Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2015, Az. V ZR 269/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 290

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:181215UVZR269.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
269/14
Verkündet am:

18. Dezember 2015

Weschenfelder

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 1061 S. 1, 1055, 1065, 985, 1004; ZPO §§ 767, 768
a)
Der Eigentümer eines [X.] wird mit dem Erlöschen des Nieß-brauchs nicht Rechtsnachfolger des [X.].
b)
Die Beendigung des Nießbrauchs führt grundsätzlich zu einem Erlöschen der ge-gen einen [X.] bestehenden Ansprüche des [X.] gemäß §
1065 [X.]. §§
985, 1004 [X.] auf Herausgabe der [X.] oder Störungs-beseitigung.
Ausnahmsweise können solche Ansprüche bestehen bleiben, wenn der ehemalige Nießbraucher durch die Einwirkung des [X.] an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gegenüber dem Eigentümer be-stehenden Pflichten gehindert wird; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ansprüche gegen den [X.] vor der Beendigung des Nießbrauchs bereits
rechtshängig ge-worden oder tituliert worden sind.

[X.], Urteil vom 18. Dezember 2015 -
V [X.] -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Weinland, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger werden die
Urteile des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 19.
November 2014 ([X.]. 1 [X.]; 1 U 16/14) im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger zurückge-wiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

W.

W.

(fortan: Nießbraucher) übertrug im Jahr 1995 sein Grundstück auf die [X.] zu 2 und 3, seine beiden Söhne. Im Gegenzug räumten diese ihm hieran einen Nießbrauch ein. Gegenüber der [X.] zu 1
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1, ihrer Mutter und Ehefrau des [X.], bewilligten sie einen durch den Tod des [X.] aufschiebend bedingten Nießbrauch.

In der Folgezeit erstritt der Nießbraucher die -
rechtskräftigen -
Urteile
des Landgerichts [X.] vom 18. März 2003 und vom 17. April 2007, welche die Kläger zur Herausgabe einer mit einem Überbau bebauten Teilfläche des [X.] sowie zur Beseitigung des Überbaus verpflichten
(vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2004 -
V [X.], [X.]Z 157, 301, und Urteil vom 30. Mai 2008 -
V [X.], NJW 2008, 3122). [X.] verstarb der Nießbraucher. Die
[X.] zu 1 bis 3
sind seine Erben. Ihnen wurde eine mit einer Rechtsnachfolgeklausel versehene vollstreckbare Ausfertigung der Titel
erteilt.

Mit der [X.] und [X.] wollen die Kläger erreichen, dass die von den [X.] zu 1 bis 3 betriebene Zwangs-vollstreckung aus den beiden Urteilen für unzulässig erklärt wird. Das Landge-richt hat
den
Klagen
gegen die Beklagte zu 1 stattgegeben, sie hinsichtlich der [X.] zu 2 und 3 hingegen abgewiesen. Das [X.] hat die Berufungen
der Kläger und der [X.] zu 1 zurückgewiesen. Mit ihren Revi-sionen
gegen beide Entscheidungen des [X.]s verfolgen die Klä-ger gegenüber den [X.] zu 2 und 3 ihre
Klageziele
weiter. Diese beantra-gen die Zurückweisung der Revisionen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 23.
Oktober 2015 die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und
Entschei-dung verbunden.

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-
Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Klagen, soweit sie sich ge-gen die [X.] zu 2 und 3 richten, unbegründet. Zwar erlösche der Nieß-brauch gemäß § 1061 Satz 1 [X.] mit dem Tod des [X.] und sei damit unvererblich. Das schließe aber den Fortbestand des Nießbrauchs ge-genüber den [X.] zu 2 und 3 in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des vormals belasteten
Grundstücks nicht aus. Der Nießbrauch erlösche insoweit nicht, sondern falle
an
den Eigentümer zurück. Aufgrund des [X.] sei der Grundstückseigentümer Rechtsnachfolger des verstorbenen [X.]. Dieses Ergebnis entspreche auch dem Rechtsgedanken des §
889 [X.].
Im Übrigen wäre es ein ungerechtfertigter Formalismus, den Grundstückseigentü-mer bei Versterben des nießbrauchsberechtigten Titelgläubigers darauf zu [X.], die ihm als Eigentümer unter denselben Prämissen zustehenden [X.] aus
§§ 985,
1004 [X.] erneut gerichtlich geltend zu machen. Der Heimfall des Nießbrauchs an die [X.] zu 2 und 3 sei auch nicht auf den Tod der [X.] zu 1 hinausgeschoben. Diese habe ihr jetziges Nießbrauchs-recht nicht durch Erbschaft erworben, sondern von den [X.] zu 2 und 3.

