Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2017, Az. IX ZR 111/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9224

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:220617UIXZR111.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX [X.]

Verkündet am:

22. Juni 2017

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 133 Abs. 1 Satz 2

Setzt ein Gläubiger eine unbestrittene Forderung erfolgreich zwangsweise durch, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähig-keit oder Zahlungseinstellung kannte, wenn der Gläubiger außer dieser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung unternommenen erfolgreichen Schritten keine weiteren konkreten Tatsachen über die [X.] oder die Vermögenslage seines Schuldners kennt.

[X.], Urteil vom 22. Juni 2017 -
IX [X.] -
OLG Dresden

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2017 durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und Meyberg

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 13. Zivil-senats des [X.] vom 30. April 2014 und das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 7.
Januar 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Klä-ger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die S.

GmbH (fortan: Schuldnerin) beauftragte die Beklagte mit Vertrag vom 12. Juli 2007, [X.] auszuführen. Dem Vertrag lag die VOB/B zugrunde. Die Beklagte führte welche die Schuldnerin am 3. September 2007 unter Wahrnehmung des eingeräumten
Skontoabzugs
bezahlte. Am 26. September 2007 nahm die Schuldnerin die [X.] der Beklagten ab. Die Beklagte stellte am 4. Oktober 2007 ihre Schluss-rechnung über 39.177,91

Bezahlung der Schlussrechnung an und setzte eine Nachfrist. Da
die Schuldne-rin auch auf eine weitere Mahnung der Beklagten nach dem Jahreswechsel nicht reagierte, ließ die Beklagte die Zahlung durch ihren Rechtsanwalt mit 1
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Schreiben vom 14. Februar 2008 anmahnen. Die Schuldnerin zahlte daraufhin 20.000

r-hob die Beklagte am 23. April 2008 Klage gegen die Schuldnerin; am 22. Mai 2008 erließ das [X.] ein Versäumnisurteil über insgesamt 21.806,14

ne Vorpfändung, die der Geschäftsbank der Schuldnerin am 3. Juni 2008 zugestellt wurde. Am 5.

e-trag nebst Kosten und Zinsen.

Die Schuldnerin stellte ihren Betrieb im September 2008 ein. Auf einen von der A.

gestellten Insolvenzantrag und einen Eigen-antrag der Schuldnerin vom 24. Oktober 2008 eröffnete das Insolvenzgericht am 28. Januar 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldne-rin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Der Kläger verlangt im Wege der Vorsatzanfechtung die am 5. Juni 2008 Schuldnerin als Zeugen vernommen und der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg
gehabt. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Re-vision verfolgt sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

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I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zahlung sei nach § 133 Abs. 1, §
143 Abs. 1 [X.] anfechtbar.
Die Zahlung benachteilige die Gläubiger. Trotz des vorläufigen Zahlungsverbots liege eine Schuldnerhandlung vor, weil der Schuldner die kontoführende Bank selbst angewiesen habe, den geforderten Betrag an die Beklagte zu überweisen.

Die Schuldnerin habe mit [X.] gehandelt. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Überweisung am 5. Juni 2008 zahlungsunfä-hig gewesen, weil Zahlungseinstellung vorgelegen habe. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reiche für eine Zahlungseinstellung aus. Gegenüber der Schuldnerin habe eine Vielzahl von offenen Forderungen bestanden, die ganz überwiegend vor dem 5. Juni 2008 [X.] seien bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr vollständig beglichen [X.]. Da die Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten und somit die Zahlungsunfähig-keit gekannt habe, sei von vorsätzlichem Handeln auszugehen.

Da die Beklagte die tatsächlichen Umstände gekannt habe, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei fol-ge, sei gemäß § 133
Abs. 1 Satz 2 [X.] zu vermuten, dass sie den Benachteili-gungsvorsatz der Schuldnerin gekannt habe. Es genüge, dass die Schuldnerin den der Beklagten spätestens seit Mitte Dezember 2007 geschuldeten Betrag in erst nach Mahnungen und dem Erlass eines Versäumnisurteils mit nachfolgen-dem vorläufigen Zahlungsverbot. [X.] ein Schuldner eine erhebliche Forde-rung mehrere Monate nach Fälligkeit nicht, sondern leiste nur Teilzahlungen 5
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5
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und den Restbetrag erst nach unstreitiger Titulierung, lasse schon
dies den Schluss auf Zahlungseinstellung zu. Zudem sei der Beklagten die gewerbliche Tätigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen. Die Gesamtwürdigung führe daher zur Feststellung der Kenntnis des [X.]es in der Person der Beklagten.

