Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2017, Az. 3 AZR 199/16

3. Senat | REWIS RS 2017, 3854

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Gegenstand

Betriebliche Altersversorgung - Diskriminierung wegen des Alters - Anrechnungsausschluss von Zeiten nach der Vollendung des 60. Lebensjahres


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2016 - 11 [X.] - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 60. Lebensjahres bei der Berechnung einer Betriebsrente.

2

Die im Mai 1948 geborene Klägerin war vom 24. Oktober 1988 bis zum 30. Juni 2013 bei der Beklagten als Briefordnerin in Teilzeit beschäftigt. Seit dem 1. Juli 2013 bezieht die Klägerin eine Betriebsrente nach dem Tarifvertrag Nr. 15 über die Betriebliche Altersversorgung der [X.] vom 29. Oktober 1996 (im Folgenden [X.]). Der [X.] enthält auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 2   

Leistungsarten

        

Die Betriebliche Altersversorgung der [X.] nach diesem Tarifvertrag ([X.]) wird gezahlt bei

        

a)    

Erreichen der Altersgrenzen für die Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 9,

        

b)    

Eintritt der Erwerbsunfähigkeit i. S. der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 10,

        

c)    

Tod des Arbeitnehmers bzw. des Betriebsrentenempfängers an Witwen/Witwer gem. § 11,

        

d)    

Tod des Arbeitnehmers bzw. des Betriebsrentenempfängers an Voll- oder Halbwaisen gem. § 12.

        

§ 3     

Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen und Fälligkeit

        

…       

        
        

(2)     

Endet das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des [X.] gilt § 13.

        

(3)     

Der Anspruch auf [X.] ist ausgeschlossen, wenn bei Eintritt des [X.] das Arbeitsverhältnis zur [X.] nicht mehr bestand und auch keine unverfallbare Anwartschaft im Sinne von § 13 erworben wurde.

        

…       

        
        

§ 5     

Berechnung der [X.]

        

(1)     

Die monatliche Höhe der [X.] wird wie folgt berechnet:

                 

Beschäftigungsjahre bei der [X.]

                 

X       

                 

€-Betrag der jeweiligen Versorgungsgruppe im [X.]punkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

                 

…       

        

§ 6     

Anrechenbare Beschäftigungsmonate

        

(1)     

Als anrechenbare Beschäftigungsmonate gelten die Monate, in denen der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Entgelt zur [X.] stand. [X.]en, in denen der Arbeitnehmer Krankenentgelt oder Krankengeldzuschuß bezieht, zählen als anrechenbare Beschäftigungsmonate. Es werden höchstens 480 Beschäftigungsmonate angerechnet. ...

        

(2)     

Beschäftigungsmonate gemäß Absatz 1 nach Vollendung des 60. Lebensjahres bleiben unberücksichtigt.

        

…       

        
        

§ 7     

Versorgungsgruppe €-Betrag

        

…       

        
        

(3)     

Für Arbeitnehmer, die im Verlauf der anrechenbaren Beschäftigungsmonate (§ 6) teilzeitbeschäftigt waren, wird der €-Betrag aus dem €-Plan bei Eintritt des [X.] anteilig entsprechend dem Verhältnis der jeweilig arbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit zur jeweils geltenden tariflichen Wochenarbeitszeit ermittelt. Für jeden Beschäftigungsmonat wird dabei die jeweils höchste Wochenarbeitszeit in Ansatz gebracht.

                 

…       

        

§ 9     

[X.] bei Erreichen der Altersgrenze

        

Anspruch auf [X.] bei Erreichen der Altersgrenze besteht, wenn der Arbeitnehmer eine Altersrente als Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 35 - 40 SGB VI) erhält und das Arbeitsverhältnis zur [X.] beendet ist.

