Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2013, Az. B 5 R 16/12 R

5. Senat | REWIS RS 2013, 7222

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Gegenstand

Rentenversicherung - Bestimmtheit eines Korrekturbescheides - unbestimmte Regelung - Zuständigkeit der Widerspruchsstelle


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Die Beklagte hat ebenfalls die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 2749,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anrechnungsfähigkeit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine große [X.] aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

2

Die im Jahre 1941 geborene und am 31.10.2010 verstorbene [X.] nachfolgend: Hinterbliebene - infizierte sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester mit einer Tuberkulose, die im Jahre 1978 als Berufskrankheit anerkannt wurde. Mit Bescheid vom 21.3.1978 gewährte die Berufsgenossenschaft der Hinterbliebenen ab August 1972 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von [X.], die im Jahre 1989 auf eine Höhe von 648,21 Euro eingefroren wurde.

3

Die Hinterbliebene war seit 1973 mit [X.] verheiratet, der am [X.] verstarb. Im selben Monat beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Bei der Antragstellung war der Hinterbliebenen der Versicherungsberater der [X.] [X.] behilflich, den sie über die bestehende [X.] informierte. Nachdem der Versicherungsberater erklärt hatte, eine Anrechnung der Verletztenrente auf die Hinterbliebenenrente erfolge nicht, gab die Hinterbliebene im Antragsformular lediglich an, eine eigene Altersrente zu beziehen; auf die ihr gewährte Verletztenrente wies sie nicht hin.

4

Mit Bescheid vom [X.] bewilligte die Beklagte der Hinterbliebenen ab April 2007 Hinterbliebenenrente, ohne die Verletztenrente zu berücksichtigen.

5

Nach Anhörung der Hinterbliebenen nahm die Beklagte mit Bescheid vom [X.] den Bewilligungsbescheid vom [X.] mit Wirkung ab [X.] gemäß § 45 [X.] zurück, weil dieser wegen der fehlenden Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Gewährung der [X.] rechtswidrig gewesen sei und forderte die Erstattung von 2559,15 Euro wegen Überzahlung in der [X.] vom 1.7.2007 bis 31.5.2008. Die Hinterbliebene könne sich nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, da die Gewährung der [X.] auf Angaben beruht habe, die sie grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw unvollständig gemacht habe und sie zudem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt bzw aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe.

6

Nachdem der Versicherungsberater [X.] im Widerspruchsverfahren den Hinweis der Hinterbliebenen auf ihre [X.] bestätigt hatte, gab die Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom [X.] teilweise statt. Unter Abänderung des Bescheides vom [X.] nahm sie den Bewilligungsbescheid vom [X.] erst mit Wirkung ab 1.6.2008 zurück und machte gleichzeitig für den [X.]raum vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 eine Erstattung von [X.] Hinterbliebenenrente in Höhe von nunmehr 2749,62 Euro geltend. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

7

Die hiergegen gerichtete Klage hat das [X.] mit Urteil vom [X.] abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist die Hinterbliebene verstorben. Ihre Kinder, die Kläger zu 1. und 2., haben den Rechtsstreit fortgeführt. Mit Urteil vom 21.3.2012 hat das [X.] das Urteil des [X.] und den Bescheid der Beklagten vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom [X.] sei rechtmäßig. Nach § 97 [X.] [X.] werde Einkommen von Berechtigten, das mit einer [X.] oder Witwerrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Welches Einkommen anrechnungsfähig sei, ergebe sich aus § 18a bis § 18e [X.]. Nach § 18a [X.] [X.] sei bei Renten wegen Todes Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen. Dies gelte allerdings gemäß § 18a [X.] [X.] nicht, soweit es sich hierbei - abgesehen von den ausdrücklich genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen - um steuerfreie Einnahmen iS von § 3 Einkommensteuergesetz (EStG) handele. Nach § 3 [X.] 1a EStG gehörten zu den nicht berücksichtigungsfähigen steuerfreien Einnahmen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die angefochtenen Bescheide, in denen zu Unrecht eine solche Anrechnung vorgenommen worden sei, seien daher aufzuheben.

