Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2012, Az. 4 StR 603/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4529

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 603/11

vom
18.
Juli
2012

Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:
ja
Veröffentlichung:
ja
____________________________

OWiG §
74 Abs.
2

Das Amtsgericht hat den Einspruch des nicht vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und unentschuldigt ausgebliebenen Be-troffenen auch dann nach §
74 Abs.
2 OWiG zu verwerfen, wenn das voraus-gegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht nur im [X.] aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen worden war.

[X.], [X.]. vom 18.
Juli 2012

4 StR 603/11

OLG Celle

in der Bußgeldsache
gegen

wegen
fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Betroffenen am 18.
Juli 2012 beschlossen:

Das Amtsgericht hat den Einspruch des nicht vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und unent-schuldigt ausgebliebenen Betroffenen auch dann nach §
74 Abs.
2 OWiG zu verwerfen, wenn das vorausgegangene Sach-urteil vom Rechtsbeschwerdegericht nur im [X.] aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu-rückverwiesen worden war.

Gründe:
I.
1.
Das [X.] hat den Betroffenen durch Urteil vom 9.
Dezember 2010 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchst-geschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160

einem Monat festgesetzt. Dieselben Rechtsfolgen enthielt bereits der Bußgeld-bescheid der [X.] vom 19.
Mai 2010. Auf die Rechts-beschwerde des Betroffenen hat das [X.] durch [X.]uss vom 29.
März 2011 das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufge-hoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung an die-selbe Abteilung des [X.] zurückverwiesen. Die weiter ge-hende Rechtsbeschwerde hat das [X.] als unbegründet [X.]
-
3
-
fen. Das [X.] hat den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der [X.] vom 19.
Mai 2010 durch
Urteil vom 25.
August 2011 gemäß §
74 Abs.
2 OWiG verworfen, weil der Be-troffene, der nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen [X.] war, trotz ordnungsgemäßer Ladung in der Hauptverhandlung unentschul-digt ausgeblieben ist. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene erneut Rechtsbe-schwerde eingelegt. Er rügt mit einer unzulässigen (§
79 Abs.
3 OWiG, §
344 Abs.
2 [X.]) Verfahrensrüge, dass sein Verteidiger fälschlich eine Abladung zum Hauptverhandlungstermin am 25.
August 2011 erhalten habe und auch er deshalb nicht zum Termin erschienen sei. Mit der Sachrüge beanstandet
er die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
2.
Das [X.] möchte die Rechtsbeschwerde als un-begründet verwerfen. Es ist der Ansicht, dass der Einspruch des Betroffenen, der trotz Anordnung seines persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung ausbleibt, auch nach vorangegangener Teilaufhebung im [X.] nach §
74 Abs.
2 OWiG verworfen werden kann.
An der beabsichtigten Verwerfung der Rechtsbeschwerde sieht sich das [X.] durch den [X.]uss des [X.]s Hamm vom 2.
November 2006