        

…       

        
        

§ 13   

Unverfallbare Anwartschaft

        

(1)     

Endet das Arbeitsverhältnis mit der [X.] vorzeitig, d. h. vor Eintritt eines [X.] gem. §§ 9 oder 10, wird eine Anwartschaft auf die in Aussicht gestellten Betriebsrentenleistungen gem. §§ 9 oder 10 aufrechterhalten, sofern der Arbeitnehmer zum [X.]punkt seines Ausscheidens das 30. Lebensjahr vollendet hat und

                 

a)    

entweder dieser Tarifvertrag für ihn seit dem 1. Januar 2001 mindestens fünf Jahre gegolten hat oder

                 

b)    

dieser Tarifvertrag für ihn insgesamt mindestens zehn Jahre gegolten hat oder

                 

c)    

dieser Tarifvertrag für ihn mindestens drei Jahre gegolten hat und seine Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre bestanden hat.

                 

…       

        

(2)     

Für eine fortbestehende Anwartschaft gem. Abs. 1 steht dem vorher ausgeschiedenen Arbeitnehmer und dessen Hinterbliebenen bei Eintritt des [X.] nach diesem Tarifvertrag ein Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung zu, der dem Verhältnis der Dauer der vor Vollendung des 60. Lebensjahres zurückgelegten Betriebszugehörigkeit zu der [X.] vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres entspricht. …“

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse die ab Vollendung des 60. Lebensjahres zurückgelegten Dienstjahre bei der Berechnung ihrer Betriebsrente berücksichtigen. § 6 Abs. 2 TV [X.] bewirke eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, die nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt sei. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG sei nicht einschlägig. Der Wunsch, Kosten zu reduzieren, sei kein legitimes Ziel. Zudem sei die Regelung nicht erforderlich, um den finanziellen Aufwand für die Beklagte hinreichend zu begrenzen und kalkulierbar zu gestalten. Es hätte genügt, auf eine bestimmte Beschäftigungsdauer ohne Bezug zum Lebensalter abzustellen.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 342,96 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von ihr nach Vollendung des 60. Lebensjahres zurückgelegten Beschäftigungszeiten mit Ausnahme von [X.]en, in denen sie weder Entgelt noch Krankenentgelt oder Krankengeldzuschuss bezogen hat, im Rahmen der [X.] gemäß dem Tarifvertrag Nr. 15 über die Betriebliche Altersversorgung der [X.] ([X.]) vom 29. Oktober 1996 als anrechenbare Beschäftigungszeiten bei der Höhe der Betriebsrente zu berücksichtigen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen.

8

I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungantrag. Die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO liegen vor. Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich den Inhalt der der [X.] obliegenden Verpflichtung, die Betriebsrente unter Berücksichtigung der nach Vollendung des 60. Lebensjahres erbrachten Beschäftigungszeiten zu berechnen und auszuzahlen. Von der Entscheidung über diese Frage hängt - zumindest auch - die Entscheidung der Zahlungsklage ab. Eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es daher nicht (vgl. etwa [X.] 11. Juli 2017 - 3 [X.] - Rn. 21 mwN).

9

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die [X.] ist nicht verpflichtet, bei der Berechnung der Betriebsrente der Klägerin deren Beschäftigungszeiten nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres zu berücksichtigen. Die in § 6 Abs. 2 [X.] geregelte Begrenzung der rentenfähigen Beschäftigungszeiten auf den Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres ist wirksam. Die Regelung bewirkt keine Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts iSd. § 7 Abs. 1 Halbs. 1, § 1 AGG.

1. Das [X.] ist anwendbar.

a) Das [X.] gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das [X.] auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält (vgl. etwa [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.]E 147, 279). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

b) Das [X.] ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Nach Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 ([X.]), das am 17. August 2006 verkündet wurde, trat das [X.] am 18. August 2006 in [X.]. Zu diesem Zeitpunkt stand die Klägerin noch in einem Arbeitsverhältnis und damit in einem Rechtsverhältnis mit der [X.]; das ist für die zeitliche Anwendbarkeit des Gesetzes ausreichend (vgl. [X.] 17. April 2012 - 3 [X.] - Rn. 25 mwN).

