Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.07.2019, Az. 2 C 35/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 5306

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Gegenstand

Begründete Befangenheitsanzeige wegen enger persönlicher Freundschaft eines Richters mit einer Prozesspartei


Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung zweier ihn betreffender Stellungnahmen des [X.] beim [X.] aus den Jahren 2013 und 2014 anlässlich der [X.]undesrichterwahlen in diesen beiden Jahren.

2

Das [X.] am [X.] ... hat mit dienstlicher Äußerung vom 6. Dezember 2018 mitgeteilt, dass er mit dem Kläger seit annähernd 20 Jahren gut befreundet sei, die Familien sich privat kennen würden und er private Kenntnis von dem Verfahren seit dessen [X.]eginn [X.] habe.

3

Die [X.]eteiligten hatten Gelegenheit, zu der dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen. Sie haben hiervon keinen Gebrauch gemacht.

II

4

Der Senat entscheidet anlässlich der dienstlichen Äußerung eines Senatsmitglieds über dessen [X.]efangenheit gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 48, 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des betreffenden [X.]s in der bei [X.]eschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen [X.]esetzung von drei [X.]n (§ 10 Abs. 3 VwGO).

5

Wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ist ein [X.] an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Danach ist es nicht notwendig, dass der [X.] tatsächlich befangen ist. Andererseits reicht die rein subjektive Vorstellung eines [X.]eteiligten, der [X.] werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund für die [X.]efürchtung ersichtlich ist. Die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ist dann gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des [X.]eteiligten hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des [X.]s zu zweifeln ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - [X.]VerwGE 50, 36 <38 f.>; [X.]eschlüsse vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - [X.] 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 16, vom 14. November 2012 - 2 KSt 1.11 - NVwZ 2013, 225 Rn. 4, vom 30. September 2015 - 2 AV 2.15 - [X.] 310 § 54 VwGO Nr. 79 Rn. 7 und vom 29. Juni 2016 - 2 [X.] 18.15 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 37).

6

Nahe persönliche [X.]eziehungen eines [X.]s zu einer [X.] können die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit begründen. Dies gilt indes nicht generell. Ob die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit mit Rücksicht auf freundschaftliche [X.]eziehungen gerechtfertigt ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden muss, der [X.] stehe aufgrund seiner persönlichen [X.]eziehung zu einem [X.]eteiligten der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Im Regelfall reicht etwa eine bloße [X.]ekanntschaft oder auch eine lockere Freundschaft nicht aus, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des [X.]s zu zweifeln; dagegen können über das übliche Maß persönlicher oder kollegialer [X.]ekanntschaft hinausgehende freundschaftliche [X.]eziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen [X.] und [X.] Umstände sein, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des [X.]s begründen können (vgl. [X.]VerfG, [X.] vom 29. Juni 2004 - 1 [X.]vR 336/04 - [X.]VerfGK 3, 297 <298 ff.> m.w.N.; [X.]GH, [X.]eschluss vom 2. Dezember 2015 - [X.] (R) 1/15 - HFR 2016, 417 Rn. 3 m.w.N.; [X.]FH, [X.]eschluss vom 5. September 2018 - [X.]/17 - [X.]FH/NV 2019, 37 Rn. 12 m.w.N.; [X.], [X.]eschluss vom 15. Mai 2012 - [X.]/12 - NJW-RR 2012, 1209 Rn. 9 m.w.N.).

7

Angesichts der in der dienstlichen Äußerung im vorliegenden Fall mitgeteilten Umstände einer langjährigen, guten Freundschaft mit Kontakten der Familien ist hier von einer engen persönlichen Freundschaft zwischen dem Kläger und dem dies anzeigenden Mitglied des Senats auszugehen. Dies begründet die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit.

Meta

2 C 35/18

18.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 6. Juni 2018, Az: 4 S 756/17, Urteil

§ 54 Abs 1 VwGO, § 42 Abs 2 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, § 48 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.07.2019, Az. 2 C 35/18 (REWIS RS 2019, 5306)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5306

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