Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2010, Az. VI ZR 331/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9127

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 23. Februar 2010 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 249 Hb, § 252 Satz 2 Macht ein Unfallversicherungsträger wegen der Zahlung eines [X.] einen nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend, ist der kongruente Erwerbsschaden eines selbständigen Unternehmers nach den Grundsätzen für die Ermittlung des entgangenen Gewinns zu [X.][X.], Urteil vom 23. Februar 2010 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2010 durch den Vorsitzenden [X.] sowie [X.], Wellner, Pauge und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 13. November 2008 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand:Die Klägerin begehrt als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung von der Beklagten als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer Erstattung von [X.], die sie für ihr Mitglied [X.] nach einem Verkehrsunfall erbracht hat. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist außer Streit. 1 [X.] erlitt bei dem Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen. Neben weiteren Leistungen hat die Klägerin Verletztengeld an die Geschädigte gezahlt und auf das Verletztengeld Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. 2 - 3 - Das [X.] hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat sich die Beklagte mit der Berufung insoweit gewendet, als sie zur Zahlung des [X.] einschließlich der darauf entfallenden [X.] verurteilt worden ist. Das Berufungsgericht hat die Beru-fung zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte weiter-hin Klageabweisung hinsichtlich des [X.] und die darauf entfallen-den Sozialversicherungsbeiträge begehrt. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen die [X.] einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten [X.] und der darauf gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Die Beklagte habe den während der Arbeitsunfähigkeit des Mitglieds der Klägerin entstandenen Verdienstausfall gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 842 BGB zu ersetzen. Dieser sei gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen, weil diese aufgrund des Scha-densereignisses mit dem Verletztengeld gemäß § 45 Abs. 1 SGB [X.]I [X.] habe erbringen müssen, die mit dem [X.] kon-gruent seien. Die Geschädigte gehöre als selbständige Kauffrau gemäß § 41 der Satzung der Klägerin zum versicherten Personenkreis. Nach § 42 Abs. 2 der Satzung sei Bemessungsgrundlage für die Zahlung von Verletztengeld ein Jahreseinkommen von 20.000 •. Daher habe die Versicherte nach §§ 45 Abs. 1, 47 Abs. 5 SGB [X.]I einen Anspruch auf Verletztengeld von 44,44 • pro Tag. 4 - 4 - Soweit die Beklagte meine, die Klägerin habe den konkreten [X.] der Geschädigten darzulegen, sei dieser Ansicht nicht zu folgen. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs müsse die Klägerin nur nachweisen, [X.] Leistungen sie an die Geschädigte erbracht habe. Selbst wenn diese tat-sächlich weniger als das Verletztengeld verdient haben sollte, sei der der Kläge-rin entstandene, dem Erwerbsschaden der Geschädigten kongruente Schaden das auf gesetzlicher Grundlage ausgezahlte Verletztengeld. 5 I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtli-chen Überprüfung nicht stand. 6 1. Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf den [X.] über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses [X.] zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Ein Ersatzanspruch kann also nach dieser Vorschrift nur übergehen, soweit dem Geschädigten ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Schädigung verursachten Schadens gegen Dritte zusteht. Auch beim Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger ist [X.] der Ersatzpflicht nur der Schaden des Verletzten. Der [X.] kann den [X.] nicht auf Ersatz des eigenen "Schadens" in Gestalt seiner durch den Versicherungsfall ausgelösten, vom Gesetzgeber angeordneten Leistungspflichten in Anspruch nehmen, sondern eine Erstattung seiner Aufwendungen nur insoweit verlangen, als sie auf einen Schaden des Versicherten zu erbringen sind. 7 - 5 - 2. Im Streitfall ist das Berufungsgericht zwar ohne Rechtsfehler und in-soweit von der Revision nicht angegriffen davon ausgegangen, dass die [X.] hinsichtlich Verletztengeld und -rente zeitlich und sachlich kongruent zum Schadensersatzanspruch der [X.] wegen ihres [X.] (§§ 842, 843 BGB, § 11 StVG) ist und dies nach § 116 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch für die abzuführenden [X.] gilt (vgl. Senat, [X.] 109, 291, 293 ff.; 153, 113, 120 ff.; Urteil vom 2. Dezember 2008 - [X.] ZR 312/07 - [X.], 230 Rn. 11). 