Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.12.2014, Az. 8 B 47/14

8. Senat | REWIS RS 2014, 158

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Gegenstand

Zur Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung nach Antragsänderung im Berufungsverfahren; Präjudizinteresse bei Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts


Leitsatz

1. Für die Frage, ob nach einer Antragsänderung im Berufungsverfahren nach § 130a VwGO i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK (juris: MRK) eine - weitere - mündliche Verhandlung erforderlich ist, kommt es nicht auf die prozessrechtliche Einordnung der Antragsänderung als Klageänderung oder Änderung des Streitgegenstandes an, sondern darauf, ob dadurch neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht relevante Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich werden.

2. Hebt die beklagte Behörde im Verwaltungsprozess den angefochtenen Verwaltungsakt auf, genügt ein etwa damit verbundenes Anerkenntnis seiner Rechtswidrigkeit jedenfalls dann nicht, das Präjudizinteresse für die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage auszuschließen, wenn das Anerkenntnis nicht unmissverständlich und vorbehaltlos auch bezüglich des Staatshaftungsprozesses erklärt wird.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides, mit dem ihr die Beklagte die Vermittlung von Sportwetten an einen privaten Wettanbieter mit Sitz auf [X.] verboten hatte. Die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid nach gerichtlichem Hinweis auf die Rechtsprechung zur Unionsrechtswidrigkeit des [X.] [X.] unter dem Glücksspielstaatsvertrag alter Fassung (GlüStV 2008) und nach Anhörung zur Entscheidung im [X.] (§ 130a [X.]) aufgehoben, sinngemäß einer allfälligen Erledigungserklärung der Klägerin im Voraus zugestimmt und sich für diesen Fall bereit erklärt, die Verfahrenskosten zu tragen. Die Klägerin hat daraufhin ihre Klage auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Nach erneuter Anhörung zu einer Entscheidung nach § 130a [X.] - diesmal zulasten der Klägerin - hat das Oberverwaltungsgericht deren Berufung mit dem angegriffenen Beschluss zurückgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

2

Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin, die ausschließlich Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.] geltend macht, hat Erfolg. Der angegriffene Beschluss beruht auf dem gerügten Verstoß gegen § 130a [X.] und der daraus folgenden, sinngemäß geltend gemachten Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 [X.]). Unabhängig davon beruht er auch auf dem gleichfalls gerügten verfahrensfehlerhaften Verneinen eines [X.]s der Klägerin gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.].

3

1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a [X.] entschieden (a). Dadurch hat es das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (b).

4

a) Mit der Entscheidung durch Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht die rechtlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nach § 130a [X.] überschritten. Es hat übersehen, dass eine mündliche Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 der [X.] zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.]) geboten war.

5

§ 130a Satz 1 [X.] stellt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in das Ermessen des Berufungsgerichts, wenn dieses die Berufung einstimmig für begründet oder unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Bei der Ausübung dieses Ermessens hat das Berufungsgericht Art. 6 Abs. 1 [X.] mit dem Inhalt, den die Vorschrift in der Entscheidungspraxis des [X.] gefunden hat, vorrangig zu beachten (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 [X.]N 9.98 - BVerwGE 110, 203 <210 ff.> zur Beachtlichkeit - auch - im Rahmen des § 47 Abs. 5 Satz 1 [X.]; zu § 130a [X.] vgl. Beschlüsse vom 25. September 2003 - BVerwG 4 [X.] - [X.] 140 Art. 6 [X.] Nr. 9 unter 1.3.2 und vom 4. August 2005 - BVerwG 4 B 42.05 - [X.] 140 Art. 6 [X.] Nr. 10 unter 2.d).