II.

Das hält in einem Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Zahlung vom 5. Juni 2008 ist nicht nach § 133 Abs. 1 [X.] anfechtbar, weil nicht [X.] werden kann, dass die Beklagte den [X.] der Schuldnerin kannte. Andere Anfechtungstatbestände greifen nicht ein.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegt.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung dann an-fechtbar sein, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshand-lung des Schuldners beigetragen hat. Fördert der Schuldner eine Vollstre-ckungsmaßnahme, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Mai 2003 -
IX ZR 169/02, [X.]Z 155, 75, 79; vom 10. Februar 2005 -
IX ZR 211/02, [X.]Z 162, 143, 147 ff; vom 3. Februar 2011 -
IX ZR 213/09, [X.], 501 Rn. 5, 12; vom 19. September 2013 -
IX ZR 4/13, [X.], 2074, Rn. 9; vom 21.
November 2013 -
IX ZR 128/13, [X.], 44 Rn. 7; vom 16. Januar 2014
-
IX ZR 31/12, [X.], 272 Rn. 7; vom 1. Juni 2017 -
IX ZR 48/15,
Rn.
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-
[X.]). Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldner-handlung oder eine der Handlung gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss ([X.], Urteil vom 16. Januar 2014, aaO mwN). Eine solche Gleichstellung setzt voraus, dass der Beitrag des [X.] bei wertender Betrachtung dazu führt, dass die [X.] auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzu-sehen ist. In dieser Hinsicht muss der Beitrag des Schuldners ein der Vollstre-ckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen ([X.],
Urteil vom 1. Juni 2017 -
IX ZR 48/15, Rn.
17 [X.]).

b) So liegt der Streitfall. Dies folgt bereits daraus, dass die Schuldnerin die kontoführende Bank angewiesen hat, den in Rede stehenden Betrag an die Beklagte zu überweisen. Ein Schuldner, der eine
Überweisung von seinem Bankkonto veranlasst, nimmt eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zu-vor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto zugunsten des Zahlungs-empfängers gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2009 -
IX ZR 128/08, [X.], 360 Rn. 16; vom 21. No-vember 2013 -
IX ZR 128/13, [X.], 44 Rn. 9 mwN; vom 1. Juni 2017
-
IX ZR 48/15,
Rn.
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[X.]). Dies gilt erst recht für Fälle, in denen -
wie im Streit-fall
-
lediglich eine Vorpfändung gemäß §
845 ZPO erfolgt ist.

2. Ebenso ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe mit [X.] gehandelt, rechtsfehlerfrei.

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-

a) Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach §
133 Abs. 1 [X.] hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maß-geblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen ([X.], Urteil vom 13. August 2009 -
IX ZR 159/06, [X.], 1943 Rn. 8). Die revisionsgerichtliche Kontrolle der getroffenen Feststellungen beschränkt sich darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt ([X.], Urteil vom 14. Juli 2016 -
IX [X.], [X.], 1701 Rn. 12 mwN).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s genügt für den in §
133 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten [X.] des Schuldners bedingter Vorsatz. Ein [X.] ist deshalb nicht nur dann ge-geben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 [X.]) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshand-lung gewollt hat, sondern auch dann, wenn er lediglich die Benachteiligung als mutmaßliche Folge -
sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils
-
erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zah-lungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit [X.], denn er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Dies gilt auch dann, wenn eine kongru-ente Leistung angefochten wird ([X.], Urteil vom 10. Juli 2014 -
IX ZR 280/13, [X.], 1868 Rn. 17 mwN).

c)
Das Berufungsurteil stimmt mit diesen Grundsätzen überein. [X.] ist der Schluss des Berufungsgerichts auf einen Benachteiligungsvor-satz des Schuldners rechtsfehlerfrei. Nach den von der Revision nicht angegrif-13
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fenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestanden bereits zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erhebliche offene
Forderungen von rund , die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr befriedigt worden sind.

