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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2017:200317UANWZ.BRFG.46.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
AnwZ (Brfg) 46/15
Verkündet am:
20. März 2017
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Akteneinsicht in Vorstandsprotokolle
einer Rechtsanwaltskammer
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.]§§ 4, 7 Abs. 1; [X.]§ 76
a)
Wird gemäß § 4 Abs. 1 des [X.]([X.]NRW) Einsicht in die Protokolle von Sitzungen des Vorstands einer [X.]begehrt, entfällt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 IFG [X.]die Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer nach § 76 BRAO.
b)
Der im Hinblick auf die Protokolle der Vorstandssitzungen einer Rechtsanwaltskammer geltend gemachte Anspruch auf Informationszugang ist gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 IFG [X.]auf den Zugang zu den protokollierten [X.]und [X.]beschränkt. Er umfasst nicht den Zugang zu
den in den Protokollen dokumentierten Wort-
und Diskussionsbeiträgen der Sitzungsteilnehmer, das heißt zum Beratungsverlauf im engeren Sinne.
c)
Die Versagung von Akteneinsicht gemäß § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 5 IFG [X.]unter dem Gesichtspunkt eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands kommt nur als [X.]ratio in Betracht. Insofern ist ein strenger Maßstab anzulegen.
BGH, Urteil vom 20. März 2017 -
AnwZ (Brfg) 46/15 -
[X.]Nordrhein-Westfalen
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche [X.]vom 20. März
2017
durch die
Präsidentin
des Bundesgerichtshofs
Limperg, die
Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Remmert
sowie
den
Rechts-anwalt
Dr. [X.]und die Rechtsanwältin Merk
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des [X.]wird das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des [X.][X.]vom 29. Mai 2015 (1 [X.]14/15) teilweise abgeändert
und wie folgt neu ge-fasst:
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die Protokolle der Sitzungen ihres [X.]und ihrer Ausbildungsabteilung in der [X.]vom 1. Januar 2007 bis zum
20. März
2017
zu gewähren, soweit darin Beratungs-gegenstände und -ergebnisse wiedergegeben werden, keine personenbezogenen Daten offenbart werden
und entsprechende Auszüge
aus den Protokollen dem Kläger noch nicht erteilt worden sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des [X.]wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert für das
Berufungsverfahrefestgesetzt.
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Tatbestand:
Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. In den Jahren 2008 bis 2013 bildete er in seiner [X.]drei Rechtsanwaltsfachangestellte aus. Die beiden zuletzt eingegangenen [X.]waren [X.]gemäß § 10 Abs. 5 BBiG, die im Rahmen des sogenannten [X.]auf der Grundlage von Bescheiden der [X.]K.
Zuvor hatte die [X.]jeweils in einer "Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer zum Antrag des Ausbildungsverbundes"
bescheinigt, dass der Kläger nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln könne. Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 nahm
die [X.]K.
die Zuwendungsbescheide zurück mit der Begründung, der Kläger habe unrichtige Stellungnahmen der [X.]zum [X.]vorgelegt, da er seit dem [X.]bereits eine Auszubildende selbstän-dig ausgebildet habe. Zugleich forderte sie den Kläger zur Rückzahlung
der Förderbeträge auf.
Der Kläger hat gegen den Rücknahme-
und Rückforderungsbescheid der [X.]vor dem Verwaltungsgericht K.
Anfechtungsklage erhoben.
Gegen die Beklagte hat er eine Amtshaftungsklage erhoben, die das [X.]K.
mit Urteil vom 26. Januar 2016 abgewiesen
hat. Hiergegen hat der Kläger Berufung zum [X.]K.
eingelegt. Dieses hat das [X.]gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vor dem Ver-waltungsgericht K.
anhängigen Rechtsstreits ausgesetzt.
