Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.02.2011, Az. 35 W (pat) 8/09

35. Senat | REWIS RS 2011, 9744

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Gegenstand

Gebrauchsmusterlöschungsverfahren – Beschwerde gegen Kostenauferlegung – zu den Voraussetzungen des sofortigen Anerkenntnisses und der Darlegungslast


Tenor

In der Kostenbeschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 203 14 518

(hier: Beschwerde gegen Kostenauferlegung)

hat der 35. Senat ([X.]) des [X.] am 7. Februar 2011 durch den Vorsitzenden [X.] sowie [X.] und Eisenrauch

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner war Inhaber des am 19. September 2003 angemeldeten und am 28. Oktober 2004 eingetragenen Gebrauchsmusters 203 14 518 mit der Bezeichnung „Vorrichtung zur Reduzierung der physikalischen Transportwege beim Transport von mit Hilfe von Transportbehältnissen transportierten Gegenständen“, das die Antragstellerin mit einem am 22. Dezember 2007 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Löschungsantrag angegriffen hatte.

2

Der Antragsgegner, dem der Löschungsantrag am 15. Februar 2008 zugestellt worden war, hat diesem nicht widersprochen, sondern mit einer Eingabe vom 10. März 2008 gegenüber dem [X.] erklärt, dass im Register die Löschung des Gebrauchsmusters vermerkt werden solle. Mit derselben Eingabe hat er beantragt, der Antragstellerin die Kosten des [X.] aufzuerlegen. Er ist der Auffassung, dass er der Antragstellerin keine Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben habe. Die Löschung sei von der Antragstellerin beantragt worden, obwohl kurz zuvor zwischen den Verfahrensbeteiligten noch ein Gespräch für Anfang Januar 2008 vereinbart worden sei, das zur Klärung der Angelegenheit hätte dienen sollen. Die Antragstellerin ist diesen Ausführungen entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, dass eine an den Antragsgegner gerichtete Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe seines Gebrauchsmusters entbehrlich gewesen sei. Es sei zu befürchten gewesen, dass der Antragsgegner aus seinem löschungsreifen Gebrauchsmuster gegen die Antragstellerin vorgehen und diese hierdurch in eine existenzbedrohende Situation bringen würde. Der Antragsgegner habe in mehreren Telefongesprächen, die zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Antragstellerin geführt worden seien, von denen eines am 12. Dezember 2007 stattgefunden habe, die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung angedroht. Eine gesonderte [X.] sei unter diesen Umständen der Antragstellerin nicht mehr zumutbar gewesen; eine solche Aufforderung hätte vermutlich die Einleitung eines Verfügungsverfahrens durch den Antragsgegner nur beschleunigt.

3

Mit Beschluss vom 17. November 2008 hat die [X.] des [X.] unter Anwendung von § 93 ZPO der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Anhand der schriftlichen Verständigung, dass noch im Januar 2008 klärende Gespräche hätten stattfinden sollen, habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Einreichung des Löschungsantrags am 22. Dezember 2007 nicht von einer sicheren Erfolglosigkeit einer [X.] ausgegangen werden können.

4

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie weiterhin die vollständige Kostenauferlegung auf den Antragsgegner anstrebt. Zur Begründung trägt die Antragstellerin ergänzend vor, dass sie sich angesichts der vom Antragsgegner telefonisch ausgesprochenen Drohungen, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen sie zu ergreifen, nicht habe darauf verlassen können, dass der Antragsgegner von einem Eilrechtsschutz zu Gunsten eines persönlichen Gesprächs mit der Antragstellerin Abstand nehmen würde. Etwas anderes sei auch nicht einem Schreiben der Vertreter des Antragsgegners vom 18. Dezember 2007 zu entnehmen gewesen, das nur die vage Aussage enthalten habe, dass die Vertreter für „Anfang Januar 2008 weitere Instruktionen“ ihres Mandanten erwarten würden.

5

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

6

den Beschluss der [X.] des [X.] vom 17. November 2008 aufzuheben und dem Antragsgegner die Kosten des [X.] aufzuerlegen.

7

Der Antragsgegner beantragt,

8

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

9

Der Antragsgegner verweist hierzu im Wesentlichen auf seinen vor dem [X.] gemachten schriftsätzlichen Vortrag. Er betont nochmals, dass er zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Antragstellerin Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes angedroht habe und daher für die Antragstellerin - auch aus deren Sicht - keine schutzbedürftige Situation entstanden gewesen sei.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat die zuständige Gebrauchsmusterabteilung des [X.] entschieden, dass die Antragstellerin gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 [X.] [X.] m. § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] und § 93 ZPO die Kosten des [X.] zu tragen hat.

a) Wie die Abteilung zutreffend berücksichtigt hat, gilt im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren für die Kostenentscheidung neben dem [X.], das in § 91 ZPO festgeschrieben ist, auch die Regelung des § 93 ZPO, wonach bei sofortigem Anerkenntnis in der Regel die Kosten dem Kläger (hier: Löschungsantragstellerin) aufzuerlegen sind, sofern dieser durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klage (hier: Stellung des Löschungsantrags) gegeben hat. Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner nach Erhalt des Löschungsantrags diesem innerhalb der Widerspruchsfrist nicht widersprochen und damit - auch für die Vergangenheit - auf das Streitgebrauchsmuster verzichtet, was einem sofortigen Anerkenntnis gleichkommt (vgl. [X.], [X.], 7. Aufl., § 17 Rn. 60, 62; [X.], [X.], 10. Aufl., Rn. 21a, 24 zu § 17 [X.]). Damit ist die erste Voraussetzung für einen Kostenausspruch nach § 93 ZPO erfüllt.