4
Ss
OWi
742/06

([X.]
112 [2007], 49) gehindert. Nach Ansicht des [X.]s Hamm kommt eine Verwerfung des Einspruchs
nach §
74 Abs.
2 OWiG nicht in Betracht, wenn durch das Rechtsbeschwerde-gericht nur der Rechtsfolgenausspruch eines Urteils mit den getroffenen Fest-stellungen aufgehoben worden ist. Der Konflikt zwischen der zwingenden An-ordnung des §
74 Abs.
2 OWiG und der eingetretenen [X.] der
vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung sei dahin zu lösen, dass der Teil-rechtskraft der Vorrang einzuräumen sei. Es sei auch nicht sachgerecht, eine 2
3
-
4
-
Einspruchsverwerfung in solchen Fällen zuzulassen, in denen die rechtskräfti-gen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils nicht von dem Vorwurf des Bußgeldbescheides abwichen, weil die Frage der Zulässigkeit der Einspruchs-verwerfung nach §
74 Abs.
2 OWiG nur einheitlich und nicht fallbezogen beant-wortet werden könne. Die möglichen praktischen Schwierigkeiten, die sich [X.] ergeben könnten, dass ein Betroffener
die Durchführung der [X.] durch Abwesenheit unmöglich mache, könnten dadurch gelöst wer-den, dass im Falle des unerlaubten Fernbleibens in der Hauptverhandlung ein Verzicht auf die oder eine Verwirkung der Anwesenheitsrüge zu sehen sein könnte.
Nach dieser Rechtsprechung des [X.]s Hamm wäre im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil auf die im Rahmen der Sachrüge von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Frage, ob das Amtsgericht den [X.] seiner Prüfungs-
und Feststellungspflicht verkannt hat, aufzuheben. Das vorlegende [X.] teilt diese Auffassung nicht. Auszugehen sei davon, dass §
74 Abs.
2 OWiG zwingend und ohne Ausnahme die Verwer-fung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid bei unentschuldigter Abwe-senheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung vorschreibe. Mit der [X.] habe der Gesetzgeber

gerade auch bei Abwesenheit des Betroffenen

eine Vereinfachung des Verfahrens und damit eine Entlastung der Gerichte er-reichen wollen, die nach der Zielrichtung des Gesetzentwurfs dringend geboten erschien. Eine einschränkende Auslegung des §
74 Abs.
2 OWiG würde dieser Zielrichtung zuwiderlaufen. Die bei vergleichbaren Verfahrenskonstellationen geltenden strafprozessualen Regelungen geböten keine abweichende Beurtei-lung. Die Vorschrift des §
74 Abs.
2 OWiG enthalte keine der Bestimmung in §
329 Abs.
1 Satz
2 [X.] vergleichbare Regelung, wonach eine Verwerfung der Berufung nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht unzulässig 4
-
5
-
ist. Daraus könne der Schluss
gezogen werden, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des §
74 Abs.
2 OWiG unterschiedliche Regelungen treffen wollte.
Ferner könne nicht außer [X.] gelassen werden, dass dem Amtsgericht keine Zwangsmittel zur Verfügung stünden, um das Erscheinen des Betroffenen vor Gericht zu erzwingen. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des §
74 Abs.
2 OWiG die noch in §
74 Abs.
2 a.F. neben der Verwerfung des [X.] vorgesehenen Möglichkeiten, die Vorführung des Betroffenen anzuord-nen oder ohne den Betroffenen die Hauptverhandlung durchzuführen, ange-sichts der zwingenden Regelung des §
74 Abs.
2 OWiG ausdrücklich für ent-behrlich gehalten. §
230 Abs.
2 [X.], der die Vorführung eines Angeklagten im Strafverfahren regele, sei nicht anwendbar. Verhaftung und vorläufige Fest-nahme seien nach §
46 Abs.
3 Satz
1 OWiG unzulässig. Das Verfahren in Ab-wesenheit des Betroffenen setze voraus, dass dieser auf seinen Antrag gemäß §
73 Abs.
2 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen [X.] worden sei. Ein nicht mitwirkungsbereiter Betroffener hätte demnach die Möglichkeit, das Verfahren auf unabsehbare [X.] zu verhindern, ohne dass eine Verjährung der Ordnungswidrigkeit eintreten würde (§
32 Abs.
2 OWiG). Dies wäre nicht hinnehmbar. Deshalb werde die Verwerfung des Einspruchs bei un-entschuldigtem Ausbleiben des Betroffenen nach Aufhebung eines [X.] durch das Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang nach allgemeiner An-sicht als zulässig angesehen. Die vorstehenden Argumente hätten aber glei-chermaßen Geltung für Fälle der Aufhebung nur im Rechtsfolgenausspruch. Die vom [X.] Hamm aufgezeigte Lösung würde das Verfahren mit neuen, vom Gesetzgeber mit der Neuregelung gerade nicht intendierten zusätz-lichen Rechtsproblemen belasten.

