Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2019, Az. V ZR 271/18

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 2194

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT UNTERLASSUNG BUNDESGERICHTSHOF (BGH) LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN EIGENTUM WOHNUNGSEIGENTÜMERGEMEINSCHAFT (WEG)

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Gegenstand

Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Unterlassung der Nutzung einer vermieteten Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb


Leitsatz

1. Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.

2. Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit im Falle einer Nutzung, die der in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.

3. Die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisverkaufsstelle (Eisdiele) mit Bestuhlung verstößt gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf; bei typisierender Betrachtung stört diese Nutzung jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des [X.] vom 27. September 2018 wird auf Kosten des Beklagten zu 3 zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der [X.] zu 3 ist Mieter einer im Erdgeschoß gelegenen [X.], die im Eigentum der am Revisionsverfahren nicht beteiligten [X.]n zu 1 und 2 steht. In einer in der notariellen Teilungserklärung enthaltenen Regelung über die Nutzung der Einheit wird diese als „Laden“ bezeichnet. Der [X.] zu 3 (nachfolgend [X.]r) betreibt darin eine Eisverkaufsstelle, in der er neben Eis auch Kaffeespezialitäten und Erfrischungsgetränke anbietet. In den Räumlichkeiten und auf der Fläche davor stehen Stühle und Tische. Auf den Tischen liegen Speisekarten aus. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 1. November 2016 wurde der Beschluss gefasst, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung der [X.] als Eisdiele zu beauftragen.

2

Das Amtsgericht hat der gegen den [X.]n gerichteten Klage auf Unterlassung der Nutzung der [X.] als Gastronomiebetrieb, insbesondere als Eisdiele, stattgegeben. Seine hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will der [X.] die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 178 veröffentlich ist, meint, der Beklagte sei aus § 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Nutzung der Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb, insbesondere als [X.], zu unterlassen. Eine solche Nutzung könne unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht unter den Begriff des Ladens subsumiert werden, wie er als Zweckbestimmung in der Teilungserklärung für diese Räumlichkeiten vorgesehen sei. Von dem Betrieb eines Ladens könne nicht mehr gesprochen werden, wenn nicht nur Getränke und Speisen zum Verkauf angeboten würden, sondern sich die Besucher auch zum Verzehr dieser Lebensmittel in den dafür eingerichteten Räumen aufhielten und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, etwa durch eine Bestuhlung, zum Verweilen eingeladen würden. Dann stehe nicht mehr der Verkauf, sondern der gleichzeitige Genuss bzw. Verbrauch der angebotenen Waren im Vordergrund, was mit einer verstärkten Kommunikation der Kunden einhergehe. Bei einer typisierenden Betrachtung verursache diese Nutzung eine größere Störung als die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung.

4

Der Beklagte sei hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs als Mieter der Einheit passivlegitimiert. Zwar werde die Bindung des Mieters an eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung des Sondereigentums teilweise verneint, weil eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer nur im Verhältnis zwischen ihnen wirke, nicht aber gegenüber [X.]. Richtigerweise werde durch eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter aber, wie in § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] vorgesehen, der Inhalt des Sondereigentums bestimmt. Diese dingliche Rechtsposition wirke im Sinne eines absoluten Rechts gegenüber jedermann. Die Vermietung könne keine Auswirkung auf den Inhalt des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums haben. Anderenfalls könnte der [X.] durch die Vermietung seine Gebrauchsbefugnis faktisch erweitern und vereinbarte Beschränkungen umgehen.

II.

5

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis und im überwiegenden Teil der Begründung stand.

6

1. Zu Recht sieht das Berufungsgericht die Klage als zulässig an. Für Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück besteht nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s zwar keine geborene [X.] des Verbands gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2014 - [X.], [X.], 327 Rn. 6), und zwar auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner - wie hier - ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist ([X.], Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.], [X.], 231 Rn. 8 mwN). Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aber [X.] oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 3 [X.] durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 [X.] an sich ziehen und ist dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem [X.] ([X.], Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.], [X.], 231 Rn. 9). Das ist hier mit dem am 1. November 2016 gefassten Beschluss geschehen.

