Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2012, Az. XII ZB 526/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4297

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Gegenstand

Betreuungsverfahren: Persönliche Anhörung des Betroffenen vor Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach Aufhebung eines - anderen - Einwilligungsvorbehalts; notwendiger Inhalt der Beschlussformel bei isolierter Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts


Leitsatz

1. Wird ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, nachdem ein zuvor bestehender (anderer) Einwilligungsvorbehalt bereits aufgehoben war, handelt es sich nicht um eine Erweiterung des Einwilligungsvorbehalts, sondern um dessen erneute Anordnung, so dass die §§ 278, 280 FamFG unmittelbar anzuwenden sind; § 293 Abs. 2 FamFG findet in diesen Fällen keine Anwendung.

2. Wird für eine bereits bestehende Betreuung isoliert ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, so ist in der Beschlussformel der Zeitpunkt zu bezeichnen, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung dieser Maßnahme zu entscheiden hat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 7. September 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

[X.]: 3.000 €

Gründe

I.

1

Der Betroffene wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes.

2

Der Betroffene ist im Rahmen des [X.] geschlossen untergebracht. Er steht seit 1994 unter Betreuung. Der Aufgabenkreis des Betreuers umfasst die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung, die Vertretung vor Behörden, die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Betreuten in seiner Eigenschaft als Miterbe nach seiner am 6. Dezember 2004 verstorbenen Mutter sowie die Vermögenssorge.

3

Auf Antrag des Betreuers hat das Amtsgericht angeordnet, dass die Willenserklärungen des Betroffenen im Bereich der Vermögenssorge der Einwilligung des Betreuers bedürfen. Das [X.] hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

5

1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die angegriffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil der Betroffene weder vom Amtsgericht noch vom Beschwerdegericht angehört worden ist.

6

a) Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Anordnung eines [X.] persönlich anzuhören. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Das Beschwerdegericht kann gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur dann von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 - [X.]/11 - FamRZ 2012, 1207 Rn. 17).

7

Eine Ausnahme hiervon sieht § 293 Abs. 2 Satz 1 FamFG unter anderem für den Fall der Erweiterung des [X.] der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen vor. Danach bedarf es einer persönlichen Anhörung nicht, wenn diese nicht länger als sechs Monate zurückliegt (Nr. 1) oder die beabsichtigte Erweiterung nicht wesentlich ist (Nr. 2).

8

b) Gemessen hieran hätte der Betroffene angehört werden müssen, weil § 293 FamFG hier schon nicht anwendbar ist.

9

Entgegen der vom Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23. August 2011 vertretenen Auffassung, wonach es sich um eine Erweiterung des bereits bestehenden [X.] handele, hat die angegriffene Entscheidung nicht bloß eine Erweiterung, sondern die (erneute) Anordnung eines [X.] zum Gegenstand.

Zwar enthält die für den Betreuer [X.] den Zusatz, dass die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Betreuten in seiner Eigenschaft als Miterbe nach seiner am 6. Dezember 2004 verstorbenen Mutter der Einwilligung des Betreuers bedürfe.

Zu Recht hat jedoch die Rechtsbeschwerde darauf hingewiesen, dass die Angabe dieses [X.] ohne richterlichen Beschluss erfolgt ist. Zwar hatte das [X.] mit Beschluss vom 25. März 2009 einen entsprechenden - allerdings vorläufigen - Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Dieser Einwilligungsvorbehalt ist jedoch vom [X.] Düsseldorf mit Beschluss vom 27. April 2009 aufgehoben worden.

2. Deswegen ist der angefochtene Beschluss gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Da die Sache schon angesichts der unterbliebenen Anhörung noch nicht entscheidungsreif ist, ist sie gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor der Anordnung eines [X.] zudem eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Daneben wird gegebenenfalls zu beachten sein, dass gemäß § 286 Abs. 2 und 3 FamFG in der [X.] der Zeitpunkt zu bezeichnen ist, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung des [X.] zu entscheiden hat.

Schließlich wird das Gericht zu prüfen haben, ob die von ihm getroffenen Feststellungen die Anordnung eines entsprechenden [X.] gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB zu rechtfertigen vermögen. Jedenfalls ist der Vortrag des Betroffenen in seinem "Widerspruch" vom 22. Juli 2011, wonach er das Recht habe, sein Geld für einen guten Anwalt auszugeben, wenn er dadurch seine Freiheit zurückerhalte, nicht von vornherein abwegig. Insoweit wird sich der Tatrichter auch mit der [X.] auseinanderzusetzen und die Unverhältnismäßigkeit der Forderung im Einzelnen zu prüfen haben. Denn ein Einwilligungsvorbehalt darf nur dann angeordnet werden, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr im Sinne des § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (Senatsbeschluss vom 27. Juli 2011 - [X.] 118/11 - FamRZ 2011, 1577).

Dose                                             Weber-Monecke                                        Vézina

                       Schilling                                                        Botur

Meta

XII ZB 526/11

25.07.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Mönchengladbach, 7. September 2011, Az: 5 T 221/11

§ 1903 BGB, § 278 FamFG, § 280 FamFG, § 286 FamFG, § 293 Abs 2 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2012, Az. XII ZB 526/11 (REWIS RS 2012, 4297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4297

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