Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.04.2010, Az. I ZR 197/07

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7301

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Gegenstand

Verlagsrecht: Begriff des Verlagsvertrags - Concierto  de Aranjuez


Leitsatz

Concierto de Aranjuez

Ein Verlagsvertrag über ein Werk der Literatur oder der Tonkunst im Sinne des Verlagsgesetzes setzt lediglich voraus, dass der Verfasser sich verpflichtet, dem Verleger das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene Rechnung zu überlassen, und der Verleger sich verpflichtet, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten. Der Verfasser hat dem Verleger zwar grundsätzlich das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung (Verlagsrecht) zu verschaffen. Diese Verpflichtung kann jedoch vertraglich abbedungen werden. Dann steht dem Verleger nur ein einfaches Nutzungsrecht oder eine - allein im Verhältnis zum Verfasser wirkende - schuldrechtliche Befugnis zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes zu. Dadurch verliert der Vertrag aber nicht seinen Charakter als Verlagsvertrag .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2007 unter Zurückweisung der [X.] der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des [X.], 21. Zivilkammer, vom 2. August 2006 auf die Berufung der Beklagten abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die Tochter und Alleinerbin des im Jahre 1999 verstorbenen [X.] Komponisten [X.]. Dieser komponierte neben zahlreichen anderen Werken im Jahre 1939 das [X.], das in seinem Gesamtwerk eine herausragende Stellung einnimmt.

2

Am 7. Juni 1983 hatte [X.] mit der Beklagten, einem bekannten Musikverlag, einen Generalvertrag geschlossen, der folgende Regelungen enthält:

§ 1

Komponist und Verlag streben hinsichtlich der Nutzung des gesamten musikalischen Werkes des Komponisten eine enge Zusammenarbeit an. Um eine optimale Auswertung des Werkes gewährleisten zu können, beschließen die Vertragspartner, dass der Verlag die verlegerische Betreuung des Gesamtœuvres des Komponisten übernimmt. Der Verlag verpflichtet sich, die Verbreitung der Werke nach bestem Wissen und Gewissen zu übernehmen und sich mit [X.] und Erfahrung für das Werk des Komponisten einzusetzen.

§ 2

Der Komponist räumt dem Verlag das ausschließliche Nutzungsrecht an

a) seinen bereits im Selbstverlag verlegten Werken sowie

b) seinen bereits vollendeten, aber noch nicht verlegten Manuskriptwerken ein. […]

§ 3

(Sonderregelung für [X.])

Eine Sonderregelung wird für das Werk [X.] getroffen. Der Komponist bleibt Inhaber der Verlagsrechte (des [X.]) an diesem Werk. Er überträgt dem Verlag die alleinige Verwaltung seiner Nutzungsrechte für die Dauer des [X.] für alle Länder. Der Verlag übernimmt somit den Verleih von Aufführungsmaterialien sowie den Verkauf von Druckausgaben. Der Komponist erhält nach Abzug einer Verwaltungspauschale für den Verlag 85% der eingehenden Gebühren auf dem Leihsektor. Die Beteiligung des Komponisten an dem Verkauf des Werkes beträgt 15%. An den Erträgnissen aus Aufführungsgebühren und mechanischen Rechten, die von Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet werden, erhält der Verlag 16 2/3%, der Komponist 83 1/3%. […]

§ 5

Dieser Vertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in [X.]. Seine Laufzeit richtet sich nach der Dauer des [X.] an den Werken des Komponisten. […]

3

Nach Vertragsschluss ließ die Beklagte die Originalfassung des [X.] unter ihrem Namen bei der [X.] registrieren. Sie stellte verschiedene Notenausgaben des Werkes her und verbreitete diese im eigenen Namen. Sie vermietete Notenausgaben an Orchester und lizenzierte Aufführungen und sonstige Nutzungen im eigenen Namen. Sie warb intensiv für das [X.].

