Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2010, Az. II ZR 105/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6270

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Gegenstand

Hauptversammlung der Aktiengesellschaft: Berechnung der Einberufungsfrist nach altem Recht


Leitsatz

Der Tag der Einberufung war bei der Berechnung der Einberufungsfrist nach § 123 Abs. 1 AktG in der Fassung vom 22. September 2005 mitzuzählen .

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 17. März 2009 wird verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags richtet, festzustellen, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 1. Dezember 2006 unter Punkt 8.1 der Tagesordnung gefasste Beschluss über die Änderung der Satzung in §§ 16 und 17 nichtig ist, und sie sich mit dieser Begründung gegen die Abweisung des [X.] richtet, festzustellen, dass die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2007 unter Punkt 2, 3, 4, 5 und 6 gefassten Beschlüsse nichtig sind.

2. Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 17. März 2009 wird zurückgewiesen.

3. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die weitergehende, in Ausführung der Beschränkung durch das Berufungsgericht zulässig eingelegte Revision des [X.] durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 125.000,00 € festgesetzt, für das [X.] auf 25.000,00 €.

Gründe

1

Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags richtet, festzustellen, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 1. Dezember 2006 unter Punkt 8.1 der Tagesordnung gefasste [X.]uss über die Änderung der Satzung in §§ 16 und 17 nichtig ist, und sie sich aus diesem Grund gegen die Abweisung des [X.] richtet, die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2007 unter Punkt 2, 3, 4, 5 und 6 gefassten [X.]üsse für nichtig zu erklären. Insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen, und die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Soweit die Revision zugelassen ist - hinsichtlich des auf die Unterschreitung der Einberufungsfrist gestützten Antrags auf Nichtigerklärung der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2007 gefassten [X.]üsse - ist sie nach § 552a ZPO zurückzuweisen. Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht und die Revision des [X.] hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

I.

2

Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich auf die angeblich unwirksame [X.]ussfassung über die Satzungsänderung vom 1. Dezember 2006 betreffend die Mindestfrist zur Einberufung, die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und den Nachweis des Anteilsbesitzes stützt und daraus die Nichtigkeit der angegriffenen [X.]üsse der Hauptversammlung vom 24. Mai 2007 herleiten und die Nichtigkeit der Satzungsänderungsbeschlüsse festgestellt haben will. Dazu ist die Revision nicht zugelassen. Das Berufungsgericht ([X.] 2009, 990) hat die Revision nur beschränkt zu dem vom Kläger vorgebrachten Anfechtungsgrund zugelassen, die in der Hauptversammlung vom 24. Mai 2007 gefassten [X.]üsse seien wegen Nichtwahrung der Einberufungsfrist anfechtbar.

3

Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.

4

1. Das Berufungsgericht kann die Zulassung der Revision auf einen [X.]ussanfechtungsgrund beschränken ([X.], [X.] v. 7. Dezember 2009 - [X.], [X.], 879 [X.]. 3). Eine Beschränkung auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs, der Gegenstand eines Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte, ist zulässig ([X.]Z 180, 77 [X.]. 17 "[X.]"). Die Anfechtungsgründe sind abtrennbare Teile des Streitstoffs. Der Streitgegenstand der aktienrechtlichen Anfechtungsklage wird durch die jeweils geltend gemachten [X.]ussmängelgründe als Teil des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bestimmt ([X.], [X.]. v. 14. März 2005 - [X.], [X.], 706 in Klarstellung zu Senat, [X.]Z 152, 1; [X.]Z 180, 221 [X.]. 32 "[X.]"; [X.]. v. 7. Dezember 2009 - [X.], [X.], 879 [X.]. 3). Schon die Klage kann auf einzelne Anfechtungsgründe mit der Folge begrenzt werden, dass nach Ablauf der Klagefrist nachgeschobene Gründe nicht mehr berücksichtigt werden ([X.], [X.]. v. 14. März 2005, aaO). Erst recht ist eine solche Beschränkung im Verlauf des Rechtsstreits möglich.

5

Der [X.]ussanfechtungsgrund, die Einberufungsfrist sei nicht eingehalten, zu dem das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ist rechtlich selbständig und ein von dem geltend gemachten [X.], die Teilnahmebedingungen und der Nachweis des Anteilsbesitzes seien unzutreffend angegeben, abtrennbarer und unabhängiger Teil des [X.]. Zwar haben Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen gegen einen Hauptversammlungsbeschluss ein einheitliches Rechtsschutzziel, so dass ein Teilurteil über die Anfechtungs- oder die Nichtigkeitsgründe ausscheidet, wenn diesen ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegt ([X.], [X.]. v. 1. März 1999 - [X.], [X.], 580; [X.]Z 152, 1, 5 f.). Die Einberufung auf der Grundlage einer vom Kläger für nichtig gehaltenen Satzungsbestimmung als [X.] betrifft indes einen anderen Lebenssachverhalt als die Einhaltung der Einberufungsfrist als Anfechtungsgrund.

