Bundessozialgericht, Urteil vom 06.11.2018, Az. B 1 KR 20/17 R

1. Senat | REWIS RS 2018, 2124

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Genehmigungsfiktion - Information des Antragstellers innerhalb von 3 Wochen nach Antragstellung über Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - Verlängerung der Frist auf 5 Wochen - fiktionsfähiger Antrag - Liposuktion - Leistungskatalog


Leitsatz

Eine Krankenkasse muss den Antragsteller innerhalb von drei Wochen nach Antragstellung selber darüber informieren, dass sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einholt, um die Frist für den Eintritt einer Genehmigungsfiktion auf fünf Wochen zu verlängern.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2017 und der Gerichtsbescheid des [X.] vom 31. März 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 11 400 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte [X.].

2

Die bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Klägerin beantragte befundgestützt die Versorgung mit [X.] an beiden Ober- und Unterschenkeln sowie Armen (18.9.2013). Die Beklagte holte - ohne die Klägerin hierüber zu unterrichten - eine gutachtliche Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) ein und lehnte die Versorgung der Klägerin mit den [X.] ab: Aus medizinischer Sicht seien die [X.] nicht zu empfehlen, da zuvor konservative Therapiemaßnahmen im Sinne einer komplexen multimodalen stationären Behandlung angezeigt und auszuschöpfen seien (Bescheid vom 18.10.2013 und Widerspruchsbescheid vom [X.]). Mit ihrer Klage auf Erstattung der Kosten von 11 400 Euro für die inzwischen selbstbeschafften ambulanten Operationen hat die Klägerin weder beim [X.] (Gerichtsbescheid vom [X.]) noch beim L[X.] Erfolg gehabt. Das L[X.] hat zur Begründung ausgeführt, die von der Klägerin selbstbeschafften [X.] gehörten nicht zum GKV-Leistungskatalog. Auch die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a [X.]B V) seien nicht erfüllt. Die Beauftragung des [X.] habe die - eingehaltene - [X.] ausgelöst, obwohl die Beklagte die Klägerin nicht hierüber informiert habe (Urteil vom 18.5.2017).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a [X.]B V. Weder habe der [X.] die [X.] (§ 13 Abs 3a S 3 [X.]B V) eingehalten noch habe die Beklagte die Klägerin über die Einholung eines [X.]-Gutachtens unterrichtet.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2017, den Gerichtsbescheid des [X.] vom 31. März 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der selbstbeschafften [X.] an Armen, Ober- und Unterschenkeln in Höhe von 11 400 Euro zu erstatten.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Der Senat kann über die Revision der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 [X.]G).

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 [X.] [X.]G). Das [X.] hat die Berufung der Klägerin gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des [X.] zu Unrecht zurückgewiesen. Die Entscheidung der Vorinstanz verletzt materielles revisibles Recht. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 11 400 Euro Kosten selbstbeschaffter ambulanter [X.] aus § 13 Abs 3a [X.] [X.]B V (in der seit dem [X.] geltenden Fassung des Art 2 [X.] des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten . Die Ablehnungsentscheidung der [X.] (Bescheid vom 18.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]) ist rechtswidrig (dazu 2.).

9

1. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a [X.] [X.]B V ist eröffnet (dazu a). Die von der Klägerin beantragten [X.] gelten als von der [X.] genehmigt (dazu b). Die Klägerin beschaffte sich daraufhin die erforderlichen [X.]eistungen selbst, während sie als genehmigt galten. Hierdurch entstanden ihr 11 400 Euro Kosten (dazu c).

a) Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a [X.] [X.]B V ist eröffnet. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB B[X.]E 99, 95 = [X.]-2500 § 44 [X.], Rd[X.]5; B[X.] [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.] f mwN) greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende [X.]eistungen, die Berechtigte ab dem [X.] stellen (vgl B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], RdNr 9). Die Klägerin stellte nach dem [X.], am [X.], bei der [X.] einen Antrag auf Bewilligung künftig zu leistender [X.].

Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für [X.]eistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung (vgl hierzu ausführlich B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]1 ff).

b) Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion ist nach der Rspr des erkennenden Senats, dass die beantragte [X.]eistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 [X.]B V). Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck (vgl ausführlich B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]9 f). Gilt eine beantragte [X.]eistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine [X.]eistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]5; B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]2, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen). Ein solcher Anspruch auf [X.]eistung, den ein Versicherter aufgrund fingierter Genehmigung erlangt, gehört zum [X.]eistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.] (vgl B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] [X.][X.], auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; aA, aber ohne neue Argumente [X.], [X.] 2018, 753, 756 ff; [X.], [X.], 177, 182).

Die von der Klägerin beantragten [X.] galten in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die leistungsberechtigte Klägerin (dazu [X.]) stellte bei der [X.] einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu [X.]) auf [X.]eistung von [X.] zur Behandlung ihres [X.]ipödems, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des [X.]eistungskatalogs der [X.] liegen (dazu [X.]). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a [X.] [X.]B V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen (dazu dd).

[X.]) Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) als bei der [X.] Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "[X.]" ist derjenige, der berechtigt ist, [X.]eistungen nach dem [X.]B V zu beanspruchen. Hierzu zählen [X.] in der [X.] Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen [X.] (vgl B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]2).

[X.]) Die Klägerin beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung von [X.] zur Behandlung ihres [X.]ipödems. Damit eine [X.]eistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 [X.]B X hinreichend bestimmt ist ([X.] seit B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 [X.]B X), wenn sein Adressat objektiv in der [X.]age ist, den Regelungsgehalt des [X.] zu erkennen und der [X.] ggf eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der [X.] in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die [X.]age versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts ([X.], vgl zB B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]8 mwN).

Der Antrag der Klägerin genügte diesen Anforderungen. Er richtete sich auf die Versorgung mit "medizinisch indizierten [X.]" [X.] an Armen und Beinen (Ober- und Unterschenkeln). Die Klägerin untermauerte mit den beigefügten Unterlagen ihr Begehren, ohne dieses auf die Erbringung durch nicht zugelassene Ärzte oder eine privatärztliche [X.]eistungserbringung auszurichten. Der Antrag war auf "Kostenübernahme für die im Gutachten benannten Maßnahmen" gerichtet. Es bedarf keiner Vertiefung, ob - wofür viel spricht - ein solcher Antrag grundsätzlich auf die Behandlung durch zugelassene, jedenfalls nicht durch privatärztliche [X.]eistungserbringer gerichtet ist. Die hier beantragten ambulanten [X.] konnte die Beklagte als neue, nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab ([X.]) enthaltene Behandlungsmethode mangels Empfehlung des [X.] und Verankerung im [X.] ohnehin nur im Wege der Kostenfreistellung verschaffen (vgl zum Grundsatz B[X.] [X.]-2500 § 27 [X.] RdNr 8 mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; [X.], [X.] 2007, 461). Eine solche Beschränkung wirkte jedenfalls nach der Ablehnungsentscheidung der [X.] nicht mehr (vgl dazu unten 1. c [X.]).

[X.]) Der Antrag betraf eine [X.]eistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des [X.]eistungskatalogs der [X.] lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem [X.] und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche [X.]eistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche [X.]eistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des [X.]eistungskatalogs der [X.] liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende [X.]eistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie [X.]eistungsgrenzen des [X.]-[X.]eistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]1 mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]6).

Dieser Auslegung steht weder das Q[X.]litätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 [X.]B V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 [X.]B V) entgegen. Die in der Durchbrechung dieser Grundsätze liegende Ungleichbehandlung Versicherter ist als gezielte, durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln vermeidbare Sanktion in eng begrenzten Ausnahmefällen noch vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (vgl Art 3 Abs 1 GG) gerechtfertigt (vgl B[X.] [X.]-2500 § 137e [X.] Rd[X.]2, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen). § 13 Abs 3a [X.]B V weicht gerade als Sanktionsnorm von den genannten Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine [X.] einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die [X.]eistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende [X.]eistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a [X.]B V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 [X.]B V obsolet (vgl B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]2 mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; dies verkennend zB [X.] Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.5.2014 - [X.] 154/14 [X.], [X.] 155/14 B - Juris Rd[X.]6 ff = [X.] 2014, 663; [X.], [X.] 2018, 753, 756 f, zudem unzutreffend auf die ursprünglich geplante Regelung in Art 2 [X.] PatRVerbG-Entwurf der Bundesregierung <BT-Drucks 17/10488 [X.]> abstellend; ebenso v. Koppenfels-Spies, [X.] 2016, 601, 603 f und [X.], [X.]b 2014, 374 ff sowie [X.] 2017, 749, 752 f; zur Unmaßgeblichkeit des [X.] in Art 2 [X.] PatRVerbG vgl B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]7, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; die erst vom Ausschuss für Gesundheit eingefügte Genehmigungsfiktion sollte es dem Versicherten erleichtern, sich die ihm zustehende [X.]eistung zeitnah zu beschaffen, vgl BT-Drucks 17/11710 S 29 f).

