Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2015, Az. V ZR 191/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 295

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:181215UVZR191.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
V [X.]

Verkündet am:

18. Dezember 2015

Rinke,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 1093 Abs. 1, § 985; [X.]
§ 152 Abs. 2 Satz 1
Die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung durch das [X.] hat nur verfahrensrechtliche Bedeutung. Sie begründet keinen An-spruch des [X.] gegen einen [X.] auf Herausgabe der Wohnung nach §
985 [X.].

[X.], Urteil vom 18. Dezember 2015 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Czub, die Richterin Weinland, [X.]
Kazele und die Richterin [X.]
für Recht erkannt:
Auf die [X.] der [X.] werden die Urteile der 14. Zivil-kammer des [X.] vom 3. Juli 2014 und des [X.] vom 23. November 2012 aufgehoben.
Auf den Einspruch der [X.] wird das Versäumnisurteil des [X.] vom 29. Mai 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits -
mit Ausnahme der durch die Versäumnis der
[X.] im Termin vor dem Amtsge-richt am 22. Mai 2012 veranlassten Kosten -
zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Grundstücks, das mit einem [X.] der [X.], der Mutter der Vollstreckungsschuldnerin,
belastet ist. Die Zwangsvollstreckung wird aus einer dem Wohnungsrecht im Rang vor-gehenden Grundschuld einer Sparkasse betrieben.
Eigentümer des Grundstücks war eine aus der Vollstreckungsschuldnerin und der [X.] bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit notarieller 1
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Urkunde vom 24. November 1998 bestellten die Gesellschafter der Gläubigerin an dem Grundstück eine Buchgrundschuld mit einem Betrag von 30.000 [X.] Zinsen. Sie unterwarfen sich sowie den jeweiligen Eigentümer des [X.] wegen des dinglichen Anspruchs und zudem -
auf Grund einer von ihnen erklärten Haftungsübernahme -
auch im Hinblick auf die persönliche Haftung der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Mit notariellem Vertrag vom 4. Oktober 1999 übertrug die Beklagte ihren Anteil an der Gesellschaft auf die Vollstreckungsschuldnerin, die der [X.] als Gegenleistung ein lebenslängliches Wohnungsrecht an den Räumen im Erdgeschoss des Hauses einräumte und sich ihr gegenüber verpflichtete, die Grundschulden und die ihnen zugrunde liegenden schuldrechtlichen [X.] zu übernehmen. Am 1. November 1999 schlossen die Vollstreckungs-schuldnerin und die Beklagte einen Mietvertrag mit Wirkung vom 1. November 1999 auf Lebenszeit der [X.]. In diesem ist unter Punkt 5 bestimmt, dass die monatliche Miete entfalle. Diese sei durch die zwischen Juni und August 1997 von der [X.] geleisteten Ausbaukosten von 250.000 DM bereits ab-gegolten.
Mit Beschluss vom 5. Juli 2011 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Grundschuldgläubigerin auf Grund eines Titels gegen die Schuldnerin die Zwangsverwaltung an, bestellte den Kläger zum Zwangsverwalter und ermäch-tigte ihn, sich den Besitz an dem Grundstück zu verschaffen. Der Kläger [X.] im Oktober 2011 von der [X.] eine monatliche Nutzungsentschädigung von 852

g-ten die weitere Nutzung, kündigte das Mietverhältnis fristlos wegen [X.] und forderte die Beklagte zur Räumung der Wohnung auf.

