Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. VII ZR 269/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2075

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 269/12

vom

10. Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

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Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
10. Oktober 2013 durch [X.]
Eick, die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Der
Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion wird stattgegeben.
Der Beschluss des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
August 2012 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufge-hoben.
Die
Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens
ein-schließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, an einen anderen Senat des
Berufungsgerichts
zurückverwiesen.
Streitwert: 250.000

Gründe:
I.
Die Klägerin macht als Zessionarin gegen die Beklagte einen vertragli-chen Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz geltend, den die R.
[X.]
[X.] GmbH & Co. KG, die Streithelferin der Klägerin, erfüllungshalber an die Kläge-rin abgetreten hat.
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Mit notariell beurkundetem
Vertrag vom 18.
September 2008 verkaufte die Streithelferin an die Beklagte
Grundbesitz, der an Grundbesitz
der Klägerin angrenzt. Dieser Vertrag
enthält in Nr.
XX eine gegenseitige
Bauverpflichtung, wobei sich die Beklagte verpflichtete, den Vertragsgegenstand im Wesentlichen auf der Basis des Bebauungsplans zu bebauen. Nr. XX Absätze 3 und 4 des Vertrags lauten
wie folgt:
"Die Bezugsfertigkeit muss jeweils bis spätestens 31.12.2010 ge-geben sein.
Wird der vorgenannte Termin durch einen der Bauverpflichteten aus Gründen nicht eingehalten, die dieser zu vertreten hat, ist der jeweils Bauverpflichtete verpflichtet, dem anderen Teil einen pau-schalierten Schadensersatz in Höhe von 250.000,00
EUR (i.[X.] zweihundertfünfzigtausend Euro) bis spätestens 31.01.2011 zu zahlen. Mit dieser Schadensersatzzahlung sind sämtliche gegen-seitigen Ansprüche aus der Nicht-
oder Späterfüllung der Bauver-pflichtung abgegolten."
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte die ihr obliegende Bauverpflichtung wegen mangelnder Bezugsfertigkeit zum
31. [X.] nicht eingehalten hat.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 250.000

ge nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das [X.] zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihren Zahlungsanspruch in Höhe von 250.000

nebst Zinsen weiterverfolgt.

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II.
1. Das Berufungsgericht führt, soweit für die Beschwerde von Bedeu-tung, im Wesentlichen aus, die Beklagte habe die Bezugsfertigkeit rechtzeitig hergestellt, so dass sie keinen Schadensersatz schulde. Das [X.] habe die protokollierten Zeugenaussagen unbeschadet des nach der Beweisaufnah-me eingetretenen Richterwechsels verwerten dürfen. Es sei fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der [X.] der Beweis für die
von ihr geltend ge-machte
Auslegung des Begriffs "Bezugsfertigkeit"
unter Berücksichtigung des am 17. Juni 2009 Besprochenen gelungen sei. Die Zeugen K.
und B. hätten eindeutig bestätigt, dass für Bezugsfertigkeit die Bezugsfertigkeit einer einzigen Wohnung genügen sollte. Der Zeuge [X.]
sei bei der Besprechung vom 17. Juni 2009 zwar anwesend gewesen, habe aber lediglich angeben können, dass [X.] Notwendigkeit für eine schriftliche Definition gesehen worden sei. [X.] sei die Aktennotiz des Zeugen B.
vom 10.
September 2009. Als [X.] der Beweisaufnahme habe herausgearbeitet werden können, dass die Beteiligten in
der Besprechung vom 17. Juni 2009 zwar nichts schriftlich niedergelegt hätten, dass aber Einigkeit über das Verständnis des Begriffs "Bezugsfertigkeit"
im Sinne der Makler-
und Bauträgerverordnung bestanden habe und dass die Be-zugsfertigkeit bereits einer Wohnung ausreichen sollte. Soweit der Zeuge [X.] bekundet habe "Es wurde nicht besprochen, ob unter Bezugsfertigkeit die [X.] einzelner oder aller Wohneinheiten zu verstehen war", beziehe sich diese Aussage auf
das Telefonat mit dem Geschäftsführer der [X.] vom 22.
Juni 2009, nicht auf die Besprechung vom 17.
Juni 2009.
Zwei Wohnungen, die noch im [X.] bezogen worden seien, müss-ten bezugsfertig gewesen sein, da sonst die Käufer nicht deren Bezugsfertigkeit bestätigt hätten. Darauf, ob die Außenanlagen "bezugsfertig"
gewesen seien, komme es nicht an. Maßgeblich sei mit Blick auf die Gemeinschaftsanlagen, ob 5
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der Bezug eines Hauses dem Erwerber habe zugemutet werden können und ob ein sicherer Zugang zum Haus bestehe. Letzteres sei nach den Feststellungen des
Privatsachverständigen H.
der Fall gewesen.
2.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverwei-sung der Sache
an das
Berufungsgericht, §
544 Abs.
7 ZPO. Der Beschluss des Berufungsgerichts gemäß §
522 Abs.
2 ZPO verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, Art.
103 Abs.
1 G[X.]
a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten [X.] gebunden. Bestehen allerdings Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungser-heblichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, ist in aller Regel eine [X.] Beweisaufnahme geboten (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
Juni
2013

