der die Schließung der Geschäftsstelle [X.] und die Versetzung der Mitarbeiter zum 1. Januar 2008 in die Geschäftsstelle [X.] bzw. in die Niederlassung [X.] zum Gegenstand hat. „Im Zuge der Schließung der Geschäftsstelle [X.]“ wurden der Geschäftsstelle [X.] 11,5 und der Niederlassung [X.] 19 „Vollzeitäquivalente“ zugewiesen (§ 1 [X.]). In §§ 4 und 5 [X.] heißt es dann weiter:

        

„§ 4   

        

Für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle [X.] findet das folgende Verfahren im Rahmen von § 5 des Interessenausgleichs vom 15.12.2003 Anwendung:

        

Die [X.] wird diesen Mitarbeitern entsprechend den nachfolgenden [X.] (vgl. § 5) einen Arbeitsplatz an dem neuen Standort (Niederlassung oder Geschäftsstelle) zur Weiterbeschäftigung schriftlich anbieten (=’Versetzung’), der ihrer arbeitsvertraglich vereinbarten Funktion und ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend zumutbar ist. Der Arbeitgeber wird bei dieser Versetzung eine Ankündigungsfrist einhalten, die mindestens einen Monat länger ist als die individuelle, vertraglich vereinbarte oder gesetzliche Kündigungsfrist des Mitarbeiters; je nach dem, welche der beiden genannten Fristen länger ist.

        

Die [X.] wird die Mitarbeiter auffordern, innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang der Mitteilung zu erklären, ob sie der Versetzung zustimmen.

        

Sofern die Mitarbeiter sich nicht innerhalb der o.g. Frist zu einer einvernehmlichen Versetzung per ergänzender arbeitsvertraglicher Vereinbarung bereit erklären, kann die [X.], soweit sie dies für erforderlich hält, unter Wahrung der gesetzlichen und vertraglichen Kündigungsfristen Änderungskündigungen mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung an dem neuen Standort aussprechen. Hierauf wird die [X.] die Arbeitnehmer in der Mitteilung über die Versetzung hinweisen.

                 
        

§ 5     

        

Die [X.]etriebsparteien sind darüber einig, die vor Ausspruch einer Änderungskündigung erforderliche [X.], d.h. die Frage, welchen austauschbaren Mitarbeitern der Geschäftsstelle [X.] im Rahmen einer Änderungskündigung ein Arbeitsplatz in [X.] resp. [X.] anzubieten ist, auf Grundlage der nachfolgend im Rahmen einer Auswahlrichtlinie i.S.d. §§ 95 [X.]etrVG, 1 Abs. 4 [X.] festgelegten und gewichteten sowie auf die besondere Situation der zukünftig gegebenenfalls auszusprechenden Änderungskündigungen angepassten [X.]kriterien vorzunehmen:

        

Die Auswahlrichtlinie legt die folgenden Kriterien und [X.]ewertungen zugrunde:

        

1.    

Für jedes vollendete Lebensjahr

1,0 Punkte

        

2.    

Für jedes vollendete Jahr der [X.]etriebs-/Unternehmenszugehörigkeit

1,0 Punkte

        

3.    

Für jede unterhaltsberechtigte Person (Ehegatte, Kinder, etc.)

5,0 Punkte

        

4.    

Für jedes im Haushalt lebende Kind vom 13. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

10,0 Punkte

        

5.    

Für jeden pflegebedürftigen Angehörigen i.S.d. § 61 SG[X.] XII oder betreuungsbedürftiges Kind (bis Vollendung des 12. Lebensjahres) im Haushalt

20,0 Punkte

        

6.    

Für die Fahrtzeitdifferenz zwischen dem Wohnort und der alten Arbeitsstätte und dem Wohnort und der Niederlassung [X.] pro zusätzliche Fahrminute (einfache Fahrt) (ermittelt nach [X.], Schnellster Weg, PKW mittel)

0,15 Punkte

        

7.    

