Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2018, Az. I ZR 74/17

I. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6111

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:120718UIZR74.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
I [X.]/17
Verkündet am:
12. Juli 2018
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

combit/Commit
VO ([X.]) Nr. 207/2009 Art. 9
Abs. 1 Buchst. b; VO ([X.]) 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 Buchst. b
a)
Bei der Feststellung der klanglichen Ähnlichkeit spricht der Umstand, dass bei der Ausspra-che einer mehrsilbigen [X.], nicht aber der angegriffenen Bezeichnung zwischen einzelnen Silben eine Lippenumformung zu erfolgen hat (hier: Übergang von "com-" zu "-bit"), wegen der Möglichkeit der undeutlichen Aussprache für die Ähnlichkeit der Zeichen.
b)
Bestand die als Markenverletzung angegriffene Handlung im Angebot von Produkten über eine (auch) [X.] Internetseite, so ändert eine nachträgliche Umstellung des Vertriebs auf eine fremdsprachliche Internetpräsenz nichts daran, dass sich die [X.] jedenfalls auch an den [X.]n Verkehr richtete.
c)
Die Annahme, dass begriffliche Unterschiede zwischen zwei Zeichen ihre vorhandenen klanglichen Ähnlichkeiten neutralisieren können, erfordert die Feststellung, dass zumindest einem der betroffenen Zeichen gerade bei der im Streitfall in Rede stehenden Verwendung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus der Sicht der angesprochenen [X.] ein eindeutiger und bestimmter, ohne weiteres erfassbarer Sinngehalt zukommt.
[X.], Urteil vom 12. Juli 2018 -
I [X.]/17 -
[X.]

[X.]

-
2
-

Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 12.
Juli 2018
durch die Richter Prof.
Dr.
Koch, Prof.
Dr.
Schaffert, Prof.
Dr.
[X.], [X.] und die Richterin Dr.
Schmaltz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 6. April 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten der Revision -
an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist ein in [X.] ansässiges Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Hard-
und Software in der Computerbranche sowie Serviceleistungen und Schulungen hierfür befasst. Sie vertreibt die Software "combit Relationship
Manager", "combit [X.] Software"
und "combit Adress Manager"
für Unternehmen jeglicher Branche.
Die Klägerin ist -
soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung -
In-haberin folgender Marken:
[X.] Nr. 001729367 "combit"
mit Priorität vom 28. Juni 2000, ein-getragen in den Klassen 35, 37, 38 und 42 für die Entwicklung, Erstellung, Ein-richtung, Pflege und Vermietung von [X.], Installa-tions-
und Installierungsarbeiten von Software und von Hardware sowie Bera-tung auf dem Gebiet der Computer-Hardware und -Software ([X.] 3).
1
2
-
3
-
Unionswortbildmarke Nr. 000233429 mit Priorität vom 1. April 1996, eingetra-gen in Klasse 9 für Computerprogramme
([X.] 4)
.
Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in [X.], das über seine
Homepage "www.c.