8

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 97 [X.] [X.] iVm § 18a [X.] [X.] 2, [X.] [X.] 4 [X.] und § 114 Abs 1 [X.]. Das [X.] habe übersehen, dass eine Anwendung des § 18a [X.] [X.] auf den vorliegenden Sachverhalt durch § 114 Abs 1 [X.] ausgeschlossen werde. Nach dieser Regelung seien Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht würden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben sei oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen worden und mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren sei. Erwerbsersatzeinkommen im Sinne dieser Regelung seien nach § 114 [X.] [X.] Leistungen nach § 18a [X.] [X.] 1 bis 8 [X.] und damit auch die in § 18a [X.] [X.] 4 [X.] genannte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Ausnahme für steuerfreie Einkünfte sei in § 114 Abs 1 und 3 [X.] nicht vorgesehen. Nach den Feststellungen des [X.] unterfalle die 1941 geborene und seit 1973 mit [X.] verheiratete Hinterbliebene dem von der Regelung des § 114 Abs 1 [X.] erfassten Personenkreis. Sie könne sich daher auf die Regelung des § 18a [X.] [X.] nicht berufen. Die im Urteil des BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 15/11 R - Rd[X.] 15 aufgeworfene Frage, ob § 114 Abs 1 [X.] im Wege teleologischer Reduktion lediglich zu Gunsten der Betroffenen anzuwenden sei, sei zu verneinen. Die vom [X.] vertretene Auffassung sei aber selbst dann nicht haltbar, wenn § 114 Abs 1 [X.] auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden könne. Die eine Anrechnung der Verletztenrente der Hinterbliebenen ausschließende Regelung des § 18a [X.] [X.] stehe in einem offenkundigen Widerspruch zur Regelung des § 18a [X.] [X.] 2 iVm [X.] [X.] 4 [X.], der eine derartige Anrechnung ausdrücklich anordne. Ein derartiger Widerspruch in den Aussagen einer gesetzlichen Regelung könne nicht dadurch aufgelöst werden, dass einer der widersprechenden Gesetzesbefehle ohne jegliche Begründung als unbeachtlich behandelt werde. In einem derartigen Fall seien vielmehr weitere Auslegungsgrundsätze heranzuziehen, um das von dem Gesetz gewollte Ergebnis zu ermitteln. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine spezielle Regelung eine allgemeine Regelung verdränge, sowie unter Beachtung des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung - hier: Art 3 Abs 1 GG - sei nicht § 18a [X.] [X.], sondern § 18a [X.] [X.] 2 iVm [X.] [X.] 4 [X.] in Fällen der vorliegenden Art anwendbar. Dieses Ergebnis stehe auch nicht mit dem gesetzgeberischen Willen in Widerspruch.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 21. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Hinterbliebenen gegen das Urteil des [X.] vom 3. August 2010 zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen,

        

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht den Bescheid vom [X.] und den Widerspruchsbescheid vom [X.] aufgehoben.

1. Soweit der Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] den Bescheid vom [X.] zurücknimmt, verstößt er gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 [X.] und ist schon deswegen rechtswidrig.

Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn die von ihm getroffene Regelung, die verfügte Rechtsfolge, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist (vgl [X.], 194 = [X.]-4200 § 31 [X.] Rd[X.]3 mwN; BSG [X.]-4200 § 31 [X.] Rd[X.]6 mwN; BSG vom 15.12.2010 - [X.] [X.]/09 R - Juris Rd[X.]8; BSG [X.]-1300 § 33 [X.] Rd[X.]6 mwN; s auch U. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2008, § 37 Rd[X.]7). Dieser Anforderung ist nicht genügt.

Der Bescheid vom [X.] enthält verschiedene Regelungen: Zum einen bewilligt er der Hinterbliebenen große Witwenrente; er regelt insoweit insbesondere die [X.], den Rentenbeginn ([X.]) und die Höhe der Hinterbliebenenrente. Daneben bestimmt er den monatlichen [X.] auf Zahlung iHv 733,48 [X.] ab [X.] und für die [X.] vom [X.] bis [X.] die Gewährung einer Nachzahlung iHv 3290,37 [X.].

Zwar lässt sich den in den angefochtenen Bescheiden verlautbarten Umständen im Wege der Auslegung entnehmen, welche dieser Regelungen zurückgenommen worden ist; hingegen ist nicht erkennbar, in welchem Umfang dies geschehen sollte.

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des [X.] ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG [X.]-5075 § 3 [X.] Rd[X.]5 mwN).

Unter Beachtung dieser Vorgaben sind die angefochtenen Bescheide dahin zu verstehen, dass der Bescheid vom [X.] mit Wirkung ab 1.6.2008 teilweise hinsichtlich des [X.] auf Zahlung zurückgenommen worden ist. Ausweislich der Bescheidbegründung hat die Beklagte lediglich die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs wegen Nichtberücksichtigung anrechnungsfähigen Einkommens verringern wollen und nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Witwenrente dem Grunde nach in Frage gestellt (vgl zu der gebotenen Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf Rente dem Grunde nach und dem [X.] auf Zahlung BSG [X.]-2600 § 313 [X.] Rd[X.]4 mwN).