II.

Die Revision
ist
begründet. Sie führt
zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nicht frei von [X.] sieht das Berufungsgericht die Klauselge-genklagen

768 ZPO) als unbegründet an.
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-

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die [X.] zu
2 und 3 nicht in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des vormals belasteten Grundstücks Rechtsnachfolger des verstorbenen [X.] geworden.

aa) Der Nießbrauch ist nicht -
wie das Berufungsgericht meint -
auf die Bekl

(1) Bereits der Wortlaut von § 1061 Satz 1 [X.] schließt einen Übergang des Nießbrauchs auf den Eigentümer bei Versterben des [X.] aus, indem er bestimmt, dass der Nießbrauch mit dem Tod des
[X.] er-lischt. Ein Übergang des Nießbrauchs auf den Eigentümer scheitert somit [X.], dass der Nießbrauch nicht mehr besteht (vgl. [X.]/[X.], 3. Aufl., §
1030 Rn. 5).

(2) bei
Tod des [X.] entspricht auch nicht -
wie das Berufungsgericht meint -
dem Rechtsgedanken des § 889 [X.]. Nach dieser Vorschrift erlischt ein Recht an einem fremden Grundstück nicht dadurch, dass der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem [X.] erwirbt. Die
Vorschrift macht zwar deutlich, dass dem Gesetz ein Aus-schluss des Bestehens dinglicher Rechte an eigenen Grundstücken fremd ist. Daher kann ein Grundstückseigentümer einen Nießbrauch auch für sich selbst bestellen (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 -
V [X.], [X.]Z 190, 267 -
vorgelagerte -
Frage, ob nach dem Tod des [X.] noch ein Recht besteht, das auf den Eigentümer übergehen kann, wird von § 889 [X.] aber nicht beantwortet. Vielmehr setzt die Vorschrift voraus, dass der Eigentümer das dingliche Recht, hier den Nieß-7
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r-den. Einen Rechtsgedanken, nach dem bei Erlöschen des dinglichen Rechts an einem Grundstück stets eine Vereinigung mit dem Eigentum erfolgt, enthält §
889 [X.] nicht.

(3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gebieten Sinn und Zweck der Regelung des § 1061 [X.] nicht eine einschränkende Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass der Nießbrauch mit dem Tod des [X.] nur im Verhältnis zu dem Erben erlischt, im Verhältnis zu dem Eigentümer da-gegen bestehen bleibt und an diesen
zurückfällt. Eine solche (teleologische) Reduktion einer Vorschrift nach ihrem Zweck ist geboten, wenn der [X.] nicht alle Konsequenzen der von ihm gewählten Gesetzesfassung bedacht hat und ihre wortgetreue Anwendung das gesetzgeberische Ziel deutlich verfeh-len würde (Senat, Urteil vom 18. Juli 2014 -
V [X.], [X.], 335 Rn.
14). Von einer Verfehlung der gesetzgeberischen Intention kann hier nicht ausgegangen werden. Wie §
1059 [X.] trägt auch die Vorschrift des § 1061 [X.] der Tatsache Rechnung, dass der Nießbrauch eine Vertrauensstellung
des [X.] begründet und der Eigentümer deshalb nicht gezwungen sein soll, Dritte als Nießbraucher zu akzeptieren (MüKo-[X.]/[X.], 6.
Aufl., § 1061 Rn. 1). Dieses Ziel wird durch die Anordnung des Erlöschens des Nießbrauchs bei Tod des [X.] erreicht. Es wäre zwar auch dann nicht gefährdet, wenn man -
wie das Berufungsgericht -

ö-schen des [X.] im Verhältnis zu den Erben, nicht aber gegenüber dem Eigentümer annähme. Dies allein vermag jedoch nicht die Annahme einer Verfehlung des gesetzgeberischen Ziels zu begründen. Die Rückübertragung der dinglichen Rechtsposition des [X.] auf den Eigentümer ist nicht erforderlich, da die Einräumung des Nießbrauchs die dingliche Rechtsposition des Eigentümers unberührt lässt und das im Nießbrauch verdinglichte [X.]
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zungsrecht mit Ende des Nießbrauchs dem Eigentümer ohne weiteres wieder als Inhaltsbestandteil des Vollrechts Eigentum

zusteht.

bb) Die [X.] zu 2 und 3 sind hinsichtlich der
titulierten Herausgabe-
und [X.] aus § 1065 [X.]. §§ 985,
1004 [X.] auch nicht aus sonstigen Gründen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des
Nießbrauchs-grundstücks Rechtsnachfolger nach dem Nießbraucher geworden.

