Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2017, Az. I ZB 87/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9562

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140617BIZB87.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I
ZB
87/16
vom
14. Juni
2017
in der Rechtsbeschwerdesache

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
Juni
2017
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Büscher,
die
Richter
Dr. [X.], Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler
und
Feddersen

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des [X.] -
5.
Zivilkammer (Einzelrichter)
-
vom 16.
September 2016
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Ein-zelrichter) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gegenstandswert: 608,96

Gründe:
[X.] Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts,
ist die
unter der Be-zeichnung "[X.]"
tätige
Landesrundfunkanstalt
in den Ländern [X.] und [X.]. Er
betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung
wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.

1

-
3
-
Der Gläubiger richtete an das Amtsgericht Bad Urach

Gerichts-vollzieherverteilerstelle

ein
Vollstreckungsersuchen, in dem er
die [X.] von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen -
unter anderem die
Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß §
802f Abs.
1 ZPO
-
gegen den Schuldner beantragte.
Die letzte Seite des Vollstreckungser-suchens
enthielt eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen"
und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits
Festsetzungsbe-scheide und Mahnungen
mit folgenden Daten
unter der [X.] ... [X.] worden".
Mit Schreiben vom 15.
März 2016 lud
der Gerichtsvollzieher
den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft.
Mit Beschluss vom 11.
Juli 2016
hat das Vollstreckungsgericht
die
gegen die Ladung gerichtete
Erinnerung
des Schuldners vom 8.
April
2016
zurückge-wiesen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht
(Einzelrichter)
den Beschluss des Vollstreckungsge-richts
aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersu-chen des Gläubigers für unzulässig erklärt. Mit der vom Beschwerdegericht
(Einzelrichter)
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger
seinen
Antrag auf Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 11.
Juli 2016
weiter.
I[X.] [X.]
(Einzelrichter)
ist von der Zulässigkeit und Be-gründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Beschwerde sei bereits wegen fehlender Zustellung des Vollstre-ckungstitels
begründet. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung sei eine Zustellung der [X.]. Der Schuldner habe den Zugang
bestritten. Das Vollstreckungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Zugangsvermutung
gemäß 2
3
4
5

-
4
-
§§
41, 43
Verwaltungsverfahrensgesetz für [X.] ([X.]) gestützt. Diese Vorschriften seien gemäß §
2 [X.] nicht anwendbar. Die Zustellung richte sich vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften gemäß §§ 130, 132 BGB. Für eine entsprechende Anwendung der
Grundsätze der [X.] durch Aufgabe bei der Post gemäß §
41 [X.] sei ange-sichts
dieser Vorschriften kein Raum.
Die Beschwerde des Schuldners sei zudem begründet, weil es an der
ma-teriellen
Behördeneigenschaft des Gläubigers fehle. Diese
sei ebenfalls als Vollstreckungsvoraussetzung vom Vollstreckungsgericht zu prüfen.
II[X.] [X.] (Einzelrichter) zugelassene Rechtsbe-schwerde
hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
1. Die Rechtsbeschwerde
ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). Ihre Zulassung
ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen §
568 Satz
2 Nr.
2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat
([X.], Beschluss vom 13. März 2003

IX ZB 134/02, [X.]Z 154, 200, 201).
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Einzelrichters ist aufzuheben, weil er unter Verletzung des [X.] des gesetzlichen Richters ergangen ist (Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG).
a)
Der Einzelrichter durfte über die Beschwerde nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß §
568 Satz
2 Nr.
2 ZPO der mit drei Richtern besetzten 6
7
8
9
10

-
5
-
Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt (st. Rspr.;
vgl. [X.]Z 154, 200, 202; [X.], Beschluss vom 16. Mai
2012 -
I
ZB
65/11, [X.], 3518 Rn.
4; Beschluss vom 7.
Januar 2016

I
ZB
110/14, [X.], 645 Rn.
10; Beschluss vom 21.
Juli 2016

I
ZB
121/15, juris Rn. 5). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist im wei-testen Sinne zu verstehen, so dass nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegi-um auch dann entscheiden muss,
wenn zur Fortbildung des Rechts oder -
wie vorliegend vom Einzelrichter angenommen -
zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (st. Rspr.;
vgl. [X.]Z 154, 200,
202; Beschluss vom 24.
November 2011

VII
ZB
33/11, NJW-RR 2012, 441 Rn.
9; Beschluss vom 7.
Januar 2016

I
ZB
110/14, [X.], 645 Rn.
10).
Damit hat der Einzelrichter das Gebot des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Die Nichtübertragung des [X.] auf die voll besetzte Kammer erfüllte die Voraussetzungen der objekti-ven Willkür. Sie war offensichtlich unvertretbar und lag außerhalb der [X.], so dass Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG verletzt ist (vgl.
[X.]Z 154, 200, 203).
b)
Die Rechtsbeschwerde hat den Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters gerügt. Im Übrigen war der Verstoß vom [X.] wegen zu berücksichtigen ([X.]Z 154, 200, 203). Der Berücksichtigung der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
steht § 568 Satz 3 ZPO
nicht entgegen ([X.]Z 154, 200, 204).
3.
Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den [X.], der den angefochtenen Beschluss erlassen hat. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Mög-11
12

-
6
-
lichkeit des § 21 GKG Gebrauch. Diese Kosten wären bei richtiger Behandlung der Sache durch den Einzelrichter nicht entstanden.
IV.
Für die neue Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die Annahme des [X.], die Beschwerde des [X.] sei
begründet, weil eine wirksame Zustellung nicht nachgewiesen
sei und damit eine Grundvoraussetzung der Zwangsvollstreckung
fehle, hält der rechtli-chen Nachprüfung nicht stand.
Die Zustellung eines "Titels" ist ebenso wenig
Voraussetzung
der Beitreibung von Rundfunkbeiträgen
wie die Zustellung des Vollstreckungsersuchens
der Gläubigerin.
Entgegen der Annahme des [X.] ist auch die wirksame Zustellung eines Beitragsbescheids
keine Vollstreckungsvoraussetzung (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
April 2017

I
ZB
91/16).
13
14

-
7
-
2. Die weitere Annahme des [X.], die Beschwerde des Schuldners sei außerdem begründet, weil dem Gläubiger die "materielle Behör-deneigenschaft" fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand
(vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 2017 -
I [X.]/16).
Büscher
[X.]
Koch

Löffler
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.07.2016 -
1 M 563/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.09.2016 -
5 [X.] -

15

Meta

I ZB 87/16

14.06.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2017, Az. I ZB 87/16 (REWIS RS 2017, 9562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9562

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