In welcher Höhe der monatliche Zahlungsanspruch auf Hinterbliebenenrente zurückgenommen wird, lässt sich dem Widerspruchsbescheid vom [X.] nicht entnehmen. Zwar führen dessen Gründe auf [X.] und 7 aus, dass bei korrekter Anrechnung der Unfallrente der Witwenrentenanspruch ab [X.] auf ca 428,95 [X.] ohne Berücksichtigung der jährlichen Rentenanpassungen hätte gekürzt werden müssen, und dass ab [X.] nur noch eine Rente von 437,31 [X.] vorbehaltlich zukünftiger Rentenanpassungen ausgezahlt werde. Hieraus lässt sich jedoch die konkrete Kürzung des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente bzw die Höhe des infolge der Kürzung verbleibenden [X.]s auf Zahlung nicht ermitteln.

Aus dem Bescheid vom [X.] ergibt sich vielmehr, dass die Summe von 428,95 [X.] nicht die Höhe des um die Unfallrente gekürzten monatlichen Zahlungsanspruchs, sondern den sich nach zusätzlichem Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergebenden monatlichen Zahlbetrag der Hinterbliebenenrente bezeichnet, und dies erst nach Ablauf des [X.] ab [X.]. Bei dem Betrag von 437,31 [X.] handelt es sich unter Berücksichtigung der Formulierung "Rente … ausgezahlt" um den ab [X.] zu leistenden monatlichen Rentenzahlbetrag.

Die Heranziehung des Bescheides vom [X.] zur Auslegung des Widerspruchsbescheides vom [X.] führt auch im Übrigen zu keinem hinreichend bestimmten Inhalt im hier maßgeblichen Zusammenhang. Der Widerspruchsbescheid vom [X.], der gegenüber dem Bescheid vom [X.] (nur) die zeitliche Wirkung der Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom [X.] auf den 1.6.2008 verschiebt, ist keiner Auslegung dahin zugänglich, dass der im Ausgangsbescheid ab [X.] angegebene [X.] auf Zahlung von 475,55 [X.] (733,48 [X.] - anrechenbares Einkommen von 257,93 [X.]) für die Zukunft weitergelten soll. Der verständige, die Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte ist außerstande zu erkennen, dass dieser Betrag die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente nach Anrechnung der Unfallrente bezeichnet. Weder im Tenor noch in der Begründung des Bescheides vom [X.] ist ein der Hinterbliebenen nach Kürzung verbleibender monatlicher Rentenzahlungsanspruch von 475,55 [X.] aufgeführt. Dieser Betrag findet sich erst in der Anlage 1 des Bescheides als in keiner Weise hervorgehobenes Element eines nicht unbeträchtlichen Zahlenwerks. Ein verständiger Beteiligter muss nicht damit rechnen, dass der für ihn maßgebliche Zahlungsanspruch an derart "versteckter Stelle" geregelt wird. Dies gilt umso mehr, als die Anlage 1 nicht dasselbe Datum aufweist wie der Bescheid vom [X.] und zudem die Anlage 1 durch den Widerspruchsbescheid vom [X.] gegenstandslos geworden ist. Mit Wirkung vom [X.] ist darüber hinaus durch § 1 Abs 1 Rentenwertbestimmungsgesetz vom 26.6.2008 ([X.] 1076) der aktuelle Rentenwert von zuvor 26,27 [X.] auf 26,56 [X.] angehoben worden, sodass sich der monatliche Anspruch der Hinterbliebenen auf Witwenrente erhöht hat (vgl § 64 [X.]). Damit war dem Widerspruchsbescheid vom [X.] die Höhe der Kürzung des monatlichen Rentenzahlungsanspruchs bzw die Höhe des verbleibenden [X.]s auf Zahlung nach Anrechnung der Unfallrente ab [X.] auch aus diesem Grund nicht zu entnehmen.

2. Da der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] mangels hinreichender Bestimmtheit aufzuheben war, soweit dieser den Bewilligungsbescheid vom [X.] mit Wirkung ab 1.6.2008 zurückgenommen hat, ist der Widerspruchsbescheid vom [X.] auch insoweit rechtswidrig, als er die Erstattung eines Betrags von 2749,62 [X.] wegen zu viel gezahlter Witwenrente in der [X.] vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 fordert.