7

2. Im Ergebnis zu Recht bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch der Wohnungseigentümer gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Unterlassung der Nutzung der von ihm gemieteten Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb.

8

a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Wohnungseigentümer gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit im Falle einer Nutzung, die der - wie hier - in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB haben. Dies ist allerdings umstritten.

9

aa) Nach weit überwiegender Ansicht können die [X.] von dem Mieter eines anderen [X.]s jedenfalls dann nach § 1004 Abs. 1 BGB verlangen, dass er eine Nutzung des Sondereigentums unterlässt, die einer vereinbarten Zweckbestimmung widerspricht, wenn diese Vereinbarung in das Grundbuch eingetragen ist. Begründet wird diese Auffassung zumeist damit, dass eine solche Zweckbestimmung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] den Inhalt des Sondereigentums bestimme und daher auch gegenüber dem Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit wirke (vgl. [X.], NJW-RR 1992, 1492, 1493 f.; [X.], NJW-RR 1993, 24, 25; [X.], NJW-RR 1993, 981; [X.], [X.] 1994, 59; KG, [X.] 2005, 441, 442; [X.], [X.] 2010, 36; [X.]/Suilmann, [X.], 14. Aufl., § 13 Rn. 138 f.; § 15 Rn. 84; BeckOGK/[X.], [X.] [1.8.2019], § 13 Rn. 93; Hügel/[X.], [X.], 2. Aufl., § 15 Rn. 76; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 15 [X.] Rn. 56; Kümmel/[X.] in [X.]/Vandenhouten, [X.], 12. Aufl., § 14 Rn. 34 f.; [X.] in [X.], [X.], 6. Aufl., § 13 Rn. 33; § 15 Rn. 129; [X.] in [X.]/Then, [X.], 3. Aufl., § 15 Rn. 22; [X.]/[X.], BGB [2018], § 13 [X.] Rn. 50; [X.], [X.] zwischen Wohnungseigentums- und Mietrecht, 2006, [X.] f.; [X.]/[X.], [X.], 321, 323 f.; [X.], [X.], 154 f.; [X.], [X.], 289, 293; [X.], [X.] 2012, 70, 73; [X.], [X.] 2013, 196, 199; [X.], [X.], 493, 496). Teilweise wird darüber hinausgehend angenommen, dass die [X.] nach § 1004 Abs. 1 BGB von dem Mieter eines anderen [X.]s auch die Einhaltung von mehrheitlich beschlossenen [X.]en verlangen können, weil der Vermieter dem Mieter keine weitergehenden Rechte übertragen könne, als er selbst habe ([X.], NJW-RR 1993, 981; [X.], [X.] 2012, 290; [X.] [X.]/[X.] [1.8.2019], § 14 Rn. 122; [X.], [X.] 2013, 196, 198 f.).

bb) Nach anderer Ansicht binden Vereinbarungen der Wohnungseigentümer - und erst Recht (Mehrheits-)Beschlüsse - nur diese selbst, nicht aber Dritte. Es führe zu einer unzulässigen Ausdehnung absoluter Rechte, wenn aus Vereinbarungen Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB gegen Dritte abgeleitet würden. Die Eintragung einer Vereinbarung im Grundbuch habe nach § 10 Abs. 3 [X.] nur den Zweck, Sondernachfolger der [X.] zu binden, mache den Inhalt der Vereinbarung aber nicht zum absoluten Recht mit dinglicher Wirkung gegen Dritte (vgl. [X.], [X.], 153, 154; [X.]/[X.], [X.] [X.], 3. Aufl., [X.]. 9; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 13 Rn. 5; [X.], [X.], 176; Kümmel, [X.] 2008, 273, 276; [X.], [X.], 105, 107).

cc) Die Frage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. In einer das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter betreffenden Entscheidung ist der [X.], ohne die Frage zu entscheiden, davon ausgegangen, dass [X.] bei einer der Zweckbestimmung widersprechenden Nutzung einer Einheit durch einen Mieter einen direkten Anspruch gegen diesen auf Unterlassung dieser Nutzung haben (vgl. [X.], Urteil vom 29. November 1995 - [X.], NJW 1996, 714 unter 2.a). Der [X.] hat die Frage zuletzt offengelassen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.] 2015, 773 Rn. 13). Er entscheidet sie nun im Ergebnis im Sinne der erstgenannten Ansicht.

