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PDF anzeigen[X.]:[X.]:BGH:2017:291117B3STR526.17.0
BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 526/17
vom
29. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes
u.a.
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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 29.
November 2017 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 [X.] einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Mai 2017 im Strafausspruch mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jah-ren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf eine Verfahrensbeanstandung und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat
mit der [X.] in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].
I. Dem Urteil liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen zugrunde:
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1. Es kam zunächst zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Ange-klagten und dem [X.]
, in deren Verlauf [X.]
eine Bierflasche auf
dem Kopf des Angeklagten zerschlug und ihm dadurch Schnittverletzungen am Hals sowie an einem Ohrläppchen zufügte. Anschließend flüchtete [X.]
, ohne
zu bemerken, dass er bei der Auseinandersetzung sein Handy verloren hatte. Während der Angeklagte später im Krankenhaus behandelt wurde, kam es zwischen ihm und [X.]
zu einem Telefongespräch, bei dem beide vereinbar-
ten, dass [X.]
sein Handy im Krankenhaus abholen solle. Als [X.]
im
Krankenhaus eingetroffen war und dort mitgeteilt hatte, dass er sich sein Handy geben lassen wolle, setzte der Pfleger, der dem Angeklagten gerade einen Verband angelegt hatte, diesen davon in Kenntnis. Der Angeklagte steckte [X.] in einem unbeobachteten Moment eine [X.] aus dem [X.] ein und verbarg sie unter seiner Jacke. Er hatte spätestens jetzt den Entschluss gefasst, [X.]
mit der [X.] anzugreifen, um sich für die zuvor
erlittenen Verletzungen und Demütigungen zu rächen.
Der Pfleger begleitete den Angeklagten sodann in Richtung Ausgang. Währenddessen verbarg der Angeklagte die [X.] weiterhin unter seiner
Jacke, weil der Pfleger nicht bemerken sollte, dass er die [X.] mitgenommen hatte, und weil [X.]
sich in Sicherheit wiegen sollte. Ihm war bewusst, dass
[X.]
nur sein Handy abholen wollte, auf dem Flur des Krankenhauses nicht
mit einem Angriff rechnete und deshalb zumindest nur eingeschränkt abwehr-bereit war; das wollte er ausnutzen.
Auf dem Flur ging der Angeklagte ruhigen Schrittes auf [X.]
zu. Als er
nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, zog er mit einer schnellen Be-wegung die [X.] unter der Jacke hervor und stach mehrmals kräftig mit der Spitze der geschlossenen [X.]nklingen auf Hals und Kopf von [X.]
ein.
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Dabei hielt er es für möglich, [X.]
tödlich zu verletzen, und nahm dies billi-
gend in Kauf. Nachdem [X.]
zunächst erfolglos versucht hatte, den Angriffen
auszuweichen, konnte er schließlich in einen Kopierraum flüchten und die Tür zu diesem schließen, ehe der Angeklagte ihm zu folgen vermochte. Da es dem Angeklagten nicht gelang, die Tür zu öffnen, und inzwischen ein Teil des Plas-tikgriffs der [X.] abgebrochen war, sah er seinen Angriff schließlich als ge-scheitert an. [X.]
hatte sich durch die Stiche mit der [X.] unter anderem
eine stark blutende Wunde am Hals zugezogen; er erlitt einen hohen Blutver-lust, eine Arterie war allerdings nicht getroffen
worden.
2. Der aus [X.] stammende Angeklagte, der über die sog. [X.] nach [X.] gelangt war, hatte sowohl in seinem Heimatland als auch auf dem Weg nach [X.] wiederholt "Gewalterfahrungen" [X.]. In [X.] war er von Kriminellen ausgeraubt und von Polizeibeamten mit Strom gefoltert worden; auf dem Weg über den [X.] hatten ihm bei-spielsweise in [X.] Mitglieder der [X.] Mafia unter Vorhalt von Waffen Geld und Kleidung weggenommen.
Die Einlassung des Angeklagten,
die [X.] lediglich zum Schutz mitge-nommen zu haben, weil er es für möglich gehalten habe, dass [X.]
ihn erneut
angreifen werde, und dann mit einem unvermittelten Angriff gerechnet zu ha-ben, als ihm [X.]
mit nach hinten gezogener Baseballkappe und mit den Hän-
den in den Taschen entgegen gekommen sei, weil dies im nordafrikanischen Raum ein Zeichen von Aggressivität sowie eines bevorstehenden Angriffs [X.] und auf einmal seine Gewalterfahrungen aus [X.] "wieder hochge-kommen" seien, hat die [X.] als widerlegt angesehen. Sie ist ferner davon ausgegangen, dass der Angeklagte zur Tatzeit uneingeschränkt schuld-fähig war; insbesondere habe sich kein tragfähiger Anhaltspunkt dafür ergeben, 6
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dass sich die von ihm geschilderten Gewalterfahrungen in der Tat manifestiert hätten.