4

Mit Schreiben vom 23. Juli 2004 kündigte die Klägerin den „[X.] […] über das [X.]“ zum 30. September 2004. Mit Schreiben vom 21. März 2005 kündigte sie den [X.] diesmal fristlos - mit der Begründung, die Beklagte habe bei der Abrechnung von in den [X.] eingenommenen Leihgebühren vertragswidrig eine doppelte Provision abgezogen. Die Beklagte hatte von den Einnahmen zunächst eine Provision in Höhe von 25% der Leihgebühren für die Vermittlungstätigkeit eines mit ihr verbundenen [X.] Unternehmens und sodann eine weitere Provision in Höhe von 15% des Restbetrages für ihre eigene Tätigkeit abgerechnet.

5

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den mit der Beklagten geschlossenen Generalvertrag, soweit dieser das Werk [X.] betreffe, wirksam zum 30. September 2004 gekündigt, weil es sich insoweit um einen nach § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbaren Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter handele. Sie habe den Vertrag hinsichtlich dieses Werkes jedenfalls am 21. März 2005 fristlos kündigen können, weil die Beklagte bei der Abrechnung von Leihgebühren vertragswidrig eine doppelte Provision abgezogen habe.

6

Die Klägerin hat beantragt:

[X.] die Beklagte unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unterlassen, das Werk [X.] von [X.] vollständig oder in Teilen, wie etwa in Auszügen für einzelne Instrumente, ohne Zustimmung der Klägerin körperlich oder unkörperlich zu verwerten oder Dritte verwerten zu lassen, insbesondere durch Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe, insbesondere durch Vortrag, Aufführung oder Vorführung, öffentliche Zugänglichmachung, Sendung und/oder Bearbeitung;

I[X.] die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der [X.] ([X.]) darin einzuwilligen, dass sie bei der [X.] hinsichtlich der unter der [X.]-Werk-Nr. 1348565-001 registrierten Originalfassung des Werkes [X.] von [X.] als Beteiligungsberechtigte gestrichen wird und zwar mit Wirkung zum 30. September 2004, hilfsweise zum 1. April 2005;

II[X.] die Beklagte zu verurteilen, ihr hinsichtlich des Werkes [X.] von [X.] Auskunft darüber zu erteilen, aus welchen [X.], einschließlich solcher unter Beteiligung Dritter, wie etwa Agenten oder Verwertungsgesellschaften, sie seit dem 1. Oktober 2004, welche Einkünfte erzielt hat jeweils unter Angabe der Nutzungsart, der Zahl der [X.] oder deren Umfang, der Person etwaiger beteiligter Dritter, wie Verwertungsgesellschaften oder Agenten, sowie der Abnehmer oder Lizenznehmer; hilfsweise, diese Auskünfte für die [X.] ab dem 1. April 2005 zu erteilen;

[X.]. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie das Erlangte hinsichtlich aller [X.] laut Ziffer III seit dem 1. Oktober 2004 herauszugeben, hilfsweise das seit dem 1. April 2005 Erlangte;

[X.] die Beklagte zu verurteilen, ihr hinsichtlich des Werkes [X.] von [X.] Auskunft darüber zu erteilen, an welche an der Verwertung des Werkes beteiligte, verbundene oder konzernangehörige Unternehmen sie in welcher Höhe und für welche [X.] seit dem 1. Januar 1990 bis zum 30. September 2004 Vergütungen insbesondere in Form von Agenturprovisionen, gezahlt hat, jeweils unter Angabe der Nutzungsart, der Zahl der [X.] oder deren Umfang, sowie des eingeschalteten verbundenen oder konzernangehörigen Unternehmens;

V[X.] festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie das hinsichtlich der [X.] laut Ziffer V seit dem 1. Januar 1990 an verbundene oder konzernangehörige Unternehmen [X.] zu erstatten;

VI[X.] die Beklagte zu verurteilen, alle Vervielfältigungsstücke des [X.] von [X.], die sich noch in ihrem Eigentum befinden, zu vernichten.

7

Das Landgericht ([X.], 580) hat den Anträgen I bis [X.] und [X.] stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt.