(1) Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Eigentümer der belasteten Sache sei Rechtsnachfolger des verstorbenen [X.] ([X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 727 Rn. 25; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 727 Rn. 10; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 239 Rn. 27; [X.]/[X.], ZPO, § 239 Rn. 6; BeckOK-ZPO/Jaspersen, § 239 [Stand: 1.6.2015] Rn. 32; [X.]/[X.], [X.] [2009], § 1061 Rn.
17; [X.]/Stürner, [X.], 13. Aufl., § 1061 Rn. 4). Zur Begründung wird aber lediglich auf eine Entscheidung des [X.]s
Celle (Rpfleger 1953, 82 f.) [X.], das den Grundstückseigentümer
in Bezug auf einen von dem verstor-benen Nießbraucher
mit einem [X.] geschlossenen Pachtvertrag als Rechts-nachfolger des [X.] bezeichnet hat. Hierbei hat das Oberlandesge-richt
Celle allerdings verkannt, dass der Eigentümer
von Gesetzes wegen (§
1056 [X.]) in
einen solchen Vertrag eintritt, ohne dass dies eine Rechts-nachfolge nach dem Nießbraucher bedeutet (Senat, Urteil vom 20.
Oktober
1989 -
V [X.], [X.]Z 109, 111, 114; [X.], Urteil vom 29.
Januar
1970 -
VII ZR 34/68, [X.]Z 53, 174, 179).

(2) Richtigerweise
wird der Eigentümer mit dem Erlöschen des Nieß-brauchs nicht Rechtsnachfolger des
[X.] hinsichtlich der diesem ge-genüber [X.] gemäß §
1065 [X.] zustehenden Herausgabe-
oder Beseiti-12
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gungsansprüche aus §§
985, 1004 [X.] (zur Rechtsnachfolge des [X.] in die Rechtsstellung des Eigentümers vgl. Senat, Beschluss vom 26. März 2014 -
V [X.], NJW 2014, 1740). Der Eigentümer leitet die [X.] aus §§ 985,
1004 [X.] nicht von dem Nießbraucher ab. Nicht erst das [X.] versetzt ihn in die Lage, solche Rechte geltend zu machen; vielmehr hat der Eigentümer auch während des Bestehens des Nieß-brauchs
gegen Dritte eigene, aus seiner Eigentümerstellung folgende [X.], die -
wenn auch mit gewissen Modifikationen (vgl. MüKo-[X.]/[X.], 6. Aufl.,
§ 1065 Rn. 7) -
grundsätzlich neben denen des [X.] aus §
1065 [X.] bestehen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 -
V
ZR 244/09, NJW 2010, 2341 Rn. 8). Diese Ansprüche können, weil Nießbraucher und [X.] nach allgemeiner Auffassung keine notwendigen Streitgenossen sind ([X.]/[X.], [X.] [2009], §
1065 Rn. 9;
MüKo-[X.]/[X.], 6. Aufl., §
1065 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 1065 Rn. 1; vgl. allerdings auch [X.]/[X.], [X.] [2009], §
1042 Rn. 8), ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nehmen. Das Erlöschen des Nießbrauchs hat auch nicht zur Folge, dass der Eigentümer die dem Nießbraucher gegen einen [X.] zustehenden Rechte aus § 1065 [X.]. §§ 985,
1004 [X.] zusätzlich zu den Eigentümerrech-

Es bleibt vielmehr bei dem Nebeneinander der Ansprüche von Eigentümer und Nießbraucher; soweit die Ansprüche des [X.] nicht auf dessen Erben übergehen (dazu unter 1
b
bb), erlöschen sie.

(3) Überlegungen zur Schutzbedürftigkeit des Eigentümers rechtfertigen
kein anderes Ergebnis. Dem Eigentümer
steht es
jederzeit offen, die neben den Ansprüchen des [X.] bestehenden eigenen Ansprüche aus §§ 985,
1004 [X.] selbständig
geltend zu machen. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Eigentümer, sähe man ihn als Rechtsnachfolger nach dem [X.]
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9
-
cher an, auch an ein Urteil zu Lasten des [X.] gebunden wäre; dass dies nicht seinen Interessen entspricht, liegt auf der Hand.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich eine Rechtsnachfolge der [X.] zu 2 und 3 in die titulierten Ansprüche aber aus deren Stellung als Erben des [X.] ergeben.