XI
ZR
210/12, juris Rn. 9 m.w.N.). Das gilt insbesondere für die erneute [X.], die grundsätzlich gemäß §
398 Abs.
1 ZPO im Ermes-sen des Berufungsgerichts steht (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
März
2012

XII
ZR
18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn. 6). Vor allem
muss das [X.] einen im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen dann erneut hören, wenn das erstinstanzliche Gericht die Aussage nur zum Teil oder gar nicht ge-würdigt hat, diese aber nach ihrem protokollierten Inhalt mehrdeutig ist (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Januar
1992 -
II ZR 63/91,
juris Rn. 6 m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art.
103 Abs.
1 GG hier verletzt, weil das Berufungsgericht den von der Klägerin [X.]
bezüglich des am 17.
Juni 2009 zur Bezugsfertigkeit Besprochenen

benannten Zeugen [X.] nicht erneut vernommen hat. Das [X.] hat die Aussage dieses Zeugen

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ebenso wie
die Aussagen der Zeugen [X.] und [X.]

lediglich pauschal [X.] gewürdigt, er habe zur Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere zur Frage, was zur Bezugsfertigkeit vereinbart worden sei, keine Angaben machen können, und ist auf den protokollierten Inhalt der Aussage nicht im Einzelnen eingegangen.
Die Aussage des
Zeugen [X.]
ist nach ihrem protokollierten Inhalt mehrdeutig. Dies gilt insbesondere für die Äußerung
"Es wurde nicht bespro-chen, ob unter Bezugsfertigkeit die Fertigstellung einzelner oder aller [X.] zu verstehen war". Es ist unklar, ob sich diese
Äußerung, wie das [X.] gemeint hat, lediglich auf das Telefonat mit dem Geschäftsführer der [X.] vom 22.
Juni
2009 oder (auch) auf die Besprechung vom 17.
Juni
2009 bezieht. Es ist unschädlich, dass die Beschwerde nicht ausdrück-lich die Verletzung der §
398 Abs.
1, §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO rügt; es genügt, dass sie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts unter dem Gesichtspunkt der Mehrdeutigkeit des protokollierten Inhalts beanstandet und hierin eine [X.] des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1
GG sieht (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar 2010

XI
ZR
140/09, [X.], 515, 516).
c) Der angefochtene Beschluss beruht auf der Verletzung des Rechts der Klägerin auf rechtliches Gehör. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei erneuter Vernehmung des Zeugen [X.] eine für die Klägerin günstigere Vertragsauslegung in dem Sinne, dass sich der Begriff der "Bezugsfertigkeit"
gemäß dem zwischen den Vertragsparteien Vereinbarten auf sämtliche von der [X.] zu erstellenden Wohneinheiten bezieht,
zu-grunde gelegt und auf dieser Grundlage eine für die
Klägerin
günstigere Ent-scheidung getroffen hätte, zumal das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Verständnis vom Begriff der "Bezugsfertigkeit"
nach allgemeinem Sprachver-ständnis fernliegend ist.