8

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die Klägerin hat ihre vom Landgericht abgewiesenen Anträge V und VI nur noch hilfsweise gestellt und in erster Linie beantragt,

[X.] die Beklagte zu verurteilen, ihr hinsichtlich des Werkes [X.] von [X.] Auskunft über alle Fälle zu erteilen, in denen die Beklagte über eine an der Verwertung des Werkes beteiligte, verbundene oder der Beklagten konzernabhängige Unternehmen gezahlte Vergütung hinaus eigene Vermittlungsgebühren einbehalten hat, unter Angabe der Art der jeweiligen Verwertungshandlung, der Angabe der Nutzungsart, der Zahl der [X.] bzw. des Umfangs sowie des jeweils eingeschalteten verbundenen oder konzernabhängigen Unternehmens, und zwar insgesamt für den [X.]raum seit 1. Januar 1990 bis zum 30. September 2004;

V[X.] festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche im Hinblick auf die [X.] nach Ziffer V seit dem 1. Januar 1990 in Rechnung gestellten eigenen Provisionen herauszugeben.

9

Die Berufungen beider Parteien sind ohne Erfolg geblieben ([X.] GRUR-RR 2008, 208). Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin hat [X.] eingelegt, mit der sie ihre zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Parteien beantragen, die ([X.] der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klageanträge I bis [X.] und [X.] seien begründet, weil die ordentliche Kündigung des Generalvertrags hinsichtlich des [X.] zum 30. September 2004 wirksam sei; die Klageanträge [X.] und [X.]I seien dagegen unbegründet, da die Abrechnung doppelter Provisionen keine vertraglichen Pflichten verletze. Dazu hat es ausgeführt:

Aus den gesamten vertraglichen Beziehungen der [X.]ertragsparteien ergebe sich, dass sich der Komponist das [X.]erfügungsrecht über sein Hauptwerk [X.] soweit wie möglich selbst habe vorbehalten wollen. Das komme eindeutig darin zum Ausdruck, dass er hinsichtlich dieses Werkes nach § 3 des Generalvertrags „Inhaber der [X.]erlagsrechte“ bleibe und dem [X.]erlag nur die „[X.]erwaltung seiner Nutzungsrechte“ übertrage, während er dem [X.]erlag an den anderen Werken nach § 2 des Generalvertrags das „ausschließliche Nutzungsrecht“ einräume. Hinsichtlich des [X.] sei in § 3 des Generalvertrags lediglich eine Treuhandverwaltung vereinbart. Aus der Berechtigung, nach außen wie ein [X.]erleger aufzutreten, könne die [X.] nicht die Berechtigung herleiten, auch im Innenverhältnis wie ein [X.]erleger behandelt zu werden, der selbst Inhaber der eingeräumten Nutzungsrechte sei. Insoweit bestehe zwischen den Parteien vielmehr lediglich ein - gemäß § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbares - Dienstverhältnis, das Dienste höherer Art betreffe, die aufgrund besonderen [X.]ertrauens übertragen zu werden pflegen.

Der Klägerin stünden wegen der von der [X.] an verbundene Unternehmen gezahlten Provisionen keine Ansprüche zu. Ihr sei dadurch kein den vertraglichen [X.]ereinbarungen zuwiderlaufender Nachteil entstanden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin höhere Provisionen habe zahlen müssen, weil die [X.] mit ihr verbundene und nicht von ihr unabhängige Unternehmen für die [X.]ermittlungstätigkeit im Ausland eingeschaltet habe.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.] hat Erfolg.