6

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das u.a. über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden hat. Die Norm gilt nicht nur für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, sondern auch für verwaltungsgerichtliche Verfahren wie das vorliegende (stRspr, vgl. Urteil vom 16. Dezember 1999 a.a.[X.] ff.; Beschluss vom 17. August 2004 - BVerwG 6 B 49.04 - juris Rn. 6). Sie verlangt nach ständiger, auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] entwickelter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren mindestens einmal die Gelegenheit erhalten, zu den entscheidungserheblichen Rechts- und Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. Wurde in erster Instanz - wie hier - eine mündliche Verhandlung durchgeführt, kann eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren entbehrlich sein, wenn der tatsächliche Streitstoff bereits durch das Urteil des [X.] aufbereitet war und im Berufungsverfahren auf dieser Grundlage nur noch über Rechtsfragen gestritten wird (Beschluss vom 25. September 2003 a.a.[X.] f.). Daran fehlt es beispielsweise bei einer Änderung des Streitgegenstandes (Beschlüsse vom 10. September 1998 - BVerwG 8 B 102.98 - [X.] 401.9 Beiträge Nr. 40 unter 2. und vom 25. September 2003 a.a.[X.]; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: [X.]/[X.]/Bier, [X.], [X.], Stand März 2014, § 130a Rn. 3 m.w.N. in [X.]. 24).

7

Daraus folgt allerdings nicht, dass eine Änderung der Prozesslage durch den Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage schon deshalb keine mündliche Verhandlung erfordern könnte, weil die Antragsumstellung prozessrechtlich nicht als Klageänderung und nicht als Änderung des Streitgegenstandes behandelt wird. Nach Art. 6 Abs. 1 [X.] ist nicht die prozessrechtliche Einordnung der Antragsumstellung entscheidend, sondern vielmehr, ob sie erstmals Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich werden lässt, auf die es zuvor nicht ankam und die deshalb im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht in mündlicher Verhandlung zu erörtern waren. In diesem Fall müssen die Beteiligten die Gelegenheit erhalten, sich zu den neuen entscheidungserheblichen Fragen in einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu äußern (vgl. Beschluss vom 10. September 1998 a.a.[X.] unter 2. = juris Rn. 7; Meyer-Ladewig/Rudisile, a.a.[X.] und [X.]/[X.], [X.], 20. Aufl. 2014, § 130a Rn. 2 m.w.N.). Das gilt für neue Rechtsfragen ebenso wie für neue Tatsachenfragen, weil zu beidem rechtliches Gehör in [X.] Form zu gewähren ist. Für die Beurteilung der [X.]keit muss ebenso wie bei der Prüfung sonstiger Verfahrensmängel von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ausgegangen werden.

8

Danach durfte das Berufungsgericht hier nicht gegen den Willen der Klägerin im [X.] nach § 130a [X.] entscheiden, weil es nach der Erledigung des Anfechtungsbegehrens im Berufungsverfahren erstmals darauf ankam, ob die Aufhebungserklärung der Beklagten ein [X.] der Klägerin ausschloss. [X.] wurde damit erstmals auch die Frage, ob ein rechtskräftiges Fortsetzungsfeststellungsurteil der Klägerin im anhängigen Staatshaftungsprozess nach § 121 Nr. 1 [X.] weitergehende Vorteile verschaffen könnte als das vom Berufungsgericht angenommene konkludente Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit. Darüber hinaus hatte die Klägerin eine neue erhebliche Tatsache vorgetragen und unter Beweis gestellt, nämlich die telefonische Ablehnung eines expliziten Eingeständnisses der Rechtswidrigkeit durch die Beklagte wegen möglicher Nachteile im Staatshaftungsprozess. Sie war auch nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz geeignet, Zweifel daran zu wecken, ob im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung (noch) ein verbindliches, die zivilgerichtliche Beurteilung der Rechtswidrigkeit präjudizierendes Anerkenntnis vorlag. Zu diesen Fragen in einem Verhandlungstermin Stellung zu nehmen, durfte das Oberverwaltungsgericht der Klägerin nicht verweigern. Auf die Rüge, die Beteiligten hätten [X.] nach § 130a [X.] angehört werden müssen, kommt es danach nicht mehr an.