Zu
Unrecht rügt die Revision, das
Berufungsurteil enthalte keine Feststel-lungen, ob diese Forderungen tatsächlich eingefordert gewesen seien. Dass das Berufungsgericht sich hierzu nicht ausdrücklich äußert, begründet keinen Rechtsfehler. Allerdings dürfen Forderungen, die rechtlich oder auch nur tat-sächlich -
also ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung
-
gestundet sind, bei der Feststellung der Zahlungseinstellung und [X.] nicht berücksichtigt werden ([X.], Urteil vom 20. Dezember 2007

-
IX ZR 93/06, [X.], 452 Rn. 25 mwN). Zu berücksichtigen sind nur solche Forderungen, bei denen eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der [X.], vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt ([X.], [X.] vom 19. Juli 2007 -
IX ZB 36/07, [X.]Z 173, 286 Rn. 19). Hierfür [X.] sämtliche fälligkeitsbegründenden Handlungen der Gläubiger wie auch
die Übersendung einer Rechnung ([X.], aaO). Da der Kläger mehrere, insbeson-dere ab Anfang 2008 fällige Forderungen verschiedener Gläubiger behauptet hat und die Revision nicht aufzeigt, dass die Beklagte überhaupt Einwendungen gegen diese
offenen Verbindlichkeiten erhoben hat, durfte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annehmen, dass die von ihm festgestellten Forderungen ande-rer Gläubiger bereits zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung auch tatsächlich eingefordert waren. Nähere Feststellungen zu dieser Frage waren angesichts dieses Sach-
und Streitstandes entbehrlich.

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3. Jedoch hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den [X.] der Schuldnerin gekannt, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1
Satz 2 [X.] ist nicht erfüllt.

a) Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] wird vermutet, dass der Gläubiger den Vorsatz des Schuldners kannte, wenn er wusste, dass die [X.] drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachtei-ligte. Im Hinblick auf § 17 Abs. 2 Satz 2 [X.] genügt es, wenn dem Gläubiger die Zahlungseinstellung bekannt war. Dem steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene [X.] hinweisen. Es genügt daher, dass der [X.] die tatsäch-lichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die
-
drohende
-
Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013 -
IX ZR 13/12, [X.], 180 Rn. 24 f; vom 10. Juli 2014 -
IX ZR 280/13, [X.], 1887 Rn. 26; vom 8. Januar 2015 -
IX [X.], [X.], 437 Rn.
25; vom 7. Mai 2015 -
IX [X.], [X.], 1234 Rn. 17; vom 17. [X.] 2015 -
IX ZR 61/14, [X.], 172 Rn. 23; vom 21. Januar 2016
-

422 Rn. 21; vom 9. Juni 2016 -
IX ZR
174/15, [X.], 1238 Rn. 17).

b) Insoweit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft zu geringe Anforde-rungen an den Nachweis der von §
133 Abs. 1 Satz 2 [X.] geforderten Kennt-nis des Gläubigers gestellt. Anders als das Berufungsgericht meint,
lässt sich der Schluss auf eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder [X.] im Rahmen des §
133 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht schon dann ziehen, wenn der Gläubiger die vollständige Erfüllung seiner einzigen Forderung alsbald nach einem
von ihm erstrittenen
Versäumnisurteil erreicht. Setzt ein Gläubiger seine 17
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Forderung zwangsweise durch, ermöglicht dies keinen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung, wenn der Gläubiger außer die-ser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forde-rung unternommenen
erfolgreichen Schritten
keine weiteren konkreten Tatsa-chen über die Zahlungsunfähigkeit oder die Vermögenslage seines Schuldners kennt.

aa) Im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] ist zu berücksichtigen, dass diese nicht auf der Gläubigergleichbehandlung beruht, sondern das Interesse der Gläubiger schützt, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt ([X.], Urteil vom 10. [X.] 2005 -
IX ZR 211/02, [X.]Z 162, 143, 150; vom 16. Januar 2014 -
IX ZR 31/12, [X.], 272 Rn. 17). Der Gläubiger, der mangels näherer Kenntnisse über die Liquiditätslage des Schuldners sich der staatlichen Zwangsmittel be-dient, um seine Forderung durchzusetzen, unterliegt damit außerhalb des von den Normen der besonderen Insolvenzanfechtung geschützten Zeitraums grundsätzlich keinen vom Anfechtungsrecht ausgehenden Beschränkungen ([X.], Urteil vom 10. Januar 2005, aaO S. 149). Demgemäß ist eine [X.] durch Zwangsvollstreckung im Rahmen des § 133 Abs. 1 [X.] kongruent ([X.], Urteil vom 27. Mai 2003 -
IX ZR 169/02, [X.]Z 155, 75, 82f; vom 18.
Dezember 2003 -
IX ZR 199/02, [X.]Z 157, 242, 255; vom 13. Mai 2004
-
IX [X.], [X.], 1512, 1513).