(1) Als Anspruchsgrundlage für den unmittelbaren Anspruch eines [X.]s gegen den Mieter eines anderen [X.]s auf Unterlassung einer bestimmten Nutzung der angemieteten Einheit kommt, da Ansprüche aus § 15 Abs. 3 [X.] auf Einhaltung einer [X.] den Eigentümern nur im Innenverhältnis bei unzulässigem Gebrauch durch andere Eigentümer gegen diese zustehen können (vgl. [X.], Urteil vom 18. November 2016 - [X.], [X.] 2017, 193 Rn. 24), nur § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht. Der Anspruch setzt somit voraus, dass der Mieter das Eigentum des [X.]s beeinträchtigt, der die Unterlassung begehrt. Diese Vor-aussetzung ist ohne weiteres gegeben, wenn der Mieter das Gemeinschaftseigentum in einer Weise nutzt, die einer von den Eigentümern - gleich ob durch Vereinbarung oder durch Beschluss - getroffenen [X.] widerspricht. Mit der Nutzung des Gemeinschaftseigentums nimmt der Mieter das Miteigentum aller Eigentümer in Anspruch. Hierzu ist er nur deshalb berechtigt, weil jeder [X.] - vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 12. April 2019 - [X.], NJW 2019, 2083 Rn. 17 ff.) - nach § 13 Abs. 1 [X.] zur Vermietung seines Sondereigentums befugt ist und diese Befugnis auch die Übertragung der Berechtigung zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 13 Abs. 2 [X.] umfasst ([X.]/Suilmann, [X.], 14. Aufl., § 13 Rn. 38). Der Mieter übt folglich in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum eine von seinem Vermieter als Miteigentümer abgeleitete Befugnis zur Inanspruchnahme des auch fremden Miteigentums an dem Grundstück aus, die nicht weiterreichen kann, als die Befugnis des Eigentümers, der sie dem Mieter im Rahmen des Mietverhältnisses einräumt (vgl. [X.], [X.] 2012, 70, 73).

Das Recht des [X.]s zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums besteht gemäß § 13 Abs. 2 [X.] nur nach Maßgabe der §§ 14, 15 [X.]. Er kann folglich dieses Recht dem Mieter nur dergestalt übertragen, dass dieser - wie der [X.] selbst - zum Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums unter Einhaltung der [X.]en nach § 15 [X.] berechtigt ist (vgl. auch § 14 Nr. 2 [X.] und hierzu [X.], Urteil vom 16. Mai 2014 - [X.], [X.] 2014, 356 Rn. 11). Allein aufgrund und im Umfang dieser Übertragung sind die übrigen Wohnungseigentümer verpflichtet, die Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch den Mieter zu dulden (§ 14 Nr. 3 [X.], § 1004 Abs. 2 BGB). Verstößt der Mieter gegen eine für das Gemeinschaftseigentum getroffene [X.], überschreitet er seine Befugnis zu dessen Nutzung und beeinträchtigt - selbst wenn ihm der vermietende Eigentümer diese Nutzung gestattet haben sollte - unmittelbar das Eigentum aller anderen Eigentümer (siehe allgemein zur Eigentumsbeeinträchtigung durch den unbefugten Gebrauch einer fremden Sache [X.]/[X.], BGB [2012], § 1004 Rn. 24). Die Wohnungseigentümer haben daher gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene [X.] verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.