5
-
6
-
Dafür spreche
auch, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des §
67 Abs.
2 OWiG die Möglichkeit der Beschränkung des Einspruchs auf bestimmte Beschwerdepunkte geschaffen habe und es damit als rechtlich zulässig anse-he, dass ein Gericht die Rechtsfolgen der Tat auf der
Basis eines Schuld-spruchs durch Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde [X.]. Die [X.], dass der Gesetzgeber die zwingende Regelung ohne Einschränkungen eingeführt habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass unter der Geltung des §
74 Abs.
2 OWiG a.F. eine Verwerfung des Einspruchs bei vorangegangener Teilaufhebung im Rechtsfolgenausspruch von den [X.]en als un-zulässig angesehen wurde, rechtfertige den Schluss, dass der Gesetzgeber das mögliche Spannungsverhältnis zwischen einem Schuldspruch durch Urteil und einer Rechtsfolgenentscheidung durch bereits vorher ergangenen [X.] im Interesse der Entlastung der Gerichte bewusst in Kauf genommen habe.
Das [X.] hat die Sache gemäß §
121 Abs.
2 [X.] dem [X.] vorgelegt und die Rechtsfrage wie folgt formuliert:

[X.] in der Hauptverhandlung entbundenen Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde auch dann noch gemäß §
74 Abs.
2 Satz
1 OWiG verwerfen, wenn das vorangegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht nur im [X.] und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht zu-

3.
Der Generalbundesanwalt hat angeregt, die [X.], die
sich an der Entscheidung des 1.
Strafsenats vom 10.
Dezember 1985
6
7
8
-
7
-

1
StR
506/85, [X.]St 33, 394 orientiere, an die aktuelle Gesetzeslage anzu-n-tragt zu entscheiden:

den Voraussetzungen des §
74 Abs.
2 OWiG hat das Amtsgericht den Einspruch eines Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid auch dann zu verwerfen, wenn das vorangegangene Sachurteil vom [X.] nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und in

II.
1.
Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Vorschrift des §
121 Abs.
2 [X.] ist gemäß §
79 Abs.
3 OWiG für die Rechtsbeschwerde im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes
entsprechend heranzuziehen (vgl. [X.], [X.]uss vom 20.
März 1992

2
StR
371/91, [X.]St 38, 251, 254). Das [X.] kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne von der Rechtsauffassung des [X.]s Hamm abzuweichen.
2.
In
der [X.] teilt der Senat die Auffassung des vorlegenden Gerichts.
a)
Der Betroffene ist nach §
73 Abs.
1 OWiG zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Er kann aber nach §
73 Abs.
2 OWiG auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum
Erscheinen in der Hauptverhandlung [X.] werden, wenn er sich geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der [X.] nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklä-9
10
11
-
8
-
rung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Ver-pflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen (§
74 Abs.
2 OWiG). Dem Ausbleiben des Betroffenen, wenn es nicht aus anderen Gründen genü-gend entschuldigt ist, ist mangelndes Interesse an der Wahrnehmung seiner Prozessrolle zu entnehmen; dies rechtfertigt angesichts der geringeren [X.] eine Verwerfung des Einspruchs.
Die Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Ausbleiben des Betroffenen ist nach der Neufassung des §
74 Abs.
2 OWiG durch Art.
1 Nr.
13 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und an-derer Gesetze ([X.]) vom 26.
Januar 1998 (BGBl.
I S.
156, 157) zwin-gend, ein Ermessensspielraum wird dem Gericht anders als nach der früheren Rechtslage nicht mehr eingeräumt. Durch die Umwandlung der Vorschrift in eine zwingende Regelung wollte der Gesetzgeber eine Vereinfachung des Ver-

Gerichte erreichen (BT-Drucks.
13/5418 S.
7,
9). Schon nach der früheren Rechtslage durfte aber das Amtsgericht den Einspruch des trotz Anordnung des persönlichen Erschei-nens in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausgebliebenen Betroffenen ge-gen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde auch dann noch nach §
74 Abs.
2 Satz
1 OWiG verwerfen, wenn das vorangegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden war ([X.], [X.]uss vom 10.
Dezember 1985