Für eine Schwerbehinderung von 50% oder [X.]. § 2 Abs. 3 SG[X.] IX gleichgestellte Mitarbeiter

5,0 Punkte

                 

Für jeden um 10% erhöhten [X.]ehinderungsgrad

2,0 Punkte

        

Die Summe dieser Punktwertung wird für alle Mitarbeiter in [X.], die potentiell von einer Änderungskündigung betroffen sind, ermittelt. Je höher die ermittelte Punktzahl ist, desto schützenswerter ist der von der Schließung betroffene Mitarbeiter, d.h. umso schwerwiegender streitet die [X.] für ein Versetzungsangebot nach [X.]. Je geringer die Gesamtpunktzahl eines Mitarbeiters ist, desto eher ist ihm die Versetzung an den weiter entfernten Standort [X.] zuzumuten.“

6

In der Folgezeit schrieb die [X.]eklagte insgesamt 7 [X.] für [X.] und 8 [X.] für [X.] aus. 12 der bisher in [X.] tätigen 15 Referenten einschließlich des [X.] bewarben sich für eine Tätigkeit in [X.]. Die [X.]eklagte ermittelte anhand von Fragebögen die [X.] der [X.]er Mitarbeiter und erstellte auf deren Grundlage eine Auswahlliste. Mit Schreiben vom 13./14. Juli 2006 unterbreitete sie den [X.]er Referenten Angebote zur einvernehmlichen Weiterbeschäftigung an den Standorten [X.] und [X.]. 13 Mitarbeiter nahmen das Angebot an. Der Kläger, der eine Gesamtpunktzahl von 82,25 erzielte, lehnte die angebotene Weiterbeschäftigung in [X.] ab. Die geringste Punktzahl eines Arbeitnehmers, der ein Versetzungsangebot nach [X.] erhalten hatte, belief sich auf 86,65 Punkte.

7

Nach Zustimmung des [X.]etriebsrats [X.] zur beabsichtigten „Versetzung“ hörte die [X.]eklagte mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 den [X.]etriebsrat der Geschäftsstelle [X.] zur beabsichtigten Änderungskündigung des [X.] verbunden mit dem Hinweis an, es sei beabsichtigt, ihm das mit Schreiben vom 13. Juli 2006 angetragene Änderungsangebot erneut zu unterbreiten. Zugleich beantragte sie die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung nach [X.]. Der [X.]etriebsrat [X.] äußerte sich nicht.

8

Mit Schreiben vom 6. November 2006 kündigte die [X.]eklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2007 und bot dem Kläger ab 1. Januar 2008 eine Tätigkeit als Referent „Verkauf/Verpachtung“ in der Niederlassung [X.] bei im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen an.

9

Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der [X.] Rechtfertigung an und erhob [X.]. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle bereits an einem betriebsbedingten Grund zur Änderung seiner Arbeitsbedingungen. Die [X.]eklagte habe noch nach Zugang der Kündigung Überlegungen zur Weiterführung der Geschäftsstelle [X.] angestellt. Die Auswahl der nach [X.] versetzten Arbeitnehmer sei fehlerhaft und sozial unangemessen. Der Gesamtbetriebsrat sei für die im Interessenausgleich vereinbarte Auswahlrichtlinie nicht zuständig gewesen. Die Auswahlkriterien seien teils sachwidrig, teils willkürlich gewichtet. Insbesondere fehle es an der ordnungsgemäßen Anhörung des [X.]etriebsrats. Die [X.]eklagte habe es versäumt, diesem die [X.] der anderen Referenten mitzuteilen.

Der Kläger hat - soweit noch von [X.]edeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 6. November 2006 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht: Die [X.]eschäftigungsmöglichkeiten seien in der Geschäftsstelle [X.] aufgrund ihrer Schließung entfallen. Das Änderungsangebot sei verhältnismäßig. Einer [X.] habe es nicht mehr bedurft. Entsprechend dem Interessenausgleich habe sie sich mit 13 der 15 Referenten über eine einvernehmliche Versetzung nach [X.] bzw. [X.] vorab verständigt. Sämtliche Stellen in [X.] seien deshalb zum Kündigungszeitpunkt besetzt gewesen. Die Stellenbesetzungen in [X.] seien nicht treuwidrig, sondern auf der Grundlage der Auswahlrichtlinie erfolgt. Deshalb habe sie den [X.]etriebsrat auch nicht über die [X.] und die [X.] unterrichten müssen. Unabhängig davon habe dieser eine Übersicht der ermittelten Gesamtpunktzahlen der [X.]er Referenten erhalten; ihm seien auch die einzelnen [X.] bekannt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Änderungskündigung unwirksam ist. Das [X.] hat die [X.]erufung der [X.] mit der [X.]egründung zurückgewiesen, die Anhörung des [X.]etriebsrats sei fehlerhaft erfolgt. Mit der vom [X.]undesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.]eklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das [X.] durfte der Klage nicht mit der Begründung stattgeben, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Das Berufungsurteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da aufgrund der bisherigen Feststellungen noch nicht feststeht, ob die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 6. November 2006 wirksam sind.