2. § 6 Abs. 2 [X.] bewirkt keine unzulässige Altersdiskriminierung iSd. §§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG.

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam (vgl. etwa [X.] 19. April 2016 - 3 [X.] - Rn. 32; 4. August 2015 - 3 [X.] - Rn. 40, [X.]E 152, 164; 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 147, 279).

b) § 6 Abs. 2 [X.] bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die Regelung knüpft direkt an die Vollendung des 60. Lebensjahres an und führt dazu, dass Arbeitnehmer, die bei Beginn ihres Arbeitsverhältnisses mit der [X.] ein höheres Lebensalter hatten, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung erfahren als Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt jünger waren. Denn Arbeitnehmer, die - wie die Klägerin - bei ihrer Einstellung schon älter waren, erleiden bezogen auf ihre gesamte Beschäftigungszeit durch die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Beschäftigungsmonate auf den Zeitpunkt bis zur Vollendung ihres 60. Lebensjahres eine unverhältnismäßig stärkere Einbuße bei der Rentensteigerung als jüngere Arbeitnehmer.

c) Die durch § 6 Abs. 2 [X.] bewirkte Ungleichbehandlung ist nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein (st. Rspr. vgl. etwa [X.] 4. August 2015 - 3 [X.] - Rn. 43, [X.]E 152, 164; 9. Dezember 2014 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.]E 150, 136; 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 20, [X.]E 147, 279; 12. November 2013 - 3 [X.] - Rn. 22 mwN). Soweit die Voraussetzungen von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfüllt sind, ist eine unterschiedliche Behandlung danach zwar grundsätzlich, aber nicht immer zulässig.

[X.]) Unerheblich ist, dass ein solches Verständnis der gesetzlichen Regelung zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters in betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit unionsrechtlich nicht geboten ist. Wie die Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] vom 24. November 2016 (- [X.]/15 - [[X.]]) und vom 16. Juni 2016 (- [X.]/15 - [[X.]]) zeigen, verlangt die § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechende Regelung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/[X.] ([X.][X.] L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16), die sog. Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, zur Rechtfertigung der von ihr erfassten Benachteiligungen nicht, dass diese objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel - worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind - gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Denn das vorliegende Verständnis der Regelungen in § 10 AGG ergibt sich aus nationalem Recht. Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik und die Entstehungsgeschichte zeigen, dass der Gesetzgeber an die von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfassten Ungleichbehandlungen weiter gehende Anforderungen stellen wollte (ausführlich dazu [X.] 26. September 2017 - 3 [X.] - Rn. 42 ff.). Soweit das [X.] damit in seinen Anforderungen an die Zulässigkeit von Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit über das nach Unionsrecht Erforderliche hinausgeht, ist dies unionsrechtlich zulässig. Nach Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/[X.] dürfen die Mitgliedstaaten Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in der Richtlinie 2000/78/[X.] vorgesehenen Vorschriften sind.

cc) Es kann offenbleiben, ob die in § 6 Abs. 2 [X.] geregelte Altersgrenze „nach Vollendung des 60. Lebensjahres“ unter § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG fällt und damit grundsätzlich gerechtfertigt ist. Selbst wenn man - entgegen der Annahme des [X.]s - zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG im Streitfall nicht vorliegen, ist die durch § 6 Abs. 2 [X.] bewirkte unmittelbare Ungleichbehandlung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

(1) Der Altersgrenze in § 6 Abs. 2 [X.] liegt ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG zugrunde.

(a) Legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG sind wegen der in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/[X.] genannten Beispielsfälle „Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“ nicht nur solche aus dem Bereich Arbeits- und Sozialpolitik (vgl. [X.] 13. September 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 81 mwN; vgl. auch [X.] 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15). Auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersversorgung anstrebt, können legitime Ziele im Sinne der europäischen Vorgaben sein (vgl. [X.] 26. September 2013 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 60 ff.). Dementsprechend sind Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, als legitim iSv. § 10 Satz 1 AGG anzusehen. Dazu gehört auch, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 13. Juli 2017 - [X.]/16 - [Kleinsteuber] Rn. 62 ff.). Indem § 10 AGG erlaubt, in [X.] die Leistungspflichten des Versorgungsschuldners zu begrenzen und damit für diesen eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen, verfolgt die gesetzliche Bestimmung das Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu verbreiten. Es hält sich demnach im Rahmen dieses legitimen Ziels, wenn in einer Versorgungsordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.