b) [X.]) Zusätzlich müsste die Antragstellerin, um Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gehabt zu haben und so die Rechtsfolge des § 93 ZPO zu vermeiden, den Antragsgegner vor Stellung des Löschungsantrags grundsätzlich vergeblich unter Nennung der Gründe, die einen Löschungsanspruch rechtfertigen könnten, sowie und mit ausreichender Fristsetzung schriftlich zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters aufgefordert haben, d. h. es müsste eine ernstliche und unbedingte [X.] mit Androhung eines Löschungsantrags an den Antragsgegner fruchtlos geblieben sein (vgl. [X.], a. a. [X.], § 17 Rn. 67 ff.; [X.], a. a. [X.], Rn. 21a, 22 zu § 17 [X.]). Diese Voraussetzung ist hier unstreitig nicht gegeben.

bb) Ausnahmsweise war vorliegend entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters auch nicht entbehrlich, da nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass sich der Antragsgegner einer [X.] widersetzt hätte. An die Darlegung der voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer [X.] sind strenge Anforderungen zu stellen ([X.], a. a. [X.], § 17 Rn. 84), so dass [X.] von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer Löschungsandrohung dann noch nicht auszugehen ist, wenn der Gebrauchsmusterinhaber lediglich eine Verwarnung, d.h. ein ernsthaftes und endgültiges Begehren auf Unterlassung der Benutzung des [X.] ausgesprochen hat (vgl. Busse/Keukenschrijver, [X.], 6. Aufl., Rn. 49 zu § 17 [X.]) oder wenn der Gebrauchsmusterinhaber eine Verletzungsklage lediglich angedroht wurde (B[X.]E 22, 57, 60; [X.], a. a. [X.], Rn. 85; [X.], a. a. [X.], Rn. 23 zu § 17 [X.]; vgl. für das Patentnichtigkeitsverfahren: B[X.] GRUR-RR 2009, 325, 326).

Der Antragstellerin ist zwar insoweit zu folgen, als nach h. M. eine [X.] wohl dann entbehrlich sein kann, wenn der Antragsgegner ein Verfügungsverfahren angedroht hat ([X.] a. a. [X.], Rn. 84; B[X.]E 2, 211, 213; 22, 285, 289 f.); ihr Vortrag ist aber nicht geeignet, den Erfolg ihrer Beschwerde herbeizuführen.

Der Antragsgegner durfte sich zunächst mit dem schlichten Bestreiten, dass er Maßnahmen des Eilrechtsschutzes angedroht habe, begnügen (vgl. [X.], NJW-RR 1996, 62 - „Darlegungs- und Beweislast bei der Kostenbeschwerde“). Die Antragstellerin steht dagegen insoweit in der Pflicht, als einem Beklagten/Antragsgegner, der - wie hier - eine ihm nach § 93 ZPO günstige „negative Tatsache“ darzulegen hat, nur eine eingeschränkte Darlegungslast trifft (vgl. [X.], a. a. [X.]; [X.], [X.], 1314 (Leitsatz); [X.], 629, 630; [X.], a. a. [X.], Rn. 84). Die von ihr behauptete Androhung hat die Antragstellerin aber weder substantiiert vorgetragen noch hinreichend belegt und damit ihrer (sekundären) Darlegungslast nicht genügt. Dass vorliegend Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner zeitnah zu befürchten gewesen wären, ergibt sich nicht aus der zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin vom 18. April 2008. Nach deren Wortlaut sollte eine Absicht des Antragsgegners zu rechtlichen Schritten nur für den Fall bestanden haben, dass es zwischen ihm und der Antragstellerin „nicht zu einer Lizenzvereinbarung zur entgeltlichen Nutzung des Gebrauchsmusters … kommen“ würde. Durch die eidesstattliche Versicherung wird damit eher die Darstellung des Antragsgegners gestützt, wonach zwischen den Verfahrensbeteiligten eine telefonisch getroffene Verabredung zu einem persönlichen Treffen Anfang Januar 2008 zustande gekommen sei und man sich (jedenfalls) im Dezember 2007 noch im Stadium gegenseitiger Verhandlungsbereitschaft befunden habe.

Gegen die Darstellung der Antragstellerin, dass aus ihrer Sicht bereits im Dezember 2007 vom Antragsgegner die Einleitung eines Verfügungsverfahren zu befürchten gewesen sei, spricht darüber hinaus der im patentamtlichen Verfahren vorgelegte Schriftwechsel, der zwischen der Verfahrensbeteiligten im [X.] an die Berechtigungsanfrage des Antragsgegners vom 6. Dezember 2007 unstreitig geführt worden war. Auch das Antwortschreiben des Geschäftsführers der Antragstellerin vom 17. Dezember 2007 (vorgelegt in Kopie als Anlage „[X.]“ zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 16. Juni 2008) liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten - was nach dem streitigen Vortrag der Antragstellerin allerdings zu erwarten gewesen wäre - über etwaige Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gesprochen worden war. Auch dort wird nur erwähnt, dass man sich zu einem persönlichen Treffen Anfang Januar 2008 verabredet habe.

Nach dem Sachverhalt, der hier als unstreitig zu Grunde zu legen ist, kommt man damit letztlich zu dem Ergebnis, das eine an den Antragsgegner gerichtete [X.] nicht als von vornherein erfolglos erschien und die [X.] im Sinne von § 93 ZPO ihren Löschungsantrag deshalb ohne Veranlassung durch den Antragsgegner gestellt hatte.

2. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat als Unterlegene die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 84 Abs. 2 [X.], § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Meta

35 W (pat) 8/09

07.02.2011

Bundespatentgericht 35. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 93 ZPO § 91 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.02.2011, Az. 35 W (pat) 8/09 (REWIS RS 2011, 9744)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9744

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