Er verstößt gegen § 50 Abs 1 [X.], nach dem aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen nur zu erstatten sind, soweit dieser aufgehoben worden ist. Durch die Aufhebung des Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.], soweit die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom [X.] verfügt ist, gilt dieser Bescheid wieder in vollem Umfang, sodass er eine Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen des ungekürzten [X.] im streitigen [X.]raum darstellt.

Darüber hinaus ist die im Widerspruchsbescheid vom [X.] geregelte Erstattung auch deswegen rechtswidrig, weil dem Widerspruchsausschuss der Beklagten hierfür die Entscheidungskompetenz fehlte.

Die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde ist auf den durch den Widerspruch vorgegebenen Rahmen beschränkt. Aus diesem Grund darf die Widerspruchsbehörde einen Widerspruch nicht zum Anlass nehmen, rechtlich selbständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hinausgehen ([X.] NVwZ-RR 2002, 3, 5; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], VwGO, § 68 Rd[X.]6 und 47 mwN - Stand: Oktober 2005). Weitergehende Entscheidungen der Widerspruchsbehörde sind unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nur zulässig, wenn dieser eine eigene Verwaltungskompetenz zukommt und sie nicht nur auf die Rechtsschutzgewährung beschränkt ist (vgl [X.], 274, 279 = [X.]-1500 § 85 [X.] S 6).

Der Bescheid vom [X.] enthält mehrere Regelungen iS von § 31 [X.]. Er nimmt zum einen den Bescheid vom [X.] für die [X.] ab [X.] zurück und fordert zum anderen von der Hinterbliebenen für die im [X.]raum vom [X.] bis [X.] erfolgte Überzahlung die Erstattung eines festgesetzten Betrags von 2559,15 [X.] (§ 50 Abs 1 [X.], Abs 3 [X.]). Die im Widerspruchsbescheid vom [X.] verfügte Rückforderung eines Überzahlungsbetrags von nunmehr 2749,62 [X.], die wegen § 86a [X.] SGG für einen anderen [X.]raum, die [X.] vom 1.6.2008 bis 30.6.2009, geleistet worden war, stellt im Verhältnis hierzu eine weitergehende, rechtlich selbständige Regelung dar.

Hierzu war der Widerspruchsausschuss der Beklagten unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht befugt. Gemäß § 85 Abs 2 [X.] SGG erlässt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung - und damit auch der Rentenversicherung (§ 1 Abs 1 [X.] SGB IV) - die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle. Die Kompetenz des [X.] beschränkt sich damit auf die Rechtsschutzgewährung (vgl auch [X.], 241, 245 f; BSG [X.]-1500 § 87 [X.] S 5 f). Eine ursprüngliche sachliche (Verwaltungs-)Zuständigkeit der Widerspruchsstelle ist nicht gegeben (BSG vom [X.] - B 4 RA 57/99 R - Juris Rd[X.]7 - auch zur Beachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers iS von § 62 Halbs 2, § 42 [X.] [X.]).

Schließlich verstößt der Widerspruchsbescheid vom [X.], soweit er die Erstattung von 2749,62 [X.] fordert, ebenfalls gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 [X.] mit der Folge der Rechtswidrigkeit, weil er nur die Gesamtsumme, nicht aber die einzelnen Berechnungsposten benennt (vgl U. [X.], aaO, § 37 RdNr 40; [X.] NVwZ-RR 1994, 113).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG, soweit sich die Revision auf die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom [X.] durch die angefochtenen Bescheide bezieht, und auf § 197a Abs 1 [X.] Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, soweit Streitgegenstand die Erstattung überzahlter Hinterbliebenenrente ist (vgl hierzu im Einzelnen Beschluss vom 11.10.2012 - [X.] R 16/12 R).

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 40, § 47 Abs 1 [X.], § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 [X.] GKG.

Meta

B 5 R 16/12 R

20.03.2013

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Koblenz, 3. August 2010, Az: S 11 R 456/09, Urteil

§ 133 BGB, § 31 SGB 10, § 33 Abs 1 SGB 10, § 35 Abs 1 SGB 10, § 45 SGB 10, § 50 Abs 1 SGB 10, § 85 Abs 2 S 1 Nr 2 SGG, § 46 SGB 6, § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 4, § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 4, § 18a Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 4, § 114 Abs 1 Nr 2 SGB 4

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2013, Az. B 5 R 16/12 R (REWIS RS 2013, 7222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7222

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