9

b) Die fehlerhafte Anwendung des § 130a [X.] hat einen Verstoß gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 [X.] und damit gleichzeitig eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf rechtliches Gehör zur Folge, auf der die angegriffene Entscheidung wegen § 138 Nr. 3 [X.] auch beruht (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 [X.] 28.03 - BVerwGE 121, 211 <221>).

2. Das Oberverwaltungsgericht hat überdies unzutreffend das [X.] und das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin verneint.

a) Das Verkennen des berechtigten Feststellungsinteresses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.] stellt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 133 Abs. 2 Nr. 3 [X.] dar (Beschluss vom 4. Juli 1968 - BVerwG 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113>; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 132 Rn. 104 und Rn. 110 vorletzter Punkt).

In Bezug auf die Geltendmachung von [X.] gegen die Beklagte ist das Berufungsgericht unzutreffend davon ausgegangen, das von ihm angenommene verbindliche konkludente Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides durch die Beklagte lasse ein [X.] der Klägerin entfallen. Ob seine Auslegung der Prozesserklärung der Beklagten als Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit die Auslegungsregeln entsprechend §§ 133, 157 BGB richtig anwendet, ist hier nicht zu erörtern, da die Prüfung von Verfahrensmängeln von der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen hat. Auch auf der Grundlage dieser Auslegung ist aber prozessrechtlich zu beanstanden, dass die Anforderungen, die das Berufungsgericht an den Inhalt und die Verbindlichkeit eines das [X.] ausschließenden Anerkenntnisses stellt, hinter den Anforderungen zurückbleiben, die sich aus § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.] und der dazu bisher ergangenen Rechtsprechung ergeben.

Bei Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts eröffnet § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.] die Fortsetzungsfeststellungsklage, damit der Kläger nicht ohne Not um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht wird, solange die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts seine Position verbessern kann (Urteile vom 28. April 1967 - BVerwG 4 [X.] 163.65 - [X.] 310 § 113 [X.] Nr. 36 S. 64 <66> und vom 24. Oktober 1980 - BVerwG 4 [X.] 3.78 - BVerwGE 61, 128 <135>). Da die Vorschrift die Zurücknahme des Verwaltungsakts als Beispiel einer solchen Erledigung nennt, erfordert auch die Rücknahme wegen Rechtswidrigkeit eine Prüfung des [X.]s im konkreten Fall (vgl. Urteil vom 15. März 1977 - BVerwG 1 [X.] 27.75 - juris Rn. 26 f.). Entscheidungen, denen zufolge ein solches Interesse bei Aufhebung des Verwaltungsakts wegen Rechtswidrigkeit regelmäßig fehlt (Beschlüsse vom 5. September 1984 - BVerwG 1 [X.] 131.82 - BVerwGE 76, 258 <260> und vom 23. November 1995 - BVerwG 8 PKH 10.95 <8 [X.] 9.95> - juris LS 2 und Rn. 6), schließen ein berechtigtes Feststellungsinteresse in solchen Fällen nicht kategorisch aus. Sie beschreiben vielmehr das Ergebnis seiner konkreten, auch in diesen Entscheidungen vorgenommenen Prüfung in der Mehrzahl der Fälle. Hat die Behörde die Rechtswidrigkeit erkannt, wird in der Regel kein wiederholter Erlass einer gleichartigen Verfügung drohen. Ein Rehabilitierungsinteresse kann durch das ausdrückliche oder unmissverständliche Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit im Aufhebungsbescheid (vgl. Urteil vom 15. März 1977 a.a.[X.] Rn. 27; Beschluss vom 5. September 1984 a.a.[X.] S. 260 f.) und durch die Rückabwicklung den Kläger stigmatisierender Folgeentscheidungen beseitigt worden sein (vgl. Beschluss vom 23. November 1995 a.a.[X.]). Soweit der Beschluss vom 5. September 1984 (a.a.[X.] S. 261) in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.] ein [X.] für von vornherein ausgeschlossen erklärt, ist er durch die Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 3 in die [X.] - [X.]O - (vgl. Art. 5 Nr. 15 des Gesetzes vom 31. Juli 2008, [X.] 1629) und die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung überholt (vgl. Beschlüsse vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 [X.] 17.08 - [X.] 449.7 § 36 [X.] Nr. 1 Rn. 41 und vom 25. März 2010 - BVerwG 1 [X.] 42.09 - [X.] 450.1 § 19 [X.]O Nr. 3 Rn. 19 f.).

