Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2020, Az. 5 StR 15/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1045

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Gegenstand

Versuchsbeginn beim Einbruchdiebstahl


Leitsatz

Versuchsbeginn beim Einbruchdiebstahl.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. September 2019 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls und versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des [X.]). Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer für Tat 3 wegen versuchten Diebstahls verurteilt wurde.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s wollte der Angeklagte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entwenden. Er legte am Automaten verschiedenes Einbruchswerkzeug ab (Kuhfuß, Trennschleifer mit Trennscheiben, Hammer, Schraubenzieher, Kabeltrommel). Mit einem Handtuch und einer Plane verhüllte er den Automaten, um die Geräusche seines Tuns zu dämpfen. Er ging davon aus, in unmittelbarer Nähe einen Stromanschluss zu finden, und legte deshalb mit der Kabeltrommel über die Straße zu einem Schuppen hin eine Stromleitung. Weder dort noch anderswo fand er allerdings in erreichbarer Nähe eine Steckdose. Er erkannte, dass er den Zigarettenautomaten mit dem Trennschleifer nicht würde öffnen können. Zwar hatte er von vornherein auch alternative Möglichkeiten des Aufbruchs des Automaten in Betracht gezogen und deshalb auch anderes Werkzeug davor deponiert. Dazu kam er aber nicht mehr. Da er sich – zutreffend – entdeckt wähnte und die Alarmierung der Polizei fürchtete, verließ er unter Zurücklassen der Aufbruchswerkzeuge fluchtartig den Tatort.

3

2. Diese auf [X.] Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Annahme, der Angeklagte habe bei Tat 3 einen strafbaren Diebstahlsversuch begangen.

4

a) Versucht ist eine Tat, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tat ansetzt (§ 22 StGB). Nach der Formel der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss der Täter dafür aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreiten. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem [X.] in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 26. Oktober 1978 – 4 [X.], [X.]St 28, 162, 163; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, [X.]R StGB § 22 Ansetzen 34; Beschlüsse vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, [X.]R StGB § 22 Ansetzen 29; vom 7. August 2014 – 3 [X.], [X.], 207; vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, [X.], 86). Der Annahme unmittelbaren Ansetzens stehen [X.] nicht entgegen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des [X.] als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden (vgl. [X.], Urteile vom 30. April 1980 – 3 [X.], NJW 1980, 1759; vom 12. Dezember 2001 – 3 [X.], [X.], 1057, 1058; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, [X.], 331; vom 20. März 2014 – 3 [X.], [X.]R StGB § 22 Ansetzen 38; Beschlüsse vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, [X.]R StGB § 22 Ansetzen 14; vom 16. Juli 2015 – 4 StR 219/15).

5

Das vom Täter zur Verwirklichung seines [X.] muss stets zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht es deshalb im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren – neuen – [X.] bedarf ([X.], Urteil vom 21. Dezember 1982 – 1 [X.], [X.]St 31, 178, 182; Beschlüsse vom 11. August 2011 – 2 [X.], [X.], 367; vom 7. August 2014 – 3 [X.], aaO). Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist das aus der Sicht des [X.] erreichte [X.] konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts ([X.], Urteile vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, [X.]R StGB § 22 Ansetzen 34; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, [X.], 517, 518; vom 20. März 2014 – 3 [X.], aaO mwN). In der Regel kommt es bei Qualifikationen und Regelbeispielen auf den [X.] hinsichtlich des Grunddelikts an (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, [X.], 86 mit [X.]. [X.], und vom 7. August 2014 – 3 [X.], [X.], 207 mit [X.]. [X.], 152; [X.], 72; [X.]/[X.]/Eser/[X.], StGB, 30. Aufl., § 22 Rn. 58 mwN).