[X.] Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch führt die Verfahrensrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Der Rüge liegt
folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigerin, ein [X.] Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsachen, dass der Angeklagte aufgrund seiner Gewalt-
und Angsterfahrungen in der Heimat
sowie auf dem Weg von [X.] nach [X.] zum Tatzeitpunkt unter einer akuten Belastungsstörung gelitten habe, dass er vor diesem Hinter-grund eine panische Angst vor einem lebensgefährlichen Angriff auf sich entwi-ckelt habe, als [X.]
auf dem [X.] mit den Händen in den Hosen-
taschen auf ihn zugekommen sei, dass es infolgedessen zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung in Form eines Affektsturms gekommen sei, dem aus psy-chiatrischer Sicht nicht entgegenstehe, dass der Angeklagte ruhigen Schrittes auf [X.]
zugegangen sei, und dass das Vorliegen der medizinischen Voraus-
setzungen einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB deshalb nicht auszuschließen sei. Die [X.] lehnte den Antrag mit der [X.] ab, dass der [X.] völlig ungeeignet sei (§ 244 Abs. 3 Satz 2 [X.]), weil es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Der Sachverständige müsste sein Gutachten nach Inhalt und Sinn des [X.] auf Tatsachen stützen, die das Gericht bereits als Beweisgrundlage aus-geschlossen habe. Das Vorliegen der akuten Belastungsstörung sowie [X.] Angst bzw. eines Affektsturms im Tatzeitpunkt werde unter Bezugnahme auf die Einlassung des Angeklagten zum Tathergang behauptet, welcher das 8
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[X.] bei vorläufiger Würdigung des Beweisergebnisses jedoch nicht folge. Insbesondere aus Videoaufnahmen vom [X.] und aus den Angaben des Pflegers ergebe sich vielmehr, dass der Angeklagte ruhigen Schrittes auf [X.]
zugegangen sei und keine Anzeichen eines panik-
oder
affektgesteuerten Verhaltens gezeigt habe.
Daraufhin wiederholte die Verteidigerin unter Schilderung einer Vielzahl von "Gewalterfahrungen" des Angeklagten im Einzelnen ihren Antrag auf Ein-holung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, insbesondere zum Beweis dafür, dass das auf den Videoaufnahmen erkennbare und von den Zeugen geschilderte "ruhige" Verhalten des Angeklagten aus psychiatrischer Sicht eine erhebliche Verminderung seiner Schuldfähigkeit aufgrund des be-haupteten psychischen Befundes nicht ausschließe. Die [X.] lehnte den Antrag wiederum wegen völliger Ungeeignetheit des [X.] (§ 244 Abs. 3 Satz 2 [X.]) ab und führte zur Begründung aus: Die in dem erneuten Antrag vorgebrachten Angaben des Angeklagten zu seinen Ge-walterfahrungen habe sie schon bei ihrer früheren Beschlussfassung in ihre vorläufige Beweiswürdigung einbezogen. Sie schließe nach wie vor aus, dass die Angsterfahrungen dem Angeklagten im Tatzeitpunkt gegenwärtig gewesen
seien und er einen Angriff von [X.]
erwartet habe.
2. Die in zulässiger Weise erhobene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]) Rüge ist begründet.
a) Das [X.] hat den auf Einholung eines psychiatrischen Sach-verständigengutachtens gerichteten Beweisantrag zu Unrecht wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 [X.]) abgelehnt. Die [X.] ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Sachverständi-ger als völlig ungeeignetes Beweismittel anzusehen ist, wenn es an den Grund-11
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lagen für eine Gutachtenerstattung mangelt, weil die erforderlichen Anknüp-fungstatsachen fehlen, auf denen die sachverständige Beurteilung aufbauen muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Sachverständige nach Inhalt oder Sinn des Beweisantrags auf Tatsachen stützen müsste, die das Gericht bereits als Beweisgrundlage ausgeschlossen hat (vgl. zu allem LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 238 mwN).
So verhielt es sich hier entgegen der Ansicht des [X.]s aber nicht. Als Anknüpfungstatsachen standen dem Sachverständigen einerseits die von dem Angeklagten geschilderten Gewalt-
und Angsterfahrungen sowie [X.] sein vor der Tatausführung an den Tag gelegtes ruhiges Verhalten zur Verfügung. Beides hatte die [X.] nicht als Beweisgrundlage aus-geschlossen. Die Angaben des Angeklagten zu seinen Gewalt-
und Angsterfah-rungen hat sie nicht für unglaubhaft erachtet, sondern ihren Feststellungen zu-grunde gelegt. Ebenso ist sie aufgrund von Videoaufnahmen und [X.] davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte ruhig und unauffällig ver-hielt, als er auf [X.]
zuging. Die [X.] hat daraus lediglich andere
Schlussfolgerungen gezogen als diejenigen, die mit dem Beweisantrag in das Wissen eines Sachverständigen gestellt worden
sind.
Der Sache nach hat die [X.] den Beweisantrag letztlich auf-grund von Erwägungen abgelehnt, die sie aufgrund eigener Sachkunde ange-stellt hat. Sie hat sich indes weder auf eigene Sachkunde berufen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 [X.]) noch belegt, dass sie über die erforderliche eigene Sachkunde verfügt.
b) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht der Straf-ausspruch.
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Der Schuldspruch bleibt von dem Rechtsfehler hingegen unberührt. [X.] ist auszuschließen, dass die von dem Angeklagten behauptete [X.] Beeinträchtigung seine Schuldfähigkeit hätte aufheben bzw. seinen Tötungsvorsatz oder sein Bewusstsein, die Arg-
und Wehrlosigkeit des [X.] auszunutzen, hätte in Frage stellen können.
[X.]
Gericke Spaniol
Tiemann Berg
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Meta
29.11.2017
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2017, Az. 3 StR 526/17 (REWIS RS 2017, 1600)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 1600
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 526/17 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Sachverständigengutachten als ungeeignetes Beweismittel
4 StR 392/20 (Bundesgerichtshof)
Beweisaufnahme im Strafverfahren: Fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen
81 Ss 62/06 (Oberlandesgericht Köln)
2 StR 509/16 (Bundesgerichtshof)
2 StR 509/16 (Bundesgerichtshof)
Beweisantrag auf Einholung eine Sachverständigengutachtens zur Lichtbildauswertung im Strafverfahren: Antragsablehnung unter Berufung auf eigene Sachkunde …