6

2. [X.] steht nicht entgegen, dass der Kläger zusätzlich beantragt hat, die Nichtigkeit der Satzungsänderungsbeschlüsse in der Hauptversammlung vom 1. Dezember 2006 festzustellen. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzungsänderung vom 1. Dezember 2006 hat gegenüber der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage, mit der sich der Kläger gegen die in der Hauptversammlung vom 24. Mai 2007 gefassten [X.]üsse wendet, einen anderen Streitgegenstand. Die Beschränkung der Revision auf einen von mehreren Streitgegenständen ist möglich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand nicht von der Entscheidung über den anderen abhängt (vgl. [X.], [X.]. v. 8. März 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 877 [X.]. 14). Da die Revision gegen die [X.]üsse der Hauptversammlung vom 24. Mai 2007 auf den Anfechtungsgrund der Nichtwahrung der Einberufungsfrist beschränkt ist und die [X.] aufgrund der behaupteten nichtigen Satzungsänderung nicht Gegenstand der Revision sind, ist die Entscheidung über den Teil der Klage, zu dem die Revision zugelassen ist, von der Entscheidung über die Nichtigkeit der Satzungsänderung vom 1. Dezember 2006 unabhängig.

II.

7

Die hilfsweise eingelegte Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Nach § 16 Satz 2 [X.] galt neben der Regelung über den Nachweis in § 123 Abs. 3 [X.] i.d.F. des [X.] bis zur Anpassung der Satzung auch eine bestehende Satzungsregelung für die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts mit der Maßgabe fort, dass für den [X.]punkt der Hinterlegung oder der Ausstellung eines sonstigen Legitimationsnachweises auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Versammlung abzustellen ist ([X.], [X.]. v. 7. Dezember 2009 - [X.], [X.], 622). Ein Klärungsbedarf entsteht nicht dadurch, dass der Kläger zahlreiche Klagen mit seiner abweichenden Auffassung begründet hat.

III.

8

Soweit die Revision zugelassen ist, ist sie nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

9

1. Zulassungsgründe bestehen nicht mehr. Maßgeblich ist der [X.]punkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. [X.], [X.]. v. 20. Januar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 650; v. 29. November 2006 - [X.], juris [X.]. 7). Die [X.] bei der Einberufung einer Hauptversammlung ist spätestens durch die Änderung des § 123 [X.] mit dem Gesetz zur Umsetzung der [X.] ([X.]) vom 30. Juli 2009 ([X.]) mit Wirkung für Hauptversammlungen, die nach dem 31. Oktober 2009 einberufen werden (§ 20 Abs. 1 [X.]), geklärt. § 123 Abs. 1 [X.] i.d.F. des [X.] schließt aus, den [X.] bei der Fristberechnung mitzuzählen.

Klärungsbedarf für die Fristberechnung nach § 123 [X.] i.d.F. vor dem [X.] besteht nicht mehr. Bei auslaufendem Recht entfällt die [X.] nur dann nicht, wenn noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden sein wird (vgl. [X.]/[X.] 3. Aufl. § 543 Rdn. 8, § 544 Rdn. 13). Das ist hier nicht zu erwarten. Gemäß § 20 Abs. 3 [X.] gelten die alten Satzungsregelungen nur für die erste nach dem Inkrafttreten des [X.] einberufene Hauptversammlung und auch nur dann weiter, wenn die Fristen seither abweichend von der jetzigen Regelung nicht in (Kalender-)Tagen ausgedrückt waren. Für Hauptversammlungen zwischen dem Inkrafttreten des [X.] im Jahr 2005 und des [X.] im Jahr 2009 hat die Klärung der Berechnung der Einberufungsfrist keine Bedeutung mehr. Mit einer größeren Zahl von Entscheidungen über die Fristberechnung nach altem Recht zu Hauptversammlungen aus dieser [X.] ist nicht zu rechnen, zumal die Frist nach § 123 Abs. 1 [X.] a.F. eine Mindestfrist war und Gesellschaften durch die Wahl einer längeren Einberufungsfrist für eine rechtssichere Einberufung vorsorgen konnten.

2. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Beklagte mit der Bekanntmachung der Einberufung am 16. April 2007 die Einberufungsfrist zur Hauptversammlung vom 24. Mai 2007 gewahrt hat.

Die Hauptversammlung war mindestens 30 Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen (§ 123 Abs. 1 [X.] a.F.). Da die Satzung der Beklagten eine Anmeldung vorsah, trat an die Stelle des [X.], bis zu dessen Ablauf sich die Aktionäre vor der Versammlung anzumelden hatten (§ 123 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F.). Dies war der 16. Mai 2007. Die Satzung der Beklagten sah eine Anmeldung bis zum Ablauf des siebten Tages vor der Hauptversammlung vor. Der vom 24. Mai 2007 aus betrachtet siebte Tag vor der Hauptversammlung war mit dem 17. Mai 2007 - [X.] Himmelfahrt - ein bundesweit und damit auch am Sitz der Beklagten gesetzlich anerkannter Feiertag, so dass an seine Stelle der zeitlich vorangehende 16. Mai 2007 trat (§ 123 Abs. 4 [X.] a.F.).

Vom 16. Mai 2007 aus 30 Tage zurück gerechnet lag der 16. April 2007. Im Gegensatz zum Tag der Hauptversammlung bzw. dem nach § 123 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F. maßgebenden Anmeldeschluss war der Tag der Einberufung mitzuzählen (vgl. [X.], [X.] 8. Aufl. § 123 Rdn. 14; [X.] in [X.]/Stilz, § 123 Rdn. 2; [X.].[X.]/[X.] Aufl. § 123 Rdn. 3 ff.; [X.] in Bürgers/Körber, [X.] § 123 Rdn. 13; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Aktienrechts, 8. Aufl. [X.]. 9 Rdn. 58;Geßler/[X.], [X.] Stand März 2010, § 123 Rdn. 3; [X.], [X.] 2010, 165; [X.], AG 2005, 716, 718; ders. [X.], 649, 651; so schon zum alten Rechtszustand MünchKomm[X.]/Kubis 2. Aufl. § 123 Rdn. 7; a.[X.] in [X.]/Ziemons/Binnewies, Handbuch der AG, Stand 4/2009 § 123 Rdn. 10, 183; dies. in [X.], [X.] § 123 Rdn. 34; Repgen, [X.] 2006, 121, 128 f.). § 107 [X.] 1937 sah explizit vor, dass sowohl der Tag der Einberufung als auch der Tag der Hauptversammlung nicht mitzurechnen seien. Im Aktiengesetz von 1965 fehlte eine Regelung, weil nach Ansicht des Gesetzgebers nach der Fristenregelung im [X.] ohnehin der Tag der Einberufung nicht mitzurechnen sei (Begründung [X.] zum [X.] 1965, vgl. [X.], Textausgabe des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 mit Materialien, S. 172). Da § 123 Abs. 4 [X.] i.d.F. des [X.] im Gegensatz dazu aber ausdrücklich nur noch den Tag der Hauptversammlung von der Zählung ausschloss, war der Tag der Einberufung mitzuzählen (vgl. [X.], AG 2005, 716, 717 f.). Das entspricht auch dem Willen der Verfasser des [X.] zum [X.] (vgl. BT-Drucks. 15/5092 S. 14). Außerdem wäre die Regelung in § 123 Abs. 4 2. Halbsatz [X.] a.F. sonst nicht verständlich. Wenn der Tag des [X.] nicht mitrechnen würde, hätte nicht geregelt werden müssen, dass beim Fristende am Sonnabend an die Stelle dieses Tages der vorangehende Werktag tritt, da ohne Mitrechnung des [X.] von vorneherein am Freitag hätte einberufen werden müssen ([X.] in Bürgers/Körber, [X.] § 123 Rdn. 13).

Goette                                  Strohn                               Reichart

                  Drescher                               [X.]

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 16. August 2010 erledigt worden.

Meta

II ZR 105/09

31.05.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 17. März 2009, Az: 5 U 9/08, Urteil

§ 123 Abs 1 AktG vom 22.09.2005

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2010, Az. II ZR 105/09 (REWIS RS 2010, 6270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6270


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II ZR 105/09

Bundesgerichtshof, II ZR 105/09, 16.08.2010.

Bundesgerichtshof, II ZR 105/09, 31.05.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 391/18

I ZR 167/16

III ZB 37/12

II ZR 206/08

II ZR 206/08

II ZR 105/09

I ZR 7/21

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