Bundessozialgericht, Urteil vom 28.09.2011, Az. B 5 RS 8/10 R

5. Senat | REWIS RS 2011, 2850

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. August 2010 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 26. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der [X.] vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 als [X.] der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ([X.]) sowie der während dieser [X.] erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur und den akademischen Grad Diplom-Ingenieur zu führen. Vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 war er beim [X.], [X.] Projektierung, tätig, zuletzt als Abteilungsleiter Elementeprojektierung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur [X.] der DDR nicht.

4

Seinen Antrag auf Feststellung von [X.] lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom [X.] und Widerspruchsbescheid vom 7.5.2003).

5

Während das [X.] die Klage mit Gerichtsbescheid vom [X.] abgewiesen hat, hat das [X.] die Beklagte mit Urteil vom [X.] verurteilt, die [X.] vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 als [X.] der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem [X.]raum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der Rechtsprechung des [X.] zu. Ein derartiger Anspruch setze voraus, dass die persönliche, sachliche und betriebliche Voraussetzung erfüllt sei, von denen hier allein die betriebliche im Streit stehe. Diese liege vor, wenn der Anspruchsteller am Stichtag 30.6.1990 eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe. Ersteres sei hier der Fall. Der konkrete Beschäftigungsbetrieb des [X.], der [X.] Projektierung, auf den abzustellen sei, sei zwar nicht mit der eigentlichen Bauwerkserrichtung betraut gewesen. Als Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens sei aber auch ein solcher [X.] zu qualifizieren, dessen Aufgabe elementarer Bestandteil - wenn auch vorgelagert - der eigentlichen Errichtung von Bauwerken im Großserienverfahren sei und bei unterbliebener Ausgliederung von den mit der Bauwerkserrichtung betrauten [X.]en in Eigenregie durchgeführt, also nicht typischerweise durch externe Auftragnehmer erbracht werde. Der Beschäftigungsbetrieb des [X.] habe Planungsaufgaben in so engem Zusammenhang mit der eigentlichen Bauwerkserrichtung erfüllt, dass sie als deren elementarer Bestandteil anzusehen seien.

6

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß insbesondere eine Verletzung des § 1 Abs 1 [X.] und eine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das [X.] habe zu Unrecht das Vorliegen der sog betrieblichen Voraussetzung bejaht. Das Berufungsgericht verkenne, dass für die Prüfung dieser Voraussetzung ausschließlich auf den Hauptzweck desjenigen Betriebs abzustellen sei, mit dem der Versicherte in einem Arbeitsrechtsverhältnis gestanden habe und nicht auf das wirtschaftsleitende Organ (Kombinat). Der Arbeitgeber des [X.], der [X.] Projektierung, habe keine eigene Bauleistung erbracht. Mit seinen Überlegungen ua arbeitsorganisatorischer Art entwickele das [X.] eine Sichtweise, die nicht mit dem oberstgerichtlichen Grundsatz in Einklang stehe, wonach Betriebe des Bauwesens nur solche seien, die Bauleistungen mit den eigenen betrieblichen, personellen und materiellen Ressourcen unmittelbar selbst erbringen würden.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 26. August 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 26. Februar 2007 zurückzuweisen.

8

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 [X.] 2, [X.] 3 Satz 1 und [X.] 4 [X.] aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des [X.] (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - [X.]) vom [X.] ([X.] 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 19.12.2007, [X.] 3024) in Betracht. Nach § 8 [X.] 3 Satz 1 [X.] hat die Beklagte als Versorgungsträger für die [X.] der Anlage 1 bis 27 (§ 8 [X.] 4 Nr 1 [X.]) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach [X.] 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl [X.]-8570 § 1 [X.]): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die [X.] sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 [X.]).

