Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2012, Az. 6 B 19/12

6. Senat | REWIS RS 2012, 3997

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Gegenstand

Überdenken der Bewertung von Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens; Rechtsschutz gegen das Ergebnis des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens


Leitsatz

Der Prüfling hat bei berufsbezogenen Prüfungen keinen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen das Ergebnis eines durchgeführten verwaltungsinternen Kontrollverfahrens zur Überdenkung der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer.

Gründe

1

1. Die allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Beschluss vom 20. Februar 2012 - BVerwG 6 [X.] - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

3

a) Der Kläger macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage geltend, ob "Fehler in einem Nachprüfungsverfahren nach § 14 (Bay) [X.] gerichtlich geltend gemacht werden können" (S. 3 Beschwerdebegründung). Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund der im [X.] aufgrund von § 14 Bay [X.] geltenden Besonderheit, wonach der - bei berufsbezogenen Prüfungen in Art. 12 Abs. 1 [X.] verankerte - Anspruch des Prüflings auf Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen [X.] (Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <266> = [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 S. 229 und vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 <136> = [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 313 S. 261, seitdem stRspr des Senats; zuvor [X.], Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 213/83 - [X.]E 84, 34 <45 ff.>) dort nicht eingebettet in ein Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO, sondern im Rahmen eines isolierten, eigenständig ausgestalteten Verfahrens erfüllt wird. Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass der Kläger seine in einem solchen Verfahren geltend gemachten Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen in der [X.] deshalb nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen könne, weil - was hier unstreitig ist - der [X.] mangels einer gegen ihn erhobenen Klage bestandskräftig geworden ist ([X.]). Demgegenüber steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass gegen in diesem Verfahren nicht behobene oder dort erstmals aufgetretene [X.] im Rahmen einer anschließenden Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichtlich vorgegangen werden könne (S. 3 Beschwerdebegründung). Aus seiner Klagebegründung vom 30. März 2011 geht hervor, dass er der Auffassung ist, der Erstgutachter seiner Klausur Nr. 6 sei auf seine in diesem Verfahren vorgetragenen Einwände nicht oder nur mit unzutreffenden Argumenten eingegangen.

4

b) Die von dem Kläger aufgezeigte Frage ist im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht klärungsbedürftig, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung offenkundig zu verneinen ist (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13).

5

aa) Der bei berufsbezogenen Prüfungen bestehende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen [X.] besteht zusätzlich zu seinem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 [X.]. Da die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Entscheidungsspielraum verbleibt, nur eingeschränkt erfolgen kann, erfüllt das verwaltungsinterne Kontrollverfahren eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 a.a.[X.] bzw. S. 261 f. und vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34).

6

Die Ausgestaltung des verwaltungsinternen [X.] obliegt dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber (Urteile vom 24. Februar 1993 a.a.[X.] f. bzw. S. 265 f. und vom 30. Juni 1994 a.a.[X.]). Aus Art. 12 Abs. 1 [X.] folgt für ihn nicht die zwingende Vorgabe, es dem gerichtlichen Verfahren vorzuschalten. Bei Erhebung [X.] Einwendungen gegen Prüfungsbewertungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens ist dieses regelmäßig auf Antrag des Prüflings gemäß § 94 VwGO auszusetzen, sofern eine verwaltungsinterne Kontrolle zu ihnen noch nicht stattgefunden hat (vgl. Urteil vom 30. Juni 1994 a.a.[X.] f.). Die in dem [X.] Prüfungsrecht angelegte zeitlich parallele Anordnung von verwaltungsinternem Kontrollverfahren und gerichtlichem Verfahren (vgl. § 14 Abs. 5 Bay [X.]) stößt daher nicht auf bundesrechtliche Hindernisse.

7

bb) Bei einer rechtlichen Gestaltung wie derjenigen des [X.] Prüfungsrechts tritt, sofern der Prüfling sich auf die Einleitung des verwaltungsinternen [X.] beschränkt und die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO für ein gerichtliches Verfahren ungenutzt verstreichen lässt, anders als bei einer von vorneherein konsekutiven Anordnung beider Verfahren durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Möglichkeit auf, dass im verwaltungsinternen Kontrollverfahren nicht behobene oder erstmalig begangene [X.] nicht im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung des [X.]s ausgeglichen werden können. Dies gebietet indes nicht, gerichtlichen Rechtsschutz gegen das Ergebnis des verwaltungsinternen [X.] zu eröffnen.