.com"
weltweit Computerprogramme anbietet. Die-
se Homepage verfügt über einen "e-Store", der im Zeitpunkt der beanstandeten Verletzungshandlung in [X.] abrufbar war und über den Produk-te zur Lieferung nach [X.] bestellt werden konnten. Die Beklagte ver-treibt eine Professional-Service-Automation-Software mit der Bezeichnung "[X.]"
an IT-Dienstleistungsunternehmen.
[X.] ist die Abkürzung für "Customer Relationship Management".
Die
Klägerin
hält die Bezeichnung "Commit"
für Software für markenver-letzend, wobei sie ihre Ansprüche in erster Linie auf die [X.] 3 und hilfsweise auf die [X.] 4 stützt.
Sie hat die Beklagte im August 2010 erfolglos abgemahnt. Nach Erhalt der Abmahnung programmierte die Beklagte ihre Homepage so, dass von [X.] aus die Seite nicht aufgerufen und auch keine Produkte bestellt werden konnten.
Die Klägerin hat -
soweit für die Revision von Bedeutung -
mit dem [X.] beantragt,
die Beklagte unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
in der [X.] im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin die Bezeichnung "Commit"
für Software zu verwenden und/oder unter der Bezeichnung die vorstehend genannten Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder das Zeichen in der Werbung zu benutzen;
hilfsweise:
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik [X.] ohne Zustimmung der Klägerin die Bezeichnung "Commit"
für Software zu verwen-den und/oder unter der Bezeichnung die vorstehend genannten Waren anzubie-ten, in den Verkehr zu bringen und/oder das Zeichen in der Werbung zu benut-zen.
3
4
5
-
4
-
Mit dem [X.] hat die Klägerin die Feststellung der Schadenser-satzpflicht der Beklagten begehrt. Das [X.] hat diesen
beiden Klagean-trägen für das Gebiet der Bundesrepublik [X.] stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihre [X.] und [X.] weiterverfolgt hat, soweit diese auf das Gebiet der [X.] bezogen sind.
Das Berufungsgericht hat zunächst dem Gerichtshof der [X.] gemäß
Art. 267 A[X.]V folgende Fragen vorgelegt ([X.], [X.], 336):
Welche Folgen hat es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr einer Ge-meinschaftswortmarke, wenn aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eines Teils der Mitgliedstaaten die klangliche Ähnlichkeit der Gemeinschaftsmarke mit einer als markenverletzend gerügten Bezeichnung durch einen [X.] neutralisiert wird, aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ande-rer Mitgliedstaaten jedoch nicht:
a)
Ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die Sicht des einen Teils oder die Sicht des anderen Teils oder die Sicht eines fiktiven Durch-schnittsverbrauchers
aller Mitgliedstaaten maßgeblich?
b)
Ist die Verletzung der Gemeinschaftsmarke für das gesamte Gebiet der [X.] zu bejahen oder zu verneinen, wenn in nur einem Teil eine Verwechslungsgefahr besteht, oder ist dann zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu differenzieren?
Der
Gerichtshof
hat wie folgt entschieden
([X.], Urteil vom 22. Sep-tember 2016 -
C-223/15, [X.], 1166
= [X.], 1492
-
combit/Commit):
Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und Art. 102 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr.
207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke sind da-hin auszulegen, dass ein Unionsmarkengericht, wenn es feststellt, dass die Be-nutzung eines Zeichens in einem Teil des Gebiets der [X.] zur Gefahr von Verwechslungen mit einer Unionsmarke führt, während in einem anderen Teil dieses Gebiets keine solche Gefahr besteht, zu dem Schluss kommen muss, dass eine Verletzung des durch die Marke verliehenen aus-schließlichen Rechts vorliegt, und die Benutzung des Zeichens für das gesamte
Gebiet der [X.] mit Ausnahme des Teils, für den eine Ver-wechslungsgefahr verneint wurde, untersagen muss.
6
7
8
-
5
-
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin nachfolgend zurück-gewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt,
verfolgt die Klägerin ihre auf das Gebiet der [X.] bezogenen
Klageanträge I 1 und [X.] weiter.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Un-terlassungs-
und Annexansprüche als nur für das Gebiet der Bundesrepublik [X.] begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
Die Verwendung des Begriffs "Commit"
im [X.] Ausland [X.] die [X.] 3 und 4 nicht, selbst wenn diese von der [X.] benutzt worden sein sollten. Ob diesen Marken eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme, könne offenbleiben. Selbst bei hochgradiger [X.] bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Ähnlichkeit in schriftlicher und klanglicher Hinsicht werde durch einen abweichenden Sinn-gehalt des angegriffenen Zeichens neutralisiert.
[X.]. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision
der Klägerin
hat Er-folg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin mit dem Klageantrag I 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung ([X.]) Nr.
207/2009 über die [X.] ([X.]) und Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung ([X.]) 2017/1001 über die Unionsmarke ([X.]) nicht verneint werden. Infolgedessen hat auch die Abweisung des Klageantrags [X.] keinen Bestand, mit dem die Klä-gerin die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz des unionsweit ent-standenen Schadens begehrt.
9
10
11
12
-
6
-
1. Da die Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstande-te Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz [X.] ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 16. November
2017 -
I [X.], [X.], 541 Rn. 12 = [X.], 429 -
Knochenzement [X.], [X.]). An die Stelle des im Zeitpunkt der beanstandeten Handlungen geltenden Art. 9 Abs. 1 Buchst. b [X.] ist mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b [X.] getreten. Für den Streitfall erhebliche Rechtsänderungen sind hiermit nicht verbunden.
Nach beiden Vorschriften hat der Inhaber einer Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im ge-schäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die
Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publi-kum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird
(vgl. auch [X.], Urteil vom 9. November 2017 -
I [X.], [X.], 516 Rn. 13 bis 18
= [X.], [X.] [X.]).
2. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die
Klägerin die [X.] rechtserhaltend benutzt hat und ob die angegriffene Verwendung durch die
Beklagte markenmäßig erfolgt.
Beides ist mithin für die Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin zu unterstellen.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung der Ver-wechslungsgefahr durch das Berufungsgericht.
a)
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob den [X.] eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt. Selbst bei hochgradiger Wa-renähnlichkeit bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die [X.] und das angegriffene Zeichen bestünden jeweils aus zwei Silben, von denen die erste 13
14
15
16
-
7
-
identisch sei. Der Unterschied bei den Buchstaben "b"
und "m"
zu Beginn der zweiten Silbe befinde sich zwar an wenig exponierter Position in der Wortmitte, falle aber durch den Unterschied in der [X.] in schriftbildlicher Hinsicht ins Auge. Auch klanglich bestehe eine -
nicht hohe -
Ähnlichkeit, weil die [X.] infolge der bei den [X.] zwischen erster und zweiter Silbe er-forderlichen erheblichen Lippenumformung eine andere sei. Die Ähnlichkeit in schriftlicher und klanglicher Hinsicht werde allerdings durch einen abweichen-den Sinngehalt des angegriffenen Zeichens neutralisiert. "To commit"
gehöre zum [X.] Grundwortschatz und bedeute "begehen", "sich binden", "sich verpflichten", "jemanden einweisen". "Commitment", als dessen Abkürzung "commit"
ebenfalls verstanden werden könne, bedeute "Hingabe", "Verpflich-tung", "Engagement", "Zusage". Die Beklagte spreche einen Kundenkreis an, der über Kenntnisse der [X.] Sprache verfüge oder verfügen müsse. Die
Beklagte vertreibe ihre Produkte
nur noch über ihre Internetseite "www.c.

