Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.03.2014, Az. B 1 KR 113/12 B

1. Senat | REWIS RS 2014, 7394

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Untersuchungsmaxime - Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung einer weiteren Arbeitsunfähigkeit bzw des Leistungsvermögens des Versicherten - kein Vorliegen einer hinreichend geklärten Tatsachenbasis - Zurückverweisung


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 6. September 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem [X.]egehren auf Zahlung von Krankengeld ([X.]) für die [X.] vom 19.10.2009 bis [X.] bei der [X.]eklagten ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat die [X.]eklagte zur Gewährung von [X.] verurteilt ([X.]). Das L[X.] hat auf die [X.]erufung der [X.]eklagten die Klage abgewiesen und zur [X.]egründung ua ausgeführt, abzustellen sei auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schaltanlagenmechatroniker oder eine gleichartige Tätigkeit. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers wie auch des [X.] habe es sich hierbei um eine leichte bis mittelschwere Arbeit gehandelt, zu der der Kläger nach den erhobenen medizinischen [X.]efunden, insbesondere dem Untersuchungsbefund der Gutachterin [X.], in der Lage gewesen sei (Urteil vom [X.]).

2

Mit seiner [X.]eschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil und macht eine Verletzung des § 103 [X.]G geltend.

3

II. Die zulässige [X.]eschwerde der Klägerin ist begründet.

4

1. Die [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil ist zulässig. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen [X.]eweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende [X.]egründung nicht gefolgt ist. Nach § 160a Abs 2 S 3 [X.]G muss der Verfahrensfehler bezeichnet werden.

5

Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des § 103 [X.]G stützt, muss danach in der [X.]eschwerdebegründung einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren [X.]eweisantrag bezeichnen, dem das L[X.] nicht gefolgt ist. Er muss die Rechtsauffassung des L[X.] wiedergeben, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden [X.]eweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten. Zudem muss die [X.]eschwerdebegründung das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen [X.]eweisaufnahme angeben und schildern, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen [X.]eweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen [X.]eweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem [X.]eschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können ([X.][X.] SozR 1500 § 160 [X.], 35, 45 und § 160a [X.], 34; [X.][X.] [X.]eschluss vom 19.2.2008 - [X.] 13 R 391/07 [X.] - Juris Rd[X.] mwN).

6

Die [X.]eschwerdebegründung genügt diesen Darlegungserfordernissen. Insbesondere legt der Kläger dar, dass der in dem vorbereitenden Schriftsatz vom 30.8.2012 gestellte [X.]eweisantrag in der mündlichen Verhandlung vom [X.] aufrecht erhalten worden ist. Zwar hat er dort ohne ausdrückliche [X.]ezugnahme auf den früher gestellten Antrag vom 30.8.2012 nur "hilfsweise die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens" beantragt und damit nicht ausdrücklich kenntlich gemacht, dass der schriftsätzliche [X.]eweisantrag wiederholt werde (dazu [X.][X.] SozR 3-1500 § 160 [X.]5; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 9 VJ 1/98 [X.] - Juris; [X.][X.] [X.]eschluss vom 23.6.1998 - [X.] 9 V 31/98 [X.] - Juris); den näheren Umständen ist aber zu entnehmen, dass er den Antrag vom 30.8.2012 in der maßgebenden mündlichen Verhandlung weiter verfolgt hat. Der Antrag vom 30.8.2012 ist unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung beim L[X.] eingegangen. Der ausweislich der Niederschrift vom [X.] hilfsweise gestellte Antrag auf Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens konnte deshalb auch ohne konkrete [X.]ezugnahme nur als Wiederholung des zuvor gestellten schriftsätzlichen [X.]eweisantrags verstanden werden.

7

2. Die [X.]eschwerde ist auch begründet. Der Kläger beruft sich zu Recht darauf, dass sich das L[X.] verfahrensfehlerhaft nicht veranlasst gesehen hat, antragsgemäß [X.]eweis durch einen Orthopäden darüber zu erheben, dass er "in der [X.] vom 19.10.2009 bis zum [X.] wegen Krankheit außerstande war, eine Tätigkeit zu verrichten, welche überwiegend im Stehen ausgeführt und gelegentlich eine gebückte Haltung erfordert und welche ein häufiges Heben und Tragen von Lasten bis zu sieben Kilogramm notwendig macht".

8

Das L[X.] durfte sich - nachdem es selbst bei der [X.] und dem Kläger jeweils eine Arbeitsplatzbeschreibung eingeholt hatte - nicht allein darauf stützen, dass das Leistungsvermögen des Klägers durch das chirurgisch-sozialmedizinische Gutachten der Ärztin [X.] ausreichend geklärt sei, welches die [X.] anlässlich eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eingeholt hatte. Das Gutachten bildet keine hinreichende Grundlage für eine richterliche Überzeugungsbildung. Denn die Ärztin [X.] hat in ihrem Gutachten Arbeitsfähigkeit des Klägers unter der Prämisse bejaht, dass der Kläger einer durchschnittlichen [X.]elastung beim Heben und Tragen von Lasten von einem bis zwei Kilo ausgesetzt war und die Tätigkeit keine gebückte Arbeitshaltung erforderte. Demgegenüber hat das L[X.] die Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers wie auch des [X.] zugrunde gelegt. Hierzu gibt die [X.] in der Arbeitsplatzbeschreibung an, dass ein häufiges Heben und Tragen von Lasten bis zu sieben Kilogramm sowie ab und an eine gebückte Haltung notwendig gewesen sei, um die Arbeit zu verrichten. Angesichts der unterschiedlichen [X.]ewertung der [X.]elastung am Arbeitsplatz hätte das L[X.] ein orthopädisches Sachverständigengutachten einholen müssen, um seine Entscheidung auf eine ausreichend geklärte Tatsachenbasis stützen zu können. Dieses ist auch im Übrigen geeignet, zur Klärung der Arbeitsunfähigkeit in der [X.] vom 19.10.2009 bis [X.] beizutragen. Wenn das L[X.] die Einholung eines zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten und erforderlichen Sachverständigengutachtens dennoch ablehnte, ist dies verfahrensfehlerhaft. Gegebenenfalls sind ergänzend weitere [X.]ehandlungsunterlagen beizuziehen und die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen zu befragen.

9

3. Nach § 160a Abs 5 [X.]G kann das [X.][X.] in dem [X.]eschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

4. Die Entscheidung über die Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des L[X.] vorbehalten.

Meta

B 1 KR 113/12 B

04.03.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Trier, 8. September 2011, Az: S 1 KR 134/10, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.03.2014, Az. B 1 KR 113/12 B (REWIS RS 2014, 7394)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7394

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