aa) Zwar ist der Nießbrauch -
wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht -
als solcher nicht vererblich, da er gemäß § 1061 Satz 1 [X.] mit dem Tod des [X.] erlischt. Die Beendigung des Nießbrauchs, gleichviel ob sie aufgrund Todes des [X.], durch Ablauf einer zeitlichen Befris-tung
oder aufgrund einer einverständlichen Aufhebung (§ 1062 [X.]) eintritt, führt grundsätzlich zu einem Erlöschen auch der Ansprüche des [X.] auf Herausgabe der [X.] oder auf Störungsbeseitigung, da diese Ansprüche das weitere Bestehen der Stellung als Nießbraucher voraussetzen
(zum öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch vgl. [X.], NJW 1994, 3244). Ebenso wie die Ansprüche des Eigentümers aus §§ 985, 1004 [X.] un-trennbar mit dem Eigentum verbunden sind (Senat, Urteil vom 23. Februar 1973 -
V [X.], [X.]Z 60, 235, 240; Urteil vom 18. Oktober 2007 -
V [X.], Grundeigentum 2007, 1551), kann auch der Herausgabe-
und Beseitigungsan-spruch des [X.] nicht von dem Nießbrauch getrennt werden. Der Herausgabe-
und Beseitigungsanspruch gemäß § 1065 [X.]. §§
985, 1004 [X.] dient dem Schutz der dinglichen Rechtsposition des [X.] bei einer vollständigen oder partiellen Verletzung seines Rechts (vgl. Mugdan III
S.
297; BeckOK-[X.]/[X.], Edition
36, § 1065 Rn. 1). [X.] [X.],
hat
er, da er zur Nutzung der [X.] nicht mehr berechtigt ist, grundsätzlich kein rechtlich schützens-16
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-
wertes Interesse daran, einer durch Entziehung oder sonstige Beeinträchtigung hervorgerufenen Verletzung des [X.] weiter zu begegnen.

bb) Ausnahmsweise kann ein gegen einen [X.] gerichteter Herausga-be-
oder Beseitigungsanspruch des [X.] aber auch nach Beendigung des Nießbrauchs bestehen
bleiben, wenn der ehemalige Nießbraucher
durch Einwirkungen des [X.] auf die [X.] an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gegenüber dem [X.] bestehenden Pflichten gehindert wird; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ansprüche gegen den [X.] vor der Beendigung des Nießbrauchs bereits rechtshängig geworden oder tituliert worden sind.

(1) Mit der Nießbrauchsbestellung entsteht zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis ([X.]/[X.], [X.] [2009], Vorbem.
zu §§ 1030 ff. Rn. 6). Dieses erlischt nicht mit der Beendigung des Nießbrauchs. Vielmehr wandelt es sich in ein gesetzliches Rückabwicklungsschuldverhältnis um
([X.]/[X.], [X.] [2009], § 1055 Rn. 1). Ist die Beendigung des Nießbrauchs aufgrund Todes des [X.] eingetreten, gehen die Rechte und Pflichten des [X.] aus dem ge-setzlichen Schuldverhältnis auf dessen Erben über (MüKo-[X.]/[X.], 6.
Aufl., § 1061 Rn. 12). Als Bestandteil des gesetzlichen Rückabwicklungs-schuldverhältnisses normiert § 1055 [X.] eine Rückgabepflicht des [X.] gegenüber dem Eigentümer. Der Nießbraucher -
bzw. sein Erbe, auf den der Besitz an dem [X.] gemäß § 857 [X.] übergeht -
hat die [X.] grundsätzlich in dem Zustand zurückzugeben, der [X.] Bewirtschaftung unter Aufrechterhaltung der bisherigen wirt-schaftlichen Bestimmung entspricht (Soergel/Stürner, [X.], 13. Aufl., § 1055 Rn. 2).
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-
(2) Wird der Nießbraucher an der Erfüllung seiner Rückgabepflichten aus §
1055 Abs. 1 [X.] durch Einwirkungen Dritter auf die [X.]
ge-hindert, sei es durch deren vollständige Entziehung, sei es durch deren partielle Beeinträchtigung, können ihm gegen den [X.] ausnahmsweise weiterhin die Rechte aus §
1065 [X.]. §§ 985, 1004 [X.] zustehen. Das durch § 1065 [X.] geschützte Interesse des [X.], Beeinträchtigungen des Nießbrauchs-rechts abzuwehren, gründet sich auf das durch die Bestellung des Nießbrauchs entstandene gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbrau-cher
und verändert durch die Umwandlung des Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis lediglich seine Zielrichtung. Während der Nieß-braucher für die Dauer des [X.] ein rechtlich schutzwürdiges In-teresse daran hat, die [X.] frei von Störungen durch Dritte zu nutzen, und er daher Verletzungen des [X.] unterbinden kann, kann er (bzw. -
im Fall des §
1061 Satz 1 [X.] -
sein Erbe) nach Beendigung des Nießbrauchs ein in gleicher Weise schutzwürdiges Interesse daran
haben, an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis folgenden Pflichten gegenüber dem Eigentümer nicht durch Einwirkungen Drit-ter auf die [X.] gehindert zu werden.
[X.] in einem sol-chen
Fall niemals Herausgabe-
oder [X.] des [X.] gegen den [X.], könnte er seine Rückgabeverpflichtung nicht erfüllen, müsste dem Eigentümer deshalb Schadensersatz leisten und wäre gehalten, den [X.] seinerseits auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Ein [X.] Grund, ihn auf diesen Weg zu beschränken statt die (weitere) Durchset-zung der sich aus dem Nießbrauch ergebenden Rechte zuzulassen, besteht
jedenfalls in den Fällen
nicht, in denen die Ansprüche gegen den [X.] -
wie hier -
noch während des Bestehen des Nießbrauchs rechtshängig geworden oder tituliert worden sind.