1
StR 506/85, [X.]St 33, 394). Der [X.] hat dies seinerzeit daraus geschlossen, dass das [X.] des Strafverfahrensrechts (1.
StVRG) vom 9.
Dezem-ber 1974 (BGBl.
I S.
3393, 3533) lediglich §
329 Abs.
1 [X.] und §
412 [X.] in dem Sinne geändert hat, dass die Berufung oder der Einspruch nach diesen 12
-
9
-
Vorschriften nicht mehr verworfen werden darf, wenn das Tatgericht erneut ver-handelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist. Damit habe der Gesetzgeber der Rechtsprechung des [X.] zu §
329 Abs.
1 [X.] (Urteil vom 3.
April 1962

5
StR 580/61, [X.]St 17, 188) Rechnung
tragen wollen. Weil §
329 Abs.
1 [X.] und §
412 [X.] sowie §
74 Abs.
2 OWiG dasselbe
Rechtsproblem beträfen, lasse sich schon aus dem [X.], dass der Gesetzgeber diese Frage in §
329 Abs.
1 [X.] und §
412 [X.] neu geregelt habe, während §
74 Abs.
2 OWiG

bei Änderung in anderen Punkten

unverändert geblieben sei, der Schluss ziehen, dass er damit unter-schiedliche Regelungen für Strafverfahren und Bußgeldverfahren habe treffen wollen.
Diese Argumentation trifft auch nach der gegenwärtigen Rechtslage zu. Zwar stand nach der früheren Fassung des §
74 Abs.
2 OWiG die Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Ausbleiben des Betroffenen im Ermessen des Gerichts, während diese Folge nunmehr zwingend auszusprechen ist. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber bei
dieser erneuten Änderung des §
74 Abs.
2 OWiG in Kenntnis der Rechtsprechung
zur Zulässigkeit der Verwerfung nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht wiederum keine dem §
329 Abs.
1 Satz
2 [X.] entsprechende Regelung in die Vorschrift eingefügt hat, kann daher weiterhin geschlossen werden, dass die Verwerfung
des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid nach Aufhebung des ersten
[X.] in der [X.] und die Verwerfung der Berufung bzw. des Einspruchs gegen einen Strafbefehl unterschiedlich geregelt bleiben sollen (so auch [X.], [X.] [2000], 217, 219; [X.], NJW 2002, 978, 979; [X.], [X.] 117 [2009] 102; [X.], [X.]uss vom 22.
März 2012

