Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2003, Az. V ZR 233/01

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2373

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:11. Juli 2003KanikJustizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] §§ 519, 518 Abs. 2 Nr. 2 a.[X.]) Wird in der Berufungsschrift ein gegnerischer (einfacher) Streitgenosse als Be-rufungsbeklagter bezeichnet, der andere dagegen nicht, ist das Rechtsmittel ge-genüber dem Nichtbezeichneten unzulässig, wenn Zweifel an seiner Inanspruch-nahme als Rechtsmittelbeklagter verbleiben.b) Bei der Prüfung, ob das Rechtsmittel auch gegen einen nicht als Berufungsbe-klagten bezeichneten Streitgenossen eingelegt ist, hat das Berufungsgericht,wenn rechtlich beide Möglichkeiten in Frage kommen, nicht darauf abzustellen,welche aus der Sicht des Rechtsmittelklägers die zweckmäßigere ist.c) Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gerichts zur Rücksichtnahme gegenüberden Verfahrensbeteiligten schließt nicht das Gebot ein, die Interessen der [X.] zu Lasten des Gegners zu wahren; im Zweifel ist derjenigen Aus-- 2 -legung einer prozessualen Erklärung der Vorzug zu geben, die den Belangen [X.], der kein Normverstoß anzulasten ist, gerecht wird.[X.], [X.]. v. 11. Juli 2003 - [X.]/01 - [X.] LG Mönchengladbach- 3 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch den Vizepräsidenten des [X.]Dr. [X.] und [X.], Dr. Klein, [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision der [X.] zu 1 gegen das [X.]eil des9. Zivilsenats des [X.] vom 28. Mai2001 wird, soweit sie nicht Gegenstand des [X.]usses des Se-nats vom 21. November 2002 ist, zurückgewiesen.Die Kosten der Revisionsinstanz trägt die Beklagte zu 1 zu99 v.H. allein, zu 1 v.H. gesamtschuldnerisch mit dem [X.] Rechts wegenTatbestand:Die Klägerin hat von der [X.], der sie ein Hausgrundstück verkaufthatte, die Herausgabe von Inventar verlangt. [X.] hat die [X.] Klägerin und deren Ehemann ([X.]r) aufgrund Anfechtungwegen arglistiger Täuschung über die baurechtliche Genehmigung des [X.] auf Rückgängigmachung des Kaufs und wegen Verschuldens bei [X.] auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das [X.] Klage abgewiesen und der Widerklage, soweit sie sich gegen die [X.] -gerichtet hat, bis auf einen Teilbetrag des Schadensersatzes stattgegeben. [X.] gegen den [X.] hat es abgewiesen. In der Berufungs-schrift der [X.] ist die Klägerin als "Klägerin, [X.] und [X.]", der [X.] dagegen nur als "[X.]r" [X.]. Im [X.] hat die Beklagte die gegen die Klägerin ge-richtete Berufung zurückgenommen und das Rechtsmittel gegen den [X.] weiterverfolgt. Das [X.] hat die Berufung verwor-fen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht geht unter Bezugnahme auf die [X.] vom 26. September 1961 (Senat, [X.], NJW1961, 2347) und vom 19. März 1969 ([X.], NJW 1969, 928 = [X.] 518 Abs. 2 Ziff. 1, [X.]) von dem Grundsatz aus, daß ein Rechtsmittel sichgegen die angefochtene Entscheidung als solche richtet (§ 519 Abs. 2 Nr. 1ZPO, § 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F.), diese mithin im Umfang der Beschwer [X.] angreift. Anderes gelte, wenn die [X.] eineBeschränkung der Anfechtung erkennen lasse. Dies sei bei mehreren, [X.] in Frage kommenden, Streitgenossen der Fall, wenn inder [X.] nur einzelne von ihnen als Rechtsmittelbeklagte [X.] seien. Allerdings genüge es mit Rücksicht auf