I. Die Änderungskündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 [X.] unwirksam.

1. Die Beklagte hat mit dem in der [X.] gebildeten Betriebsrat die zuständige betriebliche Interessenvertretung zur Kündigung nach § 102 [X.] angehört. Das steht zwischen den Parteien außer Streit.

2. Entgegen der Auffassung des [X.]s hat die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß über die Gründe der Änderungskündigung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 [X.] unterrichtet. Einer Mitteilung der individuellen [X.] sämtlicher, in [X.] beschäftigter Referenten bedurfte es nicht.

a) Bei einer Änderungskündigung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das Änderungsangebot mitzuteilen ([X.] 27. September 2001 - 2 [X.] [X.] 1 der Gründe, [X.] 99, 167). Dabei ist die Mitteilung der Kündigungsgründe nach § 102 Abs. 1 Satz 2 [X.] „subjektiv determiniert“. Der Arbeitgeber muss nur die Umstände mitteilen, die seinen [X.] tatsächlich bestimmt haben ([X.]/Rost 9. Aufl. § 2 [X.] Rn. 115b). Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, ist die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt. Dem Arbeitgeber ist es dann aber verwehrt, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (bspw. [X.] 23. Juni 2009 - 2 [X.] - Rn. 34, [X.] § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8; 11. Oktober 1989 - 2 [X.] - zu II 2 b, c der Gründe, [X.] [X.] 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47 = EzA [X.] § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 64). Seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 [X.] kommt der Arbeitgeber erst dann nicht mehr nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet ([X.] 7. November 2002 - 2 [X.] - zu [X.] a der Gründe mwN, [X.] [X.] 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA [X.] § 1 Krankheit Nr. 50).

b) Bei einer betriebsbedingten Kündigung gehört zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats grundsätzlich die Mitteilung des Arbeitgebers zu seinen Sozialauswahlüberlegungen. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Auswahl nach [X.] Kriterien, hat er die in seine Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer, deren [X.], die Auswahlkriterien und seinen Bewertungsmaßstab anzugeben. Nicht ausreichend sind pauschale, schlag- oder stichwortartige Angaben ([X.] 26. Oktober 1995 - 2 [X.] 1026/94 - zu II 2 c der Gründe, [X.] 81, 199). Der Arbeitgeber genügt seiner Mitteilungspflicht nur, wenn er die für ihn subjektiv erheblichen Auswahlüberlegungen [X.]. Ergibt sich aus seiner Auskunft objektiv, dass er nicht alle nach dem Gesetz maßgeblichen [X.] oder gar ungeeignete Kriterien berücksichtigt hat oder dass die von ihm beachteten Kriterien im Kündigungsschutzprozess noch einer weiteren Konkretisierung bedürfen ([X.] 30. Juni 1988 - 2 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.] 1 b Nr. 12), kann die Unterrichtung gleichwohl ausreichend sein, wenn für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber eine Sozialauswahl für überflüssig gehalten hat, etwa weil nach seiner Ansicht kein mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer vergleichbarer Mitarbeiter (mehr) vorhanden ist oder er [X.] Arbeitnehmern kündigen will (vgl. [X.] 13. Mai 2004 - 2 [X.] - zu II 4 b bb der Gründe, [X.] 110, 331; [X.] 27. September 2001 - 2 [X.] [X.] 2 b der Gründe, [X.] 99, 167; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 102 [X.] Rn. 62j mwN).

c) Diesen Anforderungen an die Mitteilungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 [X.] wird die Prüfung des [X.]s nicht gerecht.