Die von der Klägerin begehrten [X.] liegen nicht offensichtlich außerhalb des [X.]eistungskatalogs der [X.] (vgl zB B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]2). Gründe, warum die Klägerin die beantragten [X.] nicht aufgrund der fachlichen Befürwortung durch ihre behandelnden Ärzte für erforderlich halten durfte, hat das [X.] nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte ermittelte zudem selbst in medizinischer Hinsicht. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch aus den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G).

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a [X.] Fall 1 [X.]B V), die aufgrund der fehlenden Unterrichtung der Klägerin von der [X.] lief (§ 13 Abs 3a S 2 [X.]B V). Nach der [X.] des Senats ist die [X.] bei Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme, insbesondere des [X.], nur maßgeblich, wenn der [X.]eistungsberechtigte durch die [X.] von der Einholung der gutachtlichen Stellungnahme unterrichtet wird. Das entspricht Wortlaut, Regelungssystem sowie Regelungszweck und ist mit der Entstehungsgeschichte vereinbar. Erforderlich ist, dass die [X.] den Berechtigten innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber informiert, dass sie eine Stellungnahme des [X.] einholen will (vgl § 13 Abs 3a S 2 [X.]B V). Maßgeblich ist - wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (vgl §§ 39, 37 [X.]B X; [X.], vgl zB B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]8; B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.] mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; B[X.] Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 8/17 R - Juris Rd[X.]8 = [X.] 2017/81; B[X.] Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris Rd[X.]8, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen; unzutreffend [X.] [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 5 KR 121/16 [X.] - Juris Rd[X.]6). Ohne diese gebotene Information über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme können [X.]eistungsberechtigte nach drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag nicht fristgerecht beschieden wurde und daher als genehmigt gilt (vgl B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]8). Die Unterrichtung durch die [X.] (§ 13 Abs 3a S 2 [X.]B V) ist eine notwendige Voraussetzung, um die [X.] (§ 13 Abs 3a [X.] Fall 2 [X.]B V) auszulösen. Schon der ursprüngliche Gesetzentwurf eines PatRVerbG, der noch keine Genehmigungsfiktion vorsah, begründete die Unterrichtungspflicht damit, dem Versicherten Klarheit zu verschaffen, ob die Drei- oder [X.] gilt (vgl BT-Drucks 17/11710 [X.]). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich diese Zielrichtung durch die später Gesetz gewordene Einführung der Genehmigungsfiktion (vgl nochmals BT-Drucks 17/11710 [X.]) geändert hat. Eine mittelbare Information des [X.]eistungsberechtigten durch Dritte - etwa wie hier durch eine Befundanforderung des [X.] - genügt nicht.

Die Frist begann am Donnerstag, dem 19.9.2013 (§ 26 Abs 1 [X.]B X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 [X.]G) ging der Antrag der Klägerin am [X.] der [X.] zu. Die Frist endete am [X.] (§ 26 Abs 1 [X.]B X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Bescheidung erfolgte nach Ablauf der Frist (Bescheid vom 18.10.2013). Die Beklagte teilte der Klägerin keine Gründe für die Fristüberschreitung mit.

c) Die Klägerin beschaffte sich zulässig die erforderlichen genehmigten [X.]eistungen der ambulanten [X.] selbst, während sie als genehmigt galten (hierzu [X.]). Hierfür entstanden ihr 11 400 Euro Kosten (hierzu [X.]).