1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann den [X.] bis [X.] und [X.] nicht stattgegeben werden. Die Klägerin konnte den Generalvertrag hinsichtlich des [X.] nicht gemäß § 627 Abs. 1 BGB zum 30. September 2004 kündigen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die [X.]ertragsparteien in § 3 des Generalvertrags nicht ein - gemäß § 627 Abs. 1 BGB jederzeit ordentlich kündbares - Dienstverhältnis begründet, das Dienste höherer Art betrifft, die aufgrund besonderen [X.]ertrauens übertragen zu werden pflegen. Der Generalvertrag ist vielmehr auch insoweit als [X.]erlagsvertrag anzusehen, der mangels einer anderweitigen [X.]ereinbarung nur bei [X.]orliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden kann.

a) Die Auslegung von Individualvereinbarungen durch den Tatrichter kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob sie gegen gesetzliche oder anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder auf [X.]erfahrensfehlern beruht, etwa weil sie wesentliches Auslegungsmaterial unter [X.]erstoß gegen [X.]erfahrensvorschriften außer Acht lässt ([X.], Urt. v. 21.1.2010 - I ZR 176/07, [X.], 418 [X.]. 12 = [X.], 539 - [X.], m.w.[X.]). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht unterlaufen.

b) Das Berufungsgericht hat seine Annahme, der zwischen den [X.]ertragsparteien geschlossene Generalvertrag sei hinsichtlich der das [X.] betreffenden Sonderregelung in § 3 des Generalvertrags nicht als [X.]erlagsvertrag, sondern als Dienstvertrag anzusehen, vor allem darauf gestützt, dass der Komponist hinsichtlich dieses Werkes nach § 3 des Generalvertrags „Inhaber der [X.]erlagsrechte“ bleibt und dem [X.]erlag nur die „[X.]erwaltung seiner Nutzungsrechte“ überträgt, während er dem [X.]erlag an den anderen Werken nach § 2 des Generalvertrags das „ausschließliche Nutzungsrecht“ einräumt. Aus der Berechtigung, nach außen wie ein [X.]erleger aufzutreten, könne die [X.] nicht die Berechtigung herleiten, auch im Innenverhältnis wie ein [X.]erleger behandelt zu werden, der selbst Inhaber der übertragenen Nutzungsrechte sei.

Diese Beurteilung beruht, wie die Revision zutreffend geltend macht, auf einer [X.]erkennung der Rechtsnatur des [X.]erlagsvertrags. Ein [X.]erlagsvertrag setzt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht voraus, dass der [X.]erfasser dem [X.]erleger das [X.]erlagsrecht oder andere Nutzungsrechte an seinem Werk einräumt. Ein [X.]erlagsvertrag über ein Werk der Literatur oder der Tonkunst im Sinne des [X.]erlagsgesetzes erfordert vielmehr lediglich, dass der [X.]erfasser sich verpflichtet, dem [X.]erleger das Werk zur [X.]ervielfältigung und [X.]erbreitung für eigene Rechnung zu überlassen und der [X.]erleger sich verpflichtet, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 1 [X.]erlG). Der [X.]erfasser hat dem [X.]erleger zwar grundsätzlich das ausschließliche Recht zur [X.]ervielfältigung und [X.]erbreitung ([X.]erlagsrecht) zu verschaffen (§ 8 [X.]erlG). Diese [X.]erpflichtung besteht nach § 8 [X.]erlG jedoch nur, „soweit nicht aus dem [X.]ertrage sich ein anderes ergibt“. Sie kann daher vertraglich abbedungen werden. Dann steht dem [X.]erleger zwar nur ein einfaches Nutzungsrecht oder eine - allein im [X.]erhältnis zum [X.]erfasser wirkende - schuldrechtliche Befugnis zur [X.]ervielfältigung und [X.]erbreitung des Werkes zu. Dadurch verliert der [X.]ertrag aber nicht seinen Charakter als [X.]erlagsvertrag (vgl. [X.], [X.]erlagsrecht, 3. Aufl., § 1 [X.]. 7 f.; § 8 [X.]. 2, 17 und 40).