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Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 und 24. November 2014 auf dessen Akteneinsichtsgesuch vom 9. Sep-tember 2014 Auszüge aus Protokollen von Sitzungen ihres Vorstands, ihres Präsidiums und ihrer für die Aus-
und Fortbildung der Rechtsanwaltsfachange-stellten zuständigen Abteilung. Mit Schreiben vom 2. Januar 2015 teilte sie dem Kläger auf dessen Anfrage mit, seit dem [X.]sei weder
im Vorstand noch in der zuständigen Abteilung für Aus-
und Fortbildungsangelegenheiten über "Verbundausbildung"
und das [X.]der betrieblichen Ausbil-dung im Verbund beraten worden. Der Kläger begehrte daraufhin, zuletzt mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 20. Februar 2015, Akteneinsicht in die Protokolle des Gesamtvorstandes und der Ausbildungsabteilung der [X.]seit dem 1. Januar 2007. Diese wurde ihm nicht gewährt.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten [X.]auf Akteneinsicht -
hilfsweise Informationszugang -
weiter. Hierzu beruft er sich auf seine mitgliedschaftliche Stellung und daraus resultierende Teilha-berechte an der anwaltlichen Selbstverwaltung der [X.]aus § 60 Abs. 1 BRAO, auf
einen Anspruch auf Informationszugang
gemäß § 4 des Informati-onsfreiheitsgesetzes [X.]([X.]NRW) und -
erstmals in der Be-rufungsbegründung -
auf § 810 BGB.
Der [X.]hat die Klage abgewiesen
und die Berufung zu-gelassen.
Er hat einen Anspruch des [X.]auf Akteneinsicht aus der [X.]verneint. Auch Ansprüche aus dem Informationsfrei-heitsgesetz Nordrhein-Westfalen, über die gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 17 Abs. 2 GVG mitzuentscheiden sei, bestünden nicht.
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Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des [X.]ist zulässig. Sie hat in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 5 IFG [X.]einen Anspruch auf Einsicht in die Protokolle der Sitzungen ihres [X.]und ihrer Ausbildungsabteilung in der [X.]vom 1. Januar 2007 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
(20. März 2017), so-weit darin Beratungsgegenstände und -ergebnisse wiedergegeben werden, [X.]personenbezogenen Daten offenbart werden und entsprechende Auszüge aus den Protokollen dem Kläger noch nicht erteilt worden sind.
a) Das Informationsgesetz [X.]gilt nach § 2 Abs. 1 Satz
1 [X.]für die Verwaltungstätigkeit von
der Aufsicht des [X.]un-terstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Es findet damit auch auf die Verwaltungstätigkeit von Rechtsanwaltskammern Anwendung ([X.]Nordrhein-Westfalen, NJW-RR 2013, 1329; VG Köln, Urteil vom 23. [X.]2014 -
13 K 3710/12, juris Rn. 23; OVG Berlin-Brandenburg,
NVwZ-RR
2015, 123 [zu §
2 [X.]Informationsfreiheitsgesetz]; [X.]in Feuerich/
Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 76 Rn. 28a; Franßen/Seidel, Das Informationsfrei-heitsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2007, Rn. 153).
b) Der damit grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 1 IFG [X.]bestehende [X.]des [X.]auf Zugang zu den bei der [X.]vorhandenen amtli-chen Informationen i.S.v. § 3 IFG [X.]ist nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG 6
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[X.]ausgeschlossen. Danach gehen besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des [X.]vor.
Es bestehen keine besonderen Rechtsvorschriften, die den Zugang zu Protokollen des Vorstands einer Rechtsanwaltskammer regeln
([X.]aaO Rn. 28b; so wohl auch [X.]aaO S. 124). In der
Bundes-rechtsanwaltsordnung ist allein das -
vorliegend nicht streitgegenständliche -
Recht des Rechtsanwalts auf Akteneinsicht in die über ihn geführten [X.]bestimmt (§ 58 BRAO). Soweit in § 76 BRAO die Pflicht der [X.]zur Verschwiegenheit geregelt ist, handelt es sich nicht um eine be-sondere Rechtsvorschrift über den Zugang zu amtlichen Informationen
i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG [X.](vgl. zu gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten Schoch, IFG
(Bund), 2. Aufl., § 1 Rn. 380 mwN). Die
Verschwiegenheitspflicht
gemäß
§ 76 BRAO
entspricht der allgemeinen beamtenrechtlichen Regelung über die Amtsverschwiegenheit (vgl. mit ausführlicher Begründung [X.]aaO; [X.]aaO Rn. 9, 28a; zur beamtenrechtlichen [X.]vgl. § 37 BeamtStG; zum Umfang der Verschwiegen-heitspflicht gemäß §
76
[X.]vgl. [X.]aaO Rn. 8; [X.]in Gaier/Wolf/
Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 76 BRAO Rn. 10). Sie
entfällt [X.]wie diese gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 IFG [X.]im Rahmen des Informations-freiheitsgesetzes [X.]([X.]aaO Rn. 28a; vgl. zu §
4 Abs.
2 Satz 2 [X.]NRW: [X.]eines Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, LT-Drucks. 13/1311, S. 11; Franßen/Seidel
aaO
Rn. 543).