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Der Kläger hat Klage auf Herausgabe und Räumung der Wohnung, auf
Räumung erhoben. Das Amtsgericht hat ein stattgebendes Versäumnisurteil erlassen und dieses auch nach Einspruch der [X.] aufrechterhalten. Die Berufung der [X.] gegen dieses Urteil hat das [X.] und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte den Antrag auf Klage-abweisung
weiter verfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne von der [X.] die Herausgabe der Wohnung nach § 985 [X.], § 152 [X.] verlangen. Eines [X.]stitels gegen die Beklagte bedürfe es nicht, weil diese sich in der Grund-schuldbestellungsurkunde wegen der dinglichen und persönlichen Haftung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen habe. Aus dem Wohnungsrecht habe die Beklagte wegen der unbeschränkten Anordnung der Zwangsverwal-tung und des Vorrangs der Grundschuld, aus der die Zwangsvollstreckung be-trieben werde, dem Zwangsverwalter gegenüber kein Recht zum Besitz (§ 986 [X.]). Auf ein Besitzrecht aus dem Mietvertrag könne sie sich ebenfalls nicht berufen, da
die Vereinbarung, dass der Mietzins entfalle, eine nach § 1192 Abs.
1, § 1124 Abs. 2 [X.] gegenüber dem Grundschuldgläubiger unwirksame Vorausverfügung über den Mietzins darstelle.
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II.
Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Kläger stehen weder [X.] auf Herausgabe und Räumung noch auf Zahlung eines ortsüblichen Mietzinses oder einer Nutzungsentschädigung in dieser Höhe zu.
1. Rechtsfehlerhaft spricht das Berufungsgericht dem Kläger einen Her-ausgabeanspruch gegen die Beklagte nach § 985 [X.] zu.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt es allerdings an, dass der Kläger auf Grund seiner Bestellung zum Zwangsverwalter durch das Vollstreckungs-gericht (§ 150 Abs.
1 [X.]) berechtigt ist, einen der Vollstreckungsschuldnerin gegen einen unrechtmäßigen Besitzer zustehenden Herausgabeanspruch nach §
985 [X.] gerichtlich geltend zu machen. Diese Befugnis folgt daraus, dass durch die mit der Anordnung der Zwangsverwaltung bewirkte Beschlagnahme (§
20 [X.]) der Schuldnerin die Verwaltung und Benutzung ihres Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 [X.]) und dem Zwangsverwalter zur Ausübung über-tragen worden ist; dieser hat die Rechte der Schuldnerin im Rahmen der ihm nach § 152 [X.] obliegenden Aufgaben wahrzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1992 -
XII ZR 77/91, [X.], 3041). Hat ein Dritter das zu verwal-tende Grundstück unberechtigt in Besitz, kann und muss der Zwangsverwalter die Herausgabe des Grundstücks betreiben ([X.], Urteil vom 16. Oktober 2014 -
IX [X.], NJW 2015, 164 Rn. 8).
b) Die Beklagte ist jedoch gegenüber der Schuldnerin nicht unberechtigte Besitzerin. Sie ist Inhaberin eines im Grundbuch des zwangsverwalteten [X.] eingetragenen Wohnungsrechts. Der Inhaber eines Wohnungsrechts ist -
wie ein Nießbraucher -
nach §
1093 Abs. 1 Satz
2 i.V.m. §
1036 Abs. 1 [X.] dem Grundstückseigentümer gegenüber nach § 986 Abs. 1 Satz 1 [X.] zum Besitz berechtigt (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 2014 -
V [X.], 7
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NJW 2014, 1740 Rn. 10). Dem Eigentümer -
hier der Schuldnerin -
steht des-halb kein Herausgabeanspruch zu.
aa) Die Herausgabe des auf dem Wohnungsrecht beruhenden Besitzes kann deshalb -
wovon auch die Parteien ausgehen -