Der Einstufung von § 3 des Generalvertrags als verlagsvertragliche Regelung steht daher nicht entgegen, dass der Komponist „Inhaber der [X.]erlagsrechte“ bleibt und dem [X.]erlag lediglich die „[X.]erwaltung seiner Nutzungsrechte“ überträgt. Entscheidend ist, dass § 3 des Generalvertrags die [X.] zu typisch verlegerischen Tätigkeiten, nämlich dem [X.]erleih von Aufführungsmaterialien und dem [X.]erkauf von Druckausgaben des Werkes berechtigt und verpflichtet. Damit konkretisiert diese Bestimmung die für das [X.] ebenso wie für die übrigen Werke des Komponisten geltende allgemeine Regelung in § 1 des Generalvertrags, wonach der [X.]erlag die verlegerische Betreuung des Gesamtœuvres des Komponisten übernimmt (Satz 2) und sich verpflichtet, die [X.]erbreitung der Werke nach bestem Wissen und Gewissen zu übernehmen und sich mit [X.] und Erfahrung für das Werk des Komponisten einzusetzen (Satz 3). Diese [X.]erpflichtung des [X.]erlages geht, wie die Revision mit Recht geltend macht, weit über die übliche [X.]erpflichtung etwa eines Managers oder Promoters des Künstlers hinaus, der ein - nach § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbarer - Dienstleistungsvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter zugrunde liegen kann (vgl. [X.], Urt. v. 28.10.1982 - I ZR 134/80, NJW 1983, 1191, 1192 - Künstlerbetreuung).

c) Das Berufungsgericht hat zudem den anerkannten [X.] missachtet, dass bei der Auslegung eines [X.]ertrages das nachträgliche [X.]erhalten der [X.]ertragsparteien zu berücksichtigen ist. Dieses kann zwar den objektiven [X.]ertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche [X.]erständnis der [X.]ertragsparteien ([X.], Urt. v. 24.6.1988 - [X.] ZR 49/87, NJW 1988, 2878, 2879; Urt. v. 26.11.1997 - [X.], NJW-RR 1998, 801, 803; Urt. v. 6.7.2005 - [X.]I ZR 136/04, NJW 2005, 3205, 3207). Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht geltend macht, nicht hinreichend berücksichtigt, dass die [X.] nach den getroffenen Feststellungen in der praktischen Durchführung des [X.]ertrages hinsichtlich des [X.] genauso wie hinsichtlich der übrigen Werke des Komponisten jahrzehntelang in typischer Weise verlegerisch tätig geworden ist. Die [X.] hat - nachdem sie die Originalfassung des Werkes unter ihrem [X.]erlagsnamen bei der [X.] angemeldet hatte - verschiedene Notenausgaben des Werkes hergestellt und im eigenen Namen durch den [X.]erkauf von Druckausgaben und [X.]erleih von Aufführungsmaterialien verbreitet. Sie hat darüber hinaus Aufführungen und sonstige Nutzungen des Werkes im eigenen Namen lizenziert. Sie hat für das [X.], das nicht nur das Herzstück im Gesamtwerk des Komponisten, sondern auch ein „Zugpferd“ ihres [X.]erlagsprogramms darstellt, stets intensiv geworben. Für die Einstufung dieser Tätigkeiten als verlegerische Tätigkeiten kommt es - wie unter [X.] ausgeführt - nicht darauf an, ob die [X.] ihre Berechtigung hierzu aus einer - auch stillschweigend möglichen - dinglichen Rechtseinräumung oder aus einer schuldrechtlichen Gestattung herleiten kann.

d) Das Berufungsgericht hat darüber hinaus gegen den [X.] einer nach beiden Seiten hin interessengerechten [X.]ertragsauslegung verstoßen (vgl. [X.], Urt. v. 19.12.2002 - [X.], [X.], 699, 701 = [X.], 994 - [X.], m.w.[X.]). Komponist und [X.]erlag streben nach § 1 Satz 1 des Generalvertrags hinsichtlich des gesamten musikalischen Werkes des Komponisten eine enge Zusammenarbeit an. Sie haben nach § 1 Satz 2 des Generalvertrags beschlossen, dass der [X.]erlag die verlegerische Betreuung des Gesamtœuvres des Komponisten übernimmt, um eine optimale Auswertung des Gesamtwerkes gewährleisten zu können. Dem bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Generalvertrags weltberühmten [X.] kommt im Gesamtwerk des Komponisten eine herausragende Bedeutung zu. Die große Bekanntheit dieses Werkes ermöglicht es der [X.], dieses Werk im Rahmen ihres [X.]erlagsprogramms als „Zugpferd“ für die weniger bekannten Werke des Komponisten einzusetzen, um damit im Interesse beider [X.]ertragsparteien die beabsichtigte optimale Auswertung des gesamten musikalischen Werkes zu erreichen. Es widerspräche dem berechtigten Interesse der [X.], das Gesamtwerk des Komponisten auf einer rechtlich gesicherten Grundlage auswerten zu können, wenn sich der Komponist bzw. die Klägerin jederzeit aus der vertraglichen Bindung hinsichtlich des [X.] lösen könnte.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die wegen der Abrechnung doppelter Provisionen ausgesprochene fristlose Kündigung vom 21. März 2005 ist gleichfalls unwirksam.