(2) Geht es hingegen um die zweckwidrige Nutzung einer Sondereigentumseinheit durch einen Mieter, ist die Rechtslage auf den ersten Blick eine andere, weil der Mieter das Miteigentum der übrigen Wohnungseigentümer insoweit nicht in Anspruch nimmt und es folglich an einer unmittelbaren Beeinträchtigung ihres Eigentums zu fehlen scheint. Gleichwohl haben die Wohnungseigentümer in dieser Konstellation einen unmittelbaren Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Mieter auf Unterlassung der gegen die Zweckbestimmung verstoßenden Nutzung der Einheit.

(a) Durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in der Teilungserklärung, z.B. als Laden, wird die zulässige Nutzung dieser Einheit beschränkt, wenn es sich - wie hier - um eine Regelung im Sinne einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handelt. Eine solche betrifft nicht die sachenrechtliche Zuordnung, die nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein kann, sondern dient der Regelung der Innenbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander, ist also Teil der Gemeinschaftsordnung, die ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer bildet (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2019 - [X.], [X.], 338 Rn. 11 mwN). Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander regeln, entfalten allerdings zunächst nur Wirkung zwischen diesen; sie sind schuldrechtlicher, nicht dinglicher Natur.

(b) Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander können aber gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] nach den Vorschriften des 2. und 3. Abschnittes des Wohnungseigentumsgesetzes, namentlich durch die Eintragung in das Grundbuch nach § 10 Abs. 3 [X.] zum Inhalt des Sondereigentums gemacht und auf diese Weise „verdinglicht“ werden (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2011 - [X.], [X.], 676 Rn. 13; Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 53 Rn. 23). Enthält die Teilungsvereinbarung (§ 3 Abs. 1 [X.]), die nach § 4 Abs. 1 [X.] in das Grundbuch einzutragen ist, für eine Sondereigentumseinheit eine Zweckbestimmung, die vorgibt, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf, wird hierdurch der Inhalt des Sondereigentums an dieser Einheit ausgestaltet. Dies gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] ebenso, wenn die Zweckbestimmung in der Teilungserklärung durch den teilenden Eigentümer vorgegeben wird, da die Teilungserklärung ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von dem teilenden Eigentümer nicht mehr einseitig geändert werden kann, einer Vereinbarung gleichsteht (vgl. [X.], Beschluss vom 13. September 2000 - [X.], [X.], 3643, 3644 unter 2.; Urteil vom 15. Januar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 667 Rn. 5), oder wenn die Wohnungseigentümer die Zweckbestimmung aufgrund einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Öffnungsklausel durch Beschluss ändern, da ein solcher Beschluss die Änderung einer Vereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 [X.] zum Gegenstand hat (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2019 - [X.], NJW 2019, 2083 Rn. 5 sowie zu den Voraussetzungen und Grenzen einer solchen Änderung Rn. 13 ff., zur Veröff. in [X.]Z bestimmt).

(c) Die auf diese Weise bewirkte inhaltliche Ausgestaltung des Sondereigentums führt allerdings nicht dazu, dass die Zweckbestimmung selbst den Charakter eines absoluten Rechts erhält und dingliche Wirkung gegenüber jedermann entfaltet. Obwohl eine Zweckbestimmung als Inhalt des Sondereigentums auch gegenüber den Sondernachfolgern eines Wohnungseigentümers wirkt - sei es nach § 10 Abs. 3 [X.], sei es über die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Öffnungsklausel i.V.m. § 10 Abs. 4 [X.] -, wird sie hierdurch nicht zu einem dinglichen Recht, sondern betrifft unmittelbar nur das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (zutreffend Hügel, [X.] [2019] 363, 365). Insoweit sind der rechtliche Charakter und die rechtliche Wirkung der Vereinbarungen über den Inhalt des Sondereigentums nach § 5 Abs. 4 [X.] vergleichbar mit Vereinbarungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten über den Inhalt des Erbbaurechts nach § 2 [X.]. Die nach dieser Vorschrift zulässigen Vereinbarungen haben, wenn sie in das Grundbuch eingetragen werden, zwar insofern dingliche Wirkung, als sie für und gegen jeden Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten gelten (vgl. [X.], Urteil vom 6. November 2015 - [X.], [X.]Z 207, 334 Rn. 18). Die Vereinbarung stellt aber kein dingliches Recht dar; sie entfaltet Wirkung nicht gegenüber jedermann, sondern allein im Verhältnis zwischen dem (jeweiligen) Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten (vgl. [X.], 7. Aufl., § 2 [X.] Rn. 6 sowie [X.]/[X.], Immobilienrecht, 2. Aufl., § 2 [X.] Rn. 5 f.).