8

(a) Das grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 [X.] geforderte Überdenken der Prüfungsbewertungen im Rahmen eines verwaltungsinternen [X.] bildet der Sache nach eine Verfahrensgewährleistung. Das [X.] hat es dementsprechend aus der verfahrensrechtlichen Dimension des Grundrechtsschutzes abgeleitet ([X.], Beschluss vom 17. April 1991 a.a.[X.]). Ebenso wie der grundrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 [X.] gewährleistete Anspruch des Prüflings auf gerichtliche Kontrolle der Prüfungsbewertung dient es der effektiven Durchsetzung seines materiell-rechtlichen, auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützten Anspruchs auf eine rechtmäßige Prüfungsbewertung. Als verfahrensrechtliches Instrument der Fehlerkontrolle kommt ihm eine unterstützende Funktion im Rahmen des grundrechtlichen Schutzsystems zu. Die vom Kläger vertretene Ansicht, wonach diese Fehlerkontrolle ihrerseits einer gerichtlichen Überprüfung auf ihre (eigene) Fehlerfreiheit zugänglich sein müsste, verkennt diese Funktion und überhöht das "Überdenken" zu einem verselbständigten Rechtsschutzziel, das es seiner grundrechtsdogmatischen Konzeption nach gerade nicht darstellt (vgl. bereits Beschluss vom 10. Juli 1998 - BVerwG 6 [X.] - juris Rn. 8). Ist - wie hier - auf Antrag des Prüflings ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren abschließend durchgeführt worden, ist die zu seinen Gunsten bestehende Verfahrensgewährleistung erfüllt, selbst wenn den Prüfern bei Überdenken ihrer Prüfungsbewertung [X.] unterlaufen sein sollten (vgl. Urteile vom 30. Juni 1994 a.a.[X.] S. 37 und vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 23). Eine Ergebnisrichtigkeit des [X.] garantiert die Rechtsordnung dem Prüfling so wenig wie in Bezug auf gerichtliche Kontrollverfahren.

9

(b) Der Prüfling hat es in der Hand, um gerichtlichen Rechtsschutz gegen die fehlerhafte Bewertung seiner Prüfungsleistung nachzusuchen, indem er gegen den [X.] Rechtsmittel ergreift. Versäumt er, dies innerhalb der gesetzlichen Klagefrist zu tun, so wird der [X.] bestandskräftig. Die Bestandskraft des [X.]s würde offenkundig unterlaufen werden, wenn der Prüfling - im Gewande eines Anspruchs auf erneute Bescheidung des Antrags auf Nachprüfung gemäß § 14 Bay [X.] - nunmehr ein Begehren auf gerichtliche Kontrolle geltend machen könnte. Der grundrechtlich verankerte Anspruch des Prüflings auf Durchführung eines verwaltungsinternen [X.] böte hierfür nach dem Vorgesagten keine Rechtfertigung. Die durch ihn abgedeckten Schutzinteressen des Prüflings werden hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Dies folgt in Bezug auf solche [X.], die sich auf den Bereich [X.] Wertungen beziehen, schon daraus, dass insoweit die kompensatorische, die prüfungsrechtstypische Lückenhaftigkeit der gerichtlichen Kontrolle ausgleichende Funktion des verwaltungsinternen [X.] überhaupt nicht zum Tragen käme; das verwaltungsinterne Kontrollverfahren bietet hinsichtlich dieser Fehlerkategorie keine Überprüfungsmöglichkeiten, die über die - vom Prüfling ungenutzten - gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten hinausgingen. Dort, wo Letzteres allein der Fall wäre - also im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen -, würde die gerichtliche Kontrolle indes selbst dann, wenn sie dem verwaltungsinternen Kontrollverfahren nachgeschaltet wäre, ins Leere zielen, da die einschlägigen gerichtlichen Kontrollgrenzen auch hier Geltung beanspruchen müssten.

(c) Art. 19 Abs. 4 [X.] gewährleistet dem Prüfling gerichtlichen Rechtsschutz allerdings dann, wenn die Prüfungsbehörde sich weigert, überhaupt ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren durchzuführen (vgl. Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.[X.]). Andernfalls liefe die aus Art. 12 Abs. 1 [X.] fließende Verfahrensgewährleistung leer. Die Frage, inwieweit gerichtlicher Rechtsschutz darüber hinaus auch gegen die Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen [X.] (hierzu Urteil vom 24. Februar 1993 a.a.[X.] f. bzw. [X.]) eröffnet sein muss, bedarf hier keiner Klärung.

Meta

6 B 19/12

09.08.2012

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 8. Februar 2012, Az: 7 BV 11.2480, Beschluss

Art 12 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 14 JAPO BY 2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2012, Az. 6 B 19/12 (REWIS RS 2012, 3997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3997

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W 6 K 17.1026

Au 3 K 15.1425

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