Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2019, Az. 1 StR 591/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 11089

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Gegenstand

Strafzumessung: Notwendige Feststellungen zu einem Täter-Opfer-Ausgleich


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten E.            wird das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2018

a) im gesamten Strafausspruch aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;

b) in der Einziehungsentscheidung auch zugunsten der Mitangeklagten [X.]    dahin geändert, dass die Einziehung der [X.] in Höhe von 3.022,30 € und des Wertes von [X.]n in Höhe von 1.917,70 € gegen die drei Angeklagten als Gesamtschuldner angeordnet wird.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten E.                  wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen, wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es die Einziehung von Taterträgen sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.940 € angeordnet. Die gegen diese Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

1. Nach den Urteilsfeststellungen suchten der Angeklagte E.              und der Mitangeklagte A.    gemäß dem vom Mitangeklagten B.    entworfenen [X.] die Wohnungen älterer Menschen auf, um Bargeld und Schmuck zu entwenden; dadurch wollten sich die Angeklagten eine Einnahmequelle von einem gewissen Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen. Unter Vorzeigen von Mitarbeiterausweisen des Kabelnetzbetreibers U.      erschlichen sich die Angeklagten E.                und A.    den Zugang zu den Wohnungen, um angeblich Telekommunikationsleitungen zu überprüfen. Während einer der Mittäter die Wohnungsinhaber ablenkte, nahm der andere Bargeld und Schmuck an sich. Bei einer Tat entwendeten die Angeklagten eine EC-Karte nebst zugehöriger Geheimnummer (Fall II. 8.) und hoben damit anschließend unberechtigt 2.000 € ab (Fall II. 12.). In zwei Fällen fanden die Angeklagten keine [X.]; in einem Fall (II. 11.) wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Insgesamt erbeuteten die drei Angeklagten Bargeld in Höhe von 4.940 € und Schmuck im Wert von 3.950 €. 3.022,30 € an Bargeld und ein "Großteil" des Schmucks wurden im Tatfahrzeug sichergestellt. Während des Ermittlungsverfahrens entschuldigte sich der bereits damals geständige Angeklagte E.             schriftlich bei acht Geschädigten und bot an, den nach Rückgabe der gestohlenen Gegenstände verbliebenen Schaden auszugleichen und zudem jeweils 250 € zu zahlen. Zu diesem Zweck hinterlegte seine Mutter bei seinem Verteidiger 1.000 € zum Ausgleich nach Rückgabe der sichergestellten [X.] verbliebener Schäden und weitere 2.000 € mit der unwiderruflichen Anweisung, diesen Betrag an die Tatopfer auszukehren. Mit der formlosen Einziehung des Schmucks erklärten sich die Angeklagten einverstanden.

3

2. In der Strafzumessung bezüglich des Angeklagten E.                  hat das [X.] den vertypten [X.] nach § 46a Nr. 1 StGB bereits deswegen abgelehnt, weil für die einzelnen Fälle nach Abzug der zum vollständigen Schadensausgleich erforderlichen Gelder nur "geringe Beträge" verblieben. Feststellungen dazu, wie sich die acht Geschädigten zur Entschuldigung und zum [X.] verhielten, hat es nicht getroffen.

II.

4

Der Rechtsfolgenausspruch birgt Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten E.              .

5

1. Die Strafzumessung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägung, mit welcher das [X.] die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, erweist sich als rechtsfehlerhaft.

6

a) § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Tat; solche sind auch bei [X.] denkbar ([X.], Urteil vom 8. August 2012 - 2 StR 526/11, [X.]R StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 9 Rn. 17; Beschluss vom 23. Juli 2001 - 1 StR 266/01, [X.], 21). Die Vorschrift setzt als "Täter-Opfer-Ausgleich" einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet und Ausdruck der "Übernahme von Verantwortung" sein muss ([X.], Beschluss vom 23. Juli 2001 - 1 StR 266/01; Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, [X.], 198, 199 mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 16. März 2007 - 2 StR 35/07, [X.], 410: Hinterlegung eines Geldbetrages beim Verteidiger; [X.], Beschlüsse vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, [X.], 297 und vom 28. April 2015 - 3 [X.], juris Rn. 2: kein persönlicher Verzicht des Angeklagten erforderlich). Deswegen sind regelmäßig Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des [X.] gestellt hat ([X.], Urteile vom 24. August 2017 - 3 [X.], juris Rn. 15; vom 23. Dezember 2015 - 2 StR 307/15, juris Rn. 21 und vom 9. September 2004 - 4 [X.], juris Rn. 9). Werden durch eine Straftat mehrere Personen geschädigt, so muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein ([X.], Urteile vom 7. Februar 2018 - 5 StR 535/17, [X.], 276; vom 22. Juni 2017 - 4 StR 151/17, [X.], 306 und vom 5. März 2014 - 2 StR 496/13, [X.]R StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10 Rn. 14).