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Aus dem Fehlen einer bereichsspezifischen Sonderregelung kann auch nicht, wie der [X.]erwogen hat, im Umkehrschluss gefolgert werden, dass ein Akteneinsichtsrecht ausgeschlossen sein soll. Hierfür ist nichts ersichtlich. Vielmehr besteht, wie der [X.]an anderer Stel-le
selbst
zutreffend dargestellt hat, ein -
in der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht ausdrücklich geregeltes -
Einsichtsrecht des Kammermitglieds in [X.]Protokolle und hinsichtlich bestimmter Vorstandsbeschlüsse. Die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung sind mithin keine abschließenden, den [X.]des [X.]vorgehenden Informationszugangsregelungen.
c) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zugang zu den streit-gegenständlichen Protokollen ist nicht, auch nicht teilweise,
gemäß § 9 IFG [X.]zum Schutz personenbezogener Daten ausgeschlossen. Gegenstand der Tätigkeit und damit auch der Protokolle des Vorstands einer Rechtsanwalts-kammer und seiner Abteilungen können
zwar ausweislich der ihnen in
§§ 73, 77 [X.]zugewiesenen Aufgaben auch personenbezogene Vorgänge
sein. Der Kläger hat jedoch
in der Berufungsbegründung (S. 13, 15) klargestellt, keine in den Protokollen enthaltenen personenbezogenen Informationen zu begehren. Sein Antrag auf Informationszugang ist daher
in diesem, auf nicht personenbe-zogene Informationen
beschränkten Sinne auszulegen.
d) Der Anspruch des [X.]auf Informationszugang ist jedoch gemäß §
7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 [X.]auf den Zugang zu den protokollierten Be-ratungsgegenständen und -ergebnissen der Sitzungen des [X.]und der Ausbildungsabteilung der [X.]beschränkt. Soweit der Kläger auch die in den Protokollen dokumentierten "internen Beratungen"
und "Mei-nungsäußerungen"
der Vorstandsmitglieder der
[X.]erforschen will
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(Klageschrift, S. 3; Schriftsätze vom 21. Februar 2016, S. 3, und vom 12. Juli 2016, S. 1), besteht ein entsprechender Anspruch auf Informationszugang nicht und ist die Klage unbegründet.
Nach § 7 Abs. 1 IFG [X.]ist der Antrag auf Informationszugang für Pro-tokolle vertraulicher Beratungen abzulehnen, gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG [X.]sind jedoch die Ergebnisse solcher Beratungen nach Abschluss des [X.]Verfahrens zugänglich zu machen.
aa) Beratungen des Vorstands oder einer Vorstandsabteilung einer Rechtsanwaltskammer sind, wie der [X.]zutreffend erkannt hat, vertrauliche Beratungen i.S.v. § 7 Abs. 1 IFG NRW
(so auch [X.]aaO Rn.
28b). Die umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung der Mitglieder des
Vorstands gemäß § 76 BRAO gebietet die Nichtöffentlichkeit und damit die Ver-traulichkeit der Vorstandsberatungen
(vgl. zur Nichtöffentlichkeit von [X.]einer Rechtsanwaltskammer [X.]aaO § 70 BRAO Rn. 11; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl., § 72
Rn. 1).
bb) Indes wird nicht der gesamte Inhalt der Protokolle vertraulicher [X.]von § 7 Abs. 1 IFG [X.]geschützt. Bereits die Überschrift dieser Norm stellt klar, dass sich der von ihr gewährte Schutz
auf den Prozess der [X.]Entscheidungsfindung, nicht aber auf dessen Ergebnisse bezieht. Zweck des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 IFG [X.]ist es, einen unbefange-nen und freien Meinungsaustausch zu gewährleisten. Es soll in einer Atmo-sphäre der Offenheit und ohne von außen hineingetragene Interessenkollisio-nen ein allein an der Sache orientierter Austausch von Argumenten erfolgen können und auch für die Zukunft weiterhin gewährleistet sein.