.com", die -
ebenso wie die Programme selbst -
in den Spra-
chen [X.] und [X.] verfasst sei. Dem auf Einholung eines Sachver-ständigengutachtens gerichteten Beweisangebot der Klägerin, demzufolge nicht jeder Betreiber eines Computer-Hard-
und Softwaregeschäfts in ganz [X.] als [X.]kundiger mit Kenntnissen des Begriffs "commit"
zu qualifizieren sei, sei nicht nachzugehen. Vielmehr sei zugrunde zu legen, dass der angespro-chene Verkehrskreis Personen seien, die über die notwendigen Kenntnisse in [X.] verfügten, um sich auf englischsprachigen Internetseiten insbesondere auch der Beklagten zu informieren. Es könne deshalb aufgrund der während des Verfahrens fortschreitenden Erkenntnisse entgegen zwi-schenzeitlicher Erwartung
auch dahin stehen, in welchem Land der [X.] allgemein [X.]kenntnisse vorhanden seien.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b)
Die Frage, ob eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr vorliegt,
ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei [X.] eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, 17
-
8
-
insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistun-gen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Die Prüfung der Verwechslungsgefahr als Rechtsfrage erfordert eine Beurteilung des Gesamt-eindrucks der Zeichen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, die im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegt. Diese Beurteilung kann daher im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zu-treffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergeb-nis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 516 Rn. 23 -
form strip [X.], [X.]).
c) Die Prüfung der Verwechslungsgefahr durch das Berufungsgericht ist nicht frei von solchen [X.].
aa) Für die Beurteilung in der Revisionsinstanz ist mangels entgegenste-hender Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die [X.] durchschnittlich kennzeichnungskräftig sind und eine hochgradige [X.] besteht.
[X.]) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit hat das Berufungsgericht von ihm in Bezug genommene tatsächliche Feststellungen im
landgerichtlichen Urteil außer [X.] gelassen und einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zu-grunde gelegt.
(1) Gegen die
Annahme des Berufungsgerichts, zwischen der [X.] 3 und dem Wortbestandteil der [X.] 4 einerseits und der [X.] Verwendungsform andererseits bestehe eine -
wenn auch nicht hohe -
Ähnlichkeit in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht, ist im Ergebnis revisions-18
19
20
21
-
9
-
rechtlich nichts zu erinnern.
Allerdings spricht bei der Feststellung der [X.] Ähnlichkeit der Umstand, dass bei der Aussprache der mehrsilbigen [X.], nicht aber der angegriffenen Bezeichnung zwischen einzelnen Silben eine Lippenumformung zu erfolgen hat (hier: beim Übergang von "com-"
zu "bit"), wegen der Möglichkeit der undeutlichen Aussprache nicht -
wie vom [X.] angenommen -
gegen, sondern für die Ähnlichkeit der Zeichen.
(2) Die Annahme
des Berufungsgerichts, die bildliche und klangliche [X.] werde durch den abweichenden Sinngehalt des [X.] Worts "commit"
neutralisiert, ist nicht frei von [X.].
Bei der umfassenden Beurteilung der Ähnlichkeit der Zeichen in Bedeu-tung, Bild und Klang ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] allerdings zu berücksichtigen, dass die begrifflichen und visuellen Unterschiede zwischen zwei Zeichen ihre vorhandenen klanglichen Ähnlichkei-ten neutralisieren können, wenn zumindest eines der Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie ohne Weiteres erfassen können (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Juni 1999