Im Hinblick auf diese Wertung des Gesetzes müssen die Anforderungen an den Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] entsprechend ge-fasst werden, wenn ein Gläubiger für seine Forderung die Zwangsvollstreckung anstrebt. Die Anforderungen an den Nachweis der dem individuellen Vertrau-ensschutz des Gläubigers dienenden subjektiven Anforderungen der Vorsatz-20
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-
anfechtung auf Seiten des Gläubigers dürfen für einen solchen Fall nicht zu sehr abgesenkt werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Gläubiger auch tatsächlich in der Lage sein muss, entweder seine Forderung effektiv durchzusetzen oder einen zulässigen Insolvenzantrag zu stellen.

Zum Schutz vor einer möglichen Zahlungsunwilligkeit, bewussten Zah-lungsverzögerungen oder einem erzwungenen Lieferantenkredit muss dem Gläubiger, demgegenüber erstmalig ein Zahlungsrückstand auftritt und der über keine weiteren Erkenntnisse zur Zahlungsfähigkeit des Schuldners verfügt, möglich sein, außerhalb des von der besonderen Insolvenzanfechtung erfass-ten Zeitraums seine Forderung ohne Anfechtungsrisiko auf gerichtlichem Weg durchzusetzen. Solange der Gläubiger im Rahmen der [X.] keine weiteren Umstände erfährt, die zu einem zwingenden Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit führen, genügen Verzug des Schuldners und sein Schweigen auf die gerichtliche Durchsetzung der Forderung nicht. Andernfalls wäre ein Einzelgläubiger, der ohne den Versuch einer zwangsweisen Forde-rungsdurchsetzung im Regelfall keinen aussichtsreichen Insolvenzantrag zu stellen vermag, wegen der Gefahr einer so erleichterten Vorsatzanfechtung letztlich gezwungen, das zögerliche Zahlungsverhalten seines Schuldners hin-zunehmen. Der Schluss auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit setzt deshalb
voraus, dass andere [X.] hinreichend sicher ausscheiden. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner -
wie im Streitfall
-
keine sachlichen Einwendungen gegen die Forderung erhebt. § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] verlangt die Überzeugung, dass der Gläubiger positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Zahlungseinstellung hatte; eine grob fahrlässige oder leichtfertige [X.] genügt nicht.

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bb) Bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des [X.] folgt, dass Verzug oder zeitweise Nichtzahlung einer Forderung für sich ge-nommen nicht genügen, um einen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit ziehen zu können. Dass ein Schuldner eigenmächtig Zahlungsfristen in [X.] nimmt, muss aus Sicht des Gläubigers nicht zwingend auf eine [X.] deuten ([X.], Urteil vom 9. Juni 2016 -
IX [X.], [X.], 1238 Rn. 36). Daher folgt daraus, dass ein Schuldner über eine Dauer von zehn Monaten geschuldete Sozialversicherungsbeiträge jeweils um drei bis vier Wochen verspätet zahlt, nicht stets zwingend eine Zahlungseinstellung ([X.], Urteil vom 7. November 2013 -
IX ZR 49/13, [X.], 2272 Rn. 13). Eine offene Forderung allein genügt nicht, um zwingend auf (drohende) [X.] schließen zu können, solange nicht Maßnahmen zur Forde-rungseinziehung getroffen werden, deren Erfolglosigkeit einen Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage des Schuldners zulässt (vgl. [X.], Beschluss vom 3. April 2014 -
IX [X.], Z[X.] 2014, 1057 Rn.
6). Weiter hat der [X.] in einem Fall, in dem der Gläubiger nach einer außergerichtlichen Mahnung einen Mahnbescheid und einen anschließenden Vollstreckungsbescheid [X.] und der Schuldner auf diesen hin gezahlt hat, die Annahme, dass die Vor-aussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 [X.] nicht erfüllt seien, nicht be-anstandet und eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] nicht erwogen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 2006 -
IX [X.], [X.], 227 Rn. 5, 15). Schließlich ist eine Ratenzahlung, die sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält und nicht mit
Erklärungen des Schuldners oder sonsti-gen Umständen verbunden ist, die einen Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage zulassen, kein Indiz für eine Zahlungseinstellung (vgl. [X.], Beschluss vom 16. April 2015 -
IX ZR 6/14, [X.], 933 Rn. 4 mwN).

