Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2012, Az. V ZB 70/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9970

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 70/11
vom

19. Januar 2012

in der [X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. Januar 2012
durch [X.] [X.], die Richterin Dr.
[X.], den
Richter Dr.
Czub
und die Richterinnen Dr.
Brückner und [X.]
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 10. Januar 2011 und der Beschluss der Zivilkammer 84 des [X.] vom 3. März 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt ha-ben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 3. Juni 2003 unter Zuhilfenahme eines Schleppers nach [X.] ein. Das [X.] lehnte seinen Asylantrag ab und forderte ihn unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise auf. Die Entschei-dung ist seit Juli 2005 bestandskräftig. Eine für den 19. Oktober 2010 geplante Abschiebung scheiterte. Am 26. Oktober 2010 reiste der Betroffene nach [X.]
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en aus. Am 10.
Januar 2011 wurde er nach [X.] rücküberstellt. Mit [X.] vom selben Tag hat das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu
2 Abschiebungshaft bis längstens 8. April 2011 angeordnet. Die Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Am 14.
März 2011 ist der [X.]
worden. Mit der Rechtsbeschwerde will er die Feststellung erreichen, dass ihn die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung in seinen [X.] verletzt haben.

II.
Nach Auffassung des [X.]
war die Haftanordnung rechtmäßig, denn die in §
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 und 5 [X.] genannten Haftgründe hätten vorgelegen. Die Beteiligte zu 2 habe das Verfahren auch mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben.

III.
Die statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB 29/10,
[X.] 2011, 27 Rn. 4) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechts-beschwerde ist begründet. Sowohl die Haftanordnung als auch die [X.] haben den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art.
2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.
Die Entscheidung des Amtsgerichts und des [X.] verlet-zen den Betroffenen bereits deshalb in seinen Rechten, weil es an einem zu-lässigen Haftantrag und damit an der nach §
417 Abs. 1 FamFG unverzichtba-ren Grundlage für die Freiheitsentziehung fehlt.
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1.
Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen
Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es [X.], darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (Senat, [X.] vom 27. Oktober 2011 -
V
ZB 311/10, Rn. 12 mwN, juris; Beschluss vom 15. September 2011 -
V
ZB 123/11, Rn. 8 mwN, juris).
2.
Die Begründung des [X.] muss auf den konkreten Fall zuge-schnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Danach bestim-men sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die
für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 -
V
ZB 123/11, Rn. 9, juris). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der [X.] werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Ab-schiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durch-laufen werden können (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 -
V
ZB 311/10, Rn. 13 f., juris).
3.
Der Haftantrag genügt den gesetzlichen Anforderungen an die [X.] nicht. Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungs-dauer für eine Abschiebung in die [X.] Föderation enthält er nicht. Unter Bezugnahme auf ein Schreiben der zentralen Abschiebungsstelle wird lediglich 5
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darauf hingewiesen, dass dem Betroffenen am 13. Oktober 2010 ein (nicht mehr gültiges) Passersatzpapier ausgestellt worden sei und eine einmal ge-troffene Entscheidung der [X.]n Behörden in der Regel zu einer sofortigen Verlängerung des [X.] führe. Der Antrag verhält sich jedoch nicht dazu, wann die Beschaffung eines gültigen Passersatzpapieres in die Wege geleitet werden wird, ob eine Abschiebung in die [X.] Föderation weitere Formalitäten erfordert und wie
viel Zeit diese voraussichtlich [X.] werden. Damit fehlen in dem Haftantrag jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach §
62 Abs. 2 Satz 4 [X.] treffen konnte.
4.
An der Unzulässigkeit des [X.] ändert auch der Umstand nichts, dass die Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung realisiert werden konnte. Der Mangel des [X.] kann nicht rückwirkend geheilt werden, da es sich bei der ordnungsgemäßen Antrag-stellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beach-tung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 -
V
ZB 311/10, Rn. 11 mwN, juris).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
83 Abs.
2, §
81 Abs.
1, §
430

FamFG. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, das [X.] zur Erstattung der zur [X.] Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen zu

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verpflichten (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB 28/10 Rn.
18, [X.]). Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs.
2 [X.]. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger
[X.]
Czub

Brückner
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.01.2011 -
381 [X.]/10 B -

LG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2011 -
84 [X.] -

Meta

V ZB 70/11

19.01.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2012, Az. V ZB 70/11 (REWIS RS 2012, 9970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9970

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