(d) Gleichwohl stellt die Nutzung der Sondereigentumseinheit durch den Mieter, die der für diese Einheit vereinbarten Zweckbestimmung widerspricht, eine Beeinträchtigung des Eigentums der übrigen Wohnungseigentümer dar. Der in § 903 Satz 1 BGB enthaltene Grundsatz, wonach der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren kann, gilt nach § 13 Abs. 1 [X.] auch für das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers. Das Sondereigentum ist gesetzlich als echtes Eigentum i.S.v. § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2019 - [X.], NJW 2019, 2083 Rn. 16, zur Veröff. in [X.]Z bestimmt). Anders als sonstiges Eigentum kann es aber auch durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer, etwa durch eine Zweckbestimmung, näher ausgestaltet werden und hat dann den vereinbarten Inhalt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 321, 324 mwN; [X.] in [X.], [X.], 6. Aufl., § 13 Rn. 33; Hügel, [X.] [2019] 363, 365). Durch diese inhaltliche Ausgestaltung des Sondereigentums wird die Befugnis des [X.]s, sein Eigentum nach Belieben zu nutzen, im Verhältnis zu den anderen [X.]n beschränkt. Diese Beschränkung der Rechte aus dem Sondereigentum vermittelt den übrigen [X.]n spiegelbildlich als Inhalt ihres Sondereigentums und des Miteigentums am Grundstück das Recht, ihr Sondereigentum unter Ausschluss eines zweckwidrigen Gebrauchs einer anderen Einheit zu nutzen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 321, 324; [X.], [X.] 1993, 148, 149 f.). Die der Zweckbestimmung widersprechende Nutzung einer Sondereigentumseinheit stellt sich damit als (mittelbare) Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer dar, und zwar auch dann, wenn sie nicht durch den [X.], sondern durch dessen Mieter erfolgt ([X.] [X.]/[X.] [1.8.2019], § 14 Rn. 122). Diese Beeinträchtigung müssen die Wohnungseigentümer nicht dulden, selbst wenn der Mieter vertraglich im Verhältnis zu seinem Vermieter zu einer solchen Nutzung berechtigt sein sollte. Auch insoweit gilt, dass der [X.], von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableitet, diesem nicht mehr an Rechten übertragen kann, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat (vgl. zu diesem Grundsatz [X.], Urteil vom 1. Dezember 2006 - [X.], [X.], 432 Rn. 18).

(e) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Mieter eines [X.]s damit im Ergebnis schlechter steht als ein sonstiger Dritter, der die Sondereigentumseinheit ohne vertragliche Vereinbarung entgegen der vereinbarten Zweckbestimmung nutzt (so aber Kümmel, [X.] 2008, 273, 275). Denn eine vertragslose zweckwidrige Nutzung der Einheit griffe ebenfalls in das Sonder- und Miteigentum der Wohnungseigentümer ein und könnte durch diese nach § 1004 Abs. 1 BGB abgewehrt werden (zutreffend [X.], [X.], 90, 94).

b) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die Nutzung einer Teileigentumseinheit als [X.] (Eisdiele) mit Bestuhlung gegen eine - wie hier - in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung verstößt, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf.