(b) Danach ist die in § 6 Abs. 2 [X.] geregelte Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Beschäftigungsmonate auf den Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres durch ein legitimes Ziel gedeckt. Die Festlegung einer Altersgrenze, bis zu der berücksichtigungsfähige Beschäftigungszeiten erbracht werden können, bewirkt, dass der Arbeitgeber den aus der Versorgungszusage resultierenden [X.] verlässlich kalkulieren und seine wirtschaftliche Belastungen besser einschätzen und begrenzen kann.

(2) Die Altersgrenze in § 6 Abs. 2 [X.] ist auch angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG.

(a) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen wie der betrieblichen Altersversorgung ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu. Dies ist seiner Bereitschaft geschuldet, sich freiwillig zu einer von ihm zu finanzierenden betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten. Diese Gestaltungsfreiheit eröffnet dem Arbeitgeber grundsätzlich auch die Möglichkeit, altersabhängige Begrenzungen für die Ermittlung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten des von der Versorgungsordnung begünstigten Personenkreises festzulegen. Dies gilt erst recht, wenn - wie vorliegend - die Versorgungsordnung durch Tarifvertrag geregelt ist (vgl. [X.] 19. Januar 2011 - 3 [X.] - Rn. 46 ff., [X.]E 137, 19). Dabei dürfen jedoch die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht außer [X.] gelassen werden (vgl. etwa [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 26, [X.]E 147, 279; 12. November 2013 - 3 [X.] - Rn. 28 mwN).

Die Festlegung eines Höchstalters zur Begrenzung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten ist angemessen, wenn mit dieser Begrenzung das verfolgte Ziel erreicht wird, ohne die legitimen Interessen der hiervon nachteilig betroffenen Arbeitnehmer übermäßig zu beeinträchtigen (vgl. etwa [X.] 26. Februar 2015 - [X.]/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter hat und eine altersabhängige Begrenzung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten dazu führt, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer für die ab dem Erreichen der Altersgrenze von ihnen geleistete Betriebszugehörigkeit keine betriebliche Altersversorgung erhalten. Eine Regelung, die zur Folge hat, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können, ist damit nicht zu vereinbaren (vgl. etwa [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 26, [X.]E 147, 279).

Erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG ist die Festlegung eines Höchstalters zur Begrenzung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten, wenn diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. [X.] 26. September 2013 - [X.]/11 - [[X.] Jurist] Rn. 59).

(b) Danach ist die Regelung in § 6 Abs. 2 [X.] angemessen. Die Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 60. Lebensjahres beeinträchtigt das legitime Interesse der von dieser Regelung betroffenen Versorgungsempfänger, sich im Lauf des Erwerbslebens eine angemessene Altersversorgung aufzubauen, nicht übermäßig.

(aa) Nach dem unbestrittenen Vortrag der [X.] scheiden deren Arbeitnehmer überwiegend mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus. Aufgrund dessen durften die Tarifvertragsparteien im Rahmen der ihnen zustehenden [X.] in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und die betroffenen Interessen (vgl. [X.] 28. Mai 2013 - 3 [X.] - Rn. 32) annehmen, dass die Arbeitnehmer der [X.] bei typisierender Betrachtungsweise den ganz überwiegenden Teil ihres Erwerbslebens vor dem 60. Lebensjahr absolviert haben. Dementsprechend haben die Tarifvertragsparteien zB in § 13 Abs. 2 [X.] auch geregelt, dass die Betriebsrente bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versorgungsfalls nicht bezogen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern bezogen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres gekürzt wird. Ausgehend davon, dass ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst (vgl. etwa [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 27, [X.]E 147, 279), verbleibt den (wenigen) von § 6 Abs. 2 [X.] betroffenen Arbeitnehmern durch eine Begrenzung auf die Vollendung des 60. Lebensjahres - entgegen der Annahme der Klägerin - damit immer noch der weitaus größte Teil ihres Erwerbslebens, um Versorgungsanwartschaften bei der [X.] zu erwerben oder für ihre Altersversorgung anderweitig vorzusorgen.

