Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2006, Az. 2 StR 104/06

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 1160

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 104/06 vom 25. Oktober 2006 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhandlun-gen vom 18. Oktober und 25. Oktober 2006, an denen teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] [X.] und [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, Oberst[X.]tsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte in der Hauptverhandlung vom 18. Oktober 2006, [X.]in der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2006 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2005 wird auf seine Kosten verworfen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer [X.] Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung der rechtskräftigen Einzelstrafen aus dem Urteil des Land-gerichts [X.] vom 11. November 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Ent-ziehungsanstalt angeordnet. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklag-ten mit der Sachrüge und einer Verfahrensrüge. 1 Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Soweit die Revision die Sachrüge erhebt, ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 20. März 2006 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die zeitlich nach der Antragsschrift des [X.] erhobenen Einwendungen gegen die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zeigen keinen Rechtsfehler des Urteils auf. [X.] Erörterung bedarf lediglich die Rü-ge der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO). 2 - 4 - 1. Die 2. große Strafkammer des [X.]s [X.] hatte den Ange-klagten am 11. November 2004 wegen erpresserischen Menschenraubs in [X.] mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Kör-perverletzung in zwei Fällen sowie wegen weiterer Taten zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 8. April 2005 das Urteil im Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs, im [X.] und soweit eine Maßregel nach § 64 StGB nicht angeordnet worden war, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen. 3 Nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.]s [X.] vom 13. Dezember 2004 für das Geschäftsjahr 2005 war für aufgehobene und zu-rückverwiesene Schwurgerichtssachen und Strafsachen der [X.] die [X.] zuständig. Durch nicht begründeten Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 wurde die Zuständigkeit für zurückverwiesene Strafsachen auf die [X.] übertragen, auch für [X.] vor dem 1. August 2005, soweit noch kein Hauptverhandlungstermin bestimmt worden war. Mit Schriftsatz vom 2. November 2005 übersandte der Verteidiger des Angeklagten der [X.] den Entwurf einer [X.], der u. a. der [X.] vom 27. Juli 2005 und ein Auszug aus dem [X.] betreffend die [X.] beigefügt waren. [X.] wurde, dass der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 keine Begründung für die Umvertei-lung enthalte, dass es sich um eine unzulässige Einzelzuweisung handele und dass die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 [X.] nicht vorgelegen hätten. Als Hintergrund für die Übertragung wurde in dem Entwurf einer [X.] mitgeteilt, dass man nach Auskunft des Vorsitzenden der [X.] zu Beginn des Geschäftsjahres vergessen hätte, der [X.] für aufgeho-bene Strafsachen der [X.] Schöffen zuzulosen. Dies sei dem [X.] - 5 - zenden erst bei der Bearbeitung der ersten zurückverwiesenen Sache aufgefal-len. In diesem Fall hätten nach Auffassung der Verteidigung gemäß § 46 [X.] Schöffen aus der [X.] ausgelost werden müssen. Mit Beschluss vom 17. November 2005, der Verteidigung am selben Ta-ge übersandt, begründete das Präsidium die Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich. In der Hauptverhandlung vom 24. November 2005 vor der [X.] erhob der Verteidiger sodann die im Schriftsatz vom 22. No-vember 2005 formulierte [X.]. 5 2. Die auf § 338 Nr. 1 StPO gestützte Rüge, das Gericht sei mit den in der [X.] mitgeteilten Gerichtspersonen der [X.] nicht vorschriftsmäßig besetzt, hat keinen Erfolg. Die Rüge ist präkludiert, weil der Angeklagte den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung in der [X.] nicht in der vorgeschriebenen Form gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO erhoben hat. 6 a) Die Zulässigkeit einer [X.] setzt voraus (§ 338 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), dass der [X.] bereits in der Hauptverhandlung vor dem [X.] "rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht worden ist". Die Vorschrift des § 338 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nimmt damit Bezug auf § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO, der bestimmt, dass die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingeführten Rügepräklu-sionsvorschriften der §§ 338 Nr. 1, 222 b Abs. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass [X.] bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines [X.]s im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge 7 - 6 - die gesamte Hauptverhandlung [X.] mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten [X.] wiederholt werden muss (BT-Drucks. 8/976 S. 24 ff.). Deshalb müssen alle Beanstandungen gleichzeitig gel-tend gemacht werden (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht statthaft ([X.] 49. Aufl. § 222 b Rdn. 7; [X.] in [X.]. § 222 b Rdn. 7; [X.] in [X.]