nur aus dem gegenüber dem Wohnungsrecht im Range vorgehenden Recht des [X.] beansprucht werden. Dieser kann von dem Inhaber des Wohnungsrechts nach §
1147, § 879 Abs. 1 [X.] zwar verlangen, die Zwangsvollstreckung in den Besitz zu dulden (vgl. [X.], Beschluss
vom 14. März 2003 -
IXa ZB
45/03, [X.], 2164). Inhalt des Anspruchs des [X.] auf [X.] der Zwangsvollstreckung nach § 1147 [X.] ist aber nicht die Pflicht des [X.] zur Herausgabe an den Zwangsverwalter, sondern die zur Duldung der Inbesitznahme durch diesen zum Zwecke der Erzielung verteilbarer Nutzungen nach § 155 [X.]. Ein Anspruch auf Herausgabe nach § 985 [X.] steht dagegen weder dem Vollstreckungsgläubiger noch dem Zwangsverwalter zu ([X.], [X.], 20. Aufl., §
146 Rn 11.3; Klasen, [X.], 425, 427).
bb) Anderes ergibt sich nicht aus § 152 Abs. 2 [X.]. Dieser Vorschrift ist nur zu entnehmen, dass die Zwangsvollstreckung auch dann stattfinden kann, wenn der Schuldner das Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen hat. Sie verschafft dem Zwangsverwalter aber kein Recht, einen [X.], der sich auf sein dingliches Recht zum Besitz beruft, auf Herausgabe zu verklagen, um sich zum Zwecke der Zwangsvollstreckung den unmittelbaren Besitz der Sache zu verschaffen (vgl. [X.], Urteil vom 26. September 1985 -
IX ZR 88/84, [X.]Z 96, 61, 67 f.). Der Zwangsverwalter, der an Stelle des Vollstreckungsschuldners dessen Verwaltungs-
und Benutzungsrechte wahrnimmt, kann auf den Besitz des [X.]s nicht aus eigenem Recht, sondern nur auf Grund eines von dem Vollstreckungsgläubiger erwirkten [X.] zugreifen (vgl. 11
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[X.], Urteil vom 26. September 1985 -
IX ZR 88/84, [X.]Z 96, 61, 66; [X.] vom 14. März 2003 -
IXa [X.], [X.], 2164 f.).
c) Ein Herausgabeanspruch des [X.] nach § 985 [X.] ergibt sich auch nicht aus der Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung nach §
150 Abs.
2 [X.] durch das Vollstreckungsgericht.
aa) Durch die Ermächtigung des Vollstreckungsgerichts, sich selbst den Besitz an dem beschlagnahmten Grundstück zu verschaffen, ist der [X.] allerdings in der Lage, die Wohnung auch gegen den [X.]en des [X.]sinhabers in Besitz zu nehmen. Die dem Zwangsverwalter vom [X.] erteilte Befugnis zur Inbesitznahme gegen einen nicht zur Herausgabe bereiten [X.] wird dadurch durchgesetzt, dass
dieser durch einen von dem Zwangsverwalter zu beauftragenden [X.] gemäß §
855 ZPO aus dem Besitz gesetzt und der Zwangsverwalter in den Besitz eingewiesen wird (vgl. [X.], [X.], 20. Aufl., §
146 Rn. 11.3; zur Vollstreckung gegen den Schuldner: [X.], Beschluss vom 24. Februar 2011
-
V [X.], NJW-RR 2011, 1095 Rn.
7). [X.] der Wohnungsinhaber das [X.], muss er die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe nach § 766 oder § 793 ZPO gegen die Anordnung des Vollstreckungsgerichts ergreifen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 146 Rn. 64; [X.], [X.], § 146 Rn. 28; [X.] in [X.]/[X.]/Hintzen/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., §
146 Rn.
63).
bb) Nicht richtig ist jedoch der von dem Berufungsgericht -
unter [X.] auf Entscheidungen des [X.] (Beschluss vom 12.
Mai 2011 -
5 U 1/11, juris Rn. 23 = BeckRS 2012, 25437) und des [X.] ([X.], 151, 152) -
daraus gezogene Schluss, dass dem Zwangsverwalter auf Grund der Anordnung des Vollstreckungsgerichts auch ein 13
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Herausgabeanspruch nach § 985 [X.] gegen den Inhaber des Wohnungs-rechts zustehe, wenn das Recht des [X.] -
wie hier -
einen besseren Rang als das Wohnungsrecht hat. Dieser Rechtsansicht vermag der [X.] nicht