Schutzgut ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung erfordert,
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um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu ge-währleisten. Unter "Beratung"
ist daher der Beratungsverlauf selbst mit den [X.]vorgebrachten Diskussions-
und Abwägungsbeiträgen
zu verstehen, nicht aber der [X.]und das Beratungsergebnis. Nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, das heißt die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung -
der Beratungsprozess im engeren Sinne -
wird geschützt. Der [X.](einschließlich der zuvor
vorliegenden Sachinformationen) und abschließende Entscheidungen sind dagegen offen zu legen
(OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile
vom 5. September 2006 -
8 A 2190/04, juris Rn. 164 ff., 186 ff.
[Niederschriften der Sitzungen der Grundwas-serkommission]
und
vom 17. Mai 2006 -
8 A 1642/05, juris Rn. 73; Beschluss
vom 1. Dezember 2010 -
13a F 47/10, juris Rn. 25 ff.
[Protokolle über Sitzungen der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen]; Urteil
vom 9.
November 2006, [X.]2007, 113 [unter 4] mwN;
zu § 3 Abs. 1 Nr. 3b IFG (Bund) vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. November 2010 -
8 A 475/10, juris Rn. 89 ff.
[Protokolle von Sitzungen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission]; zu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]vgl. BVerwG, NVwZ 2012, 1619 Rn. 26; ausführ-lich zur Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt.
3 [X.]a.F.: OVG Schleswig, Urteil vom 15. September 1998, NVwZ 1999, 670, 671 f.; Franßen/[X.]aaO Rn. 821 ff.,
852 f.; Haurand/Möhring/Stoll-mann, Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, [X.]f.; vgl. ferner Axler, [X.]2002, 847, 852).
cc) Unter Berücksichtigung des auf diese Weise bestimmten
Schutzbe-reichs von § 7 Abs. 1 IFG NRW
ergibt sich für den vom Kläger geltend gemach-ten Anspruch Folgendes:
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugang zu den Protokollen der [X.]des [X.]und der Abteilung für Aus-
und Fortbildungsan-gelegenheiten der [X.]ab dem 1. Januar 2007 bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung
des vorliegenden Rechtsstreits, soweit in den [X.]-
einschließlich der zuvor vorliegenden Sach-informationen
-
und die Beratungsergebnisse im Sinne von abschließenden Entscheidungen wiedergegeben werden. Bei diesen Protokollinhalten handelt es sich nicht um von
§
7 Abs. 1 [X.]NRW
geschützte vertrauliche Beratungen.
Soweit dagegen der eigentliche Beratungsprozess in Gestalt von Wort-
und Diskussionsbeiträgen der Sitzungsteilnehmer protokolliert wurde, besteht kein Informationszugangsanspruch des Klägers.
e) Der in den vorstehenden Grenzen gegebene
Anspruch auf [X.]ist in Gestalt der vom Kläger begehrten Akteneinsicht zu gewähren. Die Akteneinsicht stellt eine Form des [X.]nach dem Informa-tionsfreiheitsgesetz [X.]dar (Axler aaO S.
851; Haurand/Möh-ring/[X.]aaO S. 32). Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf nach § 5 Abs. 1 Satz 5 IFG [X.]nur dann eine andere Art bestimmt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. [X.]Gründe hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersicht-lich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Akteneinsicht im Wege der Überlas-sung von Kopien gewährt werden kann
(vgl. [X.]aaO § 1 Rn. 263 mwN
zu §
1 Abs. 2 [X.](Bund); zu § 29 Abs. 3 VwVfG vgl. [X.]in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 29 Rn. 41).
Diese Form der Akteneinsicht
erscheint vorliegend besonders geeignet, da sie -
mittels Schwärzungen -
ge-währleistet, dass der Kläger keine Kenntnis von personenbezogenen Daten und dem von §
7 Abs. 1 [X.]geschützten Beratungsprozess im engeren Sinne 18
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erhält
(zur Schwärzung personenbezogener Daten vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW).