. § 222 b Rdn. 18). Diese Grundsätze gelten auch bei evidenten Besetzungsmängeln, die allen Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar oder sogar bekannt sind. Auch in diesen Fällen sind deshalb alle konkreten Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Besetzung ergeben soll, zur Erhaltung der Besetzungs-rüge im Einzelnen vorzubringen. Die Rechtsprechung stellt mit Blick auf den Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers hohe Anforderun-gen an den Inhalt des [X.]s. Die Begründungsanforderungen an den [X.] entsprechen weitgehend den Rügevoraussetzun-gen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (BGHSt 44, 161, 162; BT-Drucks. 8/976 S. 47). Fehlt die erforderliche umfassende Begründung, insbesondere ein hinrei-chend substantiierter Tatsachenvortrag, so ist der [X.] nicht in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht, mithin nicht zulässig erhoben worden. b) In der Hauptverhandlung vor der [X.] wurde als Beset-zungseinwand der Schriftsatz vom 22. November 2005 verlesen, wie von der Revision vorgetragen und vom Protokoll belegt wird; darüber hinaus wurden keine Einwendungen mündlich vorgetragen und auch nicht auf sonstige Schrift-stücke oder Aktenbestandteile (mündlich) Bezug genommen. 8 Die Ausführungen des Schriftsatzes vom 22. November 2005 genügen den Anforderungen an einen formgerechten [X.] nicht. Aus ih-nen wird schon nicht deutlich, unter welchem rechtlichen Aspekt die [X.] - 7 - gung der Zuständigkeit für zurückverwiesene allgemeine Strafsachen von der [X.] auf die [X.] beanstandet werden soll, und welche Tatsachen dem zugrunde liegen. Die Verteidigung behauptet darin nur, diese Übertragung der Zuständigkeit auf eine andere Strafkammer sei von § 21 e Abs. 3 [X.] nicht erfasst, trägt aber keine Tatsachen dafür vor, um welche Fallgestaltung es sich hier handelt. [X.]) In der kurzen Schilderung des [X.] wird zwar durch kursives Schriftbild hervorgehoben, dass der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 keine weitere Begründung für die Übertragung der Zuständigkeit enthalte, ferner wird mitgeteilt, dass die Übertragung auch für [X.] vor dem 1. August 2005 gelten solle. Ob damit (auch) die fehlende Begründung und eine rechtsfehlerhafte Einzelzuweisung gerügt werden sollen, bleibt aber unklar, nachdem in dem Schriftsatz weiter geschildert wird, dass das Präsidium mit Beschluss vom 17. November 2005 eine Begründung nachgeholt habe, die a-ber die Änderung der Geschäftsverteilung nicht rechtfertige. Dass das Nachho-len einer Begründung unzulässig sei, wird nicht geltend gemacht. Dass von der Übertragung lediglich eine einzige Sache [X.] die vorliegende [X.] betroffen war, wird nicht dargelegt. In dem zuvor der [X.] übersandten Entwurf einer [X.] hatte der Verteidiger die Besetzung hingegen ausdrücklich auch unter diesen beiden Aspekten gerügt und näher erläutert. 10 [X.]) In dem Schriftsatz vom 22. November 2005 wird der Inhalt des [X.] vom 17. November 2005 zudem nur auszugsweise wie folgt mitgeteilt: "– der Vorsitzende der [X.] habe sich an einem Vorgehen nach § 46 [X.] mangels Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke im Hinblick auf die Möglichkeit der Änderung der Geschäftsverteilung gehindert gesehen. Dieser Ansicht habe sich das Präsidium angeschlossen." Dazu äußert die Verteidigung in dem [X.] die Auffassung, dass diese [X.] - 8 - gründung die Änderung der Geschäftsverteilung nicht rechtfertige, da ein Grund nach § 21 e Abs. 3 [X.] nicht vorliege und der Katalog des § 21 e Abs. 3 [X.] abschließend sei. Diese Beanstandung ist für sich allein gesehen nicht verständlich, ihr Rügeinhalt erschließt sich nur demjenigen, der die vorangegangenen Verfah-rensvorgänge, insbesondere den "Entwurf" einer [X.] vom 2. No-vember 2005 und den Präsidiumsbeschluss vom 17. November 2005 kennt. In dem [X.] wird lediglich vorgetragen, dass das Gesetz in § 46 [X.] eine Regelung zur Behandlung "des vorliegenden Problems" enthalte, ohne dieses "Problem" näher darzulegen. Die im Präsidiumsbeschluss geschil-derten Hintergründe für die Zuständigkeitsübertragung [X.] dass für die [X.] keine Schöffen gewählt seien für die Verhandlung zurückver-wiesener allgemeiner Strafsachen der [X.] [X.] teilt die Verteidigung mit dem [X.] nicht mehr mit, ebenso wenig den mit dem "[X.]" der [X.] zunächst vorgelegten Auszug aus dem [X.] betreffend die [X.], der auch Angaben zu deren sonstigen Zuständigkeiten und ihren Sitzungstagen enthält. Es kann [X.] bleiben, ob insoweit eine Bezugnahme auf Unterlagen bei den Strafakten der Kammer ausreichen würde (vgl. BGHSt 44, 161, 163), denn eine solche Bezugnahme wird von der Revision nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 22. November 2005. Auch das Protokoll enthält hierzu keine Angaben. 12 Dem tatsächlich erhobenen [X.] mangelt es mithin an dem erforderlichen umfassenden und substantiierten Tatsachenvortrag. Ohne Kenntnis von den zugrundeliegenden tatsächlichen Umständen und den rechtli-chen Erwägungen des Präsidiums für die Übertragung der Zuständigkeit von der einen auf die andere Strafkammer lässt sich nicht beurteilen, ob zum Zeit-13 - 9 - punkt des [X.] die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 [X.] vorlagen und die Strafkammer den [X.] zu Recht zurückgewie-sen hat oder ob die (tatsächlichen oder vermeintlichen) Besetzungsmängel der [X.] rechtlich anders hätten gelöst werden können oder müssen. Rissing-van S[X.]n [X.] [X.] [X.] Roggenbuck

Meta

2 StR 104/06

25.10.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2006, Az. 2 StR 104/06 (REWIS RS 2006, 1160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1160

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