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cc) Dem steht nicht entgegen, dass aus der Nichtzahlung einer einzigen Forderung ein Schluss auf Zahlungseinstellung gezogen werden kann, wenn diese Forderung insgesamt von nicht unbeträchtlicher Höhe ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2010 -
IX ZR 104/07, [X.], 711 Rn. 39; vom 30. Juni 2011 -
IX ZR 134/10, [X.], 1429 Rn. 12 mwN; vom 25. Februar 2016
-
IX [X.], [X.], 560 Rn. 17;
vom 17. November 2016 -
IX [X.], [X.], 2423 Rn. 19). Um aus diesem Umstand im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] einen zwingenden Schluss auf Zahlungseinstellung oder Zahlungs-unfähigkeit ziehen zu können, setzt dies im Regelfall voraus, dass entweder diese Forderung tatsächlich zumindest in wesentlichen Teilen unbezahlt bleibt oder andere Indizien hinzutreten und in der Summe der Indizien der Schluss auf Zahlungseinstellung greift. Diese Würdigung darf nicht schematisch erfolgen, sondern muss die Überzeugung begründen, dass der Gläubiger gesicherte Kenntnis von der Zahlungseinstellung
hat.

Erforderlich ist, dass aus dem Zahlungsverhalten der Schluss gezogen werden muss, dass der Schuldner aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, die Forderung vollständig und in einem Zug zu erfüllen. Demgemäß hat der [X.] die Kenntnis einer eigenen Forderung für ausreichend gehalten, wenn der Gläubiger erst nach fruchtlosen Pfändungsversuchen Befriedigung erhält (vgl. [X.], Urteil vom 20. November 2001 -
IX ZR 48/01, [X.]Z 149, 178, 185 f unter 4.
a.). Ebenso kann es genügen, wenn der Gläubiger angesichts der [X.] sicher weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die [X.] zu erfüllen (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 2015 -
IX ZR 149/14, [X.], 1339 Rn. 9). Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Es liegt ein erstma-liger Zahlungsrückstand vor. Nähere Kenntnisse der Beklagten über die Ver-mögensverhältnisse und Liquidität der Schuldnerin hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Schließlich haben die Maßnahmen -
anders als in dem vom 24
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Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. Februar 2016
(IX [X.], [X.], 560 Rn. 15) entschiedenen Fall, in dem der Schuldner nur den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung anbot
-
zur vollen Befriedigung der Beklagten nach Titulierung geführt.

c) Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte ihre Forderung im Klagewege hat durchsetzen müssen. Nähere Umstände aus der Sphäre der Schuldnerin, die der Beklagten eine sichere Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten geben können, hat das Berufungs-gericht nicht festgestellt. Dies genügt nach den dargelegten Maßstäben nicht, um den rechtlich zwingenden Schluss auf eine tatsächlich eingetretene [X.] oder eine Zahlungseinstellung ziehen zu können.

Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht auf das [X.]surteil vom 6. [X.] 2012 ([X.], [X.], 228 Rn. 20 f) ab. In jener Entscheidung handelte es sich bei dem Gläubiger um einen der Hauptlieferanten des [X.]. Der Schuldner hatte die Verbindlichkeiten bereits über einen längeren Zeitraum regelmäßig verspätet bezahlt; zudem stieg der Zahlungsrückstand stetig an und erklärte die Schuldnerin, dass ihr eine Rückführung der Altver-bindlichkeiten nur im Wege der Ratenzahlung möglich sei ([X.], aaO Rn. 23), ohne die versprochenen Raten zu erbringen ([X.], aaO Rn.
31) . Hiermit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Gleiches gilt für das [X.]surteil vom 25.
Februar 2016 (IX [X.], [X.], 560). Auch in diesem Fall stand der Schuldner mit dem Gläubiger in einer ständigen Geschäftsbeziehung und
offenbarte mit seinem Angebot, die in einem gerichtlichen Vergleich titulierte Forderung nur durch Ratenzahlung tilgen zu können, zugleich seine Zahlungsunfähigkeit ([X.], aaO Rn. 21). Zudem führte der vom Gläubiger geführte Rechtsstreit
-
anders als im Streitfall
-
nicht zur vollständigen Tilgung der Forderungen.
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15
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III.

Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist unbegründet, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des §
133 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfüllt sind.

1. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt erfüllt § 133 Abs.
1 Satz 2 [X.] aus Rechtsgründen nicht. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Das [X.] hat den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis erhoben. Die Beweisaufnahme hat -
was der [X.] selbst feststellen kann
-
nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagten zusätzliche Umstände über die bereits vom Berufungsgericht festgestellten Umstände bekannt waren. [X.] hat der Kläger nicht beweisen können, dass die Schuldnerin die [X.] über ihre Zahlungsschwierigkeiten informiert hat. Damit kannte die [X.] auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen, verspätet beglichenen Forde-rung keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass sich die Schuldnerin in existenziel-len wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Von den wirtschaftlichen [X.] der Schuldnerin hatte sie keine Kenntnis; insbesondere wusste sie nicht, dass die Schuldnerin auch anderen Gläubigern gegenüber Schulden hatte, die nicht pünktlich beglichen wurden (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 2013 -
IX [X.], [X.], 1361 Rn. 10; vom 7. November 2013 -
IX ZR 49/13, [X.], 2272 Rn. 15).

Für die Frage, ob die Beklagte die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte, kann sich der Kläger schließlich nicht auf die [X.] des [X.]s stützen, wonach ein Gläubiger bei gewerblich tätigen Schuldnern
damit rechnen muss, dass es weitere Gläubiger des Schuldners mit ungedeckten Ansprüchen gibt ([X.], Urteil vom 13. August 2009 -
IX
ZR 28
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30
-
16
-
159/06, [X.], 1943 Rn.
10; vom 8.
Oktober 2009 -
IX
ZR 173/07, [X.], 2229 Rn.
17; vom 25.
Oktober 2012 -
IX
ZR 117/11, [X.], 2251 Rn.
30; vom 6.
Dezember 2012 -
IX
ZR 3/12, [X.], 174 Rn.
15; vom 8.
Januar 2015 -
IX
[X.], [X.], 381 Rn.
30; vom 25.
Februar 2016
-
IX
[X.], [X.], 560 Rn.
11; vom 17.
November 2016
-
IX
[X.], [X.], 2423 Rn.
13; vom 4.
Mai 2017 -
IX
ZR 285/16, Rn.
8 [X.]). Dieser Umstand ist kein taugliches Indiz, um die Kenntnis des Gläubigers von der [X.] oder der Zahlungseinstellung zu beweisen. Diese [X.] setzt vielmehr voraus, dass der Gläubiger die (drohende) Zahlungsunfä-higkeit bereits kennt, und betrifft allein die daran anschließende Frage, ob die feststehende Kenntnis von drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfä-higkeit auch die im Rahmen des §
133 Abs.
1 Satz
2 [X.] geforderte Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung indiziert (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Februar 2004
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IX
ZR 318/01, [X.], 669 Rn.
21; vom 24.
Mai 2007 -
IX
ZR 97/06, [X.], 1511 Rn.
24, 26; vom 25.
Februar 2016, aaO; vom 17.
November 2016, aaO; vom 4.
Mai 2017, aaO). Weiß der [X.] nämlich von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig und deshalb damit zu rechnen war, dass auch andere Gläubiger existieren. Soweit früheren Entscheidungen des [X.]s etwas anderes entnommen wer-den kann, wird daran nicht festgehalten.

-
17
-

2. Anhaltspunkte dafür, dass
die Beklagte eine drohende Zahlungsunfä-higkeit der Schuldnerin kannte, bestehen schon deshalb nicht, weil der [X.] keine Umstände über die zukünftige Entwicklung bei der Schuldnerin [X.] waren.

Kayser

Gehrlein
[X.]

Schoppmeyer
Meyberg
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.01.2014 -
5 O 2096/12 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 30.04.2014 -
13 [X.] -

31

Meta

IX ZR 111/14

22.06.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2017, Az. IX ZR 111/14 (REWIS RS 2017, 9224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9224

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