3. Senat | REWIS RS 2015, 15976
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(Kindergeld: Keine Sperrwirkung hinsichtlich Anwendung der §§ 62ff. EStG aufgrund Zuständigkeitszuweisung nach Art 14 Nr. 1 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1408/71 an anderen EU-Mitgliedstaat)
NV: Die Anwendung der §§ 62ff. EStG wird für einen nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a VO Nr. 1408/71 die Rechtsvorschriften des den Arbeitnehmer entsendenden EU-Mitgliedstaats für anwendbar erklärt werden .
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2009 10 K 1293/08 Kg insoweit aufgehoben, als es den Kindergeldanspruch für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2007 betrifft.
Die Sache wird insoweit an das [X.] zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist [X.] Staatsangehöriger. Er lebte im Streitzeitraum (April 2007 bis Juni 2007) mit seiner Ehefrau und seinen drei in diesem Zeitraum noch minderjährigen Kindern in [X.].
Der Kläger war bei einem Arbeitgeber mit Sitz in [X.] nichtselbständig beschäftigt. Ausweislich einer von diesem Unternehmen erstellten Bescheinigung war er u.a. vom 6. April 2007 bis 1. Juni 2007 in [X.] beschäftigt. Laut der vorgelegten Arbeitgeberbescheinigung bestand in diesem Zeitraum wegen einer in [X.] bestehenden Sozialversicherungspflicht kein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) lehnte den Antrag des [X.], ihm u.a. für den Streitzeitraum Kindergeld für seine drei Kinder zu gewähren, mit Bescheid vom 6. Februar 2008 und Einspruchsentscheidung vom 13. März 2008 ab. Zur Begründung verwies die Familienkasse im Wesentlichen darauf, dass der Kläger in [X.] sozialversichert gewesen sei und deshalb [X.] Kindergeldvorschriften keine Anwendung fänden.
Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ([X.]) als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass der Kläger nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung ausschließlich den [X.] Rechtsvorschriften unterfalle.
Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, das angefochtene [X.]-Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 6. Februar 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. März 2008 insoweit aufzuheben, als sie den streitgegenständlichen Zeitraum betreffen und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für seine drei Kinder für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2007 in Höhe von insgesamt 1.386 € festzusetzen.
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Familienkasse … der [X.] ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der [X.] Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der [X.], Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der [X.] - … - eingetreten (s. dazu Beschluss des [X.] vom 3. März 2011 V B 17/10, [X.], 1105, Rz 5). Das Rubrum wurde entsprechend angepasst.
III. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) insoweit zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, als das [X.] über den Anspruch auf Kindergeld für die drei Kinder des [X.] für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2007 entschieden hat.
1. Zu Unrecht ist das [X.] davon ausgegangen, dass ein Kindergeldanspruch des [X.] in jedem Fall deshalb ausgeschlossen sei, weil nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a VO Nr. 1408/71 ausschließlich [X.] Recht zur Anwendung komme.
Wie der Senat im [X.] an die Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] (Urteil [X.], [X.]/06, [X.]:C:2008:290, sowie Urteil [X.] und [X.], [X.]/10 und [X.]/10, [X.]:[X.]) entschieden hat, entfalten die Zuständigkeitsregelungen der Art. 13 ff. VO Nr. 1408/71 keine Sperrwirkung gegenüber der Anwendung des nationalen Rechts (s. im Einzelnen z.B. Senatsurteile vom 16. Mai 2013 III R 8/11, [X.], 511, [X.], 1040, Rz 12 ff.; vom 14. November 2013 III R 12/11, [X.], 506, Rz 12 ff., und vom 13. November 2014 III R 18/14, [X.], 331, Rz 13). Ein Kindergeldanspruch nach §§ 62 f. des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann daher --entgegen der Auffassung des [X.]-- auch im Falle einer durch Art. 14 Nr. 1 Buchst. a VO Nr. 1408/71 begründeten Anwendbarkeit [X.] Rechts entstehen.
2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das [X.] hat --aus seiner Sicht zu [X.] keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 62 f. EStG erfüllt hat.
a) Nach § 62 Abs. 1 EStG hat für Kinder i.S. des § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld u.a., wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 1) oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (Nr. 2 Buchst. b).
Hinsichtlich der insoweit im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen wird insbesondere auf die Ausführungen in den [X.] vom 24. Mai 2012 III R 14/10 ([X.], 239, [X.], 897, Rz 10 ff.), in [X.], 511, [X.], 1040, Rz 21 ff.) und vom 18. Dezember 2013 III R 44/12 ([X.], 344, [X.], 143, Rz 8 zum Fall eines Zweitwohnsitzes) verwiesen.
b) Sollte sich danach ergeben, dass der Kläger im Streitzeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 62 f. EStG erfüllt hat, wäre zu prüfen, wie das Konkurrenzverhältnis zu etwaigen dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen in [X.] aufzulösen ist.
aa) Insoweit verweist der Senat darauf, dass das Konkurrenz-verhältnis nach nationalem Recht zu lösen ist, wenn [X.] nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. VO Nr. 1408/71 der nicht zuständige Mitgliedstaat und auch nicht der Wohnmitgliedstaat des betreffenden Kindes ist (s. im Einzelnen Senatsurteil in [X.], 511, [X.], 1040, Rz 28).
bb) Im Falle der Anwendbarkeit des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wäre das [X.] im Grundsatz verpflichtet, eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob für ein Kind ein Anspruch auf Gewährung von dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen nach ausländischem Recht besteht (s. im Einzelnen Senatsurteile vom 13. Juni 2013 III R 63/11, [X.], 34, [X.] 2014, 711, Rz 17 ff., und vom 13. Juni 2013 III R 10/11, [X.], 562, [X.] 2014, 706, Rz 20 ff.).
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.
Meta
05.02.2015
Urteil
vorgehend FG Düsseldorf, 17. Februar 2009, Az: 10 K 1293/08 Kg, Urteil
§ 62ff EStG 2002, Art 14 Nr 1 Buchst a EWGV 1408/71, § 62 EStG 2002, EStG VZ 2007
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.02.2015, Az. III R 29/14 (REWIS RS 2015, 15976)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 15976
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
(Kindergeld: Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Art. 13 ff. der VO (EWG) Nr. 1408/71)
Kindergeld für einen polnischen selbständig Erwerbstätigen - Voraussetzungen einer Zurückverweisung wegen Änderungsbescheid im Revisionsverfahren
Kindergeld für einen polnischen Saisonarbeitnehmer
Kindergeld für einen aus Polen nach Deutschland entsandten Saisonarbeitnehmer
(Differenzkindergeld für einen vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 erfassten Selbständigen bei Gewährung …
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