Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2018, Az. 2 StR 328/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 12025

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Gegenstand

Rechtlicher Hinweis vor Verurteilung nach von Anklageschrift abweichendem Strafgesetz notwendig


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Januar 2017, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

2

Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

3

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

Der Angeklagte besuchte mit den beiden nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]und [X.]am Abend des 19. Dezember 2015 eine Geburtstagsfeier. Vom benachbarten Grundstück aus beschimpfte und beleidigte der Nachbar [X.]die Gäste der Feier und bewarf sie mit Gegenständen. Daraufhin beschlossen die drei Angeklagten, diesen in seinem Haus aufzusuchen und ihm eine „Lektion zu erteilen“. Um den Zugang ins Haus zu ermöglichen, durchtrennte der Angeklagte mit einem Bolzenschneider die an der Haustür angebrachte [X.]. Während der Angeklagte am Hauseingang wartete, begaben sich die Mitangeklagten [X.]und [X.]zum Schlafzimmer des [X.]. Dort schlug [X.]mit einer mitgeführten Eisenstange auf den mittlerweile schlafenden Geschädigten ein und traf ihn mindestens zweimal am Kopf; [X.]beobachtete das Geschehen von der Schlafzimmertür aus. Anschließend kehrten die drei Angeklagten zur Geburtstagsfeier zurück. Trotz des durch die Schläge erlittenen offenen [X.] überlebte der Geschädigte den Angriff.

5

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt. Da es nicht auszuschließen vermocht hat, dass der Angeklagte die Mitnahme der Eisenstange durch den Mitangeklagten [X.]nicht gesehen habe, ist es davon ausgegangen, dass „andere Alternativen des § 224 Abs. 1 StGB nicht in Betracht“ kämen.

II.

6

Der Beschwerdeführer beanstandet, das [X.] habe die Verurteilung auf eine - gegenüber der Anklage - [X.] desselben Strafgesetzes gestützt, ohne dass ihm zuvor ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei (§ 265 StPO). Die zulässig erhobene Rüge ist begründet.

7

1. Dem Angeklagten war in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vorgeworfen worden, den Geschädigten „gemeinschaftlich handelnd“ mit den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]und [X.]gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben. Dem so gefassten Anklagesatz lässt sich der Vorwurf einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht entnehmen. Die Formulierung „gemeinschaftlich handelnd“ reicht für die sichere Annahme, die Anklage umfasse auch den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, für sich genommen nicht aus. Sie kann ohne weiteres auch als Umschreibung von bloßer Mittäterschaft im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB verstanden werden. Für ein solches Verständnis der Anklageschrift spricht zum einen, dass die - wenngleich allein nicht maßgebliche - Liste der angewendeten Strafvorschriften § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht aufführt. Zum anderen enthält auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift keinen Hinweis auf diese Tatbestandsvariante.

8

2. Unter diesen Umständen hätte es vor der ausschließlich auf die Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gestützten Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedurft, der ausweislich des Protokolls nicht erteilt wurde. Ein „anderes Strafgesetz“ im Sinne der Vorschrift ist auch eine ihrem Wesen nach andersartige Begehungsform desselben Strafgesetzes ([X.]/[X.], 7. Aufl., § 265 Rn. 8 mwN). Bei den [X.] nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB handelt es sich um wesensverschiedene Tatvarianten (vgl. [X.], Urteil vom 19. Januar 1984 - 4 StR 742/83, [X.], 328, 329; [X.], Beschluss vom 21. Januar 1997 - 5 StR 592/96, [X.], 173).

9

3. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO).

Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte während der vom Mitangeklagten [X.]ausgeführten Körperverletzungshandlungen selbst nicht im unmittelbaren [X.] auf. Der Mitangeklagte [X.]war dort zwar anwesend, wirkte aber am Tatgeschehen nicht aktiv mit. Unter diesen Umständen ist es nicht auszuschließen, dass der Angeklagte sich gegen den geänderten Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfolgreich hätte verteidigen können.

                                   

Ri[X.] Dr. Eschelbach
befindet sich im Urlaub und ist
deshalb gehindert zu
unterschreiben.

Schäfer   

        

Appl   

        

Schäfer

        

Zeng   

        

Grube   

        

Meta

2 StR 328/17

20.03.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Erfurt, 23. Januar 2017, Az: 3 KLs 176 Js 40505/15

§ 265 Abs 1 StPO, § 25 Abs 2 StGB, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB, § 224 Abs 1 Nr 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2018, Az. 2 StR 328/17 (REWIS RS 2018, 12025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12025

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 328/17

3 StR 372/22

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