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d) Der Senat macht von der auch im Verfahren nach § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 1.
Februar
2007

V
ZR
200/06, NJW-RR 2007, 1221 Rn. 12) des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO
Ge-brauch, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zu-rückzuverweisen.
3.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das Berufungsgericht wird außer dem von der Klägerin benannten Zeugen [X.] unter Umständen auch die übrigen erstinstanzlich gehörten Zeugen erneut zu vernehmen haben, § 398 ZPO. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermö-gen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen,
noch die Vollständigkeit oder Wider-spruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2013

[X.]/12,
BauR 2013, 1726
Rn. 12
m.w.N.).
Danach ist es dem [X.] verwehrt, ohne erneute Vernehmung der Zeugen K. und B. von der Glaubwürdigkeit bzw. Glaubhaftigkeit ihrer
vor dem [X.] gemachten Aussagen auszugehen und aufgrund einer solchen Würdigung dieser
Aussagen eine Vereinbarung
der Vertragsparteien dahingehend anzunehmen, dass für Bezugsfertigkeit im Sinne von Nr. XX des Vertrags
vom 18. September 2008 die Bezugsfertigkeit einer einzigen Wohnung genügen sollte.
b) Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, der erstinstanzlich [X.] habe eindeutig bestätigt, dass für Bezugsfertigkeit die Bezugsfer-tigkeit einer einzigen Wohnung genügen sollte, hat diese Würdigung im
proto-kollierten Inhalt seiner
Aussage
keine hinreichende Grundlage. Auf Vorhalt der Aktennotiz vom 10. September 2009 hat der Zeuge B. lediglich erklärt: "Nach-dem klar war, dass keine notarielle Vereinbarung geschlossen werden würde, 11
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habe ich mein Empfinden von der Besprechung in einer Aktennotiz niederge-schrieben. So habe ich das Ergebnis der Besprechung verstanden".
c) Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Beweisaufnahme wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die Vertragsparteien in der Besprechung vom 17.
Juni 2009 den Begriff der Bezugsfertigkeit im Sinne von Nr. XX des [X.] vom 18. September 2008 übereinstimmend im Sinne der Bezugsfertigkeit lediglich einer einzigen Wohnung bei sicherer Zugänglichkeit hierzu definiert haben, wird es gegebenenfalls Feststellungen dazu zu treffen haben, ob inso-weit eine grundsätzlich dem Formzwang des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB unter-liegende Abänderung
des Vertrags vom 18. September 2008 vereinbart wurde und ob eine Heilung eines etwaigen Formmangels erfolgt ist.
d) Nachdem das Berufungsgericht geklärt hat, wie der Begriff der Be-zugsfertigkeit gemäß dem zwischen den Vertragsparteien Vereinbarten zu [X.] ist, wird es unter Umständen Feststellungen zum tatsächlichen Stand des Bauvorhabens zum 31. Dezember 2010, soweit dieser
für die [X.] in dem genannten Sinne relevant ist, zu treffen haben. Dabei wird es [X.] auch die von der Klägerin angebotene Zeugin [X.] ([X.] in der Klageschrift vom 5. April 2011, Seite 5) und

soweit keine Sachbehandlung nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfolgt

den erstmals in der Berufungsbegrün-dung dazu angebotenen [X.] zu vernehmen haben.

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e) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht im Übrigen Gele-genheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren [X.] der Klägerin in der Nicht-zulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen.
Eick
[X.]
Kosziol

Kartzke

Jurgeleit

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.02.2012 -
13 [X.] 7120/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.08.2012 -
13 U 1092/12 Bau -

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Meta

VII ZR 269/12

10.10.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. VII ZR 269/12 (REWIS RS 2013, 2075)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2075

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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