([X.]) Gegen eine übermäßige Beeinträchtigung der Interessen der von § 6 Abs. 2 [X.] betroffenen Arbeitnehmer spricht auch, dass nach der tariflichen Versorgungsordnung alle sonstigen Beschäftigungszeiten, für die die Versorgungsberechtigten Entgelt, Krankenentgelt oder einen Krankengeldzuschuss erhalten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]), angerechnet werden. Eine weiter gehende Begrenzung - etwa durch eine Mindestaltersgrenze, ab der anrechenbare Beschäftigungszeiten erstmalig erworben werden können - regelt der [X.] nicht.

(c) Die Begrenzung auf die Vollendung des 60. Lebensjahres in § 6 Abs. 2 [X.] ist auch erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG. Die Begrenzung der Leistungspflicht des Arbeitgebers lässt sich mit gleichwirksamer Genauigkeit nicht durch ein milderes Mittel erreichen.

3. Soweit die Klägerin - erstmals in der Revision - geltend macht, die Begrenzung der anrechenbaren Dienstzeiten auf den Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres führe zu einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen (zu der bei der Festsetzung von Altersgrenzen zu beachtenden Einschränkung nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/[X.] „solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“, die auch im Rahmen der [X.] nach § 10 AGG zu berücksichtigen ist, siehe ausführlich [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 23, [X.]E 147, 279), kann dahinstehen, ob dieser Vortrag in der Revisionsinstanz überhaupt berücksichtigt werden kann (§ 559 ZPO). Denn das Vorbringen der Klägerin reicht jedenfalls nicht aus, die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts zu begründen.

a) Der Vortrag der Klägerin lässt bereits nicht erkennen, dass § 6 Abs. 2 [X.] eine besondere Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG von Frauen bewirkt. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die von der Regelung nachteilig erfasst werden, weil sie auch noch nach Vollendung des 60. Lebensjahres bei der [X.] tätig sind, überwiegend um Frauen handelt.

b) Auch sonstige Anhaltspunkte für eine mittelbare Diskriminierung der Regelung sind nicht ersichtlich.

aa) Zwar können nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur Zeiten, in denen die Versorgungsberechtigten Entgelt beziehen, rentenfähige Beschäftigungszeiten sein. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass § 6 Abs. 2 [X.] deshalb in besonderem Maße Frauen benachteiligt, weil sie - häufiger als Männer - anrechenbare Beschäftigungszeiten auch nach Vollendung des 60. Lebensjahres erwerben müssen, um die Anzahl ihrer insgesamt bis zur Höchstbegrenzung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] anrechenbaren Beschäftigungsmonate und damit auch ihre spätere Betriebsrente zu steigern. Denn § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfasst nicht nur Elternzeiten oder andere typischerweise von Frauen geleistete familiäre Betreuungszeiten, sondern zB auch Zeiten einer Langzeiterkrankung, Wehr- und Zivildienstzeiten, Sa[X.]aticals und sonstige Zeiten eines unbezahlten [X.]. Weder hat das [X.] Feststellungen getroffen, in welchem Umfang bei der [X.] Frauen von dieser Norm betroffen sind, noch hat die Klägerin hierzu Vortrag gehalten.

[X.]) Auch der Umstand, dass Frauen typischerweise in Teilzeit beschäftigt sind, rechtfertigt keine andere Bewertung.