6

b) Bei [X.] ist demgemäß darauf abzustellen, ob aus [X.]icht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, [X.]R StGB § 22 Ansetzen 29; siehe auch schon [X.], 254, 255). Hierfür ist entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; [X.] 1976, 155). Ist dies der Fall, reicht für den [X.] der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem [X.] ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt (vgl. bereits [X.], 217, 218; 54, 35). Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, ist schon beim [X.] davon in der Regel von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll (vgl. auch [X.], Beschluss vom 8. Februar 2018 – 1 [X.], NStZ-RR 2018, 203: Einbruch in ein Bürogebäude, um anschließend in einzelne Büros einzubrechen). Wird der Schutz des [X.] durch eine hierzu bereite Person gewährleistet, liegt Versuch vor, wenn auf diese (durch Täuschung oder Drohung) mit dem Ziel einer [X.]lockerung eingewirkt wird und die Wegnahme in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit erfolgen soll (vgl. [X.], Urteile vom 16. September 2015 – 2 [X.], [X.]R StGB § 22 Ansetzen 39, und vom 10. August 2016 – 2 [X.], [X.], 441, jeweils mwN: Begehren um Einlass beim Trickdiebstahl aus der Wohnung).

7

Nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch erfolgreich überwunden wird (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, [X.]St 2, 380; Beschlüsse vom 18. November 1985 – 3 [X.], [X.]St 33, 370, und vom 27. November 2018 – 2 StR 481/17, [X.]St 63, 253, 254; [X.], [X.] 1976, 155). Deshalb reicht der Beginn des [X.], [X.] oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig aus, um einen [X.] anzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Februar 1984 – 3 [X.], [X.], 262 mwN). Soweit die bisherige Rechtsprechung des Senats entgegensteht (vgl. insbesondere Beschlüsse vom 4. Juli 2019 – 5 StR 274/19, und vom 1. August 2019 – 5 [X.], [X.], 716; hierzu näher [X.], NStZ 2020, 34), hält er hieran nicht fest.

8

Demnach liegt ein versuchter Diebstahl noch nicht vor, wenn der Täter lediglich einen gewahrsamssichernden Schutzmechanismus anleuchtet, um ihn zu untersuchen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; Rollo; [X.], [X.], 216: Türgriff eines PKW), wenn er in der Nähe des [X.] eintrifft, aber noch nicht sogleich mit der Benutzung des bereitgelegten [X.] beginnen will (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 1989 – 2 [X.], [X.], 473), er sich lediglich mit Mittätern zur Rückseite des Gebäudes begibt, in das eingebrochen werden soll (vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 2019 – 5 [X.]), wenn mit zeitlicher Verzögerung erst noch umfangreiches Werkzeug herbeigeschafft werden muss, um einen Bankautomaten aufbrechen zu können (vgl. [X.], Beschluss vom 7. August 2014 – 3 [X.], aaO), oder wenn lediglich das Treppenhaus betreten und noch nicht auf den Wohnungsinhaber mit dem Ziel eingewirkt wird, den von ihm geschützten Gewahrsam anzugreifen ([X.], Urteil vom 10. August 2016 – 2 [X.], [X.], 441). Beim Übersteigen eines Gartenzauns oder -tors mit der Absicht, in ein dahinter liegendes Haus einzubrechen, kommt es darauf an, ob Zaun oder [X.] schon eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO, einerseits und [X.], Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17, [X.], 340 andererseits; [X.], Beschluss vom 17. November 1988 – 1 [X.]). Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl ist hingegen zu bejahen, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug bereits angesetzt hat, um damit einen Schutzmechanismus zu überwinden und anschließend in ein Gebäude zum Stehlen einzudringen ([X.], Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, [X.]St 2, 380).

9

c) Nach diesen [X.]stäben ist die Wertung des [X.]s, der Angeklagte habe zur Verwirklichung des Diebstahls bereits unmittelbar angesetzt, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Verhüllung bedeutete den ersten Schritt hin zum Aufbruch des Automaten. Dieser war damit dem Blick anderer entzogen und dem Zugriff des Angeklagten in besonderem [X.]e ausgesetzt. Nach dessen Vorstellung sollte der Einsatz des Trennschleifers oder anderer Aufbruchsmittel unmittelbar folgen. Für den Fall, dass der Trennschleifer nicht zum Einsatz kommen konnte, hatte sich der Angeklagte weitere Werkzeuge bereit gelegt. Die fremden Sachen, die durch den Zigarettenautomaten vor Wegnahme besonders geschützt waren, waren damit bereits konkret gefährdet.

[X.]     

      

[X.]     

      

Köhler

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 15/20

28.04.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Flensburg, 13. September 2019, Az: 115 Js 4881/19 - II KLs

§ 22 StGB, § 242 StGB, § 243 Abs 1 S 2 Nr 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2020, Az. 5 StR 15/20 (REWIS RS 2020, 1045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1045

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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