zum Teil bestehendeGerichtsgepflogenheiten, wenn der Rechtsmittelkläger nur den gegnerischenStreitgenossen, der in dem angefochtenen [X.]eil als erster bezeichnet ist- 5 -("Spitzenreiter"), in die [X.] aufnehme. Die Berufungsschrift der[X.], die die gegnerischen Streitgenossen vollständig anführe, aber nureinen von ihnen, die Klägerin, als Berufungsbeklagte bezeichne, lasse demge-genüber die Auslegung, auch der [X.] sei [X.],nicht zu.II.Dies hält den Angriffen der Revision stand.Sie meint, das Berufungsgericht habe der Entscheidung des [X.] vom 21. Juni 1983 ([X.], NJW 1984, 58 = [X.] ZPO § 518Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 8; vgl. auch [X.], [X.]. v. 8. November 2001, [X.] 2002, 831 = [X.] ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2, Nr. 18 - passim -) nicht Rech-nung getragen, wonach sich "im Zweifel" die uneingeschränkt eingelegte Be-rufung gegen alle erfolgreichen Streitgenossen richtet, wenn diese in der Be-rufungsschrift aufgeführt, aber nur teilweise auch als Berufungsbeklagte [X.] sind (Leitsatz). Dies greift nicht durch. Allerdings gebieten die [X.] gewährleisteten Prozeßgrundrechte, daß der Zugang zu den inden [X.] vorgesehenen Instanzen nicht in einer von Sach-gründen nicht gedeckten Weise durch [X.] erschwert wird ([X.], [X.]. v.19. Februar 2002, [X.]/00, NJW 2002, 1430). Mängel der Parteibezeich-nung in [X.]en sind deshalb unbeachtlich, wenn sie in [X.] der jeweiligen Umstände keinen vernünftigen Zweifel an der Person [X.] oder des Rechtsmittelbeklagten offenlassen (Senat,[X.]. v. 19. September 2002, [X.], [X.]-Report 2002, 1112). Dies ist- 6 -auch die Auffassung des [X.]. Senats, die er in seiner der Entscheidung [X.] folgenden Rechtsprechung wiederholt bestätigt hat ([X.]. v.7. November 1995, [X.], NJW 1996, 320 = [X.] ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2,Nr. 14; v. 15. Dezember 1998, [X.] ZR 316/97, NJW 1999, 1554 = [X.] ZPO § 518Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 17; [X.]. v. 19. Februar 2002, aaO). Danach können lediglichtheoretische Zweifel, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht festgestellt sind,bei der Auslegung der Berufungsschrift nicht maßgeblich sein. Der Entschei-dung vom 21. Juni 1983 ist mithin, wie sich des näheren aus ihrer Begründung,aber auch im Lichte der weiteren Rechtsprechung ergibt, nicht zu entnehmen,daß eine differente Bezeichnung der gegnerischen Streitgenossen, teils unterBeifügung einer Parteirolle im Rechtsmittelverfahren, teils ohne eine solche,stets nur einen theoretischen, mithin nicht maßgeblichen Zweifel an der [X.] begründen könne. Maßgeblich für die Auslegungder [X.] sind alle dem Rechtsmittelgericht innerhalb der [X.] ([X.], [X.]. v. 7. November 1995, aaO; Senat, [X.]. v.19. September 2002, aaO) zugänglichen Umstände, neben der [X.] selbst auch die dieser beizufügende (§ 519 Abs. 3 ZPO; § 518 Abs. 3ZPO a.F.) Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen [X.]eilsoder weiter vorhandene Unterlagen ([X.], [X.]. v. 13. Oktober 1998, [X.] [X.], NJW 1999, 291 = [X.] ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 15). In dem am21. Juni 1983 entschiedenen Fall war die Einteilung in zwei [X.]gruppenauf die jeweils verschiedene anwaltliche Vertretung der gegnerischen Streitge-nossen zurückzuführen gewesen, die Gesamtzahl der [X.] wur-de durch die Anzahl der der Berufungsschrift beigefügten Abschriften bestimmt;zudem lag bei dem zu beurteilenden zusammenhängenden [X.] Aufspaltung der Rechtsmittelbeklagten eher [X.] dagegen hatte das [X.] der gegen die Klägerin ge-richteten Widerklage dem Grunde und, bis auf einen Teilbetrag von 28.000 DM(Erstattung von Grunderwerbsteuer wegen Verschuldens bei [X.] der Höhe nach stattgegeben, beim [X.], der nicht [X.] war, dagegen die Passivbefugnis verneint. Der Beschränkung [X.] auf die abgewiesene Teilforderung gegen die Klägerin konnteein eigenständiger, von einem Rechtsmittelverfahren gegen den [X.] nicht abgesprochen werden. Die Frage, welchesRechtsmittel, die Berufung allein gegen die Klägerin oder gegen diese und den[X.], auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Erfolgschan-cen, das zweckmäßigere war, hatte bei der Auslegung der [X.]zurückzutreten. Zu solchen Überlegungen ist vor Eingang der [X.] in der Regel keine Grundlage gegeben. Vor allem aber stehtdie Richtung des Rechtsmittelangriffs nicht zur Disposition des Gerichts. [X.] ist es versagt, mittels Überlegungen zur Zweckmäßigkeit und Erfolgsaus-sicht der Angriffsrichtung die Disposition der Parteien durch eine eigene zuersetzen. Der Umstand, daß die Beklagte nachträglich die Berufung gegen dieKlägerin zurückgenommen hat, ist mithin nicht dafür signifikant, daß das [X.] die möglichen [X.] nicht erschöpft hätte. [X.] von dem, der Entscheidung vom 21. Juni 1983 zugrundeliegendenSachverhalt standen dem Berufungsgericht hier keine weiteren Auslegungs-mittel zur Verfügung.Die ernstlichen Zweifel an der Inanspruchnahme des [X.]als Berufungsbeklagten, die die wenige Tage vor Ablauf der Berufungsfrist ein-gegangene [X.] hinterließ, mußten zur Verwerfung des Rechts-mittels führen. Dies geboten einmal die Belange des [X.], der- 8 -als erstinstanzlich siegreich gebliebener Streitgenosse ein schutzwürdiges In-teresse daran hatte zu wissen, ob diese Position Gegenstand eines Rechts-mittelangriffs sein würde oder bereits Bestand hatte ([X.]. v.19. September 2002, [X.], aaO; [X.], [X.]. v. 15. Juli 1999, [X.]/99, NJW 1999, 3124 = [X.] ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 17). Die aus Art. 2Abs. 1 [X.] und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Forderung an die Ge-richte zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer kon-kreten Situation ([X.], [X.]. v. 9. August 1991, NJW 1991, 3140 m.w.N.zur Rspr. d. [X.]) schließt keine Anleitung in sich, [X.] der nachlässigen Partei zu Lasten des Gegners zu wahren. [X.] ist vielmehr derjenigen Auslegung einer prozessualen Erklärung [X.] zu geben, die den Belangen des Zustellungsadressaten (bei der Beru-fung: § 521 ZPO, § 519a ZPO a.F.), dem kein Normverstoß anzulasten ist, [X.] wird. Zum anderen gebieten auch die wohlverstandenen Interessen [X.] Zurückhaltung. Würde das Gericht bei nicht [X.] über die Person des [X.]s eine von mehreren glei-chermaßen in Frage kommenden Möglichkeiten wählen, wäre es zu Recht derRüge ausgesetzt, der sachlich ohne Erfolg gebliebene Rechtsmittelangriff seinicht gewollt gewesen.- 9 -III.Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.[X.] Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 233/01

11.07.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2003, Az. V ZR 233/01 (REWIS RS 2003, 2373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2373

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