Bei der Prüfung, ob die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit auch das [X.] entfallen lässt, sind die Vorteile zu berücksichtigen, die sich aus der [X.] der begehrten verwaltungsgerichtlichen Feststellung gemäß § 121 [X.] für den Betroffenen ergeben. Im Staatshaftungsprozess wie in anderen gerichtlichen Verfahren ist die [X.] von Amts wegen zu beachten; sie schließt eine erneute und erst recht eine abweichende Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Bescheides aus (vgl. Urteil vom 23. November 1999 - BVerwG 9 [X.] 16.99 - BVerwGE 110, 111 <116>). Ein behördliches Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit kann das [X.] an deren rechtskräftiger Feststellung deshalb nur entfallen lassen, wenn das Anerkenntnis dem Betroffenen im Folgeprozess eine Rechtsposition verschafft, die durch die rechtskräftige Feststellung nicht mehr verbessert würde (vgl. Beschluss vom 23. November 1995 a.a.[X.] Rn. 6 a.E.; Urteil vom 23. Januar 2007 - BVerwG 1 [X.] 1.06 - juris Rn. 18 f.).

Unter welchen Umständen dies zu bejahen wäre, muss hier nicht abschließend geklärt werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, es genüge ein Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit - nur - im Verwaltungsprozess, weil abweichendem Prozessvortrag im zivilgerichtlichen Verfahren der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden könne, lässt jedenfalls einen Grad an Verbindlichkeit genügen, der hinter dem nach § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.] erforderlichen zurückbleibt. Die Begründung der Aufhebungsverfügung vermittelt keine der Rechtskraftbindung vergleichbare Verbindlichkeit, da die Zivilgerichte an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsakts mangels gesetzlicher Grundlage für eine Feststellungswirkung nicht gebunden sind (vgl. [X.], Urteile vom 24. März 1971 - [X.] - LM Nr. 5 zu § 437 BGB = juris Rn. 23, vom 15. November 1990 - [X.] - [X.]Z 113, 17 und vom 4. Februar 2004 - [X.] - [X.], 2268 <2269>; BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 [X.] 22.06 - [X.] 232 § 47 [X.] Nr. 3 = juris Rn. 12). Ein Ausschluss des [X.]s kommt deshalb nicht in Betracht, wenn die Behörde das Eingeständnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht ausdrücklich oder jedenfalls unmissverständlich sowie vorbehaltlos auch bezüglich des Staatshaftungsprozesses erklärt hat. Es genügt also nicht, dass die Aufhebung des Verwaltungsakts als Anerkenntnis seiner Rechtswidrigkeit verstanden werden kann. Vielmehr muss jede andere Deutung ausscheiden (vgl. Beschluss vom 23. November 1995 a.a.[X.]; ebenso für den Wegfall des [X.]: Urteil vom 15. März 1977 a.a.[X.] Rn. 27). Insbesondere muss ausgeschlossen sein, dass die Aufhebung nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht oder lediglich prozesstaktisch darauf abzielt, eine rechtskräftige, für Folgeprozesse präjudizielle Entscheidung zu verhindern. Ohne eine vorbehaltlose Erklärung des Anerkenntnisses auch in Bezug auf den Zivilprozess, die die Rechtswidrigkeit und die dafür maßgebenden Tatsachen dort unstreitig stellt, ist noch nicht einmal eine Annäherung an die [X.] zu erreichen.