[X.]/97, [X.]. 1999, [X.] = [X.]. 1999, 734 Rn. 25 bis 28 -
Lloyd; Ur-teil vom 12.
Januar 2006 -
C-361/04, [X.]. 2006, [X.] = [X.], 237 Rn.
19
f. -
Ruiz-Picasso u.a./[X.] [[X.]/PICARO]; Urteil vom 18.
De-zember 2008

[X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 356 Rn.
98

[X.][X.] [[X.]/[X.]]; [X.], Urteil vom 20.
Januar 2011

I
ZR
31/09, [X.], 824
Rn. 32 = [X.], 1157

[X.], [X.]).
Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht darauf abgestellt, dass im Streitfall als angesprochene Verkehrskreise
ausschließlich der [X.] Sprache mächtige Abnehmer in Betracht kommen. Das Berufungsgericht hat hierbei maßgeblich berücksichtigt, dass
die Beklagte ihre Produkte nunmehr europaweit ausschließlich über ihren in [X.] und [X.] abgefassten Internetauftritt
vertreibt, so dass ihr Kundenkreis über Kenntnisse der [X.] verfüge oder
verfügen müsse. Hierbei hat es unter Verstoß ge-22
23
24
-
10
-
gen §
286 ZPO außer [X.] gelassen, dass die von der Klägerin beanstandete Handlung nach den von ihm in Bezug genommenen Feststellungen im landge-richtlichen Urteil darin bestand, dass die Angebote der Beklagten über den "[X.]"
ihrer Homepage (auch) in [X.] abrufbar waren.
Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte nachträgliche Umstellung auf einen englisch-
und hebräischsprachigen Vertrieb änderte
nichts daran, dass sich die beanstandete Handlung gerade auch an [X.] Abnehmer richtete.
Das Berufungsgericht hat bei der Feststellung, die Beklagte wende sich mit den Angeboten in ihrem "e-Store"
ihrer Homepage an einen homogenen englischsprachigen Verkehrskreis, zudem entscheidungserhebliches Vorbrin-gen der Klägerin übergangen. Diese hat vorgetragen, angesprochene Ver-kehrskreise seien vorliegend keineswegs ausschließlich Softwareentwickler oder IT-Spezialisten, denen möglicherweise eine besondere Kenntnis der [X.] zugesprochen werden könne. Angesprochen seien größere und kleinere Unternehmen genauso wie ein "Ein-Mann-Betrieb"
oder der Computer-laden "um die Ecke". Nicht jeder Betreiber eines Computergeschäfts in ganz [X.] könne als englischkundig qualifiziert werden. Ein homogener [X.] mit durchgängig gleich guten [X.]kenntnissen sei folglich nicht vor-auszusetzen, stattdessen müssten auch Abstufungen in den [X.] in Betracht gezogen werden. Mit diesem Vortrag der Klägerin hat sich das Berufungsgericht in deren rechtliches Gehör verletzender Weise nicht hinrei-chend befasst, sondern durch isolierte Betrachtung der von der Klägerin vorge-legten Anlage [X.] den Vortrag der Beklagten als bestätigt angesehen.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hat weiter keinen Bestand, weil es bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr einen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen weist das engli-sche Wort "commit"
eine
Reihe geläufiger Bedeutungen auf. Die vom [X.] festgestellte Bandbreite möglicher Bedeutungen, die sich teilweise deutlich unterscheiden, stellt
jedoch keinen eindeutigen und bestimmten Be-25
26
-
11
-
griffsinhalt im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung dar, der eine Zeichen-ähnlichkeit in klanglicher oder bildlicher Hinsicht neutralisieren könnte.
Ob die Verwendung von "commit"
etwa "begehen", "sich binden", "sich verpflichten", "jemanden einweisen"
oder als Abkürzung von "commitment"
"Hingabe", "Ver-pflichtung",
"Engagement"
oder "Zusage"
bedeuten soll,
hängt von dem konkre-ten Zusammenhang ab, in dem die Verwendung erfolgt. Das Berufungsgericht hat zudem nicht festgestellt, dass dem Wort "commit"
gerade bei der im [X.] in Rede stehenden Verwendung für ein Computerprogramm aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs ein eindeutiger und bestimmter, ohne weiteres erfassbarer Sinngehalt zukommt.
4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] ist nicht ver-anlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982