aa) Die Beklagte hat dem Betriebsrat die ihren [X.] bestimmenden Umstände ausreichend mitgeteilt. Im [X.] vom 2. Oktober 2006 hat sie als betrieblichen Anlass die Schließung der [X.] genannt und den Betriebsrat über ihre Absicht unterrichtet, dem Kläger zu kündigen und ihm eine Weiterbeschäftigung als Referent in [X.] anzubieten. Darüber hinaus hat sie auf die getroffene Entscheidung zur Besetzung der für [X.] ausgeschriebenen Stellen hingewiesen und damit zugleich ihren Standpunkt verdeutlicht, dass andere Beschäftigungsmöglichkeiten zwischenzeitlich entf[X.] waren und es zu dem unterbreiteten Änderungsangebot keine Alternative mehr gab.

bb) Die Beklagte war deshalb nicht verpflichtet, dem Betriebsrat die [X.] der anderen Referenten mitzuteilen. Sie konnte aufgrund der ihrer Ansicht nach gebotenen Trennung der nach §§ 4, 5 IA/AR abzugebenden Erklärungen vertretbar davon ausgehen, es bedürfe solcher Angaben nicht, weil nunmehr keine Sozialauswahl mehr stattzufinden brauche.

cc) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, dem Betriebsrat von vorneherein solche Umstände mitzuteilen, die ein treuwidriges Verhalten oder eine Umgehung des Kündigungsschutzes einschließlich einer vorzunehmenden Sozialauswahl objektiv auszuschließen vermochten. Lediglich wenn und soweit sie dies zum Gegenstand ihres [X.]es gemacht hätte, könnte sich etwas anderes ergeben (vgl. [X.] 26. Oktober 1995 - 2 [X.] 1026/94 - zu II 2 c der Gründe, [X.] 81, 199).

dd) Dem steht auch nicht der Einwand des [X.] entgegen, die Beklagte habe eine Sozialauswahl vorgenommen, die sie nach den zugrunde liegenden Auswahlkriterien dem Betriebsrat nicht mitgeteilt habe. Die Beklagte hat ihren [X.] im Verlauf des Rechtsstreits dahingehend erläutert, dass sie eine [X.] Auswahl bei der beabsichtigten Änderungskündigung des [X.] für entbehrlich gehalten habe, weil nur noch zwei Referenten zur Änderungskündigung für die zu besetzenden Stellen in [X.] angestanden hätten. Nach dem mit dem Betriebsrat abgestimmten Verfahren seien im Kündigungszeitpunkt die für [X.] ausgeschriebenen Stellen besetzt gewesen und nur noch eine Versetzung des [X.] (und einer Kollegin) nach [X.] im Wege der Änderungskündigung in Betracht gekommen.

ee) Die Einlassung der Beklagten durfte das [X.] bei der Prüfung der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung nicht mit der Begründung für unmaßgeblich erachten, sie stehe weder mit den objektiven Vorgaben des Interessenausgleichs/[X.] vom 30. Jan[X.]r 2006 noch mit den anfänglichen Darlegungen der Beklagten unmittelbar zu Beginn Prozesses in Einklang.

(1) Zwar hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 14. Febr[X.]r 2007 zur Rechtfertigung der Kündigung [X.]. angeführt, sie habe „in Bezug auf die Änderungsangebote“ eine Sozialauswahl zwischen [X.] in [X.] tätigen Mitarbeitern vorgenommen und geprüft, wem ein Änderungsangebot zur Weiterbeschäftigung im näher gelegenen [X.] vorrangig anzubieten gewesen sei. Dabei hatte sie [X.]. dargelegt, welche Mitarbeiter sie aus welchen Gründen als vergleichbar angesehen habe.

(2) Mit den Schriftsätzen vom 26. März 2008 und 12. Juni 2008 hat die Beklagte aber ihr Vorbringen klargestellt, dass sich die Auswahlentscheidung allein auf das in § 4 IA/AR geregelte, vorgezogene „Angebotsverfahren“ bezogen habe. Im Hinblick auf die davon getrennt zu betrachtende Änderungskündigung habe sie keine [X.] Auswahl mehr durchgeführt; diese sei auch wegen der bereits erzielten Verständigung mit anderen [X.]er Referenten nicht mehr notwendig gewesen. [X.] Anhaltspunkte, dass diese Erwägungen nicht den wahren [X.] der Beklagten widerspiegeln, liegen nicht vor.