Hinsichtlich der Beschäftigungszeiten von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten sieht der [X.] keine unterschiedliche Behandlung vor. Eine Teilzeittätigkeit führt nicht zu einer entsprechenden proportionalen Kürzung der erbrachten Dienstzeiten. § 7 Abs. 3 TV Betriebsrente Post sieht insoweit lediglich eine zeitratierliche Kürzung des ruhegehaltsfähigen Entgelts vor. Damit erfahren Frauen, die typischerweise wegen der Übernahme familiärer Betreuungspflichten häufiger als Männer mit einer verringerten Arbeitszeit arbeiten, bei [X.] Beschäftigungsdauer bezogen auf die anrechenbaren Beschäftigungsmonate keine ungünstigere Behandlung aufgrund der Teilzeittätigkeit.

Eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten ergibt sich auch nicht daraus, dass bei einer Teilzeittätigkeit das ruhegehaltsfähige Entgelt nach § 7 Abs. 3 [X.] zeitratierlich gekürzt wird. Trotz der Begrenzung der anrechenbaren Beschäftigungsmonate auf Zeiten bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres in § 6 Abs. 2 [X.] führt dies nicht notwendigerweise zu einer - bezogen auf das gesamte Arbeitsverhältnis - überproportional ungünstigen Auswirkung der Teilzeittätigkeit. Arbeitet ein Arbeitnehmer während des gesamten Arbeitsverhältnisses mit gleichbleibender Arbeitszeit in Teilzeit, wirkt sich die Begrenzung ohnehin nicht nachteilig aus. Wechselt ein Arbeitnehmer von einer Vollzeit- in eine Teilzeittätigkeit oder verringert er den Umfang seiner Teilzeitbeschäftigung und arbeitet er auch nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit dieser verringerten Arbeitszeit weiter, so wirkt sich die Teilzeittätigkeit sogar weniger ungünstig aus. Lediglich wenn ein Arbeitnehmer nach einer Teilzeit in eine Vollzeittätigkeit wechselt oder den Umfang seiner Teilzeittätigkeit erhöht und diese Arbeitszeiterhöhung auch nach Vollendung des 60. Lebensjahres beibehält, wirkt sich dies ungünstiger aus. Dass sich die Regelung in § 6 Abs. 2 [X.] wegen dieser Fallgestaltung bei der [X.] insgesamt häufiger nachteilig auf Frauen als auf Männer auswirkt, ist aber weder vorgetragen noch bestehen hierfür Anhaltspunkte.

c) Soweit die Klägerin geltend macht, Frauen wiesen aus familiären Gründen häufiger Unterbrechungen in ihrer Erwerbsbiografie auf und seien deshalb in besonderem Maße darauf angewiesen, im weiteren Erwerbsleben noch Ansprüche auf eine Altersversorgung zu erwerben, verlangt sie lediglich einen Ausgleich für eine bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der [X.] vorhandene Schlechterstellung. Eine Verpflichtung, einen solchen Ausgleich und damit eine positive Maßnahme iSv. § 5 AGG zu regeln, besteht für die Tarifvertragsparteien nicht.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    [X.]    

        

    Richterin am [X.]
Wemheuer ist verhindert,
die Unterschrift beizufügen.
Zwanziger    

        

        

        

    Schmalz    

        

    Möller    

                 

Meta

3 AZR 199/16

17.10.2017

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 15. September 2015, Az: 13 Ca 12671/14, Urteil

Art 6 EGRL 78/2000, § 3 Abs 2 AGG, § 1b Abs 1 S 4 BetrAVG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 2 AGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2017, Az. 3 AZR 199/16 (REWIS RS 2017, 3854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3854


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 AZR 199/16

Bundesarbeitsgericht, 3 AZR 199/16, 17.10.2017.


Az. 13 Ca 12671/14

ArbG München, 13 Ca 12671/14, 15.09.2015.


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Referenzen
Wird zitiert von

12 Sa 453/20

Zitiert

3 AZR 356/12

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