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-
12
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Schutzwürdige Interessen des [X.] sind nicht berührt. Für ihn stellt
es sich als reinen Zufall dar, dass der Nießbraucher stirbt oder das Nießbrauchs-recht infolge Zeitablaufs erlischt; er kann, wenn der Nießbraucher bereits ge-richtliche Schritte in die Wege geleitet hatte,
nicht erwarten, dass sich ein wäh-rend des Bestehens des [X.] begonnener Rechtsstreit
aus die-sem Grund erledigt und
er deshalb seiner Verpflichtung zur Herausgabe des Grundstücks oder zur Störungsbeseitigung
nicht mehr oder nur nach (erneuter) Geltendmachung durch den Eigentümer nachkommen muss.

cc) Entscheidend
ist daher, ob die [X.] zu 2 und 3 als Erben des [X.], dessen Herausgabe-
und [X.] gegen die Kläger bereits vor Beendigung des Nießbrauchs tituliert
waren,
an der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gehin-dert
werden.
Nur dann können die
aus dem dinglichen Recht folgenden [X.] trotz Erlöschens des Rechts ausnahmsweise fortbestehen.
Dies gilt auch für die hier in Rede stehenden Ansprüche. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall zur ordnungsmäßigen
Wirtschaft [X.]. §
1036 Abs.
2 [X.] auch die Beseitigung eines Überbaus gehört
und daher die Verpflichtung aus §
1055 Abs. 1 [X.] die Rückgabe eines nicht überbauten [X.] umfasst.

Ob die Durchsetzung der gegen die Kläger titulierten Herausgabe-
und [X.] des [X.] zur Erfüllung der Rückgabepflicht aus §
1055 Abs. 1 [X.] erforderlich ist, die Ansprüche deshalb trotz [X.] ausnahmsweise weiter bestehen und damit auf die [X.] zu 2 und 3 als seine Erben übergegangen sind, hat das Berufungsge-richt nicht geprüft. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, sich mit den neuen Gesichtspunkten
auseinanderzusetzen und dazu ergänzend vorzutragen.
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2. Auch mit Blick auf die [X.] (§ 767 ZPO) ist die Revision begründet.

Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht beanstandet geht das [X.] allerdings davon aus, dass die Kläger mit dem Einwand der Un-möglichkeit und Unzumutbarkeit der Beseitigung des Überbaus ausgeschlossen sind.
Ob dagegen der von den Klägern erhobene Einwand des Erlöschens der
titulierten Forderungen begründet oder unbegründet ist, hängt -
wie dargelegt -
davon ab, ob es sich im konkreten Fall um einen jener Ausnahmefälle handelt, bei der die Ansprüche des [X.] aus §
1065 [X.] [X.]. §§ 985, 1004 [X.] trotz Beendigung des Nießbrauchs weiterbestehen.
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III.

Nach allem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Man-gels Entscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Weinland

Göbel

Haberkamp

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 21.03.2014 -
8 O 1795/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.11.2014 -
1 [X.]; 1
U 16/14
-

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Meta

V ZR 269/14

18.12.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2015, Az. V ZR 269/14 (REWIS RS 2015, 290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 290

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 269/14

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1 U 16/14

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