(3) Die Beklagte konnte, worauf die Revision zu Recht hinweist, ihren zunächst erbrachten Vortrag ergänzend präzisieren. Es erscheint bei Anwendung eines subjektiven Maßstabs nachvollziehbar, dass sie sich zunächst an den Regelungen zu §§ 4, 5 IA/AR orientiert hatte, nach denen den betroffenen Arbeitnehmern vorab Angebote zur einvernehmlichen Versetzung unter „entsprechender“ Anwendung der vereinbarten [X.] zu unterbreiten waren. Erst in einem zweiten Schritt sollte - ausnahmsweise - eine Änderungskündigung ausgesprochen werden.

(4) Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich nicht verwehrt, sein prozess[X.]les Vorbringen zu präzisieren, zu ergänzen und zu berichtigen (vgl. [X.][X.] - zu 2 b der Gründe, [X.], 1775; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 286 Rn. 14 mwN). Nach den [X.] kann im Einzelfall die Annahme gerechtfertigt sein, dass eine berichtigende Darstellung nur vorgeschoben ist, um den wahren [X.] zu verdecken, bspw. wenn der Arbeitgeber seinen Vortrag erst im Lauf des Prozesses modifiziert oder präzisiert, wenn er Gefahr läuft, sich mit seinem bisherigen Vorbringen dem Vorwurf einer unvollständigen Betriebsratsanhörung auszusetzen. Daraus lässt sich aber nicht zwingend auf eine unzureichende Mitteilung der Kündigungsgründe schließen. Im Rahmen von § 102 [X.] gilt vielmehr eine abgestufte Darlegungslast für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ([X.] 23. Juni 2005 - 2 [X.] - zu II 1 b der Gründe, [X.] ZPO § 138 Nr. 11 = EzA [X.] 2001 § 102 Nr. 12; 16. März 2000 - 2 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179). Danach hat der Arbeitgeber zwar auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Teilt der Arbeitnehmer auf einen entsprechenden Vortrag des Arbeitgebers mit, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält, kann der Arbeitgeber gehalten sein, bestimmte Aspekte der Betriebsratsanhörung zu erläutern, zu vertiefen und bislang nur beiläufig Vorgetragenes zu präzisieren ([X.] 23. Juni 2005 - 2 [X.] - aaO). Das beinhaltet aber auch - wie im Streitfall - die Möglichkeit, die den [X.] bestimmenden Tatsachen zu konkretisieren oder klarzustellen.

d) Andere Mängel des [X.] sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht.

3. Ob die Beklagte darüber hinaus das Mitbestimmungsverfahren zur Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 [X.] beim Betriebsrat [X.] ordnungsgemäß durchgeführt hat, kann dahingestellt bleiben. Es ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungskündigung, dass im Kündigungszeitpunkt eine Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung vorliegt ([X.] 22. April 2010 - 2 [X.] - Rn. 15, [X.], 1235; 30. September 1993 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.] 74, 291).

II. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der [X.] kann die Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht abschließend beurteilen. Das [X.] hat sich - von seinem rechtlichen Standpunkt ausgehend konsequent - nicht mit der Frage befasst, ob die Änderungen der Arbeitsbedingungen des [X.] iSv. § 2 Satz 1 iVm. § 1 [X.] sozial gerechtfertigt sind. Da zwischen den Parteien sowohl die für eine Versetzung relevanten Vertragsgrundlagen als auch die Frage streitig sind, ob im Kündigungszeitpunkt eine endgültige Entscheidung zur Schließung der Geschäftsstelle vorgelegen hat, sieht der [X.] von konkreten Vorgaben zur weiteren Sachbehandlung ab. Vorsorglich wird auf die Leitlinien der gleichfalls am 12. August 2010 ergangenen Entscheidung im Parallelverfahren (- 2 [X.] 945/08 -) hingewiesen.

        

    Eylert    

        

    Gallner    

        

    Berger    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Niebler    

        

        

Meta

2 AZR 104/09

12.08.2010

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rostock, 13. Dezember 2007, Az: 3 Ca 2243/06, Urteil

§ 102 Abs 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.08.2010, Az. 2 AZR 104/09 (REWIS RS 2010, 4089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4089

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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