Der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Maßstab bleibt hinter diesen Anforderungen zurück; er trägt damit den Vorteilen einer [X.] nach § 121 [X.] nicht ausreichend Rechnung. Der angegriffene Beschluss fordert weder ein ausdrückliches oder unmissverständliches noch ein vorbehaltloses Anerkenntnis auch bezüglich des Staatshaftungsprozesses. Deshalb übersieht er die [X.]keit des unter Beweis gestellten neuen Tatsachenvortrags der Klägerin zur telefonischen Ablehnung eines ausdrücklichen Anerkenntnisses der Rechtswidrigkeit durch die Beklagte gerade wegen möglicher Nachteile im Staatshaftungsverfahren. Für die Verbindlichkeit des Anerkenntnisses lässt er genügen, dass die Klägerin einem Bestreiten der Rechtswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren das im Verwaltungsprozess abgegebene konkludente Anerkenntnis und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entgegenhalten könnte. Dieser materiell-rechtliche Einwand wäre mangels rechtskräftigen [X.]s aber ebenso wie die Rechtswidrigkeit der Untersagung (erneut) vom Zivilgericht zu prüfen, das auch nicht an die verwaltungsgerichtliche Würdigung der Aufhebungserklärung gebunden wäre. Wegen des damit verbundenen [X.] würde die Klägerin die Früchte ihrer Prozessführung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einbüßen. Der Regelungszweck des § 113 Abs. 1 Satz 4 [X.], die prozessökonomische Klärung präjudizieller verwaltungsrechtlicher Fragen im bereits weitgehend geförderten anhängigen Prozess zu ermöglichen, wird dadurch ebenfalls verfehlt.

Die Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin durch die [X.] lässt sich auch nicht durch den Hinweis auf eine im Staatshaftungsprozess geäußerte vorläufige materiell-rechtliche Rechtsauffassung des [X.] entkräften. Der Einwand, das Zivilgericht werde sich jedenfalls an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit des [X.] und zur Unzulässigkeit eines nachträglichen Austauschs wesentlicher Ermessenserwägungen orientieren, reicht dazu gleichfalls nicht aus. Das [X.] hätte die Rechtswidrigkeit des konkreten Verwaltungsakts - und nicht nur des [X.] - zum Gegenstand. Es schlösse auch eine nachträgliche Rechtfertigung der Untersagung im Zivilprozess, etwa unter Berufung auf eine Ermessensreduzierung aus monopolunabhängigen Gründen, aus.

Ein [X.] wegen der Geltendmachung von [X.] gegen die Beklagte wäre danach nur zu verneinen, wenn deren Einklagen offensichtlich aussichtslos wäre. Davon ist die Vorinstanz nicht ausgegangen. Insbesondere hat sie offengelassen, ob der angegriffene Bescheid durch eine verbindliche Weisung gedeckt war, und ob deshalb statt der Beklagten allenfalls das [X.] als Staatshaftungsschuldner in Betracht kommt. Auf die Frage, ob in diesem Fall ein [X.] auch bezüglich des Prozesses gegen das Land bestünde, kommt es daher nicht an.

b) Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin durfte die Vorinstanz ebenfalls nicht verneinen. Aus den oben dargelegten Erwägungen geht hervor, dass das begehrte Fortsetzungsfeststellungsurteil durchaus geeignet ist, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern.

Der angegriffene Beschluss beruht nicht nur auf dem Verstoß gegen § 130a [X.], sondern unabhängig davon auch auf dem Verkennen des [X.]s und des allgemeinen [X.], da die Zurückweisung der Berufung auf die Unzulässigkeit der Klage, und diese auf das Verneinen der beiden Sachentscheidungsvoraussetzungen gestützt wurde.

Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat gemäß § 133 Abs. 6 [X.] von der Möglichkeit Gebrauch, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Meta

8 B 47/14

18.12.2014

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 21. März 2014, Az: 4 A 78/08, Beschluss

§ 130a VwGO, § 113 Abs 1 S 4 VwGO, Art 6 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.12.2014, Az. 8 B 47/14 (REWIS RS 2014, 158)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 158

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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12 BV 23.725

12 B 19.1648

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