7

b) Ob der vom Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren und damit keineswegs zu spät angebotene [X.] in Höhe von jeweils 250 € zusammen mit seinem Entschuldigungsschreiben bei jeder der betreffenden [X.] (§ 52 Abs. 1 StGB) als friedensstiftender Ausgleich oder zumindest als ernsthaftes Erstreben eines solchen zu werten ist, lässt sich nach den lückenhaften Feststellungen infolge der pauschalen Erwägung, die Beträge seien zu gering, nicht beurteilen:

8

aa) In den Fällen [X.] und II. 10. der Urteilsgründe stahlen die Angeklagten ausschließlich Schmuck; sollten diese Vermögensgegenstände zu den sichergestellten gehören, stünde der angebotene [X.] von 250 € zum Ausgleich der immateriellen Folgen zur Verfügung. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen ist nicht sicher anzunehmen, dass ein solcher Betrag auch angesichts des Zutritts in die Privatwohnungen und des Alters der Geschädigten von vornherein zu niedrig bemessen wäre; dass die Tatopfer infolge der ohne Sachbeschädigung ausgeübten Diebstähle dauerhaft in ihrem Sicherheitsgefühl oder sonst psychisch beeinträchtigt sind, ist nicht festgestellt. Zudem ist die Entschuldigung in diese Betrachtung miteinzubeziehen. Ohne Kenntnis der Reaktionen der Geschädigten lässt sich nach alledem nicht beurteilen, ob das Geldangebot zusammen mit der Entschuldigung zur Friedensstiftung geeignet war.

9

bb) Ähnliches gilt für die Tat II. 11. der Urteilsgründe. Diese Tat war ohnehin nur versucht.

cc) In den Fällen [X.] und II. 6. der Urteilsgründe kommt ebenfalls in Betracht, dass der [X.] von jeweils 250 € nicht durch den vorrangigen Ausgleich der materiellen Schäden gebunden ist. Dies ist der Fall, wenn im Fall [X.] der Urteilsgründe der Schmuck zurückgelangt und bezüglich des jeweils entwendeten Bargeldes aus dem weiteren zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellten Betrag von 1.000 € der Anteil bestritten werden kann, der nicht durch das sichergestellte und zwischen den Geschädigten im Verhältnis der erlittenen Schadenshöhen zu verteilende Bargeld gedeckt ist.

c) Um dem neuen Tatgericht insgesamt eine stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche den Angeklagten E.                  betreffende Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf. Die zugehörigen Feststellungen können bei diesem [X.] aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Neue Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich und bezüglich des Verhaltens der acht Geschädigten geboten.

2. Auch die [X.] bedarf der Korrektur.

a) Es ist zwischen dem Bargeld, welches nach § 73 Abs. 1 StGB als beschlagnahmter Gegenstand (vgl. §§ 111b, 111c Abs. 1 Satz 1 StPO) der Einziehung unterliegt, und dem nicht mehr vorhandenen Bargeld, welches der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB unterfällt, zu unterscheiden: Während sich die Wirkung der Einziehung des beschlagnahmten Bargeldes nach § 75 Abs. 1 Satz 2 StGB bestimmt, erwirbt der Staat in Höhe des nicht mehr vorhandenen Bargeldes einen Wertersatzeinziehungsanspruch gegen die Angeklagten [X.], StGB, 66. Aufl., § 73c Rn. 9; [X.], [X.], 497, 499).

b) Daneben ist im Tenor die gesamtschuldnerische Haftung der drei Angeklagten, die jeweils gemeinsam Verfügungsbefugnis über die [X.] erlangten, zum Ausdruck zu bringen (§§ 421 ff. [X.]).

Raum     

        

Jäger     

        

Cirener

        

Hohoff     

        

Leplow     

        

Meta

1 StR 591/18

24.01.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 27. Juni 2018, Az: 87 Js 127118/17 - 5 KLs

§ 46a Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2019, Az. 1 StR 591/18 (REWIS RS 2019, 11089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11089

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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