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das [X.] anwendbar ist ([X.]-8570 § 1 [X.] und [X.]). Den Anwendungsbereich des [X.], das am [X.] in [X.] getreten ist (Art 42 [X.] 8 des [X.] in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom [X.], [X.] 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 [X.] 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der [X.] und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 [X.] 3 [X.]V) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das [X.] auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

Der Kläger ist vom persönlichen Anwendungsbereich des [X.] nicht erfasst. Er hat weder einen "Anspruch" iS von § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO inne und hatte am [X.] aus bundesrechtlicher Sicht auch keine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur [X.] "erworbene" Anwartschaft.

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 [X.] anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der [X.], in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw [X.] ([X.]) erfüllt sind ([X.]-8570 § 1 [X.] und [X.] S 54).

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am [X.] kein [X.] (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 [X.] 1 Satz 2 [X.] eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem [X.], weil der Kläger in der [X.] nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu [X.]-8570 § 1 [X.] und [X.] f; [X.] 4-8570 § 1 [X.] RdNr 8 f).

B. Der Kläger hat auch nicht "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] erworben. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des [X.] (vgl [X.] 3-8570 § 1 [X.]) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom [X.] (vgl nur [X.], 160 = [X.] 4-8570 § 1 [X.]) ausdrücklich fortgeführt.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am [X.] geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H [X.]chn [X.] des Vertrags zwischen der [X.] und der [X.] über die Herstellung der Einheit [X.] vom 31.8.1990 ([X.]I 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-[X.]) vom 17.8.1950 ([X.]) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung ([X.]) vom [X.] (GBl [X.]), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

Nach § 1 VO-[X.] und der dazu ergangenen [X.] hängt das Bestehen einer fingierten [X.] von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl [X.]-8570 § 1 [X.], [X.], [X.] f, [X.] S 60; [X.] 4-8570 § 1 [X.]), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 [X.] 1 [X.]) oder in einem durch § 1 [X.] 2 [X.] gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Feststellungen zum Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzung hat das [X.] nicht getroffen. Eine Zurückverweisung der Sache insoweit ist indes nicht erforderlich, da der Kläger jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt.

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers am Stichtag 30.6.1990 war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Die Auffassung des [X.], unter einem Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens sei auch ein solcher [X.] zu verstehen, dessen Aufgabe elementarer Bestandteil - wenn auch vorgelagert - der eigentlichen Errichtung von Bauwerken im Großserienverfahren sei und bei unterbliebener Ausgliederung von den mit der Bauwerkserrichtung betrauten [X.]en in Eigenregie durchgeführt, also nicht typischerweise durch externe Auftragnehmer erbracht werde, steht mit der ständigen Rechtsprechung des [X.] nicht in Einklang. Zuletzt hat der erkennende Senat in mehreren am 19.7.2011 verkündeten Urteilen ([X.] RS 7/10 R, zur Veröffentlichung in [X.]E und [X.] vorgesehen) nochmals betont, dass nur solche Betriebe erfasst sind, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion - und nicht bloße Vorbereitungshandlungen - das Gepräge gibt. Dies kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vorliegend nicht bejaht werden.

Ebenso wenig hat es sich nach den Feststellungen des [X.] bei dem [X.] Projektierung des [X.] um einen gleichgestellten Betrieb iS von § 1 [X.] 2 [X.] gehandelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.] 1 und 4 SGG.

Meta

B 5 RS 8/10 R

28.09.2011

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: RS

vorgehend SG Cottbus, 26. Februar 2007, Az: S 8 R 533/03, Gerichtsbescheid

§ 1 Abs 1 S 1 AAÜG, § 1 Abs 1 S 2 AAÜG, § 8 Abs 2 AAÜG, § 8 Abs 3 S 1 AAÜG, § 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG, § 1 ZAVtIV, § 1 Abs 1 ZAVtIVDBest 2, § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2, Anlage II Kap VIII H EinigVtr, Anlage II Kap VIII H III Nr 9 EinigVtr

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.09.2011, Az. B 5 RS 8/10 R (REWIS RS 2011, 2850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2850

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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