Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. I ZB 8/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17715

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Gegenstand

Schiedsgerichtliches Verfahren: Verstoß gegen den ordre public durch Nichtbeachtung zwingender Vorschriften für Vertragsärzte; Richten in eigener Sache durch Festsetzung des Streitwerts


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 16. Januar 2015 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 28.124,57 €

Gründe

1

I. Die [X.]en sind Radiologen. Der Antragsgegner hat keine Kassenzulassung und ist ausschließlich als Privatarzt tätig. Die Antragsteller behandeln sowohl Privat- als auch Kassenpatienten. Aufgrund eines [X.]s vom 16. August 2006 schloss sich der Antragsgegner zunächst mit den Antragstellern zu 1 und 2 zur gemeinsamen Berufsausübung zusammen. Der Antragsteller zu 3 trat der Gemeinschaftspraxis durch Vertrag vom 25. Mai 2007 bei. Dem [X.] ist als Anlage ein Schiedsvertrag beigefügt.

2

Nachdem der Antragsgegner am 18. Oktober 2010 den [X.] fristlos gekündigt hatte, erhob er [X.], die auf eine Verpflichtung der Antragsteller gerichtet war, an der Erstellung von Jahresabschlüssen für die Jahre 2006 bis 2010 mitzuwirken. Der Antragsgegner behauptet, die bisher vorgelegten Abschlüsse seien nicht entsprechend den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen erstellt worden, so dass ihm im Ergebnis höhere Beträge zustünden.

3

Durch Schiedsspruch vom 10. Mai 2014 hat das Schiedsgericht die [X.] abgewiesen und dem Antragsgegner die Kosten des Schiedsverfahrens auferlegt. Die den Antragstellern vom Antragsgegner zu erstattenden Kosten hat das Schiedsgericht durch Berichtigungsbeschluss vom 28. Mai 2014 auf 28.124,57 € zuzüglich der noch nachzuweisenden Kosten der Rechtsverteidigung festgesetzt.

4

Nachdem die Antragsteller den Antragsgegner erfolglos zur Kostenerstattung aufgefordert hatten, haben sie die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beantragt. Das [X.] hat dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

5

II. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten [X.] nicht durchgreifen und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).

6

1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der Rechtsstreit werfe die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, ob § 33 [X.] und § 73 Abs. 7 SGB V eine Gewinnverteilungsregelung in einem Gesellschaftsvertrag zum Betrieb einer Gemeinschaftspraxis verbieten, die nicht zwischen privat- und vertragsärztlichen Umsätzen unterscheidet. Auf diese Frage käme es im vorliegenden Rechtsstreit nur an, wenn ein solches Verbot Teil des inländischen ordre public wäre, so dass die Nichtbeachtung des Verbots durch das Schiedsgericht der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gemäß § 1060 Abs. 1 und 2 ZPO in Verbindung mit § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO entgegenstünde. Das hat das [X.] mit zutreffenden Erwägungen verneint.

7

a) Die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs widerspricht nur der öffentlichen Ordnung (ordre public), wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der zu vollstreckende Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu [X.] Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Dabei stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung des Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des [X.] Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 17/08, [X.] 2008, 768 Rn. 5 = [X.] 2009, 66).

8

b) Nach diesem Maßstab liegt im Streitfall ein Verstoß des Schiedsspruchs gegen den inländischen ordre public nicht vor.

9

Die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ist eine Rechtsverordnung und damit eine unter dem einfachen Gesetz stehende Rechtsquelle. Das spricht dagegen, dass hier die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens geregelt werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein unterstellter Verstoß gegen eine Vorschrift, die allein die Zulassungsbedingungen für Vertragsärzte bestimmt und sich dementsprechend ausschließlich an diese Berufsgruppe richtet, in untragbarem Widerspruch zu den [X.] Gerechtigkeitsvorstellungen stehen kann. Dabei ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass nach den [X.] Gerechtigkeitsvorstellungen Gesellschafter, die sich zu gemeinsamer Berufsausübung zusammenschließen, grundsätzlich Fragen der Gewinnverteilung einvernehmlich unter sich regeln können. Dass dies aufgrund von Gesetz- oder Verordnungsrecht aus bestimmten Erwägungen des Allgemeinwohls in gewissen regulierten Bereichen anders sein mag, bedeutet nicht, dass derartige Sonderregelungen zu einem wesentlichen Grundsatz des [X.] Rechts werden.

