Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. 3 StR 47/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7752

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 47/12
vom
27. März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des
Beschwerde-führers
und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 27.
März
2012
gemäß § 349 Abs. 2
und 4 [X.] einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23.
August 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt [X.] ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des [X.], mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat 1
-
3
-
mit einer Verfahrensbeanstandung den aus der [X.] ersichtlichen
Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs. 2 [X.]).
1. [X.] im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das [X.] einen diese Tat betreffenden Beweisan-trag auf Einnahme eines Augenscheins unter Verstoß gegen §
244 Abs. 3 Satz
2 [X.] abgelehnt hat.
a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass die Geschädigte

D.

in der Tatnacht nicht wie von ihr behauptet in [X.] habe gelangen können, die Tatört-lichkeit in Augenschein zu nehmen. Diesen Antrag hat das [X.] wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die [X.] beeinflusse selbst im Falle ihres [X.] die Entscheidung nicht, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse darauf zulasse, ob der Angeklagte die Geschädigte sexuell missbraucht habe.
b) Dies
hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der [X.] Tatsache abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihr aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für
den Schuld-
oder Rechtsfolgenausspruch beimisst. Geht es wie hier um die Glaubwürdigkeit einer Zeugin, bedarf es der Begründung, warum die zu bewei-sende Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflusst
ließe. Die Anforderungen an die Begründung entsprechen grundsätzlich den Darlegungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme 2
3
4
5
6
-
4
-
gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen ([X.], Beschluss vom 19.
Oktober 2006 -
4 [X.], [X.], 84, 85 mwN).
Dem genügt der Beschluss des [X.]s nicht. Er teilt weder mit, dass das [X.] den von ihm als möglich bezeichneten Schluss nicht zie-hen wolle, noch begründet er diese Entscheidung mit konkreten Erwägungen. Die Bedeutungslosigkeit lag nicht auf der Hand (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Mai 1990 -
5 [X.], [X.]R [X.] §
244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12),
so dass eine fallbezogene Begründung auch nicht unter diesem Aspekt ent-behrlich war.
c) Auf diesem Verfahrensfehler beruht der Schuldspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe, denn der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Urteil insoweit bei [X.] Behandlung des Beweisantrags anders ausge-fallen wäre. Der genannte Schuldspruch unterliegt daher samt den zugehörigen Feststellungen (§
353 Abs. 2 [X.]) der Aufhebung. Sie erfasst die [X.] sowie die Gesamtstrafe, die beide erneut zugemessen werden müssen.
2. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet. Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des [X.] bemerkt der Senat:
a) Die Verfahrensrüge gemäß §
338 Nr. 3 [X.] betreffend das [X.] des Angeklagten vom 26.
Juli 2011 ist bereits unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen des §
344 Abs. 2 Satz 2 [X.], die ohne Rücksicht darauf einzuhalten sind, dass über die Begründetheit der Rüge nach [X.] zu entscheiden ist (vgl. [X.], [X.], 54.
Aufl., §
338 Rn. 29 mwN). Der Angeklagte hat den Beschluss des Landge-richts, mit dem es das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen hat, nicht voll-ständig mitgeteilt.
7
8
9
10
-
5
-
b) Eine Verletzung des §
241a [X.] kann der Angeklagte mit der Revi-sion nicht geltend machen, weil er gegen die Zurückweisung der Frage durch den Vorsitzenden nach §
241a Abs. 3, §
241 Abs. 2 [X.] nicht auf Entschei-dung der Kammer nach §
238 Abs. 2 [X.] angetragen hat ([X.], Beschluss vom 11.
November 2004 -
1 [X.], [X.]R [X.] §
240 Abs. 2 Gelegen-heit 2; [X.], [X.], 54.
Aufl., §
241a Rn. 7, §
241 Rn. 23).
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Zwar müssen bei der Überprüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen kindlicher Zeugen auf Realkennzeichen und auf einen Erlebnishintergrund nicht alle denkbaren, sondern nur die im konkreten Fall nach dem Stand der Ermitt-lungen realistischen Erklärungsmöglichkeiten an Hand von Alternativhypothe-sen berücksichtigt werden und sind im Urteil allein die wesentlichen Aspekte darzulegen ([X.], Urteil vom 23.
August 2007 -
3 [X.], [X.]R [X.] §
267 Abs. 1 Satz 1 Beweisergebnis 12). Aufgrund der Hinweise in den Urteils-

11
12
13
-
6
-
gründen auf einen schweren sexuellen Missbrauch der Geschädigten
durch einen Dritten wenige Wochen nach der Tat, aber vor deren Aufdeckung wird der neue Tatrichter indessen Anlass haben, sich unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen auch mit der Hypothese einer Übertragung eines [X.] durch die Geschädigte auseinanderzusetzen.
[X.] Pfister Schäfer

Mayer

Menges

Meta

3 StR 47/12

27.03.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. 3 StR 47/12 (REWIS RS 2012, 7752)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7752

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 47/12 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anforderungen an die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit; Glaubhaftigkeit von Aussagen kindlicher Zeugen bei …


2 StR 211/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anforderungen an die Urteilsgründe bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit


2 StR 211/14 (Bundesgerichtshof)


2 StR 535/09 (Bundesgerichtshof)


3 StR 516/18 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Indiztatsache


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 47/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.