beizutreten.
Die unbeschränkte Anordnung des Vollstreckungsgerichts ist zwar gültig, solange sie nicht angefochten ist ([X.], Urteil vom 10. Juni 1959 -
V [X.], [X.]Z 30, 173, 175; [X.], Urteil vom 15. Oktober 2015 -
IX ZR 44/15, [X.], 2325 Rn.
30). Sie hat jedoch nur verfahrensrechtliche Bedeutung, begründet also keinen Anspruch des [X.] auf Herausgabe gegen einen [X.] nach §
985 [X.], der nach der materiellen Rechtslage nicht besteht.
(1) Das zeigt sich bereits daran, dass das Vollstreckungsgericht -
nach der gebotenen Unterrichtung durch den Zwangsverwalter über die Geltendma-chung eines dinglichen Wohnungsrechts durch einen [X.] -
die Vollstreckung nach §
161 Abs. 4, § 28 Abs.
1 Satz 1 [X.] von Amts wegen hätte einstellen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2015 -
IX ZR 44/15, [X.], 2325 Rn. 25, 27 und 30). Denn ein in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenes Wohnungsrecht stellt ein die Anordnung eines unbeschränkten Zwangsverwal-tungsverfahrens hinderndes Recht dar (vgl. [X.], Beschluss vom 14. März 2003 -
IXa [X.], [X.], 2164, 2165; Urteil vom 15. Oktober 2015
-
IX ZR 44/15, aaO Rn. 24). Solange die Voraussetzungen für eine Inbesitz-nahme der Wohnung durch den Zwangsverwalter -
nämlich die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 725 ZPO) eines gegen den Wohnungsrechtsin-haber gerichteten [X.] des [X.] und dessen Zu-stellung (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) an den [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 2014 -
V [X.], NJW 2014, 1740 Rn. 8, 13; vgl. auch [X.], Beschluss vom 14. März 2003 -
IXa [X.], [X.], 2614, 16
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2615) -
nicht vorliegen, darf keine unbeschränkte Anordnung nach § 150 [X.] ergehen. Diese Verfahrensvoraussetzungen würden unterlaufen, wenn der Zwangsverwalter unter Hinweis auf das rangbessere Recht des [X.] von dem [X.] nach § 985 [X.] die Herausgabe der Wohnung verlangen könnte.
(2) Zudem bedarf der Zwangsverwalter auch keines [X.], um die Wohnung von dem Inhaber eines gegenüber dem Recht des betreiben-den Gläubigers nachrangigen Wohnungsrechts in Besitz zu nehmen. Dafür reicht die Anordnung des Vollstreckungsgerichts nach §
150 Abs.
2 [X.] aus (siehe oben II.1.c.aa).
2. Ebenfalls
rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch auf Räumung nach § 546 Abs. 1 [X.].
a) Der Kläger ist allerdings insoweit prozessführungsbefugt, da ein Zwangsverwalter berechtigt ist, alle Vermieterrechte aus einem ihm gegenüber nach § 152 Abs. 2 [X.] wirksamen Mietvertrag geltend zu machen. Dazu gehö-ren auch die Rechte, den Mietvertrag wegen Zahlungsverzugs des Mieters nach §
543 Abs. 3 Satz 1 Nr.
2 [X.] fristlos zu kündigen und von dem Mieter die Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zu ver-langen (vgl. [X.], Urteil vom 15. Oktober 2015 -
IX ZR 44/14, juris Rn. 29). Die Durchsetzung des Räumungsanspruchs liegt im Rahmen des dem [X.] gesetzlich übertragenen Pflichtenkreises; er soll die unrechtmäßig vor-enthaltenen Räume zur Erzielung von Überschüssen anderweitig vermieten können (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juli 2003 -
XII ZR 16/00, NJW-RR 2003, 1308).
b) Einem Rückgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 [X.] stünde das Recht zum Besitz aus dem Wohnungsrecht nach §
986 [X.]
auch nicht zwingend 18
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entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 1998 -