aa) Unter einem Ladenraum werden Geschäftsräume verstanden, in denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten werden, bei denen aber der Charakter einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund steht. Den Betrieb einer Gaststätte umfasst dies regelmäßig nicht ([X.], Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 53 Rn. 20).

bb) Ob dies für jede Art von [X.] gleichermaßen gilt, namentlich auch für solche, bei denen ausschließlich Eis über einen Tresen hinweg verkauft wird, ohne dass die Möglichkeit besteht, dieses unmittelbar in oder vor der [X.] zu verzehren, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisdiele mit Bestuhlung verstößt gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf. Durch das Aufstellen von Stühlen und Tischen wird der Kunde zum Verweilen und zum Verzehr der angebotenen Waren vor Ort eingeladen. Der Kunde wird zum Gast. Wie bei einer Gaststätte steht nicht mehr der bloße Verkauf von Eis sowie ggf. Kaffeespezialitäten und anderen Getränken im Vordergrund, sondern der Genuss bzw. Verbrauch dieser Speisen und Getränke vor Ort und die Kommunikation mit anderen Gästen.

c) Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts, die nach der Zweckbestimmung ausgeschlossene Nutzung der in Rede stehenden Teileigentumseinheit als Eisdiele mit Außenbestuhlung sei nicht deshalb zulässig, weil sie nicht mehr störe als eine nach der Teilungserklärung gestattete Nutzung als Laden.

aa) Eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung kann sich als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 2010 - [X.], NJW 2010, 3093 Rn. 16; Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 53 Rn. 21).

bb) Bei typisierender Betrachtung stört die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisdiele jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen. Schon der Verzehr der angebotenen Speisen und Getränke außerhalb einer Eisdiele ist regelmäßig mit Geräuschen verbunden, die bei dem bloßen Erwerb von Waren innerhalb eines Ladengeschäfts nicht entstehen, etwa mit dem Klappern von Geschirr und dem Rücken von Stühlen. Vor allem aber entsteht durch die Kommunikation der Gäste untereinander - die auch dann zu erwarten ist, wenn lediglich ein Verkauf nach außen erfolgt, weil dieser zu Stoßzeiten üblicherweise dazu führt, dass sich [X.] bilden - eine Geräuschkulisse, die bei einem Ladengeschäft, das die Kunden lediglich zum Erwerb von Waren aufsuchen und danach wieder verlassen, üblicherweise nicht entsteht. Hinzu kommt, dass [X.] vor allem bei sommerlichem Wetter und dabei wiederum vornehmlich an den Wochenenden besonders stark frequentiert werden (vgl. [X.], 267), d.h. zu Zeiten, zu denen typischerweise auch die Wohnungseigentümer zuhause sind und sich auf Balkonen aufhalten bzw. ihre Fenster geöffnet haben, so dass die von den Gästen der Eisdiele erzeugte Geräuschkulisse für die Wohnungseigentümer verstärkt wahrnehmbar ist.

cc) Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte der Behauptung des Beklagten nachgehen müssen, die aufgestellten Tische und Stühle seien reine Sitzgelegenheiten, regelmäßig beträten die Kunden die Eisdiele, bestellten Eis, bezahlten dieses und verließen die Eisdiele sodann wieder, hat sie hiermit keinen Erfolg, da eine typisierende Betrachtungsweise maßgeblich ist. Für diese kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Kunden die vorhandenen Sitzgelegenheiten tatsächlich zum Verweilen, zum Verzehr [X.] und zur Unterhaltung nutzen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

[X.]     

      

Meta

V ZR 271/18

25.10.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 27. September 2018, Az: 2-13 S 138/17, Urteil

§ 1004 Abs 1 BGB, § 5 Abs 4 S 1 WoEigG, § 13 Abs 1 WoEigG, § 13 Abs 2 WoEigG, § 15 Abs 1 WoEigG, § 15 Abs 3 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2019, Az. V ZR 271/18 (REWIS RS 2019, 2194)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 84-86 REWIS RS 2019, 2194

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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