[X.]) Die Klägerin durfte sich die [X.] privatärztlich selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre [X.] rechtswidrig [X.]eistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der [X.]eistungen bei zugelassenen [X.]eistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende [X.]eistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des [X.]eistungssystems (vgl B[X.]E 111, 289 = [X.]-2500 § 27 [X.], Rd[X.]; B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]4 mwN). [X.]egen sie ehrlich und korrekt gegenüber dem ausgewählten [X.]eistungserbringer die trotz Genehmigungsfiktion erfolgte [X.]eistungsablehnung ihrer [X.] offen, muss dieser sich nicht auf eine [X.]eistung zu [X.]asten der [X.] einlassen.

Die selbstbeschafften [X.] entsprachen den genehmigten [X.]eistungen und waren legitimerweise auch noch zum Zeitpunkt der Beschaffung aus Sicht der Klägerin erforderlich. Die Klägerin beschaffte sich die [X.] an Armen und Beinen zur Behandlung des [X.]ipödems, die in dem mit dem Antrag eingereichten Gutachten beschrieben waren und auf die sich die beigefügten Kostenvoranschläge bezogen. Die Klägerin durfte diese genehmigten [X.]eistungen, die sie sich selbst beschaffte, auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung für erforderlich halten. Sie beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung und musste bei der Beschaffung nicht annehmen, die fingierte Genehmigung habe sich bereits erledigt, die [X.]eistung sei nicht mehr (subjektiv) erforderlich.

Die fingierte Genehmigung bestand auch noch zur [X.] der [X.]eistungen. Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene der Klägerin - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist ([X.] seit B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], RdNr 31 mwN; § 39 Abs 2 [X.]B X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB B[X.] [X.]-2500 § 55 [X.] Rd[X.]4). Sie schützt hiermit den Adressaten. Die Beklagte nahm die Genehmigung weder zurück noch widerrief sie sie noch hob sie sie anderweitig auf. Die Ablehnung der [X.]eistung regelte weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf (vgl hierzu §§ 45, 47 [X.]B X) der fingierten Genehmigung ([X.] seit B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]). Die Genehmigung erledigte sich auch weder durch Zeitablauf noch auf andere Weise. Eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Sit[X.]tion gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Sit[X.]tion nicht mehr besteht ([X.] seit B[X.]E 121, 40 = [X.]-2500 § 13 [X.], RdNr 30 mwN). Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der [X.] berührte nicht die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion. Geänderte Umstände, die die Genehmigung durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses hätten entfallen lassen können, hat weder das [X.] festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

[X.]) Der Klägerin entstanden durch die Selbstbeschaffung Kosten. Die Klägerin schuldete aufgrund des [X.] rechtswirksam Vergütung in Höhe von 11 400 Euro, die sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] unter Berücksichtigung der Kostenvoranschläge und Rechnungen beglich. Die Rechnungen über die Behandlung durch [X.] begründeten einen rechtswirksamen Vergütungsanspruch. Die Behandlung unterfiel als ärztliche [X.]eistung dem Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ (§ 1 Abs 1 GOÄ) und die Rechnungen begründeten die Fälligkeit der Vergütung. Denn sie erfüllten durch Bezugnahme auf die Kostenvoranschläge die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ (vgl B[X.]E 117, 10 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]7 mwN; B[X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]; [X.], 252, 257).

2. Die Ablehnungsentscheidung der [X.] (Bescheid vom 18.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]) ist rechtswidrig. Sie verletzt die Klägerin in ihrem sich aus der fiktiven Genehmigung ihres Antrags ergebenden [X.]eistungsanspruch (vgl dazu oben, II 1).

3. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 20/17 R

06.11.2018

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Kassel, 31. März 2016, Az: S 2 KR 97/14, Gerichtsbescheid

§ 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 5, § 28 Abs 1 SGB 5, § 13 Abs 3a S 1 Fallgr 1 SGB 5, § 13 Abs 3a S 1 Fallgr 2 SGB 5, § 13 Abs 3a S 2 SGB 5, § 13 Abs 3a S 6 SGB 5, § 13 Abs 3a S 7 SGB 5 vom 20.02.2013, § 275 Abs 1 SGB 5, § 33 Abs 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.11.2018, Az. B 1 KR 20/17 R (REWIS RS 2018, 2124)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2124

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