a) Ein Musikverlagsvertrag kann als Dauerschuldverhältnis, das ein besonderes [X.]ertrauensverhältnis der [X.]ertragsparteien voraussetzt, fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein Kündigungsgrund ist gegeben, wenn dem kündigenden [X.]ertragspartner eine Fortsetzung des [X.]ertragsverhältnisses wegen einer Störung der [X.]ertrauensgrundlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider [X.]ertragsteile nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Musikverlagsvertrag regelmäßig auf außerordentlich lange Dauer angelegt ist; so verhält es sich auch hier, da sich die Laufzeit des Generalvertrags gemäß § 3 Satz 3 und § 5 Satz 2 auf die gesamte Dauer des urheberrechtlichen Schutzes an den Werken erstreckt. Dem [X.]ertragspartner, dessen Rechte verletzt worden sind, ist es deshalb in der Regel zuzumuten, zunächst einmal seinen [X.]ertragspartner zu gehöriger Erfüllung aufzufordern und die ihm zustehenden Ansprüche - notfalls gerichtlich - geltend zu machen; eine fristlose Kündigung ist im Allgemeinen nur im äußersten Fall gerechtfertigt (vgl. [X.], Urt. v. 5.12.1973 - I ZR 51/72, [X.], 789, 792 f. - Hofbräuhaus-Lied; Urt. v. 14.12.1989 - I ZR 56/88, [X.], 443, 444 f. - Musikverleger [X.]; [X.] aaO § 35 [X.]. 24 m.w.[X.]).

b) Im Streitfall liegt bereits kein Fehlverhalten der [X.] vor. Die [X.] hat dadurch, dass sie bei der Abrechnung von in den [X.]ereinigten Staaten von Amerika erzielten Leihgebühren von den Einnahmen zunächst eine Provision in Höhe von 25% der Leihgebühren für die [X.]ermittlungstätigkeit eines mit ihr verbundenen [X.] Unternehmens und sodann eine weitere Provision in Höhe von 15% des Restbetrages für ihre eigene Tätigkeit abgezogen hat, keine vertraglichen [X.]erpflichtungen verletzt. Die [X.]ereinbarungen zwischen dem Komponisten und dem [X.]erlag verbieten es der [X.] nach den vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht, zur [X.]ermittlung von [X.] im Ausland andere - auch mit ihr verbundene - Unternehmen einzuschalten. Der [X.]erlag ist nach diesen [X.]ereinbarungen in einem solchen Fall auch dann nicht gehindert, vom Erlös nicht nur die Provision des [X.]ermittlers, sondern auch die eigene Provision abzuziehen, wenn es sich bei dem [X.]ermittler um ein verbundenes Unternehmen handelt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die [X.] die Interessen der Klägerin dadurch geschädigt hat, dass sie dem verbundenen Unternehmen eine höhere Provision gezahlt hat, als sie einem unabhängigen Drittunternehmen hätte zahlen müssen.

III. Die zulässige [X.] der Klägerin ist unbegründet, weil die Klägerin die weiterverfolgten Klageanträge [X.] und [X.]I mit der [X.] auf tatsächliches [X.]orbringen stützt, das in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO).