XII [X.], [X.], 779, 780; [X.]/[X.], [X.], § 546 Rn. 102; [X.]/[X.], [X.] [2014], §
546 Rn. 84). Gegenüber diesem Anspruch könnte die Beklagte allenfalls den Einwand missbräuchlicher Rechtsausübung nach § 242 [X.] entgegensetzen, wenn der Kläger die Wohnung sogleich an sie zur Ausübung ihres Wohnungs-rechts wieder herauszugeben hätte (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 1998
-
XII [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO). [X.] könnte wegen des Nachrangs des Wohnungsrechts gegenüber dem Recht des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers zweifelhaft sein. Das bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht nach §
546
Abs. 1 [X.] zur Herausgabe des Besitzes der gemieteten Wohnung verpflichtet ist.
c) Im Ergebnis zu Recht sieht das Berufungsgericht den [X.] der Schuldnerin und der [X.] vom 1. November 1999 allerdings als einen Mietvertrag an.
aa) Nicht von [X.] frei ist jedoch die Annahme, die Vertrags-parteien hätten einen Mietvertrag mit einer -
mangels konkreter Bestimmung -
angemessenen ortsüblichen Miethöhe vereinbart und zugleich eine Vorausver-fügung nach §
1124 Abs. 2 [X.] in dem Sinne getroffen, dass im Hinblick auf von der [X.] zuvor übernommene Ausbaukosten keine Miete gezahlt werden solle. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
bb) Ob die Parteien eine unentgeltliche Gestattung des Gebrauchs (Lei-he) ober eine entgeltliche Überlassung (Mietvertrag) gewollt haben, ist [X.] ebenso wie die Feststellung der vereinbarten Miethöhe Gegenstand der tatrichterlichen Vertragsauslegung. Die Auslegung einer Individualabrede ge-mäß §§ 133, 157 [X.] kann von dem Revisionsgericht nur darauf überprüft 22
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werden, ob der Tatrichter die gesetzlichen und allgemein anerkannten [X.], die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der [X.] zu Grunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat ([X.], Urteil vom
16. September 2012 -
V [X.], NJW-RR 2012, 218 Rn. 5; Urteil vom 8. November 2013 -
V [X.], NJW 2014, 1000 Rn. 9).
Die Auslegung ist in diesem Rahmen jedoch zu beanstanden, weil sie in sich widersprüchlich ist. Das Berufungsgericht verweist insoweit auf die [X.] des erstinstanzlichen Gerichts. Dieses geht davon aus, dass für das Wohnen kein Entgelt habe gezahlt werden sollen, weil das Recht der [X.] zum unentgeltlichen Wohnen bereits durch das mit notariellem Vertrag vom 4.
Oktober 1999 bestellte Wohnungsrecht begründet worden sei. Teil der Ge-genleistung für die Bestellung des Wohnungsrechts sei die Übertragung des Eigentums (des Anteils an der Gesellschaft auf die Schuldnerin) gewesen. Das Ergebnis der tatrichterlichen Auslegung, dass die Vertragsparteien im Mietver-trag (entgegen dem Wortlaut) ein Entgelt in Höhe der ortsüblichen Miete ver-einbart haben, ist mit der Annahme unvereinbar, dass die Beklagte die [X.] habe unentgeltlich nutzen und dass der Mietvertrag das notariell
begrün-dete (unentgeltliche) Wohnungsrecht sicherheitshalber habe bekräftigen sollen.
cc) Die fehlerhafte tatrichterliche Auslegung ist für das Revisionsgericht nicht bindend. Der [X.] kann die Auslegung des Vertrags selbst vornehmen, da die hierzu erforderlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1990
-
V [X.], NJW 1991, 1180, 1181; [X.], Urteil vom 10. Oktober 1989
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VI [X.], [X.]Z 109, 19, 22; Urteil vom 17. Februar
1993 -
IV ZR 206/91, [X.]Z 121, 284, 289).