3
RBs
68/12, veröffentlicht bei juris; zustimmend [X.] in
[X.], OWiG, 16.
Aufl.,
§
74 Rn.
24; [X.]/[X.]/[X.], OWiG,
Stand 13
-
10
-
März 2011, §
74 Rn.
13; [X.], OWiG, 3.
Aufl.,
§
74 Rn.
22; [X.], OWiG, 3.
Aufl., §
74 Rn.
21). Dies entspricht auch dem Ziel der Entlastung der Gerichte durch das [X.]. Da es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt,
die Verfahrensweise beim unentschuldigten [X.] im Bußgeldverfahren abweichend vom Strafverfahren zu regeln, scheidet eine Anwendung der Regelungen der
§§
412, 329 Abs.
1 [X.] über §
71 Abs.
1 OWiG aus.
b)
Die Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Ausbleiben des Betroffenen hat auch dann zu erfolgen, wenn das Rechtsbeschwerdegericht die Sache nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und an das Amtsgericht zu-rückverwiesen hat.
aa)
Dies folgt bereits aus
dem Wortlaut der Vorschrift. §
74 Abs.
2 OWiG ist durch das [X.] ohne Ausnahme zu einer zwingenden Regelung um-gestaltet worden, obwohl der Gesetzgeber wusste, dass die Rechtsprechung der [X.]e eine Verwerfung des Einspruchs nach Teilaufhebung durch das Rechtsbeschwerdegericht wegen der eingetretenen [X.] des Schuldspruchs als unzulässig ansah (vgl. [X.], [X.], 372; KG, [X.] 72 [1987], 451; BayObLG [X.] 80 [1991], 45). Die Änderung diente der dringend gebotenen Entlastung der Justiz im Bereich der Ordnungswidrigkeiten (BT-Drucks.
13/5418 S.
1). Zugleich wurde die zuvor in §
74 Abs.
2 Satz
2
OWiG a.F. gegebene Möglichkeit der Vorführung des Betroffenen oder der [X.] in seiner Abwesenheit abgeschafft (vgl. BT-Drucks.
13/5418 S.
9). Der Gesetzgeber hat dafür angesichts der zwingenden Regelung keinen An-wendungsbereich mehr gesehen, also auch nicht in den in den Materialien nicht angesprochenen Fällen der Teilaufhebung und Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Es ist deshalb ersichtlich auch in diesen Fällen da-14
15
-
11
-
von auszugehen, dass die Verwerfung des Einspruchs gesetzgeberisch gewollt ist. Der Gesetzgeber hat dem Betroffenen in §
73 Abs.
1 OWiG das persönliche Erscheinen in der Hauptverhandlung auferlegt. Lehnt es der Betroffene durch sein unentschuldigtes Ausbleiben ab, zur Aufklärung beizutragen, ist das [X.] im Interesse der Verfahrensökonomie von der Verpflichtung entbunden, die
Beschuldigung zu prüfen oder

bei Rechtskraft des Schuldspruchs

zum Rechtsfolgenausspruch neu
zu verhandeln. Das Interesse des Betroffenen und der Allgemeinheit an einer inhaltlich möglichst gerechten Entscheidung tritt in diesen Fällen hinter der Verfahrensökonomie zurück (vgl. zur alten Rechtslage [X.],
[X.], 540).
bb)
Der Eintritt der
[X.] des Schuldspruchs bei Aufhebung nur des Rechtsfolgenausspruchs durch das Rechtsbeschwerdegericht steht der Verwerfung des Einspruchs in der neuen Verhandlung nicht entgegen.
Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Urteils sind der
rechts-kräftige Schuldspruch und die ihm zugrunde liegenden Feststellungen zwar im Regelfall Grundlage des weiteren Verfahrens und wesentlicher Teil des ab-schließenden Urteils ([X.], Urteil vom 14.
Januar 1982

4
StR
642/81, [X.]St 30, 340, 342). Dies folgt
aus dem Gebot der inneren Einheit und der damit [X.] verbundenen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, das unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld-
und Rechtsfolgen-frage gleichzeitig entscheidet oder nicht. Durch die Verwerfung des Einspruchs wird dieser Grundsatz aber nicht berührt, denn durch sie wird der einheitliche Inhalt des Bußgeldbescheids wiederhergestellt. Durch die Verwerfung des [X.] nach §
74 Abs.
2 OWiG wird der Bußgeldbescheid insgesamt rechts-kräftig (§
84 Abs.
1 OWiG).
16
17
-
12
-
Der Grundsatz der reformatio in peius gebietet es nicht, einen dem Be-troffenen günstigeren, in Folge der nur teilweisen [X.] rechtskräfti-gen Schuldspruch aufrecht zu erhalten. Dieser Grundsatz gilt im [X.] ohnehin nur eingeschränkt. §
72 Abs.
3 Satz
2 OWiG verbietet dem Gericht nur die Festsetzung einer nachteiligeren Rechtsfolge als im [X.] festgesetzt, wenn es durch [X.]uss entscheidet. Im [X.] gilt der Grundsatz des §
358 Abs.
2 [X.], der den [X.] vor einer Verschlechterung des Rechtsfolgenausspruchs, nicht aber des Schuldspruchs schützt (vgl. [X.],
aaO, §
79 Rn.
37; [X.], [X.], 6.
Aufl., §
358 Rn.
18). So kann das Revisions-
oder das [X.] auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Schuldspruch verbösern, ohne gegen das Verbot der reformatio in peius zu verstoßen.
Vor einer möglichen Verschlechterung des Schuldspruchs ist der Be-troffene durch den Eintritt von [X.] nicht in jedem Fall geschützt. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann es sich ergeben, dass zwischen den [X.] zur Schuld-
und Straffrage eine so enge Verbindung besteht, dass eine getrennte Überprüfung des angefochtenen Teils nicht möglich ist, ohne dass der nicht angefochtene Teil mitberührt wird ([X.], [X.]uss vom 21.
Oktober 1980