In den Tatsacheninstanzen hat die Klägerin zur Begründung der Klageanträge vorgetragen, die [X.] habe ihre vertraglichen [X.]erpflichtungen dadurch verletzt, dass sie bei einer [X.]ermittlung von Leihmaterial im Ausland sowohl dem mit ihr verbundenen Unternehmen eine Provision gezahlt als auch für sich selbst eine Provision einbehalten habe. Sie hat deshalb zuletzt Auskunftserteilung und die Feststellung begehrt, dass die [X.] zur Herausgabe der von ihr einbehaltenen Provisionen - hilfsweise zur Erstattung der an verbundene Unternehmen gezahlten Provisionen - verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat in der Berechnung einer doppelten Provision keine Pflichtverletzung der [X.] gesehen und die Klageanträge daher abgewiesen.

Mit der [X.] bringt die Klägerin zur Begründung der Klageanträge vor, die [X.] habe ihre aus §§ 675, 666 BGB folgende Pflicht schuldhaft verletzt, den Komponisten bzw. die Klägerin darüber zu unterrichten, dass sie auch bei einer [X.]erwertung des Werkes im Ausland über mit ihr verbundene Unternehmen eigene [X.]ermittlungsgebühren einbehält und in derartigen Fällen daher zwei Provisionen anfallen. Die [X.]erletzung dieser Benachrichtigungspflicht begründe sowohl einen Auskunfts- als auch einen Schadenersatzanspruch. Dem Komponisten bzw. der Klägerin sei infolge dieser Pflichtverletzung ein Nachteil entstanden; denn sie hätten bei Kenntnis der Sachlage durch eine unmittelbare Beauftragung ausländischer [X.]ertreter jedenfalls die zugunsten der [X.] vereinbarte Provision gespart.

Dieses [X.]orbringen kann nicht berücksichtigt werden, weil weder aus dem Tatbestand des Berufungsurteils noch aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, dass die [X.] den Komponisten bzw. die Klägerin nicht über den Anfall von zwei Provisionen bei einer [X.]erwertung des Werkes im Ausland über verbundene Unternehmen unterrichtet hat (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die [X.] hat auch nicht aufgezeigt, dass das Berufungsgericht entsprechenden Sachvortrag der Klägerin verfahrensfehlerhaft übergangen hat (§ 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Klägerin hat allerdings in der Klageschrift vorgetragen, [X.] wäre nie auf die Idee gekommen, dass ein konzernangehöriges oder verbundenes Unternehmen neben der [X.] Provisionen kassieren könnte. Entgegen der Darstellung der [X.] ist es aber nicht unstreitig, dass die [X.] die Klägerin nicht über den Anfall von zwei Provisionen bei einer [X.]erwertung des Werkes im Ausland unterrichtet hat. Die [X.]serwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die [X.] in den Tatsacheninstanzen unter [X.]orlage der entsprechenden Schreiben vorgetragen hat, die [X.] habe dem Ehepaar [X.] mit Schreiben vom 7. Oktober 1983 mitgeteilt, dass ihre [X.]ertreter im gesamten Ausland - einschließlich der [X.]ereinigten Staaten von Amerika - eine Beteiligung erhielten, die vorweg abgezogen werde, bevor sie ihren Anteil zusätzlich abziehe; das Ehepaar [X.] habe der [X.] die Kenntnisnahme dieses Schreibens mit Schreiben vom 11. Oktober 1983 bestätigt.

[X.]. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der [X.] unter Zurückweisung der [X.] der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der [X.] erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist auf die Berufung der [X.] das Urteil des [X.] abzuändern. Die Klage ist vollständig abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                                Pokrant                             Büscher

                       Schaffert                                Koch

Meta

I ZR 197/07

22.04.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 8. November 2007, Az: 6 U 4434/06, Urteil

§ 1 VerlG, § 8 VerlG, § 627 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.04.2010, Az. I ZR 197/07 (REWIS RS 2010, 7301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7301


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 197/07

Bundesgerichtshof, I ZR 197/07, 03.02.2011.

Bundesgerichtshof, I ZR 197/07, 22.04.2010.


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