Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2014, Az. VIII ZR 135/13

8. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8494

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Gegenstand

Wohnraummiete: Reichweite der dem Mangelbeseitigungsanspruch des Mieters entgegenstehenden Einrede der faktischen Unmöglichkeit


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

2

Der Senat hat zur Reichweite der dem Mangelbeseitigungsanspruch des Mieters (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) entgegenstehenden Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB bereits entschieden, dass die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort endet, wo der dazu erforderliche Aufwand die "[X.]" überschreitet. Unter welchen Umständen diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, muss unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden. Besteht etwa ein krasses Missverhältnis zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand einerseits und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter andererseits, ist das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze indiziert. Im Extremfall kann dieses Indiz so stark sein, dass es schwer vorstellbar erscheint, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung sollten führen können (vgl. Senatsurteile vom 21. April 2010 - [X.], NJW 2010, 2050 Rn. 21 ff.; vom 20. Juli 2005 - [X.], NJW 2005, 3284 unter [X.]). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall ist Sache des Tatrichters.

3

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

4

a) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ließ die Klägerin/Vermieterin in den Jahren 2010/2011 auf dem [X.] 16 in [X.] ein mehrstöckiges Wohnhaus errichten, das mit einer Außenwand unmittelbar an die Giebelseite des [X.] 21 angrenzt, in der sich die Fenster von Küche und Bad der an die Beklagte vermieteten Wohnung befinden.

5

b) Den auf Herstellung eines Mindestabstands von drei Metern zwischen den beiden Gebäuden gerichteten Widerklageantrag der Beklagten - der allein noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin dem Mangelbeseitigungsanspruch der Beklagten mit Erfolg den Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB entgegensetzen könne. Zwar sei zugunsten der Beklagten eine vorsätzlich mietvertragswidrige Errichtung des Neubaus zu unterstellen. Der Erfolg der erstrebten Mangelbeseitigung stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Aufwand der Mangelbeseitigung, der sich wegen des dafür erforderlich werdenden Teilabrisses des neu errichteten Gebäudes zumindest auf einen namhaften sechsstelligen Betrag belaufe. Zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand und dem [X.] bestehe daher ein krasses Missverhältnis, zumal von den Beeinträchtigungen nicht zentrale Wohnräume, sondern allein Funktionsräume betroffen seien. In die wertende Gesamtbetrachtung sei einzubeziehen, dass die Beklagte den Baufortschritt hingenommen habe, ohne die Klägerin auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

6

c) Diese Wertung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

7

Entgegen der Auffassung der Revision führt es nicht zum Verlust der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB, dass die Klägerin den zum Mangel der Mietsache führenden Umstand (Errichtung des Neubaus direkt an der Grundstücksgrenze) vorsätzlich herbeigeführt hat.

8

Nach dem Gesetz ist bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB schließt es mithin nicht aus, dass es Umstände geben kann, unter denen sich auch ein Schuldner, der das Leistungshindernis vorsätzlich herbeigeführt hat, mit Erfolg auf die Einrede berufen kann.

9

Auch der von der Revision zitierten Rechtsprechung des [X.] lässt sich nicht entnehmen, dass einem vorsätzlich handelnden Schuldner die Berufung auf die Einrede in jedem Fall verwehrt wäre. Der [X.] hat lediglich ausgeführt, dass die nach § 275 Abs. 2 BGB gebotene Abwägung bei einem Anspruch auf Beseitigung eines grob fahrlässig (und erst recht eines vorsätzlich) errichteten Überbaus in der Regel dazu führen wird, dass die Einrede zu versagen ist ([X.], Urteil vom 18. Juli 2008 - [X.], NJW 2008, 3123 Rn. 23).

Es obliegt mithin auch bei einem vorsätzlich herbeigeführten Leistungshindernis der wertenden Gesamtbetrachtung des Tatrichters, ob er angesichts der von ihm zu berücksichtigenden Gesamtumstände des Einzelfalls die Einrede für begründet erachtet. Rechtsfehler der tatrichterlichen Würdigung werden im Streitfall von der Revision nicht aufgezeigt. Insbesondere legt die Revision nicht dar, dass das Berufungsgericht weitere für eine Gesamtbewertung maßgebliche Umstände bei seiner Beurteilung außer Acht gelassen hätte.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

[X.]                            Dr. Frellesen                               Dr. Hessel

          Dr. [X.]                               Dr. [X.]

Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.

Meta

VIII ZR 135/13

22.01.2014

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 18. Oktober 2013, Az: 63 S 387/12, Urteil

§ 275 Abs 2 BGB, § 535 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2014, Az. VIII ZR 135/13 (REWIS RS 2014, 8494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8494

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