8 3. Die Revision beanstandet aber zu Recht, dass das Berufungsgericht gemeint hat, die Klägerin habe nicht einen konkreten Erwerbsschaden der [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht hat insoweit nicht beachtet, dass für den nach § 116 Abs. 1 SGB X übergehenden Schadensersatzanspruch nicht die Aufwendungen der Klägerin, sondern der Erwerbsschaden ihres Mit-glieds [X.] maßgeblich ist, und das gezahlte Verletztengeld trotz der Kongruenz zu dem entstandenen Erwerbsschaden nicht mit diesem gleichzusetzen ist. 9 a) Das Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB [X.]I unter ande-rem erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Die Höhe des [X.] richtet sich bei Arbeitnehmern und bei [X.] mit Arbeitseinkommen gemäß § 47 Abs. 1 SGB [X.]I grundsätzlich nach deren Regelentgelt. Besondere Regelungen gelten unter anderem für Versicherte, die - wie die Geschädigte - den Versicherungsfall infolge einer Tä-tigkeit als Unternehmer erlitten haben. Sie erhalten nach § 47 Abs. 5 SGB [X.]I "abweichend von Absatz 1" Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des [X.]; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Unter anderem für [X.] Gesetzes versicherte selbständig Tätige und für [X.] Satzung versicherte Unternehmer hat die Satzung des [X.] die Höhe des [X.] - 6 - dienstes zu bestimmen (§ 83 Satz 1 SGB [X.]I). Diese Regelung soll die bei Selbständigen regelmäßig schwierige Ermittlung des tatsächlichen jährlichen Arbeitsverdienstes erübrigen, indem durch Satzungsregelung, bei deren Abfas-sung dem Unfallversicherungsträger wie auch sonst in diesem Bereich ein wei-ter Gestaltungsspielraum zusteht, ein bestimmter Betrag als Bemessungs-grundlage für die Zahlung von Verletztengeld festgesetzt wird - im Streitfall ge-mäß § 42 Abs. 1 der Satzung der Klägerin ein Jahreseinkommen von 20.000 • (vgl. BSG, Urteile vom 19. Dezember 2000 - [X.] U 36/99 R - [X.] 3-2700 § 83 Nr. 1 S. 3; vom 13. Dezember 2005 - [X.] U 25/04 R - [X.] 4-2700 § 47 Nr. 2 Rn. 16). b) Nach dieser gesetzlichen Konstruktion ist bei einem Unternehmer der für das Verletztengeld anzusetzende Jahresarbeitsverdienst nicht nach den tat-sächlichen Einkünften des Unternehmers zu bestimmen. Als Jahresarbeitsver-dienst gilt vielmehr der nach der Satzung des [X.] [X.] fiktive Betrag (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - [X.] U 36/39 R - aaO). 11 Das für einen Unternehmer zu zahlende Verletztengeld ist insoweit mit der Verletztenrente (§ 56 SGB [X.]I) vergleichbar. Anders als im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht, in dem nicht der Wegfall der Arbeits[X.] und Erwerbsfä-higkeit als Schaden im haftungsrechtlichen Sinne angesehen wird, sondern nur der dadurch entstandene Ausfall der Arbeitsleistung (vgl. Senatsurteil [X.] 54, 45, 50 ff.; st.Rspr.), stellt die Verletztenrente - wie das für einen Unternehmer zu zahlende Verletztengeld - nicht den Ersatz für einen im Einzelfall konkret nach-weisbaren Schaden dar. Auch bei der Verletztenrente wird nicht der tatsächli-che [X.] ausgeglichen; vielmehr bemisst sich die Rente nach dem Unterschied der auf dem Gebiet des Erwerbslebens bestehenden [X.] des Verletzten vor und nach dem Unfall. Unerheblich ist [X.] - 7 - re, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Folgen des Unfalls zu einem Einkommensverlust geführt haben; die Rente wird beim Vorliegen der gesetzli-chen Voraussetzungen auch gewährt, wenn der Verletzte weiterhin eine [X.] ausüben kann, durch die er Einkünfte bezieht (vgl. Senatsurteil [X.] 153, 113, 125 f.; [X.], 208, 209). Insoweit hat der erkennende Se-nat hinsichtlich der Verletztenrente ausgeführt, der Sozialversicherungsträger könne in den Fällen, in denen es an einem konkreten Erwerbsschaden fehle und er mit den Rentenleistungen wirtschaftlich endgültig belastet bleibe, diesen Aufwand nicht über die Individualhaftung auf den Schädiger abwälzen. Die wirt-schaftlich endgültige Belastung des Sozialversicherungsträgers sei nämlich eine Folge der Entscheidung des Gesetzgebers für ein Versicherungssystem, das seine [X.] Anliegen auf einer abstrakten Bemessungsgrundlage losgelöst von einer konkreten Schadensbetrachtung verwirkliche (vgl. Senatsurteile [X.] 153, 113, 123; Urteil vom 9. März 1982 - [X.] ZR 317/80 - [X.], 552 f.). c) Aus dieser systematischen Stellung der Verletztenrente ist ersichtlich, dass die im Sozialrecht vorgenommene abstrakte Berechnung des [X.] nicht auf den für den Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X maßgeblichen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Geschädigten ü-bertragen werden kann, vielmehr hier nach haftpflichtrechtlichen Grundsätzen auf den tatsächlich eingetretenen Erwerbsschaden abzustellen ist (vgl. Senats-urteile [X.] 153, 113, 125; vom 20. Mai 1958 - [X.] ZR 130/57 - [X.], 454, 456; vom 9. März 1982 - [X.] ZR 317/80 - aaO). Dies muss auch für das Verletztengeld eines Unternehmers gelten, bei dem der Jahresarbeitsverdienst nach der Satzung des [X.] fiktiv festgesetzt wird. Mithin sind im Streitfall für den [X.] des Mitglieds [X.] der Klägerin die haftpflichtrechtlichen Grundsätze für die Ermittlung des ent-gangenen Gewinns der Geschädigten zugrunde zu legen. Die Höhe des zum 13 - 8 - gezahlten Verletztengeld kongruenten Schadensersatzanspruchs der Geschä-digten aus § 842 BGB, §§ 7 Abs. 1, 11 StVG ist unter Berücksichtigung der durch §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 Satz 2 BGB gewährten Erleichterungen festzu-stellen. Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen dabei zwar im Allgemei-nen für die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Ge-schäftsbetriebs eines Selbständigen keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2004 - [X.] ZR 138/03 - VersR 2004, 874, 875 m.w.[X.]). Für die Schätzung des [X.] müssen aber hin-reichende Anknüpfungstatsachen dargelegt werden. Es bedarf grundsätzlich der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung, um eine ausreichende Grundlage für die sachlich-rechtliche [X.] des § 252 BGB und in der Folge für eine gerichtliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu haben, weil sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sichtbar im [X.] konkret ausgewirkt haben muss (vgl. Senat, [X.] 54, 45, 49 ff.; 90, 334, 336 f.; Urteile vom 22. Dezember 1987 - [X.] ZR 6/87 - [X.], 466, 467; vom 17. Januar 1995 - [X.] ZR 62/94 - [X.], 422, 424). Auch die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO lässt eine völlig abstrakte Be-rechnung eines [X.] nicht zu (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2004 - [X.] ZR 138/03 - aaO m.w.[X.]). Soweit die Revisionserwiderung darauf verweist, dass im Bereich der Behandlungskosten eine Pauschalierung im [X.] in § 116 Abs. 8 SGB X zugelassen sei, handelt es sich um eine gesetzliche Ausnahmeregelung, die auf den [X.] nicht übertragbar ist. 4. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, [X.] Anhaltspunkte für eine gerichtliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO darzulegen. Dazu hatte sie bisher keine Veranlassung, weil das [X.] 14 - 9 - und das Berufungsgericht ihren Vortrag für ausreichend erachtet und ihr das Verletztengeld sowie die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge ohne eine Schätzung des konkreten [X.] zugesprochen haben. [X.]Zoll Wellner Pauge [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 3 O 298/06 - [X.], Entscheidung vom 13.11.2008 - 5 U 1/08 -

Meta

VI ZR 331/08

23.02.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2010, Az. VI ZR 331/08 (REWIS RS 2010, 9127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9127

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