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Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die Parteien einen Mietver-trag vereinbart haben, bei dem sich die Gegenleistung der [X.] auf die hälftige Beteiligung an den Lasten des Grundstücks beschränken sollte. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelungen und dem diesen zu [X.] objektiv erklärten Parteiwillen, von dem bei der Auslegung auszugehen ist ([X.], Urteil vom 10. Dezember 1992 -
I [X.], [X.]Z 121, 13, 16; Urteil vom 24. April 2009 -
LwZR 11/08, NJW-RR 2009, 1714 Rn. 24). Danach haben Mietvertrag geschlossen, bei dem jedoch keine monatliche Miete, sondern nur eine pauschalierte monatliche Beteiligung an der Hälfte der Nebenkosten [X.] werden sollte. Ein Mietvertrag liegt in der Regel auch dann vor, wenn das nach dem Vertrag geschuldete Entgelt sich in einem Beitrag zu den Lasten des Eigentümers erschöpft und der Nutzer nicht nur die durch seinen Gebrauch verursachten Kosten zu tragen hat (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 1970 -
VII ZR 179/68, [X.], 853, 855; Urteil vom 12. Februar 2003 -
XII ZR 324/99, [X.], 372, 374; Urteil vom 16. Mai 2013 -
IX ZR 224/12, NJW-RR 2013, 1097 Rn. 13; MüKo[X.]/[X.], 6. Aufl., vor §
535 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.] [2014], vor § 535 Rn. 33). Die von der [X.] vertraglich [X.] Pflicht, auch die Hälfte der auf das Gebäude und das [X.] (Hausversicherung, Grundsteuer) zu tragen, geht über die Beteili-gung an den verbrauchsabhängigen Kosten und an den Kosten der [X.] hinaus, welche die [X.] als Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts nach den gesetzlichen Regeln zu tragen hätte (vgl. [X.], Urteil vom 21. Oktober 2011 -
V [X.], [X.]Z 191, 213 Rn. 5 und 11 ff.).
Die Auslegung der Vereinbarungen als Mietvertrag entspricht auch dem von den Parteien verfolgten Zweck, das Wohnungsrecht durch einen Mietver-trag mit einer geringen, auf eine Beteiligung an den Lasten des Grundstücks 27
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beschränkten Miete abzusichern. Ein Leihvertrag, in den der Zwangsverwalter nicht nach § 152 Abs. 2 [X.] eintritt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 152 Rn. 51; [X.] in [X.]/[X.]/Hintzen/[X.]/[X.], [X.], 14.
Aufl., § 152 Rn. 65 und 117), hätte im Falle einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück keine vergleichbare Sicherheit geboten.
c) Das Mietverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung des [X.] wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] beendet worden. Die Kündigung ist zwar vom Kläger gemäß § 568 Abs. 1 [X.] erklärt worden, die Beklagte war aber nicht mit den geforderten Mieten in Rückstand.
aa) Dass die Beklagte mit den vereinbarten Leistungen in Höhe der [X.] der Nebenkosten in Rückstand gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch festgestellt. Das von dem Kläger verlangte Nutzungsentgelt schuldet die [X.] nicht. Nach § 152 Abs. 2 [X.] sind gegenüber dem Zwangsverwalter auch solche Mietverträge wirksam, nach denen das von dem Mieter [X.] sich auf einen Beitrag zu den Lasten des Eigentümers beschränkt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 -
IX ZR 224/12, NJW-RR 2013, 1097 Rn.
13).
bb) Vor diesem Hintergrund sind die auf § 1124
Abs. 2 [X.] gestützten Erwägungen des Berufungsgerichts bereits im Ausgangspunkt verfehlt. Eine Vorausverfügung über die Miete oder Pacht im Sinne dieser Vorschrift setzt die Existenz einer nach periodischen Abschnitten bemessenen Miet-
oder Pacht-forderung voraus, auf die durch ein Rechtsgeschäft eingewirkt wird ([X.], Urteil vom 23. Juli 2003 -
XII ZR 16/00, NJW-RR 2003, 1308, 1309; Urteil vom 25.
April 2007 -
VII ZR 234/06, NJW 2007, 2919 Rn. 23; Urteil vom 30.
April
2014 -
VIII ZR 103/13, NJW 2014, 2720
Rn. 18). Eine Vorausverfü-gung ist von der Vereinbarung zu unterscheiden, die den Anspruch auf die Mie-29
30
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te erst dem Grunde und der Höhe nach entstehen lässt ([X.], Urteil vom 23.
Juli 2003 -
XII ZR 16/00, aaO). Vereinbarungen über die Miete, nach denen der Mieter von vornherein keine Nettomiete, sondern nur einen Beitrag zu den dem Vermieter entstehenden Nebenkosten zahlen soll, sind keine Vorausverfü-gungen im Sinne des § 1124 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013
-
IX ZR 224/12, NJW-RR 2013, 1097 Rn.
12).
Da die Mietvertragsparteien keine Vorausverfügung über den Mietzins, sondern nur eine Vereinbarung über deren Höhe getroffen haben, sind auch die grundsätzlich richtigen Erwägungen des Berufungsgerichts ohne Bedeutung, dass es sich bei den von der
[X.] aus anderen Gründen erbrachten [X.] nicht um einen Baukostenzuschuss des Mieters handele (vgl. [X.], Urteil vom 15. Februar 2012 -
VIII ZR 166/10, NJW-RR 2012, 525 Rn.
17).
cc) Vereinbarungen, nach denen der Mieter keinen Zins für
die Nut-zungsvorteile, sondern nur einen Beitrag zu den Lasten des Grundstücks zu zahlen hat, können jedoch, da sie die Gläubiger benachteiligen und bei wirt-schaftlicher Betrachtung in der Hauptsache auf eine unentgeltliche Leistung gerichtet sind, nach den §§ 3, 4 [X.] anfechtbar sein (vgl. [X.], Urteil vom 16.
Mai 2013 -
IX ZR 224/12, aaO Rn. 14; MüKo[X.]/Kirchhof, § 11 Rn. 65). Den Gläubigern kann ein pfändbarer Anspruch des Schuldners gegen den [X.] auf die angemessene Gegenleistung zustehen, der gegen diesen als Wer-tersatzanspruch geltend gemacht werden kann (MüKo[X.]/Kirchhof, § 11 Rn.
65). Der Kläger kann diesen Anspruch der Gläubiger jedoch nicht aus eige-nem Recht verfolgen, da dem Zwangsverwalter -
anders als dem [X.] nach §
129 Abs. 1 [X.] -
kein eigenständiges Anfechtungsrecht zusteht (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 -
IX ZR 224/12, aaO Rn. 15; [X.], Recht 1915 Nr. 1435; KG, [X.] 25, 264, 265; 31, 196, 197; MüKo-32
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[X.]/Kirchhof, §
2 Rn. 27). Ob die Gläubiger dem Zwangsverwalter das [X.] durch treuhänderische Abtretung ihrer Ansprüche übertragen oder -
wenn sie nach § 2 [X.] anfechtungsberechtigt sind -
ihn zur Verfolgung ihres Anfechtungsrechts in gewillkürter Prozessstandschaft ermächtigen [X.] (vgl. MüKo[X.]/Kirchhof, §
2 Rn. 27), bedarf hier keiner Entscheidung, da weder festgestellt noch von dem Kläger vorgetragen worden ist, dass dieser Weg beschritten wurde (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 -
IX ZR 224/12, aaO Rn. 15).
3. Rechtsfehlerhaft erkennt das Berufungsgericht dem Kläger schließlich einen Zahlungsanspruch auf einen angemessenen Mietzins bis zur Kündigung nach §
535 Abs. 2 [X.] und danach als Nutzungsentschädigung gemäß § 546a [X.] oder aus §§ 987, 988 [X.] zu. Derartige Ansprüche des [X.] bestehen zurzeit nicht, da die Beklagte mangels Zustellung einer vollstreckbaren Aus-fertigung eines Titels zur Duldung der Vollstreckung in ihr Wohnungsrecht aus diesem dem Kläger gegenüber zum Besitz berechtigt ist und mangels Anfech-tung des Mietvertrags keine höheren als die mit der Vollstreckungsschuldnerin vereinbarten Zahlungen schuldet.

III.
Der Rechtsstreit ist nach den getroffenen Feststellungen dahin zur [X.] (§ 563 Abs. 3 ZPO), dass das Berufungsurteil auf die [X.], das Versäumnisurteil aufrechterhaltende erstinstanzliche Urteil auf die Beru-fung und das Versäumnisurteil auf den Einspruch der [X.] aufzuheben sind und die Klage unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen ist.
34
35
-
16
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 344 ZPO.
Stresemann
Czub
Weinland

Kazele
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.11.2012 -
43 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 03.07.2014 -
14 [X.]/12 -

36

Meta

V ZR 191/14

18.12.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2015, Az. V ZR 191/14 (REWIS RS 2015, 295)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 295

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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