Die Vorschrift des § 73 Abs. 7 SGB V, die für Vertragsärzte ein Verbot der Zuweisung von Versicherten gegen Entgelt enthält, und die Verweisung auf diese Vorschrift in § 33 Abs. 2 und 3 Ärzte-ZV sind erst am 1. Januar 2012 in [X.] getreten. Die Beachtung dieses gesetzlich erst ab dem [X.] geregelten Verbots konnte jedenfalls für die Gewinnverteilung in einer Ende 2010 aufgelösten Gemeinschaftspraxis noch nicht Teil des inländischen ordre public sein. Im Übrigen gehört eine berufsrechtliche Vorschrift, die ein Verbot der Zuweisung von Versicherten gegen Entgelt enthält, nicht zu den wesentlichen Grundlagen des [X.] Rechts.

2. Das [X.] hat das rechtliche Gehör des Antragsgegners nicht im Zusammenhang mit dessen Vortrag zu § 33 Ärzte-ZV verletzt. Es hat dieses Vorbringen vielmehr in dem Umfang berücksichtigt, wie es von seinem zutreffenden Rechtsstandpunkt aus darauf ankam.

3. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist dem [X.] auch kein zulassungsrelevanter Rechtsfehler unterlaufen, indem es in der Streitwertbemessung durch das Schiedsgericht keinen der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs entgegenstehenden Aufhebungsgrund erkannt hat. Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend die Rechtsprechung des [X.] wiedergegeben und auf den Streitfall richtig angewendet.

Danach stellt es kein unzulässiges Richten in eigener Sache dar, wenn das Schiedsgericht im Rahmen seiner nach § 1057 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung den Streitwert des schiedsgerichtlichen Verfahrens festsetzt, auch wenn die Vergütung der Schiedsrichter [X.] ist. Eine solche Streitwertfestsetzung kann damit Grundlage der Kostenerstattungsansprüche der obsiegenden [X.] gegen die unterlegene [X.] sein ([X.], Beschluss vom 28. März 2012 - III ZB 63/10, [X.]Z 193, 38 Rn. 10), um die es bei der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vorliegend geht. Im Verhältnis der [X.]en zueinander ist eine solche Streitwertfestsetzung durch das Schiedsgericht verbindlich. Im Hinblick auf das Verbot des [X.] in eigener Sache kann sie allerdings keine Wirkungen für die [X.] zwischen dem Schiedsgericht und den [X.]en oder zwischen den [X.]en und ihren Prozessbevollmächtigten entfalten ([X.]Z 193, 38 Rn. 10). Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen.

III. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s auf Kosten des Antragsgegners (§ 97 Abs. 1 ZPO) als unzulässig zu verwerfen.

Büscher                       Schaffert                             Kirchhoff

                   Koch                           Feddersen

Meta

I ZB 8/15

14.01.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 16. Januar 2015, Az: 19 Sch 13/14, Beschluss

§ 1057 ZPO, § 1059 Abs 2 Nr 2 Buchst b ZPO, § 1060 Abs 1 ZPO, § 1060 Abs 2 ZPO, § 73 Abs 7 SGB 5, § 33 Abs 2 ZO-Ärzte, § 33 Abs 3 ZO-Ärzte

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. I ZB 8/15 (REWIS RS 2016, 17715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17715


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 8/15

Bundesgerichtshof, I ZB 8/15, 14.01.2016.


Az. 19 Sch 13/14

Oberlandesgericht Köln, 19 Sch 13/14, 16.01.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 8/15

Zitiert

III ZB 17/08

III ZB 63/10

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