1 [X.], [X.]St 29, 359, 364; Urteil vom 22.
April 1993

4
StR
153/93, [X.]St 39, 208, 209; [X.],
aaO, §
318 Rn.
7a mwN). Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch kann zudem dann unwirksam sein, wenn die Feststellungen zur Tat so mangelhaft sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über die [X.] sein können ([X.], Urteil vom 5.
November 1984

AnwSt
(R)
11/84, [X.]St 33, 59). Die [X.] des Schuldspruchs führt somit nicht in jedem Fall zu dessen Unabänderlichkeit. Der horizontalen [X.] kommt nicht 18
19
-
13
-
die volle Wirkung der Rechtskraft zu ([X.], [X.], 25.
Aufl., §
318 Rn.
30, Rn.
126 Fn.
377).
Dem teilrechtskräftigen Schuldspruch kommt im Bußgeldverfahren auch sonst keine unabänderliche Bestandsgarantie zu. So kann das Gericht in jeder Lage das Verfahren nach §
47 Abs.
2 OWiG einstellen und somit die Teilrechts-kraft durchbrechen.
Es werden nach alledem keine unabänderlichen Verfahrensgrundsätze durchbrochen, wenn bei verschuldetem Ausbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung durch Einspruchsverwerfung ein teilrechtskräftiger, gegen-über dem Bußgeldbescheid günstigerer
oder ungünstigerer Schuldspruch ent-fällt.
c)
Der Senat entnimmt der vom Gesetzgeber geschaffenen Regelung der ausnahmslosen Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Nicht-erscheinen des nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen ent-bundenen Betroffenen in der Hauptverhandlung, dass ihm dann auch die [X.] hinsichtlich des [X.]s nicht zukommt. Das Verschlechterungsverbot ist kein übergeordneter allgemeiner Verfahrensgrundsatz, sondern gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgrund der gesetzlichen Regelung in §
79 Abs.
3 Satz
1 OWiG, §
358 Abs.
2 [X.]. Der Gesetzgeber konnte durch die Anordnung der Verwerfung des
20
21
22
-
14
-
Einspruchs diese Regelung konkludent auf die Fälle beschränken, in denen das Gericht nach einer [X.] durch das Rechtsbeschwerdegericht eine neue Sachentscheidung trifft.
Mutzbauer
Roggenbuck
Schmitt

Bender
Quentin

Meta

4 StR 603/11

18.07.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2012, Az. 4 StR 603/11 (REWIS RS 2012, 4529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4529

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 603/11 (Bundesgerichtshof)

Gerichtliches Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit nach Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht: Verwerfung des Einspruchs eines unentschuldigt ausgebliebenen …


4 Ss OWi 742/06 (Oberlandesgericht Hamm)


IV-2 Ss (OWi) 12/06 - (OWi) 15/06 II (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Ss 453/99 (B) - 202 B - (Oberlandesgericht Köln)


KRB 11/21 (Bundesgerichtshof)

Gerichtliches Bußgeldverfahren wegen Kartellordnungswidrigkeit: Rechtsfolgen des unentschuldigten Ausbleibens von Nebenbetroffenen - Unentschuldigtes Ausbleiben von Nebenbetroffenen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 603/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.