f) Die Gewährung von Akteneinsicht in die Vorstands-
und Abteilungspro-tokolle seit dem 1. Januar 2007 bereitet der [X.]keinen unverhältnismä-ßigen Aufwand (zur Verweigerung des [X.]nach dem [X.]bei unverhältnismäßigem Aufwand vgl. VG Köln, Urteil vom 23. Januar 2014 -
13 K 3710/12, juris Rn. 32 ff.; Franßen/[X.]aaO Rn. 624). Die [X.]des -
an sich berechtigten -
[X.]wegen unverhältnismä-ßigen Verwaltungsaufwands kommt nur als ultima ratio in Betracht, insbesonde-re wenn durch die Gewährung
des [X.]die Arbeitsfähigkeit der Behörde gefährdet wird. Insofern ist ein strenger Maßstab anzulegen
(Franßen/
[X.]aaO: nur in Extremfällen; vgl.
zu § 7 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 IFG (Bund) OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2012 -
12 [X.]34.10, juris Rn. 41; VGH Kassel, NVwZ 2010, 1036, 1043;
Schoch
aaO § 7 Rn. 105 mwN; Brett-hauer, NVwZ 2012, 1144, 1146; Spindler, [X.]2011, 690, 706 f.; Raabe/Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641, 647). Es ist sicherzustellen, dass der materiellrechtlich bestehende Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nur in seltenen Ausnahmefällen dem verfahrensrechtlichen und verwaltungspraktischen Ein-wand des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands weichen muss ([X.]aaO).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat die Unverhältnismäßigkeit des ihr entstehenden Aufwands in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend gemacht
und hierzu nicht vorgetragen. Nach den un-widersprochenen Ausführungen des [X.]in der Berufungsbegründung (S.
20) belief sich der Gesamtumfang der streitgegenständlichen Protokolle bis zum 1. Juli 2015 auf insgesamt 646 Seiten. Der Aufwand für die Durchsicht und 21
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Teilschwärzung dieser Dokumente
erscheint zwar durchaus erheblich, aber noch nicht unverhältnismäßig
im vorgenannten Sinne. Dies gilt umso mehr, als Behandlungsgegenstand und -ergebnis zumeist einfach -
am Anfang und am Ende der Tagesordnungspunkte -
zu finden sein werden.
Es ist nicht erkennbar, dass durch die erforderlichen Arbeiten die Arbeitsfähigkeit der [X.]ge-fährdet würde.
2. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Akteneinsicht oder Informationszu-gang aufgrund seiner mitgliedschaftlichen
Stellung und daraus resultierenden Teilhaberechten an der anwaltlichen Selbstverwaltung der [X.]zusteht, kann vorliegend offen bleiben
(vgl. [X.]Nordrhein-Westfalen, NJW-RR 2013, 1329, zu einem Anspruch des Mitglieds einer Rechtsanwaltskammer auf [X.]in den vollständigen Prüfbericht der Wirtschaftsprüfer zum abgelau-fenen Geschäftsjahr der Rechtsanwaltskammer). Denn ein solcher Anspruch reichte vorliegend jedenfalls nicht weiter als das bereits nach § 4 IFG [X.][X.]Akteneinsichtsrecht des Klägers.
a) Der Kläger trägt vor, er beabsichtige nach Informationsgewinnung durch Akteneinsicht als
Mitglied der Kammerversammlung diese über den Um-gang des Vorstandes der [X.]hinsichtlich der Erteilung von subventions-relevanten Stellungnahmen an Kammermitglieder zur Erlangung von
Förder-geldern
zu unterrichten. Soweit die von ihm begehrte Akteneinsicht die vorge-nannte Thematik als [X.]der Vorstandssitzungen der [X.]und die hierzu erzielten Beratungsergebnisse betrifft, ergibt sich ein ent-sprechender Anspruch bereits aus § 4 IFG [X.](siehe vorstehend zu 1), so dass dahinstehen kann, ob er auch aus den vom Kläger geltend gemachten Teilhaberechten folgt.