C-283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn.
21 = NJW 1983, 1257 -
C.[X.]L.F.[X.]T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 -
C-452/14, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43 -
Doc Generici, [X.]). Im Streitfall stellt sich [X.] entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist.
[X.][X.] Danach ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten der Revision -
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hinge-wiesen:
1. Im Hinblick darauf, dass die von der Klägerin beanstandete Handlung der Beklagten im Vertrieb von Produkten nach [X.] über eine (auch) in [X.] abrufbare Internetseite
besteht, kommt im Streitfall
die An-nahme eines homogenen englischsprachigen Verkehrskreises nicht in Betracht.
Eine Zeichenähnlichkeit dürfte
im Hinblick auf die schriftbildlichen Übereinstim-mungen zwischen den [X.] und [X.] "combit"
und "commit"
kaum zu verneinen sein.
[X.] Unterschiede dürften demgegen-27
28
29
30
-
12
-
über angesichts der vom [X.] zutreffend angenommenen Möglichkeit undeutlicher Aussprache
kaum Gewicht erlangen.
2. Die im Gebiet eines Mitgliedstaats begangene Verletzungshandlung begründet eine Wiederholungsgefahr für das gesamte Unionsgebiet (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2011 -
C-235/09, [X.]. 2011, [X.] = [X.], 518 Rn.
39
ff.

[X.]/[X.]; [X.], [X.], 1166 Rn.
26 f.,
30

combit/Commit). Die von der Beklagten nachträglich vorgenommene Umstel-lung des Vertriebs wirkte
sich auf den Fortbestand einer einmal begründeten Wiederholungsgefahr nicht aus (vgl.
nur [X.], Urteil vom 30.
April 2009

I
ZR
42/07, [X.]Z 181, 77 Rn. 64 -
DAX).
Umstände, die dafür sprechen, dass aus sprachlichen Gründen in Teilen des Unionsgebiets keine Verwechslungsge-fahr besteht, und die deshalb eine territoriale Beschränkung des Unterlas-sungsanspruchs rechtfertigen könnten, hat grundsätzlich der als Verletzer in

31
-
13
-

Anspruch genommene Beklagte darzulegen und zu beweisen
(vgl. [X.], [X.], 518 Rn.
48 -
[X.]/[X.]; [X.], 1166 Rn.
31
f.

combit/Commit; [X.], [X.], 778, 779 f.).
Koch
Schaffert
[X.]

[X.]
Schmaltz
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.12.2013 -
2a O 27/13 -

[X.], Entscheidung vom 06.04.2017 -
I-20 [X.] -

Meta

I ZR 74/17

12.07.2018

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2018, Az. I ZR 74/17 (REWIS RS 2018, 6111)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6111

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 74/17 (Bundesgerichtshof)

Verletzung einer Unionsmarke: Klangliche Ähnlichkeit der Zeichen wegen der Möglichkeit der undeutlichen Aussprache; nachträgliche Umstellung …


I-20 U 5/14 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


20 U 5/14 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


I ZR 30/16 (Bundesgerichtshof)

Markenverletzung: Verkehrsauffassung bei der Beurteilung beschreibender Angaben einer Wortmarke; Verwechslungsgefahr bei klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit …


20 U 46/17 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZR 74/17

I ZR 160/16

I ZR 110/16

20 U 5/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.