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Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Einsicht auch in den proto-kollierten Beratungsverlauf hat der Kläger nicht. Die Kenntnisnahme von Wort-beiträgen, Überlegungen und Meinungsäußerungen einzelner Vorstandsmit-glieder ist für den Kläger zur Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Rechte im Rahmen einer Kammerversammlung nicht erforderlich. Soll in der Kam-merversammlung ein bestimmtes Thema erörtert werden, mag für die Kam-merversammlung
und ihre Mitglieder von Interesse sein, ob und mit welchem Ergebnis das Thema vom Kammervorstand beraten worden ist. Der -
naturge-mäß bis zur Beschlussfassung des Vorstands vorläufige -
Beratungsverlauf und Meinungsbildungsprozess innerhalb der Vorstandssitzung ist hingegen für die Kammerversammlung ohne erkennbare Relevanz.
Zudem ist, wie der [X.]zutreffend erkannt
hat,
die aus der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 76 BRAO folgende Vertraulichkeit der [X.]zu berücksichtigen. Sie würde weitgehend ausgehöhlt, wenn ein [X.]mit der Begründung, es wolle zu einem bestimmten Thema auf der Kammerversammlung vortragen, stets auch Einsicht
in den protokollier-ten vertraulichen Beratungsverlauf nehmen könnte. In
Abwägung mit der ge-setzlich bestimmten Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des [X.]hat daher das -
ohnehin allenfalls als gering zu bewertende -
Interesse des Kammermitglieds, zur
Vorbereitung eines Beitrags zur [X.]auch den vertraulichen Inhalt des Beratungsverlaufs des [X.]zu erfahren, zurückzutreten.
b) Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht in Anbetracht der Rechtsstreitigkeiten, die der Kläger derzeit vor dem Verwaltungsgericht K.
und dem [X.]K.
führt. Ein aus seinen
in diesen Verfahren ver-folgten Ansprüchen und Rechtspositionen folgendes Interesse an der Kenntnis 25
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von Beratungsverläufen von Vorstandssitzungen der [X.]ist, wie der [X.]ebenfalls zutreffend erkannt hat, nicht im Ansatz dargetan
und auch sonst nicht ersichtlich.
3. Schließlich folgt ein weitergehender Anspruch des [X.]auf Akten-einsicht und
Informationszugang auch nicht aus § 810 BGB. Nach dieser Vor-schrift kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkun-det ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und ei-nem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.
Die Voraussetzungen eines solchen
Einsichtsrechts sind vorliegend nicht gegeben. Bei den Protokollen des Vorstands der [X.]und seiner [X.]handelt es sich, wie letztlich auch der Kläger nicht verkennt, nicht um Urkunden der in § 810 BGB genannten Art. Soweit der Kläger § 810 BGB er-weiternd auf alle Fälle eines berechtigten Interesses des Anspruchstellers an der Kenntnis von Urkunden angewendet wissen
will, teilt der Senat diese Auf-fassung nicht.
Im Übrigen ginge ein etwaiges, auf § 810 BGB und ein "berechtigtes Inte-resse"
des [X.]gestütztes Akteneinsichtsrecht nicht weiter als der [X.]nach § 4 Abs. 1 IFG NRW. Insofern wird auf die vorste-henden Ausführungen zu 2
Bezug genommen. Sie gelten für ein etwaiges Ein-sichtsrecht aus § 810 BGB in gleichem Maße.
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II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, §
155
Abs. 1
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, §
52 Abs. 2 GKG.
Limperg
Lohmann
Remmert
Kau
Merk
Vorinstanz:
[X.]Hamm, Entscheidung vom 29.05.2015 -
1 [X.]14/15 -
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Meta
20.03.2017
Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2017, Az. AnwZ (Brfg) 46/15 (REWIS RS 2017, 13788)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 13788
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
AnwZ (Brfg) 46/15 (Bundesgerichtshof)
Akteneinsicht in Vorstandsprotokolle einer Rechtsanwaltskammer: Wegfall der Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder; Beschränkung des Anspruchs auf Informationszugang; …
7 B 14/11 (Bundesverwaltungsgericht)
Informationszugang; Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden über das laufende Verfahren hinaus
10 C 1/21 (Bundesverwaltungsgericht)
Informationszugang zu Sitzungsprotokollen eines Beirats bei einem Bundesministerium
29 K 6009/21 (Verwaltungsgericht Düsseldorf)
10 S 1229/19 (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg)